TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/10 D5 306734-1/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.11.2008
beobachten
merken
Spruch

GZ. D5 306734-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Vorsitzende und den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Beisitzer über die Beschwerde des K.A., geb. 00.00.2006, StA. von Usbekistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.10.2006, FZ. 06 09.724-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und K.A. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass K.A. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der minderjährige Beschwerdeführer, ein usbekischer Staatsangehöriger und tatarischer Volksgruppenzugehöriger, war am 00.00.2006 als Sohn des K.F. (AIS-Zahl: 05 02.673) und der K.A. (AIS Zahl: 05 02.674) in Österreich geboren worden. Am 14.9.2006 stellte er durch seinen Vater als gesetzlichen Vertreter einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden genannt: Asylantrag). Mit Bescheid vom 17.10.2006, Zahl: 06 09.724-BAE, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des minderjährigen Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 ab und erkannte dem minderjährigen Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten nicht zu (= Spruchteil I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 erkannte das Bundesasylamt dem minderjährigen Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten jedoch zu (= Spruchteil II.); weiters erteilte das Bundesasylamt dem minderjährigen Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 1.5.2007 (= Spruchteil III.). Mit Bescheid vom 21.4.2008 verlängerte das Bundesasylamt die befristete Aufenthaltsberechtigung für den minderjährigen Beschwerdeführer bis zum 1.5.2009. Gegen Spruchteil I. des o.a. Bescheides erhob der Vertreter des minderjährigen Beschwerdeführers im Familienverfahren am 30.10.2006 fristgerecht eine Beschwerde. Die Spruchteile II. und III. des o.a. Bescheides erwuchsen hingegen in Rechtskraft.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Folgendes ist als glaubwürdiges Vorbringen des minderjährigen Beschwerdeführers zu qualifizieren und als maßgebender Sachverhalt festzustellen:

 

Der minderjährige Beschwerdeführer ist usbekischer Staatsangehöriger moslemischen Glaubens und Angehöriger der tatarischen Volksgruppe. Der minderjährige Beschwerdeführer konnte seine Identität durch Vorlage seiner am 00.00.2006 in Eisenstadt ausgestellten Geburtsurkunde nachweisen.

 

Als maßgebender Sachverhalt ist weiters festzuhalten, dass der minderjährige Beschwerdeführer der Sohn des K.F. (AIS-Zahl: 05 02.673) und der K.A. (AIS-Zahl: 05 02.674) ist, denen mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 10.11.2008, GZ. D5 260872-0/2008/4E, und vom 10.11.2008, GZ. D5 260873-0/2008/3E, Asyl gewährt und bezüglich derer festgestellt wurde, dass ihnen damit die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Gleichlautende Erkenntnisse des Asylgerichtshofes ergingen an die Geschwister des minderjährigen Beschwerdeführers (AIS Zahl: 05 02.676, 05 02.677, 06 13.475).

 

2. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich für den zuständigen Senat des Asylgerichtshofes rechtlich Folgendes:

 

2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I Nr. 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1.7.2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, vom Asylgerichtshof (konkret: von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat) weiterzuführen.

 

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren nach leg. cit. gegen einen abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes. Daher ist das Verfahren des minderjährigen Beschwerdeführers von dem zuständigen Senat des Asylgerichtshofes (D/5) weiterzuführen.

 

2.2. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen; § 44 AsylG 1997 gilt. Da der Asylantrag nach dem 31.12.2005 gestellt wurde, ist das vorliegende Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 2005 zu führen.

 

2.3. Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz, wobei die Gewährung von Asyl vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält gemäß leg. cit. einen gesonderten Bescheid.

 

Entsprechend den erläuternden Bemerkungen zu § 34 Abs. 4 AsylG 2005, der im Wesentlichen § 10 AsylG 1997 entspricht, sollen alle Familienmitglieder einen eigenen Bescheid, aber mit gleichem Inhalt zugesprochen bekommen. Jener Schutzumfang, der das stärkste Recht gewährt, ist auf alle Familienmitglieder anzuwenden.

 

Da dem Vater und der Mutter des minderjährigen Beschwerdeführers durch die oben genannten Asylgewährungen gemäß § 7 AsylG 1997 jeweils die stärksten Rechte gewährt wurden, hat der minderjährige Beschwerdeführer als Familienmitglied seiner Eltern gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 das Recht, einen gesonderten Bescheid mit dem selben Inhalt zu erhalten.

 

2.4. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden auf Antrag mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt der dem § 3 AsylG 2005 zugrunde liegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.9.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.4.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 9.3.1999, Zl. 98/01/0318). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.3.1999, Zl. 98/01/0352; VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401; VwGH 22.5.2003, Zl. 2001/20/0268, mit Verweisen auf Vorjudikatur).

 

Im vorliegenden Fall wurde dem Vater und der Mutter des minderjährigen Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 Asyl gewährt. Dem minderjährigen Beschwerdeführer ist daher nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang - d.h. nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr der Status des Asylberechtigten - zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 mit der Feststellung zu verbinden, dass dem betroffenen Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Hinweise darauf, dass dem minderjährigen Beschwerdeführer die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens mit seinem Vater und seiner Mutter in einem anderen Staat möglich wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

2.5. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
13.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten