TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/05 S12 402346-1/2008

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Veröffentlicht am 05.11.2008
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Spruch

S12 402.346-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Maurer-Kober als Einzelrichterin über die Beschwerde des R.A., geb. ungeklärt, StA. Afghanistan, p.A. European Homecare GmbH, Otto-Glöckel-Straße 24, Hauptgebäude, 2514 Traiskirchen, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.10.2008, FZ. 08 05.416, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 Asylgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, (AsylG 2005), stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 23.06.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Eine Eurodac-Abfrage vom selben Tag ergab, dass der Beschwerdeführer am 22.06.2007 in Mytilini (Griechenland) erkennungsdienstlich behandelt wurde und am 16.07.2007 in Patras (Griechenland) einen Asylantrag gestellt hat.

 

Im Rahmen der Erstbefragung am 23.06.2008 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Bundespolizeidirektion Wien, Landespolizeikommando für Wien, in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei am 00.00.1992 geboren, habe sein Heimatland von einem Jahr und zwei Monaten illegal verlassen und sei in den Iran gefahren, wo er sich sechs Monate aufgehalten habe. Dann sei er von einem Schlepper nach Europa gebracht worden, wobei er nicht wisse, in welchen Ländern er gewesen sei, da er die Sprachen nicht zuordnen habe können. Einmal sei er ca. fünf Stunden lang mit einem Gummiboot über das Meer zum Festland transportiert worden. Nach Österreich sei er am heutigen Tag [23.06.2008] aus Italien kommend mit dem Zug eingereist. Dass er in Italien gewesen sei, wisse er nur deshalb, weil ihm andere Afghanen dies gesagt hätten. Dort habe er sich ca. eine Woche lang aufgehalten. Auf seiner Reise habe er zweimal einen längeren, ca. zwei Wochen dauernden, Aufenthalt gehabt. Er sei absichtlich nach Österreich gekommen, weil er gehört habe, dass die Leute hier nett seien und das Land sicher sei. Er sei mit der Absicht eingereist, um Asyl anzusuchen. Auf Vorhalt des Ergebnisses der Eurodac-Anfrage gab er an, er könne sich daran erinnern, dass ihm zwei- oder dreimal Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Er wisse jedoch nicht, in welchem Land dies gewesen sei. Um Asyl habe er sicher nicht angesucht und hätte sich auch nicht verständigen können, da nirgends ein Dolmetsch anwesend gewesen sei. Die Fingerabdrücke seien ihm nach der Bootsfahrt abgenommen worden und hierfür sei er ca. eine Stunde angehalten worden. Er habe sich in einer Gruppe befunden und die Polizei habe Ausweispapiere verlangt. Da er keine gehabt habe, seien ihm die Fingerabdrücke abgenommen, und in der Folge sei er für eineinhalb Monate eingesperrt worden. Nach seiner Entlassung habe er eine Aufforderung erhalten, das Land zu verlassen. In welchem Land er eingesperrt gewesen sei, wisse er nicht. Er habe auch nicht gewusst, dass er in Griechenland gewesen sei. Der Name Griechenland sage ihm auch nichts; dieses Land kenne er nicht. Er habe dort auch nicht um Asyl angesucht. Sein Heimatland habe er verlassen, da er begonnen habe, illegal mit Alkohol zu handeln. Ein Nachbar sei jedoch dahinter gekommen und diesen habe er im Zuge eines Streites verletzt. Daher habe der Nachbar seine illegale Tätigkeit den Behörden verraten und aus diesem Grund werde er von der Polizei gesucht.

 

2. Am 26.06.2008 richtete das Bundesasylamt ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (in der Folge: Dublin II-VO) an die zuständige griechische Behörde.

 

Am 27.06.2008 wurden dem Beschwerdeführer und seinem gesetzlichen Vertreter gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§ 4, 5, 68 Abs. 1 AVG, §29 Abs.3 Z 4 AsylG), da Dublin Konsultationen mit Griechenland seit dem 26.06.2008 geführt würden (vgl. AS 81f; Übernahme durch den Rechtsberater bestätigt).

 

Mit Schreiben vom 14.07.2008 informierte das Bundesasylamt die griechischen Behörden dahingehend, dass gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO nunmehr Griechenland aufgrund Verfristung zuständig geworden sei (vgl. AS 97).

