A9 304.383-1/2008/31E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Vorsitzende und den Richter Dr. Pipal als Beisitzer über die Beschwerde von J.A. alias G.A., geb. 00.00.1988, StA. Mali, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.07.2006, GZ. 04 21.536-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.11.2008 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 7 und § 8 Abs. 1 und § 8 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. 1. Der Beschwerdeführer (StA: Mali) reiste illegal in Österreich ein und stellte am 21.10.2004 den gegenständlichen Asylantrag.
a) In seiner ersten Einvernahme vor der Erstinstanz vom 27.10.2004 brachte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen folgendes vor (Seiten 17ff des erstinstanzlichen Aktes):
"F: Warum haben Sie ihr Heimatland verlassen?
A: Mein Vater war beim Militär. Es gab einen Putschversuch. Mein Vater war eines der Mitglieder, die den Putsch versuchten. Der Putsch war nicht erfolgreich. Daraufhin kam mein Vater nachhause. Kurze Zeit später kamen einige Militärs zu uns nachhause und wollten
meinen Vater verhaften. Mein Vater weigerte sich und die Soldaten töteten meinen Vater. Ich war zu dieser Zeit bei meiner Lehrstätte. Als ich nachhause kam fand ich meine Schwester weinend vor. Sie erzählte mir das alles und wir sind sofort geflüchtet.
F: Welchen Rang hatte ihr Vater beim Militär?
A: Er war Korporal.
F: Wann war dieser Putschversuch?
A: Das war vor ca. 2 Monaten an einem Mittwoch.
Mir wird nun zur Kenntnis gebracht, dass mein Asylverfahren zulässig ist."
b) Am 06.03.2006 wurde der Beschwerdeführer von der Erstinstanz neuerlich einvernommen, in dieser Einvernahme brachte zu seinen Fluchtgründen folgendes vor (Seiten 67ff des erstinstanzlichen Aktes):
"F. Sie wurden am 27.10.2004 vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, zu ihrem Fluchtweg und zu ihren Fluchtgründen befragt. Haben Sie damals die Wahrheit gesagt? Haben Sie etwas hinzuzufügen? Möchten Sie etwas berichtigen?
A: Ich habe die Wahrheit gesagt. Ich habe bereits damals alles gesagt. Ich habe nichts zu berichtigen.
F: Sie haben damals angegeben, dass ihr Vater beim Militär war und er an einem Putschversuch teilgenommen hat. Dieser Putschversuch sei etwa zwei Monate vor ihrer
Einreise nach Österreich, also etwa im August 2004, gewesen. Ist dies richtig?
A: Mein Vater war Kommandant beim Militär und er hat an einem Putschversuch teilgenommen. Das mit den zwei Monaten vor meiner Einreise stimmt auch.
F: Wer hätte bei dem Putschversuch gestürzt werden sollen?
A: Der Putschversuch war gegen den Colonel Toumani Toure
gerichtet. Dieser ist der Präsident von Mali.
F: Sind Sie sich sicher dass dieser Putschversuch etwa zwei Monate vor ihrer Einreise nach Österreich war?
A: Ja, Die Behörden haben mich gesucht um mich zu verhaften, da ich der erste Sohn der Familie bin. Ich bin deshalb nach K. in Mali geflüchtet.
F: Haben Sie noch andere Probleme in Mali gehabt?
A: Sonst hatte ich in Mali keine Probleme.
F: Können Sie sich erklären, dass in keinem Jahresbericht, weder 2004 noch 2005 einer Menschenrechtsorganisation, des IRC oder dergleichen ein derartiger Putschversuch
aufscheint.?
A: Es ist aber das was mir dort passiert ist.
V: Dazu wird Ihnen vorgehalten, dass die von Ihnen in Mali behauptete Verfolgung Ihrer Person aus den von Ihnen behaupteten Gründen nicht glaubhaft ist, zumal Sie Ihre Gründe auf die Auswirkungen eines Putschversuchs in Mali im Jahr 2004 stützen, der offensichtlich nie stattgefunden hat.
F: Hat es jetzt in Mali im Jahr 2004 einen Putschversuch gegeben, ja oder nein?
