TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/06 B10 259934-2/2008

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Veröffentlicht am 06.11.2008
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Spruch

B10 259.934-2/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 Abs. 3 Asylgesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl. I 2008/4, (AsylG) und 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von Z.V., geb. 00.00.1976, Staatsangehörigkeit: Bosnien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.10.2008, 08 08.799-EAST Ost, beschlossen:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Beschwerdeführer behauptete im Zuge seiner Asylverfahren Staatsangehöriger von Bosnien zu sein und hat am 14.09.2004 einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer im Sommer 2004 für die Sicherheit eines Motels in M. zuständig gewesen sei. Eine Gruppe Krimineller hätte dort Rauschgift verkauft, was der Beschwerdeführer der Polizei mitgeteilt hätte. Seitdem würde er vom Hauptboss der Gruppe verfolgt.

 

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Wien, vom 03.04.2005, Zl. 04 18.557-BAW, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.); die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 16.04.2008, GZ: 259.934/0/6E-XI/34/05, wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG abgewiesen; die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nach Bosnien für zulässig erklärt und die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bosnien gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ausgesprochen. Begründend wurde auf die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen, wonach das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig sei.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 00.00.2007 wurde der Beschwerdeführer wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten rechtskräftig verurteilt.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 00.00.2007 wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 127, 83/1, 107/1 U 2 (1. Fall), §§ 15, 109 ABS 1 U 3/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten rechtskräftig verurteilt.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 00.00.2008 wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 107/1, 15, 83/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten rechtskräftig verurteilt.

 

Am 19.09.2008 stellte der Beschwerdeführer im Stande der Strafhaft einen (weiteren) Antrag auf internationalen Schutz und gab in seiner Ersteinvernahme vor der BPD Wien an, dass seine Fluchtgründe noch aufrecht seien sowie dass er nach dem Krieg vier Jahre lang bei einer Sondereinheit der Polizei beschäftigt gewesen sei. Ihre Aufgabe sei die gewaltsame Erpressung von hochrangigen Mitgliedern der Gegenpartei der SDS gewesen. Er hätte daran teilgenommen, da er geglaubt habe, diese Aktionen seien legal. Als er nach einiger Zeit verstanden habe, dass diese Einsätze rechtswidrig gewesen seien, habe er beschlossen seine Einheit zu verlassen bzw. ein Deserteur zu werden.

 

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 26.09.2008 gab er Folgendes an:

 

"F: Wieso befinden Sie sich in Haft?

 

A: Ich bin wegen Raufhandels in Haft. Ich habe 4 Monate bekommen.

 

F: Wo haben Sie zuletzt gewohnt?

 

A: Im XY.

 

F: Sie leben nicht mit Frau und Kind in einem Haushalt?

 

A: Doch, sie wohnen im XX. Die andere Wohnung ist meine und ich bin dort nur gemeldet. Aus finanziellen Gründen.

 

F: Woher haben Sie den Pass, er ist in Bosnien neu ausgestellt.

 

A: Ein Verwandter hat diesen Pass bei der Behörde für mich beantragt und bei der Behörde abgeholt.

 

F: Wo ist Ihr alter Pass?

 

A: Ich habe keinen gehabt.

 

F: Aber es ist ein neuer ausgestellt worden, es wird doch einen alten geben.

 

A: Ich habe keinen Pass. Ich habe nur den neuen.

 

Frage: Wurden Sie jemals von Behörden in Ihrem Heimatland erkennungsdienstlich behandelt?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Sind Sie vorbestraft?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Ist gegen Sie ein Gerichtsverfahren anhängig?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Waren Sie jemals im Gefängnis?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Gehörten Sie jemals einer politischen Partei an?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Gehörten Sie jemals einer bewaffneten oder kriminellen Gruppierung an?

 

Antwort: Nein, jedoch war ich Mitglied einer Spezialeinheit bei der serbischen Volksarmee während des Krieges. Befragt gebe ich an, dass es von 1994 bis Mai 1996 in Bosnien war.

