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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des N in W, geboren am 28. Oktober 1964, vertreten durch Dr. Gunther Gahleithner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 10. August 1998, Zl. Fr 3632/98, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und 5 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Diese Maßnahme begründete sie im Wesentlichen folgendermaßen:
Der Beschwerdeführer sei am 14. August 1997 neben fünf anderen Straftätern wegen des Vergehens der gerichtlich strafbaren Schlepperei nach den §§ 80 Abs. 1 und 81 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 des Fremdengesetzes 1992 zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer gewerbsmäßig und um seines Vorteiles Willen die rechtswidrige Einreise von Fremden in der Nacht vom 26. auf den 27. Juli 1997 in Ansehung von etwa 20 rumänischen Staatsangehörigen und am 21. oder 22. Juni 1997 in Ansehung von fünf rumänischen Staatsangehörigen gefördert habe. Über Berufung des Beschwerdeführers sei die Freiheitsstrafe auf ein Jahr herabgesetzt worden. Darüber hinaus lägen gegen den Beschwerdeführer 15 rechtskräftige Bestrafungen wegen Übertretung des Fremdengesetzes, des Meldegesetzes, des Kraftfahrgesetzes und der Straßenverkehrsordnung vor; darunter befinde sich insbesondere eine Bestrafung wegen des Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand sowie fünf Bestrafungen wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne behördlich erteilte Lenkerberechtigung.
Das Phänomen der Schlepperei stelle eine "schier unlösbare Problematik in Hinsicht auf sicherheits- und fremdenpolizeiliche Überlegungen dar". Diesem Phänomen des modernen Menschenhandels und -schmuggels sei sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene der kompromisslose Kampf anzusagen. Durch das Verhalten des Beschwerdeführers sei die Annahme nach § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG "zum Schutz der öffentlichen Ordnung", insbesondere im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen, gerechtfertigt. Das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers werde als derart gravierend qualifiziert, dass sich die belangte Behörde unter Einbeziehung der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG außer Stande sehe, mit einem gelinderen Mittel als der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vorzugehen. Es sei nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer abermals strafbare Handlungen, insbesondere im Hinblick auf die Schlepperei, begehe. Er stelle somit angesichts seiner kriminellen Neigung zur Schlepperei eine eindeutige Gefahr für die öffentliche Ordnung dar.
Durch die Anwesenheit seiner Lebensgefährtin, seiner Kinder und anderer Verwandter, sowie seine Aufenthalts- und Beschäftigungszeiten in Österreich (seit 1990) sei mit dem Aufenthaltsverbot ein gravierender Eingriff in das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers verbunden. Diesem klar erkennbaren Interesse am Verbleib in Österreich seien die öffentlichen Interessen an der Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers gegenüberzustellen und zu gewichten. Bei der von ihm verwirklichten gewerbsmäßigen Schlepperei handle es sich um kein Bagatelldelikt und es sehe sich die belangte Behörde außer Stande, eine positive Prognose dahin abzugeben, dass der Beschwerdeführer keinerlei schwerwiegende strafbare Handlungen mehr setzen würde. Vielmehr sei zu befürchten, dass er abermals strafbare Tätigkeiten, insbesondere Schlepperei, vornehmen würde. Nach dieser Annahme seien die von ihm ausgehenden Gefahren derart eminent, dass das öffentliche Interesse an der Außerlandesschaffung zumindest genauso schwer zu gewichten sei wie die persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich. Eine Vernehmung der Familienangehörigen des Beschwerdeführers sei nicht erforderlich, weil der gravierende Eingriff in das Familien- und Privatleben im Zusammenhang mit diesen Personen von der belangten Behörde nicht bestritten werde.