A: Nein, Die Leute dort sind skeptisch und haben gedacht, dass ein Putschversuch gemacht wird. Das Militär kam zu uns nach Hause um meinen Vater zu verhaften. Es kam zu einer Auseinandersetzung und mein Vater starb. Ich weiß nicht, wer ihn getötet hat.
F: Wo waren Sie zu diesem Zeitpunkt?
A: Ich war zu diesem Zeitpunkt in einer Mechanikerlehre.
F: Von wem genau fühlen Sie sich jetzt in Mali verfolgt?
A: Ich kann nicht nach Mali zurück, da mein Vater dort gestorben ist. Wenn ich zurückkehre kann ich verhaftet werden oder auch getötet werden.
F: Was hat der Tod des Vaters mit Ihnen zu tun?
A: Ich weiß nicht warum man mich verhaftet wollte. Ein Onkel sagte mir dies in Mali. Er sagte dass gegen mich durch die Polizei recherchiert wird.
F: Wann wurde ihr Vater getötet?
A: Ich habe das Datum vergessen
F: Wissen Sie noch das Jahr, wann der Vater getötet wurde?
A: 2004
F: Welchen Rang hatte ihr Vater beim Militär?
A: Commandant
F: Wo genau war er stationiert?
A: Mein Vater arbeitete in der größten Kaserne von K.. Das Problem hatte er an der Grenze zum Senegal bei D..
F: Wen trafen Sie zu Hause an, als ihr Vater getötet wurde und Sie selbst nach Hause kamen?
A: Zu Hause bei mir lebten außer meinem Vater noch mein Onkel und meine Schwester. Ich wollte an diesem Tag nach Hause gehen um Mittag zu essen. Als ich zum Haus kam sah ich das Militär. Ich flüchtete dann alleine nach K.. Ich weiß seit diesem Zeitpunkt nicht mehr, wo mein Onkel und meine Schwester ist.
F: Hat Ihnen jemand erzählt, was geschehen ist?
A: Das hat mir niemand erzählt?
F: Wann erfuhren Sie davon, dass Ihr Vater tot ist?
A: Das hat mir mein Onkel gesagt.
F: Wann hat Ihnen das der Onkel gesagt?
A: Mein Onkel rief mich dann in K. an und sagte mir dann dass die Polizei nach mir sucht.
F: Woher wusste ihr Onkel wo Sie in K. aufhältig waren?
A: Ich hielt mich in K. bei einem Mann auf, der meinen Onkel anrief. So erfuhr ich was passierte. Der Mann war Garagenchef in K..
F: War ihr Onkel noch zu Hause als er von diesem Mann angerufen wurde?
A: Er war in Bamako in der Hauptstadt.
F: Hat ihr Onkel ein Handy ?
A: Das weiß ich nicht.
F: Wie kann jemand den Onkel anrufen, ohne dass man eine Telefonnummer hat.
A: Es gibt überall Telefonzellen. Ich weiß nicht, wie genau das zustande gekommen ist. Der Garagenchef hat mir jedenfalls den Hörer gegeben und ich habe mit meinem Onkel gesprochen.
F: Wann haben Sie ihre Schwester das letzte Mal gesehen?
A: Das war in der Nacht vor dem Vorfall, bei dem mein Vater getötet wurde.
F: Wie lange blieben Sie nach dem Tod ihres Vaters in K.?
A: Ich war ungefähr ein Monat lang in K.
F: Waren Sie immer bei diesem Garagenchef?
A: Ja, in seinem Haus.
F: Hatte der Vater noch einen anderen militärischen Rang
oder war der Rang nur Commandant?
A: Ich war nie in der Schule. Ich weiss nur dass mein Vater Commandant war.
F. Wie lange dauerte es, bis Sie von Mali nach Österreich kamen?
A: Ich gelangte über Lybien und Tunesien nach Italien und von dort aus nach Österreich. Die ganze Reisebewegung von Mali bis nach Italien dauerte etwas 3 4 Monate.
F: Wie lange waren Sie dann noch in Italien?
A: In Italien blieb ich nicht und verließ Italien mit dem Zug. Die Fahrt dauerte eine Nacht lang.
F: Wissen Sie noch wann Sie Mali verlassen haben?
A: Das weiß ich nicht.
F.: Haben sie sämtliche Gründe, die sie veranlasst haben, ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert.