 

F: Dabei handelt es sich nunmehr um einen Grund für den neuerlichen Asylantrag?

 

A: Nein, ich habe schon einmal eine Niederschrift diesbezüglich gemacht.

 

F: Wann?

 

A: Ich war letzten Freitag beim Referenten und habe eine Niederschrift gemacht. (gemeint EB)

 

Frage: Nennen Sie uns bitte den Grund oder die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen haben bzw. warum Sie neuerlich um Asyl angesucht haben

 

Antwort: Ich habe hier Familie und will hier bleiben. Ich hatte hier schon Asyl. Ich war unten bei einer Spezialeinheit und bin desertiert.

 

F: Wann sind Sie desertiert?

 

A: 2002.

 

F: Wie kann man 2002 desertieren, wenn man seit 1997 nicht mehr beim Heer ist? Bzw wie kann man von der Polizei desertieren?

 

A: Ich habe die Polizei einfach verlassen.

 

F: Sie haben in den vergangenen Niederschriften oder heute nicht die Wahrheit gesagt. A: Wann?

 

Ihnen wird Seite 25 des Aktes 04 18.577 mit den Angaben zur Beschäftigung und Militärdienst vorgelesen.

 

A: 1993 stimmt nicht, ich bin Ende 1994 zum Militär.

 

F: Wo ist ihr Wehrbuch?

 

A: Zu Hause.

 

F: Wann haben Sie abgerüstet?

 

A: Anfang Mai 1996 bin ich vom Militär zur Polizei überstellt worden.

 

F: Wie lange waren Sie bei der Polizei?

 

A: Bis glaube ich November 2007.

 

F: Warum haben Sie uns das nie erzählt? Sie hatten viele Gelegenheiten dazu.

 

A: Ich hatte Angst.

 

F: Wovor?

 

A: Vor Ihnen. Ich hatte sehr viele Informationen.

 

F: Wer ist das?

 

A: Ich hatte Angst, dass Irgendjemand jemanden schickt.

 

F: Wohin schickt?

 

A: Hier nach Österreich, der mich umbringt. Ich hatte Angst, dass man erfährt, dass ich hier bin.

 

F: Wieso schicken Sie dann jemanden runter, der einen Pass und Personalausweis für sie anfordert und abholt.

 

A: Ich habe keine Angst vor der Polizei, aber vor den Leuten, die unten an der Macht sind.

 

F: Sie haben 2005 angegeben, dass Sie einen alten Pass haben.

 

A: Der ist unten geblieben. Der ist abgelaufen.

 

Verfahrensanordnung: Mir wird mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, Ihren Antrag auf Internationalen Schutz zurückzuweisen (§ 29 Abs 3 Z 4 AsylG) da nach Ansicht der Behörde der Tatbestand der entschiedenen Sache vorliegt. Entschieden Sache bedeutet, dass über Ihren Antrag und die Begründung bereits entschieden wurde und seither keine wesentliche Änderung eingetreten ist bzw. Ihrer Begründung kein Glaube geschenkt werden kann. Wollen Sie dazu Stellung nehmen?

 

A: Ich kann das mit Dokumenten belegen.

 

F: Was Sie bereits seit 4 Jahren konnten aber nicht getan haben.

 

A: Ich werde bis zum nächsten Mal die Dokumente bringen, bis zum obersten Gericht gehen und beim nächsten Mal einen Anwalt mitbringen.

 

Wenn ich abgeschoben werde, bin ich am nächsten Tag wieder hier".

 

Am 06.10.2008 gab der Beschwerdeführer Folgendes an:

 

V: Sie haben eine Verfahrensanordnung des Bundesasylamtes gem. § 29/3/4 AsylG 2005 übernommen, in welcher Ihnen mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt ist, Ihren Antrag auf Internationalen Schutz da nach Ansicht der Behörde der Tatbestand der entschiedenen Sache vorliegt. Entschieden Sache bedeutet, dass über Ihren Antrag und die Begründung bereits entschieden wurde und seither keine wesentliche Änderung eingetreten ist bzw. Ihrer Begründung kein Glaube geschenkt werden kann.