Ein Aufenthaltsverbot sei für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein werde und auf unbestimmte Zeit zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden könne. Auf Grund der vorliegenden Sachverhaltselemente, insbesondere der Neigung zur Schlepperei, sei es für die belangte Behörde nicht möglich, sein Verhalten dahin abzuschätzen, wann vom Beschwerdeführer die geschilderten Gefahren nicht mehr ausgehen würden. Insofern habe mit einer Befristung des Aufenthaltsverbotes nicht das Auslangen gefunden werden können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer die Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 5 FrG verwirklicht habe. Auf Grund der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen besteht gegen diese Beurteilung ebenso wenig Einwand wie gegen die weitere Ansicht der belangten Behörde, es sei im Hinblick auf die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch das Schlepperunwesen die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Soweit die Beschwerde darauf verweist, dass der Beschwerdeführer nur ein Mal wegen einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 oder Abs. 2 StVO rechtskräftig bestraft worden sei, ist dem zu entgegnen, dass die belangte Behörde ohnehin nicht den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG als erfüllt angesehen hat; sie durfte jedoch sowohl die Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO als auch diejenigen nach § 64 Abs. 1 KFG in die Beurteilung einbeziehen, ob der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers eine Gefahr im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bilden könnte.
Zutreffend nahm die belangte Behörde angesichts der Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich, des Bestehens einer Lebensgemeinschaft und des Vorhandenseins zweier (gemeinsamer) Kinder einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG an. Ebenso zutreffend gelangte sie aber zu dem Ergebnis, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei, weil im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 EMRK die Notwendigkeit dieser Maßnahme in dem besonders großen öffentlichen Interesse an der Bekämpfung des Schlepperunwesens begründet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 99/18/0428). Dem genannten Erkenntnis lag der vergleichbare Fall eines Fremden zu Grunde, der sich seit Februar 1991 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, einer Beschäftigung nachgeht, verheiratet und Vater von zwei minderjährigen Kindern ist. Ebenso wie hier hat der dortige Beschwerdeführer über 20 Personen gewerbsmäßig, somit in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung der Schlepperei eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), geschleppt und es wurde über ihn ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Der Gerichtshof verwies auf das besonders große öffentliche Interesse an der Bekämpfung der Schlepperei und erachtete das unbefristete Aufenthaltsverbot als zulässig im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG. Auch vorliegend ist dem im Fehlverhalten des Beschwerdeführers begründeten maßgeblichen öffentlichen Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes größeres Gewicht beizumessen als den zweifellos beträchtlichen gegenläufigen Interessen des Beschwerdeführers (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1998, Zl. 98/18/0287).
Dem Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet, kommt keine Berechtigung zu. Dem angefochtenen Bescheid lassen sich nämlich die Feststellungen insbesondere über die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und dessen Integration im Inland in ausreichender Weise entnehmen und es wird auch entgegen der Beschwerdeansicht die nach § 37 Abs. 2 FrG vorgenommene Interessenabwägung hinreichend begründet.
Als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer die Unterlassung der Vernehmung der "in der Berufung beantragten Zeugen". Gemeint sind damit offenkundig Personen, die die Integration des Beschwerdeführers in Österreich bezeugen können. Abgesehen davon, dass die Beschwerde eine konkrete Bezeichnung der nicht vernommenen Zeugen unterlässt, führt sie nicht an, zu welchen weiteren Feststellungen die belangte Behörde durch deren Vernehmung hätte gelangen können und legt somit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar.
Soweit die Beschwerde letztlich eine mangelnde Begründung dafür rügt, dass das Aufenthaltsverbot nicht befristet, sondern unbefristet erlassen wurde, wird auf bestimmte Tatsachen nicht Bezug genommen. Bemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass weder aus den Verwaltungsakten noch aus der Beschwerde ein Grund für die Annahme ersichtlich ist, dass in bestimmter Zeit mit einem Wegfall der Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gerechnet werden könnte. Bei Entfall der Gefährdungsprognose oder Änderung der persönlichen Verhältnisse steht die Möglichkeit des Antrages nach § 44 FrG offen.
Da dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. April 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998210422.X00Im RIS seit
20.09.2001