A.: Ja.
F.: Haben sie in Österreich aufhältige Eltern oder Kinder, Ehefrau etc.(Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet)?
A.: Nein
F.: Lebten sie vor ihrer Inhaftierung mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Falls dies der Fall ist, beschreiben sie diese Gemeinschaft?
A.: Ja, aber die Beziehung ist beendet.
F.: Liegt eine anderweitige Integrationsverfestigung ihrer Person vor bzw. inwieweit würde ihr Privat- und Familienleben durch eine aufenthaltsbeendende Maßnahme beeinträchtigt werden?
A.: Ich habe nur das deutsche Alphabet im Gefängnis gelernt.
V: Sie kamen am 21.10.2004 illegal und als Asylsuchender nach Österreich. Bereits am 18.03.2005 wurden Sie erstmals zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz verurteilt. Es handelte sich damals um eine Jugendstraftat und es wurde diese bedingt auf drei Jahre Probezeit ausgesprochen. Die bedingte Nachsicht der Strafe wurde mit Datum vom 00.00.2005 vom Landesgericht für Strafsachen widerrufen. Sie wurden neuerlich straffällig und wurden am 00.00.2005 neuerlich wegen Vergehen nach dem SMG zu einer Haftstrafe von 14 Monaten verurteilt, welche Sie derzeit in der Justizanstalt in W. verbüßen. Es erscheint der ho. Behörde nicht gesichert, dass im Zuge einer Zukunftsprognose sichergestellt erscheint, dass Sie fortan nicht mehr straffällig werden könnten, zumal Sie bereits als Wiederholungstäter in Erscheinung traten.
V: Ihnen werden die ho. aufliegenden Länderinformationen Mali betreffend zur Kenntnis gebracht.
F: Haben Sie das verstanden und wollen Sie sich dazu äußern?
A: Ich habe es verstanden.
Es wird eine Stellungnahmefrist von drei Wochen mit dem
anwesenden JWFT vereinbart.
Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass meine Angaben der Richtigkeit entsprechen und vollständig sind.
F.: Haben sie den Dolmetsch während der g e s a m t e n Einvernahme einwandfrei verstanden.
A.: Ja.
F.: Hat der Dolmetsch das rückübersetzt, was sie gesagt haben.
A.: Ja.
F. Sind Ihre Angaben korrekt.
A. Ja.
F. Sind Sie vollständig.
A Ja."
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Asylwerbers unter Hinweis auf § 7 AsylG 1997 "idgF" ab (Spruchpunkt I.); weiters wurde mit diesem Bescheid gemäß § 8 Abs. 1 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mali zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. wies das Bundesasylamt den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Mali aus (Spruchpunkt III.).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
II. Der Asylgerichtshof führte am 05.11.2008 eine mündliche
Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer aus der Strafhaft
vorgeführt und unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprachen
Mandingo und Bambara einvernommen wurde. Zu seinen Fluchtgründen
brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen folgendes vor ("VR"=
vorsitzende Richterin, "BF" = Beschwerdeführer;
Verhandlungsniederschrift "VN" OZ 28):
"VR: Bitte schildern sie die Gründe warum sie Mali verlassen haben.
BF: Mein Vater war ein Soldat in der Armee von Mali, er hatte Probleme mit der Regierung, sie wollten ihn verhaften in seinem Haus und dort wurde er erschossen.
Ich war arbeiten und als ich zurück kam sah ich die Soldaten bei unserem Haus. Ich wollte in das Haus hinein aber meine Schwester hat mich bei der Türe angehalten und weinte. Ich bin dann mit meiner Schwester nach K. weggelaufen, dort hat mich ein Fremder 2 Tage in seinem Haus behalten. Ich habe dann meinen Onkel telefonisch verständigt und ihm meinen Aufenthalt mitgeteilt. Er hat mir geraten weiter zu flüchten, da ich von Polizei und Militär weiter gesucht würde.
VR: Woher hat ihr Onkel das gewusst?
BF: Wenn etwas passiert ist, wissen das alle dort.
VR: Warum wollte das Militär ihren Vater festnehmen?
BF: Die Regierung hat meinen Vater wegen eines Putsches verdächtigt, aber was genau es war, weiß ich nicht.
VR: Wie lange blieben sie in K.?
BF: Die Tage genau weiß ich nicht, ungefähr ein zwei Wochen.
VR: Wo sind sie in K. gewesen?
BF: Im sogenannten "kleinen K.". Ich war mit meiner Schwester. Wir haben uns bei einem alten Mann versteckt, um zu warten, bis das Problem vorbei ist.
VR: Ist das Problem vorbei gegangen?
BF: Da ich von der Polizei gesucht wurde bin ich weggegangen.
VR: Wo war Ihr Onkel?
BF: In Bamako. Ich bin nach Libyen geflohen, meine Schwester ist in Mali geblieben. Ich musste meine Schwester unterwegs zurück lassen, da sie müde war und ich weiter musste.
VR: Wo hat Ihr Vater gearbeitet?
BF: In K. in der Armee.
VR: Was ist der Grund, dass man nach Ihnen sucht?
BF: Ich habe mit dem Problem nichts zu tun, in Afrika ist das aber so, dass man dann auch ein Problem hat, wenn die Familie eines hat.
VR: Wo waren Sie, als die Soldaten ihren Vater verhaften wollten?
BF: Mein Vater war gerade auf einen zweitägigen Urlaub und befand sich zu Hause, als die Soldaten kamen. Ich selbst war arbeiten, und zwar in der Tischerlehre.
VR: Welche Schulausbildung haben Sie?
BF: Ich habe keine Schulausbildung, ich kann nur ganz wenig Französisch (Gruß z.B.)
VR: Ich halte Ihnen vor, dass Sie in der Erstinstanz abweichende Aussagen gemacht haben. Sie haben nämlich in der Einvernahme vom 6.3.2006 angegeben, dass Sie zum Mittagessen nach Hause gehen wollten und als Sie das Militär sahen, seien Sie alleine nach K. geflohen (S.71).
BF: Ich wollte nach der Arbeit nach Hause essen gehen aber dann war dort der Skandal.
VR: Sind Sie nun alleine geflohen oder mit der Schwester?
BF: Ich bin mit meiner Schwester nach K. geflohen.
VR: Sie haben angegeben, dass Sie ab dem Zeitpunkt nicht wüssten, wo sich Ihr Onkel und Ihre Schwester aufgehalten hätten.
BF: Seit Libyen hatte ich keinen Kontakt mit meinen Onkel und meiner Schwester.
VR: Wie sind Sie mit ihrem Onkel nach den Ereignissen mit dem Militär in Kontakt gekommen?
BF: Ich habe meinen Onkel angerufen, er hatte ein Festnetztelefon.
VR: Das erklärt den oa Widerspruch nicht. Sie haben nämlich auch ausgesagt, dass Sie vom Tod ihres Vaters durch Ihren Onkel telefonisch erfahren haben (S.71).
BF: Mein Onkel hat immer zu Hause angerufen, aber wegen des Problems hat das Telefon nicht funktioniert. Beim alten Mann bei dem ich war, habe ich meinen Onkel angerufen und ich habe ihm dann meinen Aufenthaltsort mitgeteilt. Ich habe meinem Onkel die Telefonnummer vom alten Mann gegeben und mein Onkel stellte in Aussicht mich in ein paar Tagen anzurufen. Nach ein paar Tagen hat mich mein Onkel dort angerufen und mir geraten, von dort zu fliehen, denn wenn mich das Militär dort finden würde, würde ich möglicherweise verhaftet oder sogar getötet werden.
VR: Was würden Sie im Fall einer heutigen Rückkehr nach Mali fürchten?
BF: Wenn ich nach Mali gebracht würde, würden dort meine Feinde warten, es war sehr schwer hierher zu kommen. Lieber würde ich hier im Gefängnis sterben.
Folgende Erkenntnisquellen werden der beschwerdeführenden Partei genannt und deren Inhalt erörtert:
-
Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom März 2008 - Mali Innenpolitik, Beilage 1;
-
Bericht des US-Department of State vom 11. März 2008 betreffend Mali - Country Reports on Human Rights Practices 2007, Beilage 2;
-
Home Office, UK Border Agency, Country of Origin Information Key Documents, Mali, vom 03.04.2008, Beilage 3;
-
AI Report 2008, Mali, Beilage 4;
VR fragt den BF, ob er hiezu etwas vorbringen will.
BF: Das Problem ist, wenn ein Familienmitglied ein Problem hat, muss ein anderes Mitglied dafür "bezahlen".
VR: Haben Sie von hier aus Kontakt mit Ihrer Schwester oder Ihrem Onkel aufgenommen?
BF: Nein.
VR: Was haben Sie seit sie in Österreich sind integrationsbegründenden Umständen (Familie, Arbeit oder ähnliches) ?
BF: Ich habe einen dreimonatigen Deutschkurs besucht. Das Problem für Afrikaner ist, dass man selbst sofort verdächtigt wird, wenn man bei jemandem schläft, der auch in Verdacht ist.
BFV: Meines Erachtens ist der Putschversuch nicht hinreichend beleuchtet, möglicherweise ist die angesprochenen Sippenhaftung ein zusätzliches informelles Ordnungsmittel des dortigen Staates. Es kann sich hierbei um ein effektives Ordnungsmittel handeln, um einzelne zu einem gewünschtem Wohlverhalten zu zwingen.
VR: Vorgehalten wird, dass eine Länderrecherche des Asylgerichtshofes ergeben hat, dass ein (erfolgloser) Putschversuch durch das Militär (gegen die Regierung) im August 2004 in Mali nicht bekannt ist (Beilage 5, Antwort 1).
BFV: Da schon einem Verdacht eines Putschversuches üblicherweise nach gegangen wird, bevor dieser stattfindet und es zu spät ist, ist es durchaus möglich, dass ein solcher noch gar nicht stattgefunden hat.
BFV an BF: War der Vater einfacher Soldat oder Offizier, welche Funktion hatte er in der Armee?
BF: Mein Vater war ein Offizier, ein Kommandant, welchen Rang er genau hatte, weiß ich nicht.
BFV an BF: Wurde der Vater verdächtigt?
BF: Ja mein Vater war verdächtig, sie haben gedacht er wolle mit der Kompanie einen Putsch machen.
BFV an BF: Haben Sie damals im selben Haus gelebt?
BF: Mein Vater arbeitete in K. und kam am Wochenende nach Hause. Ich selbst habe auch in diesem Haus gewohnt.
BFV an BF: Hatte es eine persönliche Gewaltanwendung oder Drohung gegen Sie gegeben?
BF: Sie haben nur den Vater verdächtigt, da er sich zu Wehr gesetzt hat, haben sie ihn ermordet.
BFV an BF: Wollten sie Sie auch festnehmen?
BF: Ja, sie wollten auch mich arrestieren.
BFV an BF: Was befürchten Sie für den Fall einer Festnahme?
BF: Wäre ich im Haus gewesen, hätten sie mich auch verhaftet, möglicherweise auch getötet.
Zu den Länderberichten gibt die BFV an: Die Berichte enthalten sehr viel über die rechtlichen Rahmenbedingungen, sie geben aber nichts über die Praxis in diesem Land wieder. Die Rede ist nur von gelegentlichen Übergriffen, aber nichts Konkreteres. Die Länderberichte gehen nicht auf das Militär in Mali ein, in wieweit Putschgefahr besteht. Allfällige Widersprüche in den Einvernahmen sind nicht so gravierend, sondern lösbar."
III. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1.1. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers wird festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Mali. Die vom ihm vorgebrachten Fluchtgründe (Bedrohung durch Militär bzw. Polizei in Mali wegen des Verdachtes der Begehung eines Putschversuches durch den Vater, Sippenhaftung) werden mangels Glaubwürdigkeit nicht festgestellt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Mali aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre. Es konnten auch keine konkreten Gründe festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Mali einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Im Beschwerdefall können keine Umstände festgestellt werden, die für eine besondere Integration des Beschwerdeführers in Österreich sprächen. Der Beschwerdeführer wurde insgesamt fünf Mal in Österreich rechtskräftig nach Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes strafgerichtlich verurteilt, und zwar das erste Mal bald nach seiner Einreise in Österreich mit Urteil des Landesgerichtes vom 00.00.2005, , als Jugendstraftat zu 4 Monaten Freiheitsstrafe (die zunächst ausgesprochene bedingte Strafnachsicht wurde später widerrufen), zuletzt mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen vom 00.00.2008, , zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, zusammengerechnet zu Freiheitsstrafen von insgesamt über 2 1/2 Jahren (siehe im Detail den im Akt befindlichen Strafregisterauszug, Anhang zur VN).