 

3. Am 29.07.2008 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, im Beisein des gesetzlichen Vertreters, RB Mag. Kux, nach erfolgter Rechtsberatung sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass er körperlich und geistig in der Lage sei, die Einvernahme durchzuführen. Zur geplanten Vorgehensweise, ihn nach Griechenland zu überstellen, gab er an, er wolle lieber hierbleiben. Auf die Frage, was einer Ausweisung nach Griechenland entgegenstehe, brachte er vor, er sei in Griechenland dreimal von der Polizei aufgegriffen und dabei seien ihm die Fingerabdrücke abgenommen worden. Ferner sei er eineinhalb Monate in Haft gewesen. Bei seiner dritten Festnahme sei er von der Polizei mit dem Kopf auf das Autodach geschlagen und dabei am Auge verletzt worden. Als er ein Taschentuch auf sein Auge habe legen wollen, sei er mit dem Fuß getreten worden. Dann sei er einen Monat eingesperrt worden. Ein Mädchen im Lager habe ihn ins Spital gebracht, nachdem er erzählt habe, er sei von der Polizei verletzt worden. Im Spital sei er nicht behandelt worden, da er keine Papiere besessen habe. In Griechenland habe er sich ca. fünf bis sechs Monate aufgehalten und die Reise von Griechenland nach Österreich habe ca. 22 bis 25 Tage gedauert. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, dass die Fingerabdrücke bereits vor einem Jahr abgenommen worden seien, gab er an, er habe die Zeitrechnung aus den Augen verloren. In Griechenland sei er in einem privaten Zeltlager, nicht in einem Flüchtlingslager untergebracht gewesen. Über das Vorgehen der Polizei habe er sich nicht beschwert, da er die Sprache nicht könne und anderen, die sich beschwert hätten, hätte es nichts gebracht. Seit damals würden seine Augen schmerzen und er sehe auf diesem Auge schlechter. Wenn er daran denke, schlafe er auch schlecht. Der Rechtsberater legte im Rahmen dieser Einvernahme einen Bericht über die UNHCR-Forderung "Stopp für Dublin-Transfers nach Griechenland" vom 16.04.2008, eine Presseerklärung von Pro Asyl vom 15.05.2008 betreffend die Aussetzung der Überstellung einer afghanischen Flüchtlingsfamilie nach Griechenland durch das VG Gießen, die Petition von Pro Asyl vom 21.02.2008 an den Deutschen Bundestag, ein Schreiben der norwegischen Asylbehörde vom 25.01.2008 und das UNHCR Positionspapier vom 15.04.2008 vor. Weiters beantragte der Rechtsberater eine psychologische Untersuchung.

 

4. Am 14.08.2008 langte beim Bundesasylamt der augenärztliche Befund von Dr. S.N. ein, demzufolge der Beschwerdeführer an Glaskörperdestruktion, Myopie Astigmatismus, Blepharitis und Meibomitis, jeweils beidseitig, leide.

 

Am 22.08.2008 erfolgte die Untersuchung zur gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren durch Dr. I.H., die zu dem Schluss kam, dass beim Beschwerdeführer eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung, nämlich eine relativ milde Anpassungsstörung, vorliege. Der Überstellung nach Griechenland würden hingegen keine schweren psychischen Störungen entgegenstehen, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würden.

 

Am 04.09.2008 wurde der Beschwerdeführer von Dr. A.K.K. zwecks Feststellung seines Alters untersucht. In dem als "Gutachten bezüglich der Altersangabe" titulierten Schreiben wurden Größe, Gewicht, Geschlecht, Körperbau, Hautfarbe, Kopfumfang, Anzahl der Zähne, Art der Behaarung, Farbe der Nägel und das Ergebnis einer Sonografie der Nieren und der Schilddrüse wiedergegeben. Anschließend kommt der Sachverständige zu dem Schluss, dass das Alter des Beschwerdeführers auf 23 bis 25 Jahre, jedoch deutlich über dem 18. Lebensjahr eingeschätzt werde (vgl. AS 209f).

 

Ferner legte der Sachverständige eine "Stellungnahme bezüglich der Altersfeststellung von Asylwerbern mittels Begutachtung somatischer Merkmale, Verhaltensbeobachtung und Untermauerung der Ergebnisse mittels Ultraschalluntersuchung von Niere und Schilddrüse", eine diesbezügliche Literaturliste und einen Auszug aus dem Lehrbuch "Ultraschalldiagnostik in Pädiatrie und Kinderchirurgie" vor. In dieser Stellungnahme legt Dr. K. dar, dass er seit 25 Jahren Vorstandsmitglied der österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde und der österreichischen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin sei. Ferner sei er seit 25 Jahren Ausbilder der österreichischen und deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin und veranstalte vier Mal pro Jahr Ausbildungskurse für Pädiater im St. Anna Kinderspital und in der Kinderklinik Glanzing im Wilhelminenspital. Darüber hinaus halte er seit 10 Jahren Ausbildungskurse an der Universitätskinderklinik in Heraklion, Kreta, und verweise auf zahlreiche wissenschaftliche Publikationen an der Universitätskinderklinik Wien. Zudem sei er seit zehn Jahren gerichtlich beeideter Sachverständiger. Zu der von ihm angewandten Methode halte er fest, dass die Vermessung von Länge und Volumen der Nieren und Volumen der Schilddrüsen eine standardisierte Methode sowohl in der Kinder- und Jugendheilkunde als auch in der Erwachsenenmedizin mit festgelegten Mittelwerten und Standardabweichungen sei. Diese Werte zur Untermauerung der Schätzung des Alters von Personen heranzuziehen sei ihm bei der Suche nach objektiven Messdaten zur Unterstützung des subjektiven Eindrucks der körperlichen Stigmata gekommen. Überschneidungen der Messdaten aus dem Kinder- und Jugendalter und aus dem Erwachsenenalter seien möglich. Eine genaue Feststellung des chronologischen Alters wäre mittels eines Handwurzelröntgens der rechten Hand und Bestimmung des Knochenalters möglich, dies sei aber nach Auskunft der Menschenrechtskommission wegen der Strahlenbelastung menschenrechtswidrig. Zusammenfassend scheine ihm nach seiner langjährigen Erfahrung die völlig strahlenfreie und belastungsfreie Methode der Ultraschalluntersuchung von Niere und Schilddrüse eine gut geeignete Möglichkeit das angegebene Alter von Personen zusätzlich zur persönlichen Einschätzung zu untermauern.

 

5. Mit Schreiben vom 27.08.2008, eingelangt beim Bundesasylamt am 10.09.2008, stimmten die griechischen Behörden nachträglich einer Aufnahme des Asylwerbers gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c iVm Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO zu.

 

6. Am 18.09.2008 wurde der Beschwerdeführer erneut vom Bundesasylamt in Anwesenheit des Rechtsberaters Mag. Pangratz nach erfolgter Rechtsberatung und eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Farsi einvernommen. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, dass er nach dem Gutachten wesentlich älter eingeschätzt werde, was auch mit seinem im griechischen Asylverfahren angegebenen Geburtsdatum, den 01.01.1987, übereinstimme, gab der Beschwerdeführer an, er habe sich in Griechenland nicht verständigen können und könne daher ein solches Geburtsdatum nicht genannt haben. Vor drei Jahren sei er in seinem Heimatland zu einem Amt gegangen, um einen Personalausweis zu bekommen und sei damals 14 Jahre alt gewesen. Auf Vorhalt des Ergebnisses der Eurodac-Anfrage brachte er vor, er sei in Griechenland dreimal von der Polizei aufgegriffen worden. Es sei ihm nicht bekannt, einen Asylantrag gestellt zu haben; vielleicht habe er nicht wissentlich so etwas unterschrieben. Er habe drei Papiere gehabt, die habe er verloren. Zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesasylamtes, ihn aus Österreich nach Griechenland auszuweisen, gab er an, er habe sich sehr bemüht, hierher zu kommen. In Griechenland sei er von der Polizei misshandelt worden. Er sei dreimal aufgegriffen worden. Das erste Mal sei er eineinhalb Monate in Haft gewesen, das zweite Mal sei er eine Woche in einem Keller angehalten worden und das dritte Mal sei er so geschlagen worden, dass er an einer Sehschwäche leide. Das genaue Datum wisse er nicht mehr; es sei vor ca. vier Monaten gewesen. Er sei mit Gewalt in ein Auto geschoben und mit dem rechten Auge gegen das Auto gestoßen worden. Dann sei er in ein Zelt gebracht worden, wo ihn eine Journalistin ins Krankenhaus gebracht habe. Er sei aber nicht behandelt worden, weil er keine Dokumente gehabt habe. Auf Vorhalt der Widersprüche zu seinem Vorbringen in der Einvernahme vom 27.09.2008 gab der Beschwerdeführer an, er wisse nicht, warum so viele Missverständnisse zusammen gekommen seien. Auf Vorhalt des Gutachtens von Dr. H. brachte er vor, er wolle lieber sterben als nach Griechenland zurückkehren. Er habe die Zustände der Flüchtlinge in Griechenland erlebt.

 

7. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.06.2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutzes gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. c iVm Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Griechenland zuständig sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Griechenland gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig sei.

 

8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, fasste sein erstinstanzliches Vorbringen zusammen und brachte im Wesentlichen vor, dass das Konsultationsverfahren mit Griechenland bereits vor der Feststellung der Volljährigkeit durch die erstinstanzliche Behörde erfolgt sei und hätte das Bundesasylamt zu diesem Zeitpunkt nicht davon ausgehen können, nicht zuständig zu sein. Da der Beschwerdeführer minderjährig und unbegleitet sei, komme Art. 6 Dublin II-VO zur Anwendung. Ferner sei das Gutachten von Dr. K. nicht schlüssig, da dieses nicht ausreichend begründet worden sei. Weiters wurde auf eine Stellungnahme von Dr. A.S. zu einem Gutachten zur Altersfeststellung von Dr. K. verwiesen, der in seiner Stellungnahme die Ultraschalluntersuchungen von Nieren und Schilddrüse als ungeeignet für eine wissenschaftlich begründete forensische Altersschätzung ansieht sowie auf die Konsensuskonferenz vom 13.06.2007, wonach medizinische Sachverständigengutachten generell zur Großjährigkeit keine eindeutigen Aussagen treffen können würden. Betreffend das Gutachten von Dr. H., wonach sich eine Überstellung nach Griechenland nicht auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers auswirken würde, wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Griechenland in eine ausweglose und existenzbedrohende Situation geraten würde und daher jedenfalls eine massive Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu befürchten sei. Zur Situation in Griechenland wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer befürchte, in Griechenland keine Unterbringung, keine medizinische Versorgung und keine finanzielle Unterstützung zu erhalten. Ferner würde dem Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Griechenland erneute Misshandlung durch griechische Polizeibeamte und somit eine Verletzung seiner Grundrechte drohen. Weiters wurde - unter Zitierung von Berichten - das griechische Asylverfahren kritisiert.

 

10. Die gegenständliche Beschwerde langte am 03.11.2008 beim Asylgerichtshof ein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Verfahrensgang der Sachverhalt ergeben sich aus dem, dem Asylgerichtshof vorliegenden, Verwaltungsakt.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

2.1. Gemäß §§ 73 Abs. 1 und 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge AsylG) iVm § 1 AsylG ist das oben angeführte Gesetz auf Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, die ab dem 01.01.2006 gestellt wurden. Daraus folgt, dass für das gegenständliche Verfahren das AsylG 2005 anzuwenden war.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde tritt.

 

2.2. § 41 Abs. 3 AsylG besagt, dass in einem Verfahren über eine Berufung gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden ist. Ist der Berufung gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren statt zu geben, ist das Verfahren zugelassen. Der Berufung gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch statt zu geben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Der Gesetzgeber hat einerseits für das Verfahren über Berufungen gegen zurückweisende Bescheide in Asylangelegenheiten sehr kurze Fristen vorgesehen (siehe §§ 41 Abs. 2 und 37 Abs. 3 AsylG), andererseits aber die Berufungsbehörde [nunmehr: Beschwerdebehörde] dazu verpflichtet, bei einem "mangelhaften Sachverhalt" der Berufung stattzugeben, ohne § 66 Abs. 2 AVG anzuwenden (vgl. § 41 Abs. 3 AsylG). Das Ermessen, das § 66 Abs. 3 AVG der Berufungsbehörde einräumt, allenfalls selbst zu verhandeln und in der Sache zu entscheiden, besteht somit in einem solchen Verfahren nicht. Aus den Materialien (Erläuterungen zur RV, 952 BlgNR 22. GP, 66) geht hervor, dass "im Falle von Erhebungsmängeln die Entscheidung zu beheben, das Verfahren zuzulassen und an das Bundesasylamt zur Durchführung eines materiellen Verfahrens zurückzuweisen" ist. Diese Zulassung stehe einer späteren Zurückweisung nicht entgegen. Daraus und aus den erwähnten kurzen Entscheidungsfristen ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Berufungsbehörde [nunmehr: Beschwerdebehörde] im Verfahren über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide von einer Ermittlungstätigkeit möglichst entlasten wollte. Die Formulierung des § 41 Abs. 3 AsylG ("wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint"), schließt somit nicht aus, dass eine Stattgabe ganz allgemein in Frage kommt, wenn der Beschwerdebehörde - auf Grund erforderlicher zusätzlicher Erhebungen - eine unverzügliche Erledigung der Beschwerde unmöglich ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin II-VO ist als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist somit die Frage der Zurückweisung des Asylantrages wegen Zuständigkeit eines anderen Staates.