 

Da das Bundesasylamt den maßgeblichen Sachverhalt nach derzeitigem Ermittlungsstand als geklärt erachtet, haben Sie nun die Möglichkeit und Gelegenheit, zur geplanten Vorgehensweise des Bundesasylamtes Stellung zu nehmen. Sie werden darauf hingewiesen, dass sich das Ermittlungsergebnis, über das Sie mit dem Rechtsberater zu sprechen Gelegenheit hatten, aus diesem Akteninhalt ergibt.

 

Sie werden weiters darauf hingewiesen, dass es in Ihrem eigenen Interesse liegt, zum bisherigen Verfahren bzw. zu den Ermittlungsergebnissen Stellung zu beziehen. Sollten sich etwaige Fragen aus Ihren Angaben ergeben, werden Sie entsprechend gestellt. Sie werden in Ihrem eigenen Interesse nochmals darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, die Wahrheit zu sagen, nichts bewusst zu verschweigen oder hinzuzufügen und alle Beweismittel vorzulegen. Wollen Sie diesbezüglich etwas angeben?

 

A: Ich habe den wahren Grund beim letzten Mal nicht angegeben, da ich Angst hatte, dass es bis nach Bosnien gelangen könnte. Ich habe in einer paramilitärischen Einheit tätig. Die Leute, mit denen ich zusammengearbeitet habe, sind mächtig mit sehr viel Einfluss. Diese Einheit war so etwas wie eine Polizeieinheit, mit dem Unterschied dass sie für die Partei dieser Leute tätig war, nicht für allgemeine Polizeiaufgaben. Wir mussten alle Befehle ausführen, die wir bekommen haben. Wer sich weigerte wurde umgebracht. Zwei oder drei Kollegen wurde liquidiert. Ich kenne die Namen der Leute, habe aber Angst sie hier anzugeben. Diese Leute sind überall unterwegs und haben diplomatische Papiere und Reisepässe. Niemand ist vor Ihnen sicher. Offenbar wissen sie auch schon, wo ich bin und wo ich mich aufhalte. Denn ich wurde in Wien von jemandem mit dem Messer attackiert. Ich kann das alles mit Papieren beim Asylamt oder dann beim Gericht belegen. Ich habe nur große Angst vor der Sache und bitte um Schutz. Ich bin im Visier dieser Leute, weil ich Augenzeuge war und diese Leute wissen das. Ich wüsste jetzt nicht, was ich noch sagen soll.

 

AW legt einen Arztbrief über eine Messerverletzung vor, Kopie zum Akt.

 

F: Wer war der Täter?

 

A: Ich weiß es nicht.

 

F: Im Arztbrief steht "durch einen Bekannten".

 

A: Ich weiß nur, dass er G. mit Spitznamen hieß.

 

Und ich habe die Heiratsurkunde hier, ich habe Frau und Kind hier. Meine Frau wohnt in Wien.

 

F: Es werden Informationen eingeholt. Zu diesem Fall scheint es als sehr wahrscheinlich, dass die Tat nichts mit dem Asylgrund zu tun hat, sondern eine Eifersuchtstat.

 

A: Ich weiß nicht einmal wer das ist. Wenn bekannt ist, wer der Täter ist, dann werde ich mit einem Anwalt etwas unternehmen. Ich wurde bei dem Vorfall dann auch verhaftet, weiß aber nicht genau warum. Warum soll ich etwas erfinden.

 

F: Weil sie bis zum Hals in Problemen stecken. Das ist verständlich und nach vollziehbar. Allerdings stellt sich die Sache jetzt völlig anders dar und Sie erhalten die Gelegenheit, zur Sache etwas zu sagen.

 

A: Ich habe damals nur der Polizei gesagt, dass es passiert ist, wo und wer es war und mehr weiß ich nicht. Es war ohnehin knapp. Es bestand die Gefahr, dass ich die Hand nicht mehr gebrauchen kann, aber das hat sich nicht bewahrheitet.

