TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/05 E9 223814-0/2008

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Veröffentlicht am 05.11.2008
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Spruch

E9 223.814-0/2008-15E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Reinhard Engel als Vorsitzenden und den Richter Mag. Hermann Leitner als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mayer über die Beschwerde des G.G. alias S.H., geb. 00.00.1979 alias 00.00.1978, StA Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.08.2001, FZ. 01 03.275-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.10.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7 und 8 AsylG 1997 BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. I 126/2002 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Beschwerdeführer (BF), seinen Angaben nach ein Staatsangehöriger von Armenien, stellte am 19.02.2001 beim Bundesasylamt (BAA) einen Asylantrag.

 

Als Begründung für das Verlassen seines Herkunftsstaates brachte er im erstinstanzlichen Verfahren (zusammengefasst dargestellt) vor, dass er wegen eines Raufhandels mit dem Bruder seiner Gattin in Armenien gesucht werde. Er werde auch wegen der Nichtableistung des Militärdienstes nach ihm gefahndet. Am 13.02.2001 habe er sich entschlossen mit seiner Gattin Armenien zu verlassen. Deren Eltern hätte ihn wegen der Auseinandersetzung, welche zur Gehirnerschütterung des Bruders geführt habe, bei der Polizei angezeigt. Er befürchte wegen des Raufhandels verhaftet zu werden. Weiters hätte er wegen der Weigerung den Militärdienst zu leisten bis zu 5 Jahre Haft zu erwarten. Der Beschwerdeführer stellte diesen Antrag unter dem Namen S.H., geb. am 00.00.1978.

 

Das Bundesasylamt erachtete es aus den im angefochtenen Bescheid dargelegten Gründen als nicht glaubhaft, dass dem BF in Armenien eine entscheidungsrelevante Verfolgung drohen würde.

 

Das BAA hat folglich den Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

 

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Hinsichtlich des konkreten Inhaltes der Beschwerde, der bei den Erwägungen des Asylgerichtshof berücksichtigt wurde, wird auf den Akteninhalt verwiesen (VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

 

Die im angefochtenen Bescheid bereits enthaltene Niederschrift wird hiermit zum Inhalt dieser Entscheidung erklärt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das erkennende Gericht berechtigt näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278).

 

Mit Schreiben des Asylgerichtshofes vom 05.08.2008 wurde der Beschwerdeführer zur Mitwirkung im Beschwerdeverfahren aufgefordert. Da aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt ersichtlich war, dass der BF vor der Asylantragstellung in Deutschland aufhältig war, wurde er aufgefordert bekanntzugeben ob er in der Bundesrepublik Deutschland bereits einen Asylantrag gestellt habe und wenn ja unter welcher Identität. Weiters wurde er aufgefordert, den Verfahrensausgang in Deutschland bekannt zugeben und entsprechende Bescheinigungsmittel diesbezüglich vorzulegen. Wenn er in Deutschland keinen Asylantrag gestellt haben sollte, so wurde er in diesem Fall aufgefordert bekannt zu geben, welchen Aufenthaltsstatus er in Deutschland inne hatte.

 

Mit Schreiben vom 27.08.2008 teilte der Beschwerdeführer, namentlich bezeichnet er sich nunmehr als G.G., geb. 00.00.1979, mit, dass er im Februar 2001 nach Österreich eingereist sei. Die Einreise sei direkt aus Deutschland erfolgt. Er sei 1997 mit seiner Mutter zu seinem Vater sowie seinem Bruder nach Deutschland gereist, die sich bereits dort befunden hätten. Er könne nicht sagen, ob sein Vater jemals einen Asylantrag für ihn eingebracht habe. Er glaube jedoch nicht. Er persönlich habe nie einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Er habe in Hamburg in der Gastronomie gearbeitet und eine Aufenthaltsbewilligung gehabt. Nach Ablauf der Duldung für seine Lebensgefährtin sowie die gemeinsamen Tochter habe man sich entschlossen Deutschland gemeinsam zu verlassen und nach Österreich zu reisen, um hier einen Asylantrag zu stellen. Er habe noch immer die Probleme mit dem Militärdienst, weil er der Einberufung nicht Folge geleistet habe. Aus Angst, dass die Familie getrennt werden könnte, hätten sie die Asylanträge unter Bekanntgabe von falschen Identitäten gestellt. Seine Eltern und sein Bruder seien 1998 bzw. 2001 wieder nach Armenien zurückgekehrt.

 

Auf Grund dieser Beschwerde wurde eine mündliche Verhandlung anberaumt, zu der der Beschwerdeführer und das Bundesasylamt als Parteien ordnungsgemäß geladen wurden. Das Bundesasylamt blieb der Verhandlung am 23.10.2008 entschuldigt fern.

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens werden folgende Feststellungen getroffen:

 

1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

1.1. Die Identität des Beschwerdeführers als G.G. steht fest. Er leidet unter keinen behandlungsbedürftigen Krankheiten. Der Beschwerdeführer verfügt im Herkunftsstaat noch über Familienangehörige. Der Beschwerdeführer ist in Österreich erwerbstätig. Der Beschwerdeführer ist von Deutschland aus in die Schweiz gereist und wurde dort 1998 nach Deutschland zurückgeschoben. Da er wenig Chancen für eine Asylantragstellung in Deutschland erwartete, beabsichtigte er nach Holland weiter zu reisen. An der Grenze wurde er jedoch nach Deutschland zurückgewiesen. Im Juni 1999 wurde er von der Bundesrepublik Deutschland nach Armenien abgeschoben. Unter Bezahlung von "Schmiergeld" bekam er in Armenien einen Reisepass ausgestellt. Mittels "Schmiergeld" erhaltenem Schengenvisum für Frankreich reiste er 1999 wieder in die Bundesrepublik Deutschland. Im Februar 2001 reiste er mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind Anusch nach Österreich und sie stellten hier einen Asylantrag unter Angabe einer falschen Identität.

 

1.2. Die beim Bundesasylamt angegeben Fluchtgründe entsprechen, mit Ausnahme der Nichtableistung des Militärdienstes, nicht den Tatsachen. Es ist glaubhaft, dass der Beschwerdeführer in Armenien den Militärdienst nicht abgeleistet hat. Es liegt kein relevantes Abschiebehindernis vor.

 

2. Zum Herkunftsstaat Armenien:

 

Quellen:

 

The Functioning of Democratic Institutions in Armenia (Council of Europe, Parliamantary Assembly, Doc. 11579, 15.2.2008)

 

Special Mission to Armenia, Council of Europe Comissioner for Human Rights Thomas Hamarberg (20.3.2008)

 

Armenia International Religious Freedom Report 2007 (U.S. Department of State, September 14, 2007)

 

Republik Armenien (Schweizer Flüchtlingshilfe, Stand Februar 2005)

 

Overview of the Office activities in 2006 (Organization for Security and Co-operation in Europe, OSCE Office in Yerevan, January 2007)

 

Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien des Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland vom 02.02.2006, 20.3.2007, sowie 18.6.2008)

 

Refugees and displaced persons in Armenia, Azerbaijan and Georgia (Council of Europe, Parliamentary Assembly Doc. 10835 06 February 2006)

 

Armenia Country Report on Human Rights Practices 2007 (U.S. Department of State, March 11, 2008)

 

Evaluation Report on Armenia, Joint First and Second Evaluation Round (Council of Europe, Group of States against Corruption, Strasbourg 10 March, 2006)

 

Amnesty International Report Armenia 2008

 

Auswärtiges Amt Berlin an das VG Düsseldorf vom 8.6.2006, GZ.

 

508.516.80/44613

 

APA vom 21.2.2007: "Azimov: Armenien wird Berg-Karabach nicht

 

bekommen"

 

APA vom 11.1.2007: "Gericht rügt Armenien wegen Verletzung der Versammlungsfreiheit"

 

BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007

 

APA vom 4.7.2008: "Tausende Armenier protestieren gegen Präsident Sarkisain

 

APA vom 13.3.2008: "Berg Karabach: Armenien signalisiert Aserbaidschan Dialogbereitschaft"

 

Aufgrund der genannten Erkenntnisquellen werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Armenien hat seit seiner Aufnahme in den Europarat wichtige Reformvorhaben im gesetzgeberischen Bereich verwirklicht und insofern Fortschritte bei der Erfüllung seiner Europaratsverpflichtungen gemacht. Die praktische Umsetzung dieser Rechtsvorschriften geht aber nur langsam voran. Nicht zuletzt aufgrund der geringen Gehälter der Staatsbediensteten gibt es häufig Korruption. Seit der Amtsübernahme von Präsident Kotscharian wird diese aber verstärkt strafrechtlich verfolgt. Es wurde mit finanzieller Unterstützung von Weltbank und der USA eine Kommission beim Präsidenten zur Bekämpfung der Korruption eingerichtet. Ende 2003 wurde ein Korruptionsbekämpfungsprogramm verabschiedet, das mit Hilfe internationaler Experten und der OSZE erarbeitet worden war. (Auswärtiges Amt vom 02.02.2006, Seite 6, ähnlich BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007).

 

Der Präsident Armeniens ist seit 9.4.2008 Serge Sarkisian.

 

Bisher wurden alle Wahlen in Armenien wegen zahlreicher Manipulationen und Wahlfälschungen von der internationalen Gemeinschaft kritisiert. Die Präsidentenwahl 2008 wurde trotz positiven Tenors ("mostly in line") deutlich kritischer bewertet als die Parlamentswahl 2007.

 

Am Tag nach der Wahl fand eine angemeldete Demonstration des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Levon Ter-Petrosian statt. Weitere unangemeldete Kundgebungen wurden bis zum 1.3.2008 weitergeführt. An diesem Tag wurden frühmorgens die Demonstrationen sowie Zeltlager durch die Sicherheitskräfte aufgelöst.

 

Die Demonstranten regruppierten sich im Laufe des Tages am Shahumyanplatz. Von dort wurden sie mit exzessiver Gewaltanwendung seitens der Sicherheitskräfte vertrieben. Insgesamt 10 Menschen kamen dabei zu Tode. In der Nacht vom 1. auf den 2.2. wurde für Jerewan der Ausnahmezustand bis zum 20.3.2008, 24.00 Uhr, verhängt. In diesem Zeitraum wurden mehrere Dutzend Oppositionspolitiker und Anhänger Ter-Petrosyans verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Politische Motive können hier nicht ausgeschlossen werden. Ferner kam es zu exzessiven vorläufigen Festnahmen. Festgenommene berichteten, sie hätten sich verpflichten sollen, in Zukunft nicht mehr an Domnstrationen teilzunehmen. Nach nicht verifizierten Gerüchten wäre Druck ausgeübt wurden, Oppositionelle strafrechtlich zu belasten.

 

Folterähnliche Übergriffe sind seit der Unabhängigkeit Armeniens stark zurückgegangen. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen. Die Todesstrafe wurde abgeschafft. (Auswärtiges Amt vom 18.6.2008, Seiten 12)

 

Sippenhaft, d.h. die Anwendung staatlicher Repressionen gegenüber Angehörigen oder sonstigen nahe stehenden Personen eines Beschuldigten oder Gesuchten, gibt es in Armenien nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts nicht (Auswärtiges Amt vom 18.6.2008, S 9, BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007).

 

In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Trotz der Blockade durch die Türkei und Aserbaidschan gelangen Lebensmittelimporte über Georgien und den Iran nach Armenien. Auch die umfangreichen Hilfsprogramme tragen zur Verbesserung der Lebenssituation bei. Rund 100.000 Personen werden noch vom World Food Programme der Vereinten Nationen versorgt.

 

Die Energieversorgung ist weitgehend in russischer Hand. Armenien ist abhängig von russischen Gaslieferungen über Georgien. Elektrizität steht ganzjährig zur Verfügung. Immer mehr Haushalte werden an die Gasversorgung angeschlossen. Leitungswasser steht dagegen, insbesondere in den Sommermonaten zwar täglich, aber meist nur stundenweise zur Verfügung. In vielen Wohnungen wurden Wassertanks installiert. Im Rahmen eines Weltbank-Projektes wird die Wasserversorgung in Eriwan rehabilitiert, Projekte anderer Geber konzentrieren sich auf weitere Städte und die Regionen. Auf dem Land erfolgt die Versorgung über eigene Brunnen, Gewässer oder Tankwagen.

 

Ein Teil der Bevölkerung ist allerdings finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch internationale humanitäre Organisationen sicherzustellen. Durch die traditionellen Familienbande werden Versorgungsschwierigkeiten weitgehend überwunden. Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen durch Verwandte im Ausland unterstützt.

 

Das gesetzlich festgeschriebene Existenzminimum beträgt in Armenien (wie auch in Berg-Karabach) 25.000 Dram im Monat (derzeit ca. 52 Euro). Das durchschnittliche Familieneinkommen ist gegenwärtig nur schwer einzuschätzen. Aus Veröffentlichungen der Presse war zu entnehmen, dass Staatsbedienstete je nach Funktion 30 - 200 US-Dollar verdienen. Die anlässlich von Privatisierungen angegebenen Löhne in der Privatwirtschaft schwanken zwischen 20 und 500 US-Dollar für Arbeiter und Angestellte, wobei die Mehrheit der Beschäftigten im unteren Bereich anzusiedeln ist. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten, dazu privaten Geschäften und Gelegenheitsjobs nach und ist überwiegend im privaten Dienstleistungsbereich tätig, da eine staatliche oder private Industrieproduktion kaum vorhanden ist. Die dabei erzielten Einkünfte lassen sich schwer beziffern, da sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die Beträge niedriger angeben, als sie tatsächlich sind, um Steuerzahlungen zu umgehen.

 

Die wirtschaftliche Lage führt nach wie vor dazu, dass viele Armenier das Land verlassen wollen. Der Migrationsdruck hält an, da ein Angleichen des Lebensstandards an westeuropäisches Niveau trotz hoher Wirtschaftswachstumsraten in Kürze nicht zu erwarten ist. Es sollen seit dem Zerfall der Sowjetunion bereits mindestens 600.000 Armenier ihr Land verlassen haben. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Zahl der Emigranten noch wesentlich höher liegt; eine Schätzung geht von bis zu 1,9 Mio. Personen aus.

 

Die medizinische Versorgung ist in Armenien flächendeckend grundsätzlich gewährleistet. Es kann davon ausgegangen werden, dass alle gängigen Erkrankungen, ausgenommen etwa komplizierte Transplationen, behandelbar sind (BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007)

 

Ein Gesetz über die kostenlose medizinische Behandlung im Gesundheitswesen besteht. Das Gesetz regelt den Umfang der kostenlosen ambulanten oder stationären Behandlung bei bestimmten Krankheiten und Medikamenten, sowie zusätzlich auch für bestimmte sozial bedürftige Gruppen (inkl. Kinder, Flüchtlinge, Invaliden u. a.) und gilt (außer bzgl. der Flüchtlinge) ausschließlich für armenische Staatsangehörige. Die Einzelheiten werden jedes Jahr per Gesetz festgelegt.

 

Im Staatshaushalt sind für die medizinische Versorgung Mittel vorhanden, die auch kontinuierlich aufgestockt werden. Die Beträge, die den Kliniken zur Verfügung gestellt werden, reichen für deren Betrieb und die Ausgabe von Medikamenten gleichwohl nicht aus. Daher sind die Kliniken gezwungen, von den Patienten Geld zu nehmen. Da dies ungesetzlich ist, erhalten die Patienten jedoch keine Rechnungen. Im Einzelfall kann deswegen Bereicherung seitens des Klinikpersonals nicht ausgeschlossen werden - ist aber wohl nicht die Regel.

 

Es ist in der Bevölkerung bisher nicht allgemein bekannt, in welchen Fällen das Recht auf kostenlose Behandlung besteht. Die entsprechenden Vorschriften werden de facto unter Verschluss gehalten. Sie sind zwar im Prinzip öffentlich, aber schwierig zu erhalten. Auch die Kliniken erhalten jeweils nur Auszüge aus den Vorschriften. In letzter Zeit erschienen aber in der Presse Artikel mit Informationen über die kostenlose Behandlung, und immer mehr Patienten bestehen erfolgreich auf ihrem Recht auf kostenlose Behandlung.

 

Es besteht die Möglichkeit, eine private Krankenversicherung abzuschließen. Der Großteil der armenischen Bevölkerung macht hiervon jedoch keinen Gebrauch, weil das Vertrauen fehlt. Nur wenige, in der Regel ausländische Arbeitgeber schließen für ihre Mitarbeiter Krankenversicherungen ab. Die Versicherungen arbeiten nur mit bestimmten Kliniken zusammen, und trotz Versicherung sind noch inoffizielle Zuzahlungen seitens der Patienten erforderlich.

 

Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der Krankenhäuser und das technische Gerät ist zwar zum Teil mangelhaft, eine medizinische Grundversorgung ist gleichwohl gewährleistet. Es stehen in einzelnen klinischen Einrichtungen auch moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie und Computertomographie zur Verfügung. Diese Geräte stammen in der Regel aus Spenden humanitärer Organisationen bzw. der armenischen Auslandsbevölkerung (Diaspora) oder befinden sich in Privatkliniken. In der Republik Armenien gibt es psychiatrischen Abteilungen in den Krankenhäusern. Fachpersonal steht zur Verfügung.

 

Problematisch ist die Verfügbarkeit der Medikamente: Es sind nicht immer dieselben Präparate vorhanden. Die gängigen Medikamente sind in privaten und staatlichen Apotheken gegen entsprechende Bezahlung erhältlich. Für die Einfuhr von Medikamenten ist eine Genehmigung durch das Gesundheitsministerium erforderlich. Viele Medikamente werden in Armenien in guter Qualität hergestellt und zu einem Bruchteil der in Deutschland geforderten Preise verkauft. Importierte Medikamente, z. B. von Pharmafirmen wie Bayer (Deutschland), Gedeon Richter (Ungarn), Solvay (Belgien), sind überall erhältlich. Diese sind immer noch wesentlich billiger als identische Produkte derselben Hersteller in Deutschland (Auswärtiges Amt vom 02.02.2006, Seite 23f, dieselbe Quelle vom 20.3.2007, S 12 f).

 

Zur Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des armenischen Staates schildert das Auswärtige Amt Berlin im genannten Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom Februar 2006 Fälle, in denen der Staat nicht willens war, Schutz zu gewähren. In der Auskunft des Auswärtigen Amtes Berlin an das VG Düsseldorf vom 8.6.2006, GZ. 508.516.80/44613 geht dieses jedoch nicht von einer generellen Schutzunwilligkeit und Schutzunfähigkeit des armenischen Staates aus. USDOS berichtet im Country Report on Human Rights Practices 2006 vom März 2007 von Modernisierungen innerhalb des Polizeiapparates, berichtet jedoch ebenfalls über Fälle, in denen der Staat nicht den erforderlichen Schutz bot. Im Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage vom März 2007, wird berichtet, dass in jüngerer Zeit keine von staatlicher Seite geduldeten Repressalien Dritter beobachtet wurden. Im jüngsten Bericht räumt das Auswärtige Amt wiederum ein, dass im Rahmen von Demonstrationen oppositioneller Gruppen die Ordnungskräfte gegen Übergriffe auf die Demonstranten nicht energisch genug vorgingen. Übereinstimmend wird in den Quellen die kursierende Korruption als ein erhebliches Problem genannt. Im Rahmen der genannten FFM, an der der Beisitzer persönlich teilnahm konnte festgestellt werden, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass in Armenien seitens der Sicherheitsbehörden ein genereller Unwille herrscht, Schutz zu gewähren. Die Fähigkeit Schutz zu gewähren ist grundsätzlich gegeben.

 

Gegen Verfehlungen staatlicher Organe existiert ein breites Spektrum an Rechtsschutz- und Beschwerdemöglichkeiten. Auch hier kann nicht per se festgestellt werden, dass diese Rechtsbehelfe generell ineffektiv sind. Das armenische Rechtssystem kennt das Rechtsinstitut der Verfahrenshilfe (Bericht FFM vom 1.11.2007). Der Ombudsmann, welcher zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage beitrug, genießt das Vertrauen der Bevölkerung (Auswärtiges Amt vom 18.6.2008, Seiten 12)

 

Die öffentliche Sicherheit ist gegeben.

 

Die Stellung eines Asylantrages im Ausland ist nicht strafbar. Rückkehrer werden nach Ankunft in Armenien in die Gesellschaft integriert und nutzen häufig die erworbenen Deutschkenntnisse bzw. ihre in Deutschland geknüpften Kontakte. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen (auch Staatsdienst). Wegen der steigenden Auswandererzahlen haben sie relativ gute Chancen, Arbeit zu finden.

 

Zum Wehrdienst

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes sowie durch das ergänzende Ermittlungsverfahren, einschließlich der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

 

Ad I.1.1. Die Identität als G.G. ergibt sich glaubhaft auf Grund des unbedenklichen Reisepasses. Die übrigen Angaben ergeben sich glaubhaft aus seinen persönlichen Angaben in der Beschwerdeverhandlung.

 

Ad I.1.2. Der Asylwerber hat im Verfahren "glaubhaft" zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung droht (§7 AsylG 1997). Der dem Asylverfahren zu Grunde liegende Maßstab der "Glaubhaftmachung" findet auch in Bezug auf Gründe für die Geltendmachung von subsidiärem Schutz Anwendung (VwGH 26.6.1997, 95/18/1293; 17.7.1997, 97/18/0336; siehe auch: Putzer/Rohrböck, Asylrecht Leitfaden zur neuen Rechtslage nach dem AsylG 2005, Rz 154 mwN).

 

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, Zahl 2005/17/0252). Nach der Judikatur ist die Wahrscheinlichkeit dann gegeben, wenn die für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Erscheinungen, wenn auch noch so geringfügig, gegenüber den im entgegen gesetzten Sinn verwertbaren Erscheinungen überwiegen (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, Rz 355 mit Hinweisen auf die Judikatur).

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

 

Der Beschwerdeführer vermochte im Ergebnis den vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Prämissen für die Glaubhaftmachung einer "Fluchtgeschichte" aus nachfolgenden Gründen nicht gerecht zu werden.

 

Der Beschwerdeführer hat im Beschwerdeverfahren aus eigenem Antrieb im Wesentlichen - mit Ausnahme der Nichtableistung des Wehrdienst - jene Fluchtgründe widerrufen, welche er beim Bundesasylamt als ausreisekausal dargelegt hat. Diese wären auch ohne den Widerruf bzw. das Eingeständnis des BF als nicht glaubhaft zu werten gewesen, zumal das Ermittlungsverfahren ergab, dass er sich zur Tatzeit in der BRD und nicht am behaupteten Tatort in Armenien aufgehalten hat.

 

Wenngleich gewisse Zweifel bestehen bleiben ob es den Tatsachen entspricht, dass der Beschwerdeführer noch nicht den Wehrdienst in Armenien abgeleistet hat, so sprechen im Ergebnis mehr Gründe dafür als dagegen. Der Beschwerdeführer hat im erstinstanzlichen Verfahren anlässlich der Datenaufnahme angegeben, dass er von 1996 bis 1998 den Wehrdienst abgeleistet hat. Gleichzeitig gab er in der darauf folgenden Einvernahme beim Bundesasylamt davon abweichend an, dass er diesen nicht abgeleistet habe und er deshalb gesucht werde. Auch im Beschwerdeverfahren blieb er dabei, dass er diesen nicht abgeleistet hat und legte als Bescheinigungsmittel eine "letzte Mahnung" der zuständigen Militärbehörde vor, wonach er sich im Jahr 1999 zu einem bestimmten Zeitpunkt melden sollte. Seine persönlichen Angaben in der Beschwerdeverhandlung, auf welche Art und Weise, nämlich konkret in der Regel durch Zahlung von "Schmiergeld", er sich die maßgeblichen Dokumente in Armenien besorgt hatte, könnten durchaus den Schluss zulassen, dass auch die vorgelegte Bescheinigung von der Militärbehörde auf solche Art und Weise besorgt worden sein könnte. Dass er nicht dem Militärdienst abgeleistet hat, dafür sprechen jedoch im überwiegenden Ausmaß einerseits sein Alter im Zusammenhang mit dem als glaubhaft erachteten erstmaligen Ausreisezeitpunkt aus Armenien. Auch die geschilderte Art der Beschaffung der Dokumente ist unter Berücksichtigung der Situation im Herkunftsstaat nicht abwegig.

 

Hinsichtlich der zu erwartenden Probleme im Falle einer Rückkehr brachte er keinen konkreten und substanziierten Sachverhalt vor, aus der eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwartende hinreichende Gefährdung ersichtlich wäre. So äußerte er im Wesentlichen lediglich: "Es ist ein Chaos. Es ist eine Katastrophe. Ich weiß nicht was das Militär machen wird. Ich möchte mir nicht vorstelle wieder in Armenien zu leben." Auch dem Ländervorhalt zum Wehrdienst in Armenien trat er nicht konkret und substanziiert entgegen. Daraus ist insbesondere ersichtlich, dass für Männer über 27 Jahre, die sich der Wehrpflicht entzogen haben, gegen Zahlung einer Geldbusse die Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung erreicht werden kann. Trotz vorhandener Strafvorschriften hätten Personen, die sich der Wehrpflicht entzogen haben, derzeit grundsätzlich nicht mit einer Bestrafung zu rechnen, wenn sie sich nach Rückkehr in der Republik Armenien bei ihrer zuständigen Einberufungsbehörde melden. Selbst in der Zwischenzeit eingeleitete Ermittlungsverfahren werden derzeit in solchen Fällen dann eingestellt. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die an Vergehen wegen einer erlassenen Amnestie nicht mehr bestraft werden können. In Armenien bestehe auch ein Ersatzdienst für Kriegsdienstverweigerer. Obwohl ein Ersatzdienst sowohl innerhalb als auch außerhalb der Streitkräfte vorgesehen ist wird derzeit nur ein Ersatzdienst innerhalb der Streitkräfte praktiziert. Die Anzahl der Wehrdienstverweigerer ist gering. Dies liegt möglicherweise daran, dass die von den Ersatzdienstleistenden dort auszuführenden hauswirtschaftlichen Tätigkeiten als Frauenarbeit betrachtet werden. Misshandlungen unter Soldaten oder Vorgesetzte kommen vor. Werden sie bekannt so werden gegen die Täter in der Regel Dienst- und strafrechtliche Maßnahmen ergriffen.

 

Soweit seine Gattin es auch für möglich hält, dass der BF den Wehrdienst im Zusammenhang mit seinem Glauben verweigern würde, geht das Gericht von den persönlichen Angaben des BF aus, der dies als unmittelbar Betroffener nicht behauptete. Dass er eventuell wegen seinem Glauben es aus Gewissensgründen nicht mit sich vereinbaren könnte Gewalt anzuwenden wäre auch wenig plausibel, zumal es sich bei ihm seinen eigenen Angaben nach erinnerlich und optisch auch wegen seiner körperlichen Konstitution sichtbar, um einen Kampfsport betreibenden Mann handelt, welcher auch als "Security" im Personenschutzbereich tätig ist.

 

Ad I.2. Der Asylgerichtshof hat durch die zitierten verlässlichen Quellen Beweis erhoben und daraus Feststellungen getroffen. Soweit aus Quellen älteren Datums zitiert wurde, geben jüngere, ebenfalls genannte Quellen im Wesentlichen das gleiche Bild bzw. dienen diese dazu einen chronologischen Ablauf von relevanten Situationen darzustellen. Die Quellen wurden in der Verhandlung genannt und deren Inhalt erörtert sowie dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt dazu Stellung zu beziehen. Der Beschwerdeführer ist diesen Feststellungen im Wesentlichen nicht konkret und substanziiert entgegengetreten, noch hat er dem widersprechende Bescheinigungsmittel im Verfahren vorgelegt, weshalb die dargestellte Lage als erwiesen angesehen wird.

 

2. Gemäß § 38 Abs 1 AsylG 1997 BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. I 129/2004 entscheidet über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes der unabhängige Bundesasylsenat.

 

Gemäß § 75 Abs 7 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

1. Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

2. Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

3. Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen."

 

Gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

(....).

 

Soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof gem. § 23 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Zu Spruchpunkt I.:

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Die Einberufung zur Militärdienstleistung im Allgemeinen stellt keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar (vgl zB. VwGH 19. September 1990, Zl 90/01/0108, vom 17. Juni 1992, Zl 92/01/0096, vom 16. Dezember 1992, Zl 92/01/0734, und vom 21. April 1993, Zlen 92/01/1121, 1122). Die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes stellt grundsätzlich keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar, da die Militärdienstpflicht alle in einem entsprechenden Alter befindlichen männlichen Staatsbürger in gleicher Weise trifft (vgl zB VwGH 4. Oktober 1989, Zl 89/01/0230, und die dort zitierte Vorjudikatur). Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird in diesem Sinne grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen (vgl dazu für viele zB die Erkenntnisse des VwGH vom 30. November 1992, Zl 92/01/0718, und vom 21. April 1993, Zlen 92/01/1121, 1122). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben (vgl etwa die hg Erkenntnisse vom 30. November 1992, Zl 92/01/0789, betreffend Somalia, und Zl 92/01/0718, betreffend Äthiopien, vom 8. April 1992, Zl 92/01/0243, vom 16. Dezember 1992, Zl 92/01/0734, und vom 17. Februar 1993, Zl 92/01/0784, alle betreffend die frühere Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien). (VwGH 29. 6. 1994, 93/01/0377=VwSlg 14.089 A; vgl dazu auch VwGH B 22. 4. 1999, 98/20/0419).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 21. März 2002, Zl. 99/20/0401, (in Auseinandersetzung mit der zu früheren Asylgesetzen ergangenen Vorjudikatur) dargelegt, dass der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung dann asylrechtliche Bedeutung zukommen kann, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen - wie etwa der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Weiters könne unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen auch eine "bloße" Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. daran anschließend auch die hg. Erkenntnisse vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0604, vom 21. November 2002, Zl. 2000/20/0475, sowie vom heutigen Tag, Zl. 2003/20/0111; zur Möglichkeit der Asylrelevanz des Zwanges zum Vorgehen gegen Mitglieder der eigenen Volksgruppe vgl. auch das Erkenntnis vom 8. April 2003, Zl. 2001/01/0435).

 

Der BF erbrachte hinsichtlich des nicht abgeleisteten Wehrdienstes und der daraus für ihn im Falle einer Rückkehr zu erwartenden Situation kein hinreichend konkretes und substantiiertes Vorbringen, woraus sich unter Zugrundelegung der ob dargelegten Prämissen eine ungerechtfertigte, asylrelevant motivierte Verfolgungsgefahr von hinreichender Intensität bzw. eine begründete Furcht vor einer solchen ergeben würde. Auch amtswegig ist eine solche Gefährdung nicht festzustellen, ergibt sich doch insbesondere auf Grund der gegenständlichen Berichtslage auch nicht, dass es überhaupt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommen würde, wenn er sich bei der zuständigen Einberufungsbehörde meldet, wovon beim BF, nach dem in der Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck, als vernunftbegabten Menschen wohl auszugehen wäre. In Armenien besteht auch die Möglichkeit beim Militär einen Ersatzdienst für Kriegsdienstverweigerer abzuleisten, wobei idR lediglich hauswirtschaftliche Tätigkeiten zu verrichten sind.

 

Der BF vermochte somit - auch unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage - keine aktuelle asylrelevante Verfolgungsgefahr bzw. eine diesbezügliche begründete Furcht glaubhaft zu machen.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Asyl zu gewähren, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt II.:

 

Gem. § 8 Abs 1 AsylG 1997 hat die Behörde im Falle einer Abweisung eines Asylantrages von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

§ 8 AsylG 1997 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Gemäß § 1 Z 4 leg cit ist Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines gewöhnlichen Aufenthaltes. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten. Am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen und das ist nun § 50 FPG. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, lässt sich insoweit auch auf § 50 FPG übertragen.

 

Die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist demnach unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre (§ 8 Abs 1 AsylG 1997 iVm § 50 Abs. 1 FPG) bzw. dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der GFK iVm § 50 Abs. 2 FPG und § 8 Abs 1 AsylG 1997), es sei denn, es bestehe eine inländische Fluchtalternative.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

 

Hinsichtlich des Militärdienstes hat der Beschwerdeführer keinen Sachverhalt hinreichend konkret und substanziiert dargetan, woraus sich unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat eine glaubhafte entscheidungsrelevante, über die bloße Möglichkeit hinausgehende reale Gefährdung für den BF ergeben könnte.

 

Im gegenständlichen Fall ist es dem Beschwerdeführer im Ergebnis nicht gelungen seine vorgebrachte Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG iVm § 8 Abs 1 AsylG 1997 im dargestellten Ausmaß glaubhaft zu machen, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 50 Abs 1 iVm § 8 Abs 1 AsylG 1997 zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

 

Wenn auch in Armenien im Wesentlichen eine wirtschaftlich schwierigere Situation als in Österreich besteht, so ist in einer Gesamtbetrachtung, unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers, festzuhalten, dass von einer lebensbedrohenden Notlage in seinem Herkunftsstaat, welche bei einer Rückkehr eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende "reale Gefahr" ("das ist. eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat"; vgl zB VwGH 19.2.2004, 99/20/0573 mwN) einer unmenschlichen Behandlung des Beschwerdeführers iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des Asylgerichtshofes nicht gesprochen werden kann.

 

Der Beschwerdeführer ist seit mehreren Jahren in Österreich bereits erwerbstätig und verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse. Neben Berufserfahrung im Gastronomiebereich hat er auch Kenntnisse in detektivischer Arbeit und im Securitybereich. Er war auch insbesondere durch die Unterstützung einer österreichischen älteren Dame, die er als "Oma" bezeichnet, in der Lage in Österreich eine Immobilie zu erwerben. Es kam im Verfahren nicht hervor, dass er unter einer behandlungsbedürftigen Krankheit leiden würde oder nicht mehr am Erwerbsleben teilnehmen könnte. Er verfügt im Herkunftsstaat auch noch über Familienangehörige.

 

Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 40a AsylG 1997 zB. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe (über diese wird im erstinstanzlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in Armenien gewährt werden kann. Durch das vom Europäischen Flüchtlingsfonds und Bundesministerium für Inneres kofinanzierte System wird der Neubeginn zu Hause erleichtert. Es wird zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung gewährt, und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten im Herkunftsstaat unterstützt. (http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und-vertretung/rueckkehrhilfe/).

 

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

 

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein subsidiärer Schutz zu gewähren, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt II. abzuweisen.

Schlagworte
Familienverfahren, medizinische Versorgung, non refoulement, Sicherheitslage, soziale Verhältnisse
Zuletzt aktualisiert am
09.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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