1.2. Zur politischen und menschenrechtlichen Situation in Mali werden folgende Feststellungen getroffen:
Die Verfassung Malis von 1992 ist an die französische Verfassung angelehnt und sieht eine Präsidialdemokratie vor. Der Zentralstaat ist aufgegliedert in 8 Regionen und den Distrikt von Bamako, 49 Kreise und 703 städtische und ländliche Gemeinden. Gemäß den Verfassungsbestimmungen ist die Justiz unabhängig. Der Staatspräsident ernennt den Regierungschef und durch ihn indirekt auch die Mitglieder der Regierung.
Am 29.04.2007 wurde Amadou Toumani Touré in einer als frei und fair bezeichneten Wahl mit ca. 70% der Stimmen als Präsident Malis für eine zweite und letzte fünfjährige Amtsperiode bestätigt. Generaloberst Touré hatte Mali 1991 nach einem Putsch gegen den Diktator Traoré als Übergangspräsident in die Demokratie geführt und 1992 die Macht in den ersten freien Wahlen des Landes an Alpha Oumar Konaré abgegeben, die dieser - nach seiner Wiederwahl 1997 - bis 2002 innehatte. Nachdem A.O. Konaré sich aus Verfassungsgründen 2002 nicht zur Wiederwahl stellen konnte, hatte Touré erfolgreich für das Präsidentenamt kandidiert. Präsident Amadou Toumani Touré ist die überragende politische Persönlichkeit im Lande und spielt auch auf dem afrikanischen Kontinent vor und hinter den Kulissen eine wichtige Rolle.
Mali hat ein Einkammer-Parlament, die Assemblée Nationale, mit 147 Abgeordneten. Im Juli 2007 fanden Parlamentswahlen statt. Neuer Premierminister ist seit 28.09.2007 Modibo Sidibé.
Im April 2004 wurde nach kanadischem Vorbild für sieben Jahre der "Vérificateur Général" Sidi Sossa Diarra eingesetzt, der als unabhängige Kontrollinstanz gegen die illegale Verwendung staatlicher Gelder Zugang zu allen Akten haben soll. Er ist weisungsungebunden und legt einen jährlichen Bericht vor. In seinem im Juni 2007 veröffentlichten Bericht stellt er fest, dass dem Staat 2006 durch Veruntreuung, Unterschlagung und Korruption öffentlicher Einrichtungen 103 Mrd. FCfA (ca. 158 Mio EUR) verloren gegangen seien. Ob dies zu Konsequenzen führen wird, ist z.Z. noch nicht absehbar. Die Einrichtung eines unabhängigen Rechnungshofes ist in Vorbereitung.
In der allgemein als frei und fair gekennzeichneten Wahl im Juli 2007 gewannen bei schwacher Wahlbeteiligung (ca. 32%) die bisherige Regierungspartei ADEMA (Alliance pour la Démocratie Malienne) sowie UDR (Union pour la Démocratie) die meisten Sitze. Neben ADEMA (51 Sitze) und UDR (34) sind verschiedene Parteien mit nur wenigen Abgeordneten und 15 Unabhängige vertreten. Mit Ausnahme des "Rassemblement pour le Mali" (RPM - 8 Sitze) und der "Solidarité Africain pour Démocratie et Indépendence" (SADI - 4 Sitze) stehen die meisten Parteien dem Präsidenten nahe. Eine Opposition ist daher nur schwach ausgeprägt.
Die konstituierende Sitzung der Assemblée Nationale fand am 3.9.2007 statt. Dioncounda Traoré, ADEMA-Vorsitzender, wurde zum neuen Präsidenten der Assemblée Nationale gewählt.
Mali wird im Wesentlichen die Achtung der Menschenrechte unter den Gegebenheiten der Armut bescheinigt. Gelegentlich kommt es zu Übergriffen der Polizei. Die Situation in den Gefängnissen ist oft sehr schwierig. Ein Problem stellt der grenzüberschreitende Kinderhandel in der Region dar.
