C8 254269-0/2008/3E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde des S.A. alias B., geb. 00.00.1980, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.09.2004, AZ: 04 03.774-BAT, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde von S.A. alias B. vom 21.10.2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.09.2004, AZ: 04 03.774-BAT, wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
1. Der Beschwerdeführer stellte am 25.08.2003 seinen ersten Asylantrag. Bei seiner am 24.09.2003 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab er bezüglich seiner Fluchtgründe zusammengefasst an, dass er Indien aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten zwischen seiner Familie und den Cousins seines Vaters verlassen habe. Am 27.03.2003 seien diese Cousins in Begleitung mehrerer Bergleute zum Haus des Beschwerdeführers gekommen und hätten wahllos herumgeschossen, wobei die Mutter des Beschwerdeführers getötet worden sei. Daraufhin sei der Beschwerdeführer zu seinem Onkel in J.K. geflüchtet und habe von dort aus einige Monate später seine Flucht nach Europa angetreten. Weiters gab der Beschwerdeführer an, von 00.02.2003 bis 00.02.2003 auf der Polizeistation K. nach einer Rauferei mit den Bergleuten, bei welcher einer der Bergleute verletzt worden sei, festgenommen worden zu sein. Aufgrund einer Intervention seines Onkels sei er wieder freigelassen worden.
Der Asylantrag des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.11.2003, Zl. 03 25.439-BAE, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchteil I) und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Indien gemäß § 8 AsylG zulässig ist (Spruchteil II).
Mangels Erhebung einer Beschwerde ist der Bescheid am 20.11.2003 in Rechtskraft erwachsen.
2. Am 04.03.2004 wurde der Beschwerdeführer gemäß der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates von Deutschland nach Österreich rückübernommen und stellte noch am selben Tag den verfahrensgegenständlichen (zweiten) Asylantrag.
Am 12.04.2004 wurde der Beschwerdeführer gemäß dem österreichisch-italienischen Schubabkommen den österreichischen Behörden rückübergeben.
Bei der am 15.09.2004 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer an, dass er nichts bezüglich seines ersten Asylantrages sagen könne. Im Hinblick auf seine Fluchtgründe gab der Beschwerdeführer an, dass er bei seinen damaligen Angaben bleibe und sich keine neuen Gründe ergeben hätten. Es habe seit 2003 Probleme zwischen der Familie des Beschwerdeführers und dessen Onkel gegeben. Befragt, warum der Beschwerdeführer bei seiner ersten Asylantragstellung einen anderen Vornamen und ein anderes Geburtsdatum angegeben habe, brachte dieser vor, dass er damals alles falsch angegeben habe, lediglich seine Fluchtgründe seien richtig gewesen. Seine Mutter sei anlässlich der Streitigkeiten zwischen der Familie des Beschwerdeführers und dessen Onkel erschossen worden. Es seien auch ein paar Leute der Kongresspartei bei diesem Streit dabei gewesen. Er selbst sei noch am Tag dieser Streitigkeiten zu seinem Onkel nach Garant geflüchtet. Befragt, warum der Beschwerdeführer bei seiner ersten Asylantragstellung eine völlig andere Wohnadresse angegeben habe, brachte dieser nochmals vor, dass er alles falsch angegeben habe, lediglich bei seinen Fluchtgründen habe er die Wahrheit gesagt. Am Ende der Einvernahme erwähnte der Beschwerdeführer außerdem, dass am 00.00.2004 sein Vater von Leuten der Kongresspartei umgebracht worden sei. Der Beschwerdeführer befürchte nunmehr, von seinem Onkel oder von den Leuten der Kongresspartei umgebracht zu werden.
Mit Bescheid vom 20.09.2004, Zl. 04 03.774-BAT, wies das Bundesasylamt den Asylantrag vom 04.03.2004 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.
Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht am 21.10.2004 eine Beschwerde.
Die Beschwerde langte zusammen mit dem Akt des Bundesasylamtes am 29.10.2004 beim Unabhängigen Bundesasylsenat ein.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, Zl. 94/08/0183; 30.05.1995, Zl. 93/08/0207; 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).
"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0266). "Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.05.1995, Zl. 93/08/0207). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.
Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können in der Beschwerde nicht neu geltend gemacht werden (s. z.B. VwSlg. 5642A, VwGH 28.11.1968, 23.05.1995, Zl. 94/04/0081; zu Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Beschwerdeverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, Zl. 99/01/0400; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).
Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, Zl. 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, Zl. 92/12/0127; 23.11.1993, Zl. 91/04/0205; 26.04.1994, Zl. 93/08/0212; 30.01.1995, Zl. 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, Zl. 83/07/0274; 21.02.1991, Zl. 90/09/0162; 10.06.1991, Zl. 89/10/0078; 04.08.1992, Zl. 88/12/0169; 18.03.1994, Zl. 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, Zl. 1202/58; 03.12.1990, Zl. 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH vom 24.02.2000, Zl. 99/20/0173-6).
Im zweiten Asylverfahren gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass die Fluchtgründe, welche er anlässlich seiner ersten Asylantragstellung angegeben hat, noch immer die gleichen seien und dass sich keine neuen Gründe ergeben hätten. Er brachte vor, aufgrund von Streitigkeiten zwischen seiner Familie und seinem Onkel, bei welchen auch seine Mutter getötet worden sei, aus Indien geflüchtet zu sein.