 

Ich bitte um die Möglichkeit, meine Argumente mit Dokumenten zu belegen. Ich habe das Problem, dass ich im Gefängnis bin und nicht auf die schnelle Dokumente besorgen kann. Es gibt Dokumente, die sagen, welchen Rang ich hatte, wo ich gedient habe, alles. Es gibt Videoaufnahmen von diesen schrecklichen Vorfällen. Ich bin im Besitz einer solchen Kassette. Befragt gebe ich an, dass ein privater Fernsehsender Aufnahmen gemacht haben, wo wir in ein Vorwahlmeeting auf Befehl eingefallen sind und diese Leute misshandelt haben. Ich war selbst dabei, wo man Leute auf das schlimmste misshandelt hat. Ich kann das belegen, mit Papieren und der Videokassette."

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.10.2008, Zahl: 08 08.799-EAST Ost, wurde der Antrag auf internationalem Schutz vom 19.09.2008 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und gemäß § 10 Abs. 1 AsylG der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bosnien ausgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die "neuen" Angaben keinen wahren Kern aufweisen würden.

 

Die zur Begründung des zweiten Antrages geltend gemachten Gründe hätten schon vor Eintritt der Rechtskraft des ersten Bescheides bestanden.

 

Gegen den Bescheid richtet sich die gegenständliche fristgerechte Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer ausführt, dass er aufgrund seiner Haft nicht in der Lage sei Beweise beizubringen. Nach seiner Entlassung würde er alles Mögliche unternehmen, um diese herbeizuschaffen. Es sei richtig, dass er keinen guten Kontakt zu seiner Frau habe und er seinen Sohn nur in gewissen Abständen zu Gesicht bekomme.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 lit. c AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG. Gemäß § 61 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen die mit dieser Entscheidung verbundenen Ausweisung.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Zu Spruchpunkt I (Entschiedene Sache):

 

§ 75 Abs. 4 AsylG 2005 lautet:

 

Ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 begründen in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

 

Da das Bundesasylamt mit dem angefochtenen Bescheid den Asylantrag zurückgewiesen hat, ist Gegenstand der vorliegenden Entscheidung des Asylgerichtshofes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst (vgl. VwGH 30.10.1991, Zahl: 91/09/0069; 30.05.1995, Zahl: 93/08/0207).

 

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen.

 

VwGH Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315):

 

¿Es kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG 1997 - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinanderzusetzen.'

 

Im vorliegenden Fall brachte der Beschwerdeführer anlässlich seines zweiten Antrags neu vor, dass er nach dem Krieg vier Jahre lang bei einer Sondereinheit der Polizei beschäftigt gewesen sei. Ihre Aufgabe sei die gewaltsame Erpressung von hochrangigen Mitgliedern der Gegenpartei der SDS gewesen. Er hätte daran teilgenommen, da er geglaubt habe, diese Aktionen seien legal. Als er nach einiger Zeit verstanden habe, dass diese Einsätze rechtswidrig gewesen seien, habe er beschlossen seine Einheit zu verlassen bzw. ein Deserteur zu werden.

 

Diesem Vorbringen wurde im erstinstanzlichen Bescheid die Glaubwürdigkeit abgesprochen:

 

"Zu den von ihnen als asylrelevant erachteten "neuen" Gründen ist auszuführen, dass diese unglaubwürdig sind. Sie hatten bisher mehrfach die Gelegenheit, auch im Berufungsverfahren, die wahren Gründe Ihrer Flucht vorzubringen, was Sie bisher unterlassen haben. Allein daraus lässt sich der Schluss ableiten, dass Sie diese nunmehrigen Gründe vorschoben, um ein bereits rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren außer Kraft zu setzen bzw. zu umgehen. Wesentlich entscheidender jedoch ist das von Ihnen vorgelegte Beweismittel hinsichtlich der Schnittverletzung an Ihrem Unterarm. Dies versuchten Sie dem Bundesasylamt als Anschlag auf Ihre Person darzustellen: Offenbar wissen sie auch schon, wo ich bin und wo ich mich aufhalte. Denn ich wurde in Wien von jemandem mit dem Messer attackiert. Den Täter würden Sie nicht kennen. Wahr ist vielmehr, dass Ihnen der Täter sehr wohl bekannt ist und dass die Tat nicht aus asylrelevanten Gründen, sondern auf Grund Ihrer offenkundig prekären familiären Situation geschehen ist.