Die Lage der Frauen vor allem auf dem Lande ist noch weitgehend durch ihre Einbindung in traditionelle afrikanische Lebensformen bestimmt. Sie ist dem Mann im Allgemeinen untergeordnet und trägt den Großteil der familiären Alltagslasten. Die Unterzeichnung der Konvention über die Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frauen im Jahre 1970 und anderer internationaler Konventionen zum Schutz der Frauen hat an dieser Lage kaum etwas geändert. Von den 26 Ministern sind 7 Frauen. Auch in der Nationalversammlung sind nur 14 Frauen (von 147 Abgeordneten) vertreten. Zahlreiche Entwicklungsprojekte sind besonders oder ausschließlich auf die Verbesserung der Lebensbedingungen der Frauen und Mädchen ausgerichtet. Die Lebenserwartung der malischen Frauen liegt bei 54,6 Jahren (Männer 52,0 Jahre). Die Einschulungsrate von Mädchen (45%) hat sich landesweit leicht verbessert, liegt aber weiterhin deutlich unter derjenigen der Knaben (65%). Die Arbeit von Nicht-Regierungsorganisationen auf diesem Gebiet wird von der Regierung nicht behindert. Die Reform des Familienrechts steht noch aus.
Das malische Eherecht lässt die Wahl der Polygamie zu, bei der der Mann bis zu vier Frauen heiraten darf. Sie ist rückläufig. Kinderreichtum wird noch weithin als soziale Alterssicherung begriffen. Durchschnittlich bringt jede Frau 6,7 Kinder zur Welt; 24% der Kinder sterben vor Vollendung des 5. Lebensjahres. Auf dem Lande ist eine sehr frühe Verheiratung der Mädchen in vielen Gegenden noch immer üblich.
Von einigen Volksgruppen abgesehen, wird die weibliche Genitalverstümmelung allgemein praktiziert (95%), ohne dass dies von weiten Teilen der Bevölkerung als Menschenrechtsverletzung angesehen würde. Gleichwohl ist in den Städten auch zu diesem Thema eine Diskussion in Gang gekommen. Die Regierung hat einen eigenen Plan zur Bekämpfung der weiblichen Genitalverstümmelung vorgelegt. Führende Regierungsvertreter äußern sich allerdings selten in der Öffentlichkeit zu diesem Thema. Ausnahme ist die Präsidentengattin und die neu ernannte Ministerin für Frauen und Familie Dank des großen Einsatzes malischer Nichtregierungs-Organisationen ist das Problem der Genitalverstümmelung dennoch zu einem öffentlichen Thema geworden.
Ein Gesetzesentwurf der Regierung zur Abschaffung der Todesstrafe befindet sich in Vorbereitung.
Es besteht keine allgemeine Hungersnot und auch keine allgemeine Bürgerkriegssituation, Rebellenaktivitäten sind regional auf den Norden des Landes beschränkt.
2.1. Die Feststellungen zum Fehlen einer individuellen Bedrohungssituation des Beschwerdeführers gründen sich auf die Ergebnisse des Beweisverfahrens, insbesondere die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers. So wichen seine Angaben über die unmittelbar fluchtauslösenden Gründe im Verlauf des Asylverfahrens so maßgeblich voneinander ab, dass sie für unglaubwürdig qualifiziert werden: So gab der Beschwerdeführer in der ersten Einvernahme und zum Beginn der Zweiteinvernahme noch an, es hätte etwa zwei Monate vor seiner Einreise in Österreich (also etwa im August 2004) in Mali einen Putschversuch gegeben, sein Vater - ein Militärangehöriger - sei eines der Mitglieder gewesen, die den Putsch versucht hätten, der Putsch sei nicht erfolgreich gewesen (Seiten 21 Mitte bzw. 69 oben des erstinstanzlichen Aktes). Erst über Vorhalt, dass die konsultierten Dokumentationsquellen für 2004 keinen Putschversuch in Mali auswiesen, räumte der Beschwerdeführer ein, dass es einen solchen nicht gegeben hätte, erklärte aber, die Leute seien dort "skeptisch und haben gedacht, dass ein Putschversuch gemacht" werde (Seite 69 Mitte des erstinstanzlichen Aktes).