Bei dem Fluchtvorbringen handelt es sich um Umstände, die der Beschwerdeführer bereits in seinem ersten Asylverfahren vorgebracht hat, die bereits Gegenstand dieses ersten Asylverfahrens waren und zu einer negativen rechtskräftigen Entscheidung geführt haben. Darüber hinaus wäre diesem Vorbringen ein glaubhafter Kern, dem Asylrelevanz zukäme, abzusprechen, da der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe auch in widersprüchlicher Weise geschildert hat. So hat er bei seiner ersten Asylantragstellung noch angegeben, dass es Streitigkeiten zwischen seiner Familie und den Cousins seines Vaters gegeben habe, während er anlässlich seines zweiten Asylantrages von Streitigkeiten zwischen seiner Familie und seinem Onkel spricht. Auch nach Vorhalt dieses Widerspruchs konnte der Beschwerdeführer diesen nicht aufklären. Gegen die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sprechen auch seine widersprüchlichen Angaben hinsichtlich seines Alters und seines Vornamens sowie weiterer persönlicher Daten. Darauf aufmerksam gemacht, brachte der Beschwerdeführer lediglich vor, dass er alles bis auf seine Fluchtgründe im ersten Asylantrag falsch angegeben habe.
Weiters brachte der Beschwerdeführer bei seiner zweiten Asylantragstellung vor, dass bei den Streitigkeiten auch Leute der Kongresspartei anwesend gewesen seien und der Beschwerdeführer auch die Verfolgung durch die Mitglieder der Kongresspartei befürchte. Am Ende der Einvernahme behauptete der Beschwerdeführer außerdem die Ermordung seines Vaters durch Mitglieder der Kongresspartei.
Bei dem Vorbringen, dass bei dem vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfall, bei welchem auch seine Mutter getötet worden sei, auch Mitglieder der Kongresspartei anwesend gewesen seien, handelt es sich um Umstände, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben und die der Beschwerdeführer im ersten Asylverfahren hätte geltend machen können. Da es sich dabei um zum damaligen Zeitpunkt bestehende Tatsachen handelt, wären diese nicht im Rahmen eines neuen Asylantrags geltend zu machen, sondern wären allenfalls Gegenstand eines Antrages auf Wiederaufnahme nach § 69 AVG.
Der Beschwerdeführer hat weiters anlässlich seines ersten Asylantrages dezidiert angegeben, dass er niemals einer Verfolgung aufgrund politischer Gesinnung ausgesetzt gewesen sei, weshalb in seinem späteren Vorbringen anlässlich seines zweiten Asylantrages, wonach er von der Kongresspartei gesucht und mit dem Umbringen bedroht werde, von einer unglaubwürdigen Steigerung seiner Fluchtgründe auszugehen ist.
Dasselbe gilt auch für das Vorbringen, dass der Vater des Beschwerdeführers nach der Ausreise des Beschwerdeführers von den Mitgliedern der Kongresspartei getötet worden sei. Selbst wenn bei diesem Vorbringen - ebenso wie bei der Behauptung, der Beschwerdeführer befürchte, von den Leuten der Kongresspartei umgebracht zu werden - von einem neuen Sachverhaltselement auszugehen wäre, könnte darin kein "glaubhafter Kern" erblickt werden, dem Asylrelevanz zukommen könnte. So hat der Beschwerdeführer lediglich am Ende der Einvernahme vor dem Bundesasylamt angegeben, dass seine Eltern getötet worden seien und er deshalb auch befürchte, umgebracht zu werden. Erst auf nähere Nachfrage, wann der Vater des Beschwerdeführers umgebracht worden sei, machte er diesbezüglich genauere Angaben und brachte vor, dass sein Vater von Leuten der Kongresspartei umgebracht worden sei. Der Beschwerdeführer hat jedoch weder in der Einvernahme anlässlich seines ersten Asylantrages noch am Anfang seiner Einvernahme für seinen zweiten Asylantrag, Probleme mit den Mitgliedern der Kongresspartei oder sonstige Probleme aus politischen Gründen geltend gemacht, weshalb diesem Vorbringen die Glaubwürdigkeit abzusprechen ist. Der Beschwerdeführer hat am Anfang seiner Einvernahme für seinen zweiten Asylantrag selbst angegeben, dass er noch immer die gleichen Fluchtgründe habe und sich keine neuen Gründe ergeben hätten.
Mit diesen Ausführungen ist klargestellt, dass in der persönlichen Sphäre des Beschwerdeführers keine Umstände eingetreten sind, welche geeignet wären, einen zulässigen neuerlichen Asylantrag zu begründen, sind doch diesem Vorbringen keine neuen asylrelevanten Sachverhaltsänderungen zu entnehmen, die eine andere Beurteilung zuließen.
Da auch keine Anhaltspunkte für eine Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf allgemein bekannte Tatsachen, die vom Bundesasylamt von Amts wegen zu berücksichtigen wären, vorliegen, da sich die allgemeine Situation in Indien bezogen auf den Gesamtstaat in der Zeit, bis der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen wurde, nicht geändert hat, wie sich der Asylgerichtshof durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage versichert hat - und sich auch die Rechtslage in der Zwischenzeit nicht entscheidungswesentlich geändert hat, ist das Bundesasylamt im Ergebnis daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Behandlung des zweiten Asylantrages das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht.
Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen.
Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 c AsylG war in diesem Fall durch Einzelrichtererkenntnis zu entscheiden.