TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/04 A4 312163-1/2008

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Veröffentlicht am 04.11.2008
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Spruch

A4 312.163-1/2008/5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Lammer als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Holzschuster als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde des O.J. geb. 00.00.1980, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.05.2007, FZ. 07 00.544-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde von O.J. wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 wird O.J. der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt.

 

III. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 wird O.J. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.1. Der (nunmehrige) Beschwerdeführer, seinen Angaben nach nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am14.01.2007 per Flugzeug in Wien-Schwechat illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 16.01.2007 vor dem Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz i.S.d. § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005. Der Beschwerdeführer wurde am 16.01.207 vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Hiebei gab er im Wesentlichen an, dass er in U. von Sektenmitgliedern aufgefordert worden sei, dieser Sekte beizutreten. Da er Christ sei, wäre für ihn ein Beitritt unmöglich. Nunmehr würden die Mitglieder der Sekte behaupten, dass er ihre Geheimnisse kenne und wollen ihn daher töten. Die Sekte führe Auftragsmorde und Anschläge auf Pipelines durch. Aus Angst um sein Leben habe er beschlossen, sein Heimatland zu verlassen.

 

Zu der am 19.01.2007 vor dem Bundesasylamt durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme führte er weiter aus, dass er wisse, was die Leute des Geheimbundes machten. Deshalb hätten diese auch gewollt, dass er sich ihnen anschließe. Die Angehörigen der Sekte hätten nämlich Angst gehabt, dass er sein Wissen der Polizei weitergebe. Deshalb sei er auch von den Mitgliedern mit dem Tode bedroht worden. Die Polizei hätte ihm gesagt, dass es diese Sekte in ganz Nigeria gäbe. Die Sekte hätte ein Photo von ihm und könnte ihn überall finden. Als ihm ein Polizist im Dezember 2006 gesagt hätte, er sei nirgends sicher, habe er sein Heimatland verlassen.

 

Am 02.05.2007 wurde dem Beschwerdeführer ein zusammengefasster Bericht über die Geheimkulte in Nigeria vorgehalten (siehe erstinstanzlicher Akt Seite 51 bis 53) und wurde der Beschwerdeführer neuerlich niederschriftlich einvernommen. Hiebei wiederholte er im Wesentlichen seine bisher getätigten Angaben.

 

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.05.2007, FZ. 07 00.544-BAG, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und wurde er gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

Das Bundesasylamt versagte dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit.

 

3. Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer fristgerecht und zulässig Beschwerde, in der er sein bisheriges Vorbringen wiederholte.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung erwogen:

 

A. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 (in der Folge: AsylG) hat über die Berufung, die gemäß § 23 AsylGHG nunmehr als Beschwerde zu gelten hat, der Asylgerichtshof zu entscheiden; da keine der in § 61 Abs. 3 AsylG angeführten Ausnahmen vorliegt, hat der Asylgerichtshof in einem Senat von zwei Richtern zu entscheiden.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Der Status eines Asylberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthalts befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn in objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist.

 

Das Bundesasylamt hat in der Begründung des Bescheides vom 08.05.2007, FZ. 07 00.544-BAG, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage hinsichtlich der behaupteten Flüchtlingseigenschaft klar und übersichtlich zusammengefasst und den rechtlich maßgeblichen Sachverhalt in völlig ausreichender Weise erhoben. Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides.

 

Der Beweiswürdigung wurde nicht substantiiert entgegengetreten, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof abgesehen werden konnte, da der maßgebende Sachverhalt durch die Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war (vgl. § 41 Abs. 7, 1. Fall AsylG).

 

Es liegt sohin mangels Glaubwürdigkeit des Vorbringens keine Verfolgung aus den in § 3 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnten Verfolgungsgründen des Art. 1 Abschn. A Z 2 der GFK (Verfolgung aus ¿Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen Gesinnung) vor.

 

Demnach war der Beschwerde auch hinsichtlich der Entscheidung betreffend den Status des Asylberechtigten der Erfolg zu versagen.

 

B. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen

 

oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten demnach insbesondere dann zuzuerkennen - und die Rückschiebung eines Fremden folglich unzulässig - wenn dieser dadurch der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde (Art. 3 EMRK), wenn sein Recht auf Leben verletzt würde (Art. 2 EMRK) oder ihm die Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde (Art. 1 des 13. Zusatzprotokolls zur EMRK).

 

Zu § 8 AsylG 2005 kann die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 Abs. 1 AsylG 1997 iVm § 57 Fremdengesetz 1997 als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist sohin auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in § 50 Abs. 1 FPG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. Vw GH 95/21/0294 vom 26.6.1997). Unter "außergewöhnlichen Umständen" (z.B. fehlende medizinische Behandlung bei lebensbedrohender Erkrankung) können auch von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertretende lebensbedrohende Ereignisse ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen (Urteil des EGMR in D vs. Vereinigtes Königreich vom 2.5.1997).

 

Eine aktuelle konkrete gegen seine Person gerichtete Bedrohung im Sinne von § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen.

 

Es besteht auch kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände" (lebensbedrohende Erkrankung oder dergleichen), die eine Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 unzulässig machen könnten. In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation und hat der Beschwerdeführer im Übrigen weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 darstellen könnte. Es besteht auch kein Anhaltspunkt, dass der arbeitsfähige und gesunde Beschwerdeführer im Fall der Rückführung in eine aussichtslose Situation geraten könnte. Es sind auch keine Bürgerkriegsgefahren im Sinne von § 8 Abs. 1 letzter Satzteil AsylG 2005 ersichtlich.

 

Die Beschwerde erweist sich sohin auch hinsichtlich des Ausspruches über die Nichtgewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten als nicht berechtigt. Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid bezüglich der Refoulement-Entscheidung vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides. Es sind keine Umstände amtsbekannt, dass in Nigeria landesweit eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

 

C. Auch die gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG verfügte Ausweisung erweist sich als rechtsrichtig. Die in § 10 Abs. 2 AsylG normierten Ausnahmetatbestände liegen nicht vor. Es ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer über kein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht verfügt. Es wurde vom Beschwerdeführer keine besondere Beziehungsintensität im Sinne eines Abhängigkeitsverhältnisses zu einer in Österreich lebenden Person behauptet. Die Ausweisung stellt daher keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Familienleben dar.

 

Es sind auch keine Umstände hervorgekommen, die auf eine besondere Integration des Beschwerdeführers in Österreich hindeuten. Der Beschwerdeführer ist erst seit kurzer Zeit in Österreich aufhältig. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die nunmehrige Ausweisung einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellt, so gelangt die erkennende Behörde im Hinblick auf diese Umstände (kein Anhaltspunkt für besondere Integration, erst kurzer Aufenthalt) doch zum Ergebnis, dass die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das wirtschaftliche Wohl des Landes (Verhinderung ungeordneter Zuwanderung) die Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib überwiegen, dies auch deshalb, weil dem Beschwerdeführer bewusst sein musste, dass er nur über eine vorübergehende Aufenthaltsberechtigung für Asylwerber verfügt und das Land im Falle einer negativen Verfahrensbeendigung zu verlassen hat.

 

Von einer mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (§ 41 Abs. 7, 1. Fall AsylG).

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
20.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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