TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/04 A2 402227-2/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2008
beobachten
merken
Spruch

A2 402.227-2/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Filzwieser als Vorsitzenden und den Richter Dr. Druckenthaner als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau Csucker über die Beschwerde des S.I. geb. 00.00.1980, StA. Gambia, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.09.2008, Zl. 05 21.807-BAW WE, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der erstinstanzliche Verfahrensgang ergibt sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesasylamtes. Mit Bescheid vom 26.03.2008, Zahl: 05 21.807-BAW, wies das Bundesasylamt - ohne weitere Verfahrensschritte - den Asylantrag gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1997 idgF ab.

 

2. Dagegen wurde nicht fristgerecht Beschwerde - verbunden mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag gemäß § 71 AVG - eingebracht, welche vom Bundesasylamt mit nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 71 Abs 2 AVG als verspätet zurückgewiesen wurde. Dagegen wurde wiederum rechtzeitig Beschwerde erhoben.

 

II. Über die fristgerecht erhobene Beschwerde hat der Asylgerichtshof in nicht öffentlicher Sitzung wie folgt erwogen:

 

1.1. Im vorliegenden Fall war das AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung anzuwenden. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichthof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005") anzuwenden.

 

1.2. Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß Absatz 3 dieser Gesetzesstelle kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnissen vom 21. November 2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Es spricht nichts dagegen diese Ausführungen auch auf AVG-Verfahren im Zusammenhang mit Asylverfahren (wie im gegenständlichen Fall) zu übertragen. Dabei hat er im letztgenannten Erkenntnis insbesondere ausgeführt:

 

"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundes-asylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen."

 

In Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Abs 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

 

Diese Erwägungen müssen sinngemäß auch für den Asylgerichtshof und in Bezug auf Verfahren nach dem AVG, die im engen Zusammenhang zu Anträgen auf imternationalen Schutz stehen (wie vorliegend), gelten.

 

3. Das Bundesasylamt hat den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als verspätet zurückgewiesen, da der Beschwerdeführer aufgrund einer Ladung im fremdenpolizeilichen Verfahren vom 25. 04.2008 bereits in Kenntnis sein hätte müssen, dass sein Asylantrag abgewiesen worden ist. Die Auszüge aus dem fremdenpolizeilichen Akt (vgl. AS 409-419 BAA) belegen diese Aussage jedoch nicht eindeutig. Sofern als Zweck der Ladung "Sicherung der Ausreise" angegeben ist, kann daraus nicht von vornherein geschlossen werden, dass ein rechtsunkundiger Mensch davon ausgehen muss, dass zwischenzeitig sein Asylverfahren rechtskräftig abgewiesen worden ist, scheint es doch nicht denkunmöglich, dass die Fremdenbehörde bereits vor rechtskräftigen Abschluss eines solchen Verfahrens vorbereitende Maßnahmen trifft. In diesem Zusammenhang wäre es sinnvoll gewesen, den Asylwerber und die ihn betreuende Person beim Verein Ute Bock diesbezüglich zu befragen. Dementsprechendes hatte das Bundesasylamt ja auch veranlasst und ist eine Ladung an die Betreuerin dieses Vereins ergangen. Diesbezüglich befindet sich im Akt jedoch nur der Hinweis, dass diese trotz ausgewiesener Zustellung der Ladung nicht zu der zeugenschaftlichen Befragung erschienen sei (AS 387 BAA). Die Ladungen an den Beschwerdeführer selbst kamen jeweils (als "nicht behoben") zurück. Wären aus Sicht des Bundesasylamtes die Einvernahmen aber entscheidungsnotwendig gewesen, hätten diesbezüglich weitere Anstrengungen, wie zB die Kontaktierung der Betreuerin des Beschwerdeführers über E-Mail (die E-Mail Adresse ist aktenkundig) gesetzt werden müssen.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Entscheidung nach § 71 Abs. 2 AVG einer näheren Begründung hinsichtlich des Wissens um die Abweisung des Asylantrages aufgrund des Schriftverkehrs im fremdenpolizeilichen Verfahren bedurft hätte. Ohne diese Begründung kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Kenntniserlangung, die die Frist des § 71 Abs. 2 AVG zum Laufen bringt, tatsächlich bereits zum vom Bundesasylamt angenommenen Zeitpunkt erfolgt ist. Diesbezüglich sind wie ausgeführt die Einvernahmen des Beschwerdeführers und seiner Betreuungsperson erforderlich und hätte das Bundesasylamt hier weitere Handlungen zu setzen gehabt, ohne dass der Asylgerichtshof damit in Abrede stellt, dass sich Anzeichen für eine mangelnde Mitwirkung am Verfahren aus dem Akt ergeben.

 

Sofern eine Zurückweisung nach § 71 Abs. 2 AVG nicht möglich ist, wird sich die Erstbehörde im fortgesetzten Verfahren mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er die Beschwerde rechtszeitig übergeben hätte, auseinanderzusetzen haben. Dabei würde auch zu beachten sein, dass ein formelles Vertretungsverhältnis nicht vorliegt.

 

4. Das erstinstanzliche Verfahren wurde somit in einer Art und Weise mangelhaft geführt, dass sämtliche Erhebungen, welche grundsätzlich von der Erstbehörde durchzuführen sind, durch den Asylgerichtshof zu tätigen wären.

 

Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes und unter Effizienzgesichtspunkten verbietet sich eine Heranziehung des § 66 Abs 3 AVG. Zusammenfassend ist auszuführen, dass sich der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft darstellt, dass der Asylgerichtshof gezwungen war, gemäß § 66 Absatz 2 AVG vorzugehen.

 

Die Rechtssache war daher spruchgemäß an die Behörde erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Erstbehörde wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten Verfahrensschritte nachzuholen haben, auf deren Basis dann eine rechtlich haltbare Entscheidung über den vorliegenden Antrag ergehen kann.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
19.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten