TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/06 E2 216712-3/2008

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Veröffentlicht am 06.11.2008
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Spruch

E2 216.712-3/2008-14E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. HUBER-HUBER als Vorsitzenden und die Richterin Dr. HERZOG-LIEBMINGER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Birngruber über die Beschwerde des S.M., geb. 00.00.1963, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.04.2000, FZ. 00 03.297-BAS, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.09.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs.1 Asylgesetz 1997, BGBl. I 1997/76 (AsylG) idgF als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: "BF"), ein türkischer Staatsangehöriger und nach seinen Angaben kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit, reiste am 01.03.2000 illegal in das Bundesgebiet von Österreich ein und stellte am 14.03.2000 aus dem Stande der Schubhaft beim Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Der BF wurde am 28.03.2000 beim Bundesasylamt Salzburg zum Reiseweg und zur Begründung seines Asylantrages einvernommen. Dazu gab er an, dass er auf einem LKW versteckt, illegal über eine ihm unbekannte Route nach Österreich gelangt sei. Der BF beabsichtigte nach Deutschland weiterzureisen. Bei einer Kontrolle durch die deutsche Polizei ist er jedoch wieder nach Österreich zurückgebracht worden.

 

Als Fluchtgrund machte er geltend, er sei seit August 1998 Mitglied der HADEP gewesen. Wegen dieser Mitgliedschaft sei er von Soldaten ca. 20 Mal mitgenommen und zum Austritt aus der Partei und zur Unterlassung, kurdische Musik zu machen, aufgefordert worden. Die Festnahmen hätten im Juli oder August 1999 begonnen und seien bis zwei Monate vor der Ausreise durchgeführt worden. Sie hätten jeweils zwei oder drei Tage gedauert. Während der Festnahmen sei er mit einem Gummiknüppel geschlagen und mit kaltem Wasser übergossen worden. Bei der letzten Verhaftung sei er nicht gefoltert worden, man habe ihm aber mitgeteilt, dass dies die letzte Chance sei. Daraufhin habe er sein Heimatland illegal und ohne Reisepass verlassen. In einem anderen Teil der Türkei könne er sich nicht aufhalten, da er überall von der Polizei gesucht werde. Sein Name scheine sicher auf einer Liste der HADEP-Mitglieder auf, welche auf jeder Polizeistation aufliege.

 

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.04.2000, Zahl: 00 03.297-BAS, wurde der Asylantrag von S.M. gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I 1997/76 idgF abgewiesen (Spruchpunkt I). Weiters wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gemäß § 8 Asylgesetz für zulässig erklärt (Spruchpunkt II). Das Bundesasylamt befand die Angaben des BF zum Fluchtweg und zum Fluchtgrund als absolut unglaubwürdig und traf Feststellungen zur Republik Türkei. Die Feststellungen beziehen sich auf die allgemeine politische Lage, im Besonderen auf die PKK, deren Anführer ÖCALAN, zur HADEP, zur Volksgruppe der Kurden allgemein sowie zur Rückkehrsituation.

 

4. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde (vormals: "Berufung") eingebracht. Mit der Beschwerde wird der Bescheid im gesamten Umfang wegen mangelhafter Beweiswürdigung, unrichtiger Tatsachenfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung bekämpft.

 

5. Der Asylgerichtshof hat für den 18.09.2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und dazu den BF, dessen Vertreter und einen Vertreter des Bundesasylamtes sowie einen Dolmetscher für die türkische Sprache geladen. Die Verhandlung wurde in Anwesenheit des BF, des Asylerstreckungswerbers, deren Vertreter sowie des geladenen Dolmetschers durchgeführt. Das Bundesasylamt hat von der Teilnahme eines Vertreters an der mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 25.08.2008 Abstand genommen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens:

 

1.1. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde Beweis erhoben durch:

 

Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt;

 

Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung;

 

Einsichtnahme in die vom BF anlässlich der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegten Unterlagen (Bestätigung über die Parteimitgliedschaft, Zeitungsausschnitt.)

 

Einsichtnahme in folgende Länderdokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat und die Herkunftsregion des BF sowie deren Erörterung in der mündlichen Verhandlung:

 

Information aus Wikipedia über Kurden in der Türkei (Zugriff am 17.09.2008)

 

Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission vom 06.11.2007

 

USDOS Bericht 2007 vom 01.03.2008

 

Bericht des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei vom 25.10.2007

 

2. Der Asylgerichtshof geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem Sachverhalt aus:

 

2.1. Zur Person des BF:

 

2.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei. Er reiste am 01.03.2000 illegal und ohne im Besitze eines Reisepasses zu sein, nach Österreich ein. Am 06.03.2000 versuchte er nach einem Aufenthalt in Salzburg, illegal nach Deutschland weiterzureisen. In Piding (Deutschland) wurde er jedoch von der deutschen Polizei aufgegriffen und nach Österreich zurückgestellt. In Österreich wurde er in Schubhaft genommen. Am 14.03.2000 stellte er aus dem Stande der Schubhaft mit einem eigenhändig in türkischer Sprache verfassten Schreiben den gegenständlichen Asylantrag.

 

Bis zu seiner Ausreise aus der Türkei lebte der BF hauptsächlich im Dorf K., Provinz S. U., wo er in erster Linie als Landwirt seinen Lebensunterhalt verdiente. In A. besitzt der BF eine Wohnung, in der seine Mutter lebt. Neben seiner Tätigkeit als Landwirt trat der BF bei Hochzeiten zusammen mit einer Band als Sänger auf. Die übrigen Bandmitglieder, wovon es sich bei einem um den Bruder des BF handelt, haben die Türkei nicht verlassen, leben aber nunmehr in anderen Regionen bzw. Städten innerhalb der Türkei. Die Landwirtschaft des BF wird nach wie vor von drei seiner noch in der Heimat lebenden Kindern und von seiner Ehegattin geführt. Der minderjährige und taubstumme Sohn Mahmut ist seinem Vater am 05.07.2003 illegal nach Österreich gefolgt und hat einen auf den Vater bezogenen Asylerstreckungsantrag gestellt. Für ihn wurden keine eigenen Asylgründe geltend gemacht. Das diesbezüglich Beschwerdeverfahren ist unter der GZ E2 239959-0/2008 ho. anhängig und wurde dieses mit Erkenntnis vom heutigen Tag ebenfalls negativ entschieden.

 

Der BF leidet an keinen Krankheiten oder Beeinträchtigungen, welche ein Abschiebungshindernis im Sinne von Artikel 3 EMRK darstellen.

 

2.2. Zum Asylvorbringen:

 

2.2.1. Der BF machte geltend, er sei Mitglied der HADEP gewesen und habe als Sänger bei diversen Hochzeiten kurdische Lieder gesungen. Deshalb sei er 17-18 Mal festgenommen worden. Man habe ihm vorgeworfen, zu musizieren (kurdische Lieder zu singen) und eine Verbindung zur Partei (gemeint: HADEP) zu haben. Es seien ihm Ohrfeigen versetzt worden. Nach zwei, drei Stunden habe man ihn wieder freigelassen. Ein Verfahren habe man gegen ihn zwar nie eingeleitet und er habe auch nie eine Strafe bezahlt, nun werde er aber gesucht. Seine Ehegattin habe ihm bei telefonischen Kontakten gesagt, dass die Polizei nach ihm gefragt habe.

 

Das Vorbringen entspricht - wie unten näher darzustellen sein wird - nicht den Tatsachen. Es weist Ungereimtheiten und Widersprüche auf, die vom BF nicht aufgeklärt wurden. Der Asylgerichtshof gelangt somit zur Feststellung, dass der BF unverfolgt ausgereist ist und im Falle der Rückkehr auch nicht mit einer Verfolgung zu rechnen hat, die aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention erfolgt. Es droht ihm im Falle der Rückkehr weder die Todesstrafe noch eine sonstige unmenschliche Bestrafung oder Behandlung. Ein innerstaatlicher oder internationaler Konflikt, durch den der BF in seiner Heimat als Zivilperson am Leben bedroht wäre, findet in der Türkei zum Entscheidungszeitpunkt nicht statt.

 

Der AGH betrachtet den BF nicht als Mitglied der PKK, die in Europa als terroristische Organisation eingestuft wird.

 

2.2.4. Zum Herkunftsland des BF:

 

2.2.4.1. Aus dem in der Beschwerdeverhandlung erörterten Bericht des Auswärtigen Amtes Deutschland über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei vom 25.10.2007 (Stand September 2007) ergibt sich:

 

"Allgemein:

 

Die Türkei ist eine demokratische, laizistische, soziale und rechtsstaatliche Republik. Ein herausragendes politisches und für die gesamte Türkei wegweisendes Ereignis der letzten Jahrzehnte ist der Beginn von Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei zum 03.10.2005.

 

Bei den Parlamentswahlen vom 22.07.2007 hat die regierende AKP von MP Erdogan mit knapp 46,62 % der abgegebenen Stimmen (340 Sitze) einen historischen Sieg errungen, Wahlverlierer ist die CHP von Oppositionsführer Baykal mit 20,88 % (112 Sitze). Als weitere Partei zog die MHP (14,27%, 71 Sitze) sowie 26 unabhängige Kandidaten (davon 22 von der kurdennahen DTP) ins Parlament ein. Die Regierung Erdogan kann sich weiterhin auf eine stabile Parlamentsmehrheit stützen. Es wird erwartet, dass sie den Reformkurs fortführt. Die vorgezogenen Parlamentswahlen, die anschließende Wahl des Präsidenten und die zügige Regierungsbildung haben zu einer Beruhigung und Konsolidierung der innenpolitischen Lage geführt. Sowohl Staatspräsident Gül als auch Ministerpräsident Erdogan kündigten eine Fortsetzung der Reformpolitik an.

 

Die Auseinandersetzung mit der PKK setzt die Regierung innenpolitisch unter zusätzlichen Druck der Öffentlichkeit, der Opposition, der Sicherheitskräfte und des Generalstabs. Dieser hat ein militärisches Vorgehen gegen die PKK im Nord-Irak unter militärischen Gesichtspunkten als sinnvoll bezeichnet.

 

Das Reformtempo hatte sich unter diesen Vorzeichen seit Anfang 2005 deutlich verlangsamt. Die in der türkischen Wahrnehmung trotz des Verhandlungsbeginns unsicherer gewordene EU-Beitrittsperspektive setzt die türkische Regierung unter Druck. Sie bekennt sich jedoch weiterhin zum Reformprozess und hat nach den Wahlen bereits angekündigt, diesen zu intensivieren.

 

Die Kernpunkte der bisherigen acht Reformpakete sind: Abschaffung der Todesstrafe, Abschaffung der Staatssicherheitsgerichte, Reform des Nationalen Sicherheitsrates (Eindämmung des Einflusses des Militärs), die Benutzung anderer Sprachen als der türkischen (dies betrifft v.a. Kurdisch) in Rundfunk und Fernsehen, erleichternde Bestimmungen über die rechtliche Stellung von Vereinen und religiösen Stiftungen, Neuregelungen zur Erschwerung von Parteischließungen und Politikverboten, Strafrechtsreform, einschließlich Maßnahmen zur Verhütung sowie zur erleichterten Strafverfolgung und Bestrafung von Folter, Ermöglichung der Wiederaufnahme von Verfahren nach einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Einführung von Berufungsinstanzen.

 

Militär und Sicherheitskräfte nehmen in der Türkei eine Schlüsselstellung in der Politik und der inneren Sicherheit ein, auch wenn ihre früher überragende Bedeutung in den letzten Jahren gesunken ist. Militär, Jandarma und Polizei verstehen sich traditionell als Hüter kemalistischer Traditionen und Grundsätze, besonders der Einheit der Nation (vor allem gegen kurdischen Separatismus) und des Laizismus (gegen islamistische Tendenzen).

 

Jandarma und Polizei sind Organe für die innere Sicherheit, die Strafverfolgung und den Grenzschutz. Die Polizei ist für diese Aufgaben in den Städten zuständig und untersteht in Form der Generalsicherheitsdirektion (Emniyet) dem Innenminister. Die Jandarma ist für die außerhalb städtischer Verwaltungen befindlichen Gebiete zuständig.

 

Die Verfassung garantiert formal die Unabhängigkeit der Justiz. Auswahl, Beförderung und Versetzung der Richter obliegt einem Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte. In der Praxis urteilen Teile der türkischen Justiz immer noch nicht unabhängig und sind auch heute einer der neuralgischen Punkte bei der Implementierung der Reformen der AKP-Regierung.

 

Menschenrechtsorganisationen können in der Türkei inzwischen ungehindert arbeiten, auch wenn sie seit 2005 wieder stärker von staatlicher Seite kritisch beobachtet werden und vereinzelte Versuche staatlicher Einflussnahme stattfinden. Die Regierung unterhält auf verschiedenen Ebenen einen konstruktiven Dialog mit türkischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen.

 

ASYLRELEVANTE TATSACHEN

 

Es gibt in der Türkei keine Personen oder Personengruppen, die alleine wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, sozialen Gruppe oder alleine wegen ihrer politischen Überzeugung staatlichen Repressionen ausgesetzt sind.

 

Ungefähr ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der Türkei (72 Millionen) - also ca. 14 Millionen Menschen - ist zumindest teilweise kurdischstämmig. Im Westen der Türkei und an der Südküste lebt die Hälfte bis annähernd zwei Drittel dieser Kurden: ca. drei Millionen im Großraum Istanbul, zwei bis drei Millionen an der Südküste, eine Million an der Ägäis-Küste und eine Million in Zentralanatolien. Rund sechs Millionen kurdischstämmige Türken leben in der Ost und Südost-Türkei, wo sie in einigen Gebieten die Bevölkerungsmehrheit bilden. Nur ein Teil der kurdischstämmigen Bevölkerung in der Türkei ist auch einer der kurdischen Sprachen mächtig.

 

Die meisten Kurden sind in die türkische Gesellschaft integriert, viele auch assimiliert. In Parlament, Regierung und Verwaltung sind Kurden ebenso vertreten wie in Stadtverwaltungen, Gerichten und Sicherheitskräften. Ähnlich sieht es in Industrie, Wissenschaft, Geistesleben und Militär aus.

 

Allein aufgrund ihrer Abstammung sind und waren türkische Staatsbürger kurdischer und anderer Volkszugehörigkeit keinen staatlichen Repressionen unterworfen. Aus den Ausweispapieren, auch aus Vor- oder Nachnamen, geht in der Regel nicht hervor, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist (Ausnahme: Kleinkindern dürfen seit 2003 kurdische Vornamen gegeben werden).

 

Der Gebrauch des Kurdischen, d.h. der beiden in der Türkei vorwiegend gesprochenen kurdischen Sprachen Kurmanci und Zaza, ist in Wort und Schrift keinen Restriktionen ausgesetzt, allerdings im "öffentlichen Raum" noch eingeschränkt und im Schriftverkehr mit Behörden nicht erlaubt.

 

Kurdischunterricht und Unterricht in kurdischer Sprache an Schulen sind nach wie vor verboten. Kurdischkurse für Erwachsene an privaten Lehrinstituten sind seit 2004 zulässig, scheitern jedoch häufig an mangelnder Nachfrage/Fehlen finanzieller Mittel.

 

Seit 2002 sind Rundfunk- und Fernsehsendungen auf Kurdisch unter dem Vorbehalt, dass sie nicht im Widerspruch zu den Grundprinzipien der Verfassung stehen und nicht gegen "die unteilbare Einheit des Staates mit seinem Land und seiner Nation" gerichtet sein dürfen, erlaubt.

 

Die Kurdenfrage ist eng verflochten mit dem jahrzehntelangen Kampf der türkischen Staatsgewalt gegen die von Abdullah Öcalan gegründete "Kurdische Arbeiterpartei" (PKK) und ihre terroristischen Aktionen. Das in Deutschland und der EU bestehende Verbot der Terrororganisation PKK erstreckt sich auch auf die Nachfolgeorganisationen unter anderem Namen. Die Stärke der PKK in Türkei/Nordirak wird aktuell auf noch 5.000 - 5.500 Kämpfer geschätzt, davon ca. zwei Drittel im Nordirak.

 

Nach mehreren Waffenstillständen verkündete die PKK am 1. Oktober 2006 erneut einen "einseitigen "Waffenstillstand". Trotzdem kam es weiterhin zu Auseinandersetzungen. Erstmals seit langer Zeit hat die PKK 2005 und 2006 auch wieder Bombenattentate gegen touristische Ziele verübt, so am 02.04.2006 in Istanbul und bei einer Anschlagsserie am 27. und 28. August 2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, die drei Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderte.

 

Zuletzt hat am 22.05.2007 ein von türkischen Sicherheitsbehörden der PKK zugerechneter Bombenanschlag im Zentrum Ankaras zu mehreren Todesopfern und zahlreichen Verletzten unter der Zivilbevölkerung geführt. Weitere Terroranschläge auf Sicherheitskräfte, vorwiegend im Südosten der Türkei, führten vor den türkischen Wahlen zu einer zusätzlichen Anspannung der innenpolitischen Situation.

 

Am 6. Juni 2007 erklärte der türkische Generalstab vier Gebiete in den Provinzen Siirt, Sirnak und Hakkari zu zeitweiligen Sicherheitszonen und militärischen Sperrgebieten, deren Betreten zunächst vom 9. Juni 2007 bis 9. September 2007 grundsätzlich verboten war und die einer strengen Kontrolle unterlagen. Die Sperre wurde zuletzt bis 10. Dezember 2007 verlängert.

 

In der Türkei gibt es keine "Sippenhaft" in dem Sinne, dass Familienmitglieder für die Handlungen eines Angehörigen strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden. Die nach türkischem Recht aussagepflichtigen Familienangehörigen - etwa von vermeintlichen oder tatsächlichen PKK-Mitgliedern oder Sympathisanten - werden allerdings zu Vernehmungen geladen, z.B. um über den Aufenthalt von Verdächtigen befragt zu werden. Werden Ladungen nicht befolgt, kann es zur zwangsweisen Vorführung kommen.

 

Schutz der Menschenrechte in der Verfassung

 

Der Menschenrechtsschutz wird in der Verfassung in Artikel 2 festgeschrieben, Parteien werden durch Artikel 68 Abs. 4, Abgeordnete durch ihre Eidesformel (Art. 81) darauf verpflichtet. Die Türkei ist Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950, des 1. Zusatzprotokolls (Grundrecht auf Eigentum) sowie des 11. Zusatzprotokolls (obligatorische Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte) sowie des 6. Zusatzprotokolls zur EMRK (Abschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten). Das 13. Zusatzprotokoll zur EMRK (Abschaffung der Todesstrafe in Kriegszeiten) wurde am 09.01.2004 unterzeichnet und am 06.10.2005 ratifiziert.

 

Die Umsetzung von Urteilen des Europäischen Menschengerichtshofs durch die Türkei hat sich deutlich verbessert. Der Europäische Menschengerichtshof spielt in der Türkei eine wichtige Rolle, da er wegen Fehlens einer Individual-Verfassungsbeschwerde in vielen Fällen angerufen wird. Auch deshalb ist die Zahl der die Türkei betreffenden Verfahren sehr hoch; auch 2006/2007 wurde die Türkei wieder in einer Reihe von Verfahren wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf Leben und wegen Verstoßes gegen das Folterverbot verurteilt. Die Verurteilungen der Türkei betreffen in der Regel Fälle, deren Sachverhalte mehrere Jahre zurückliegen, so dass aus den Verurteilungen nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts nur bedingt Schlüsse auf die aktuelle Praxis der Verwaltung und Justiz gezogen werden können. Zudem ist die Türkei Partei von folgenden Abkommen:

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, innerstaatliche Fluchtalternative, non refoulement, Verfolgungsgefahr, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
06.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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