 

Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO wird ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, von jenem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Dublin II-VO) als zuständiger Staat bestimmt wird. Kapitel III enthält in den Artikeln 6 bis 13 Dublin II-VO die Zuständigkeitskriterien, die nach Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.

 

Gemäß Art. 6 Dublin II-VO ist, wenn es sich bei dem Asylbewerber um einen unbegleiteten Minderjährigen handelt, der Mitgliedstaat, in dem sich ein Angehöriger seiner Familie rechtmäßig aufhält, für die Prüfung seines Antrags zuständig, sofern dies im Interesse des Minderjährigen liegt. Ist kein Familienangehöriger anwesend, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt hat, zuständig.

 

2.3. Für den gegenständlichen Fall ist zunächst festzuhalten, dass nach dem Akteninhalt, insbesondere dem Ergebnis der Eurodac-Anfrage, feststeht, dass der Beschwerdeführer in Griechenland bereits einen Asylantrag gestellt hat, und daher - entgegen den Ausführungen in der Beschwerde - gemäß Art. 6 Satz 2 Dublin II-VO Griechenland als erster Mitgliedstaat, in welchem der Beschwerdeführer einen Asylantrag gestellt hat, auch für die Führung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers zuständig ist, wenn dieser tatsächlich minderjährig sein sollte.

 

Allerdings ist die Klärung der Frage der Minderjährigkeit bzw. Volljährigkeit des Beschwerdeführers als Vorfrage jedenfalls für das gegenständliche Verfahren relevant, da an die Betreuung und Versorgung minderjähriger Asylwerber im Rahmen des Dublin-Verfahrens andere Maßstäbe angelegt werden als bei erwachsenen Asylwerbern. Beispielsweise hält das Bundesasylamt in seinen Feststellungen zum griechischen Asylverfahren fest, dass nach dem Bericht des schwedischen Migrationsamtes vom 07.05.2008, die Aufnahme von Erwachsenen auf einem akzeptablen Niveau steht, sich jedoch bei allein reisenden Kindern Probleme zeigen, wie die Unterbringung in geschlossenen Räumen (vgl. AS 15 des angefochtenen Bescheides). Ebenso wird darauf verwiesen, dass das Königreich Norwegen nach wie vor davon Abstand nimmt, Familien mit Kindern nach Griechenland zu überstellen (vgl. AS 15 des angefochtenen Bescheides).

 

Da im gegenständlichen Fall unter Umständen aufgrund der derzeitigen Lage in Griechenland nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Fall der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers das Bundesasylamt in Bezug auf die Situation in Griechenland zu einer anderen Entscheidung gelangen könnte als im Fall der Volljährigkeit, ist jedenfalls entscheidungsrelevant, ob der Beschwerdeführer tatsächlich volljährig ist.

 