 

Somit konnten weder ein wahre Kern ihrer Angaben festgestellt werden noch kamen neue Beweismittel hervor, die den Eintritt in ein materielles Asylverfahren gebieten würden. Vielmehr hat das Bundesasylamt davon auszugehen, dass der Tatbestand der Entschiedenen Sache vorliegt. Zur Ankündigung, Sie würden neue Beweise beischaffen ist anzumerken, dass Sie seit ihrer erstmaligen Einreise ins Bundesgebiet mehrfach die Möglichkeit hatten, diese dem Bundesasylamt vorzulegen, es aber nicht taten. Da es Ihnen auch nicht gelang, die Gründe für den neuen Antrag plausibel darzulegen, ist davon auszugehen, dass es sich hierbei lediglich um einen Versuch der Verfahrensverzögerung handelt und das Bundesasylamt daher nicht gehalten ist, ihrem Ansuchen zu folgen. Hinzu kommt, dass Sie es aus eigenem Antrieb unterlassen haben, bisher Beweise zu beschaffen, obwohl es Ihnen möglich war. Allein aus diesem Umstand sind allfällige neuen Beweise nicht geeignet, die Rechtskraft des Vorverfahrens zu durchbrechen."

 

Dazu wird vom Asylgerichtshof noch ergänzend ausgeführt:

 

Mit seiner Aussage "Ich werde bis zum obersten Gericht gehen und beim nächsten Mal einen Anwalt mitbringen. Wenn ich abgeschoben werde, bin ich am nächsten Tag wieder hier", hat der Beschwerdeführer bereits dargetan, welche Absichten er bezüglich seines Aufenthaltes im Bundesgebiet bezweckt, was ebenso für die Unglaubwürdigkeit des "neuen" Vorbringens spricht.

 

Auch sein übriges im Bundesgebiet gesetztes Verhalten, wie strafrechtliche Verurteilungen, Verschweigen seiner Scheidung, Nachstellen seiner Gattin samt Betretungsverbote, Raufhandel mit dem Nebenbuhler, runden das Bild eines unglaubwürdigen Antragstellers ab.

 

Darüber hinaus handelt es sich bei den behaupteten "Neuerungen" um Umstände, die dem Beschwerdeführer bereits während seines ersten Asylverfahrens bekannt waren und nicht nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens entstanden sind, weshalb dieses Vorbringen von der Rechtskraft des Bescheides betreffend den ersten Asylantrag erfasst und eine neuerliche Entscheidung hierüber unzulässig ist.

 

Da somit weder in der Sachlage noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine maßgebliche Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich entschieden werden kann.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. war daher abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt II (Ausweisung):

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den rechtlichen Ausführungen zu Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 07.10.2008, Zahl: 08 08.799-EAST Ost, vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides; insbesondere wird auf die jüngste Judikatur des EGMR (NNYANZI vs. UK) hingewiesen.

 

Hervorzuheben ist noch, dass kein gemeinsamer Wohnsitz des Beschwerdeführers mit seiner Frau und seinem Sohn besteht (siehe Aktenvermerk AS 81), sondern im Gegenteil mehrere Betretungsverbote gegen den Beschwerdeführer ausgesprochen wurden, was ebenso bei der Abwägung der öffentlichen mit den privaten Interesse zu berücksichtigen war. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer verschwiegen von seiner Ehegattin getrennt zu wohnen und mit ihr in Scheidung zu leben. Weiters leben in Bosnien zwei weitere minderjährige Kinder des Beschwerdeführers.

 

Die Ausweisung stellt daher keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

 

Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Schlagworte
Ausweisung, familiäre Situation, Interessensabwägung, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
11.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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