Da die Erstbehörde Zweifel an der vom Beschwerdeführer behaupteten Minderjährigkeit hatte, beauftragte sie Dr. K. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung des Alters des Beschwerdeführers (AS 209ff). Das eigentliche "Gutachten bezüglich der Altersangabe" ist ausgesprochen kursorisch gehalten; Angaben über die spezifische Qualifikation des Gutachters und die Verlässlichkeit der von ihm verwendeten Methoden sowie die Gewichtung der verschiedenen Methoden untereinander fehlen. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht möglich, schlüssig nachzuvollziehen, wie der Sachverständige zu der von ihm festgelegten Altersbestimmung gelangen konnte. Sonstige Umstände, die die Feststellung der Volljährigkeit decken könnten - wie beispielsweise widersprüchliche Aussagen zu Lebensgeschichte - sind ebenso wenig ersichtlich. Unter diesen Prämissen kann aber den Ausführungen in der Beschwerde hinsichtlich vermeintlicher Unschlüssigkeit des Gutachtens und Ungeeignetheit der Untersuchungsergebnisse auf Basis der Aktenlage nicht hinreichend begegnet werden. Es muss von Amts wegen Aufgabe der Erstbehörde sein, gerade in einem wissenschaftlich notorischerweise sensiblen Bereich wie jenem der "Altersfeststellung" vor Befassung eines Gutachters Erhebungen zu dessen Untersuchungsmethodik und Reputation (sofern diese nicht als notorisch anzusehen ist) zu machen.

 

An dieser Einschätzung vermag auch die beigelegte Stellungnahme von Dr. K. nichts zu ändern, in welcher die von ihm angewandte Methode zur Altersfeststellung mittels Ultraschalluntersuchung von Niere und Schilddrüse untermauert werden sollte. In dieser Stellungnahme wird nämlich einerseits keinerlei spezifische ausgewiesene Expertise von Dr. K. zur Altersfeststellung dargelegt und andererseits bestätigt, dass für die Feststellung des Alters einer Person die Methode der Vermessung von Niere und Schilddrüse lediglich als Unterstützung des subjektiven Eindrucks der körperlichen Stigmata und der persönlichen Einschätzung dienen könne. Zudem gesteht die Stellungnahme zu, dass Überschneidungen der Messdaten aus dem Kinder- und Jugendalter und aus dem Erwachsenenalter möglich seien, und eine genaue Feststellung des chronologischen Alters mit der Methode der Vermessung von Nieren- und Schilddrüsenvolumen nicht möglich sei. Dies sei nach Ansicht von Dr. K. nur mit einem Handwurzelröntgen und Bestimmung des Knochenalters möglich. Aus dem Gutachten von Dr. K. geht nun geradezu nicht hervor, in wie weit im gegenständlichen Fall in nachvollziehbar dargestellter Weise andere Methoden zwecks Feststellung des Alters konkret angewandt worden sind. Im Gutachten von Dr. K. wird somit nicht dargestellt, wie und inwiefern unter Zugrundelegung anderer Methoden Rückschlüsse auf das konkrete Alter des Beschwerdeführers gezogen werden konnten.

 

Da die Erstbehörde sohin eine entscheidungsrelevante Vorfrage hinsichtlich der Zuständigkeit Griechenlands bzw. eines möglichen Selbsteintritts Österreichs nicht hinreichend geklärt hat, war gemäß § 41 Abs 3 AsylG vorzugehen. So die Erlassung einer neuerlichen Unzuständigkeitsentscheidung beabsichtigt ist, werden zum Thema des Alters des Beschwerdeführers ergänzende Entscheidungsgrundlagen dem Verfahren zugrunde zu legen und dem Parteiengehör zu unterwerfen sein.

 

2.4. Ferner wird darauf verwiesen, dass es die Aufgabe des Bundesasylamtes ist, sich ein ständig aktualisiertes Bild der Situation für Asylwerber in Griechenland zu machen, wobei anzumerken ist, dass die letzte Aktualisierung der Länderfeststellungen offensichtlich aus Juli/August 2008 stammt. Dies kann jedoch im Falle Griechenlands - ein substantiiertes Vorbringen des Beschwerdeführers vorausgesetzt - nicht als ausreichend erachtet werden, da beispielsweise in - dem Asylgerichtshof vorliegenden - aktuellen Pressetexten (etwa des UNHCR-Vertreters in Athen) von einer Verweigerung der Entgegennahme von Asylanträgen gesprochen wurde, was zumindest einer näheren Prüfung in Hinblick auf die Relevanz in Verfahren nach der Dublin II-VO bedarf.

 

3. Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG idF BGBl. I Nr. 2008/4 konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

4. Auf den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war aufgrund gegenständlicher Entscheidung innerhalb der gesetzlichen Frist nicht einzugehen.

 

5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
gesundheitliche Beeinträchtigung, Gutachten, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Minderjährigkeit, Volljährigkeit
Zuletzt aktualisiert am
12.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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