Weiters wichen die Aussagen darüber, wie er von den Ereignissen erfahren haben will, unvereinbar voneinander ab: Zuerst (und wieder in der Beschwerdeverhandlung) sagte er nämlich aus, er sei an dem Tag, an dem sein Vater von den Militärs getötet worden sei, nachhause gekommen und habe seine Schwester weinend vorgefunden. Diese Schwester habe ihm dann von den Ereignissen erzählt und sie seien sofort geflüchtet (Seiten 21 Mitte des erstinstanzlichen Aktes bzw. Seite 2 unten und 3 unten VN).
Demgegenüber brachte er in der zweiten Einvernahme gänzlich abweichend davon vor, dass er - als er von der Mechanikerlehre kommend zum Haus gegangen sei - Militär gesehen habe. Daraufhin sei er alleine nach K. geflüchtet und wisse seit diesem Zeitpunkt nicht mehr, wo Onkel und Schwester geblieben seien. Seine Schwester habe er das letzte Mal in der Nacht vor dem Vorfall, bei dem sein Vater getötet worden sei, gesehen. Von den Ereignissen (Tod des Vaters) hätte ihm sein Onkel telefonisch erzählt, als er schon in K. gewesen sei (Seiten 71 oben und 71 unten des erstinstanzlichen Aktes).
Nun liegt ein wesentlicher Unterschied darin, ob man vom Tod des Vaters von der unmittelbar involviert gewesenen weinenden eigenen Schwester noch am Ort des Geschehens oder aber im Nachhinein - an einem sichereren Ort, den man in Unsicherheit über die näheren Details erreichen konnte - telefonisch vom Onkel erfährt, genauso unvereinbar miteinander ist es, ob man in Angst alleine flieht und von der eigenen Schwester seither nichts mehr gehört hat, oder ob man gemeinsam mit dieser flieht (und diese später auf der weiteren Flucht nach Libyen aus den Augen verliert, wie in der Beschwerdeverhandlung behauptet; Seite 3 oben VN). Bei diesen Aspekten handelt es sich um zentrale Elemente des Fluchtgeschehens, die unmittelbare Betroffenheit auslösen (zB die Ermordung des eigenen Vaters sowie die spontane Betroffenheit der eigenen Schwester darüber), sodass hinsichtlich dieser Aspekte weder eine Verwechslung nahe liegt, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zwischen den beiden Einvernahmen ein Zeitraum von zwei Jahren verstrich, noch ein Anhaltspunkt dafür hervorkam, dass etwa Verständigungsprobleme für die Abweichungen ursächlich gewesen wären (zumal auch die weiteren Aussagen in den jeweiligen Einvernahmen durchaus detailliert und offenkundig ohne Missverständnisse erfolgten).
Insgesamt erweist sich das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner individuellen Bedrohungssituation daher als unglaubwürdig und es war angesichts dessen, dass schon die behaupteten Geschehnisse im Haus des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig waren, nicht erforderlich, Ermittlungen zur Frage der Sippenhaftung in Mali anzustellen.
2.2. Die Feststellungen zur politischen und menschenrechtlichen Situation in Mali stützen sich auf die in der Verhandlung erörterten
-
vom Asylgerichtshof für unbedenklich und aussagekräftig erachteten
-
Quellen, nämlich: Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom März 2008 - Mali Innenpolitik; Bericht des US-Department of State vom 11. März 2008 betreffend Mali - Country Reports on Human Rights Practices 2007; Home Office, UK Border Agency, Country of Origin Information Key Documents, Mali, vom 03.04.2008, sowie AI Report 2008, Mali.
3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
3.1. Gemäß § 75 Abs. 1 erster und zweiter Satz AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.
Nach § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe näherer Bestimmungen weiterzuführen.
Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 werden Verfahren über Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt.
Da der im Berufungsfall zu prüfende Antrag nach dem 1. Mai 2004 (und vor dem 31.12.2005) gestellt wurde, wird das gegenständliche Berufungsverfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 129/2004 geführt.
3.2. Zu Spruchpunkt I. (Asylgewährung):
Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Flüchtling im Sinne des AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (vgl. z.B. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 23.09.1998, 98/01/0224). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (vgl. zur der Asylentscheidung immanenten Prognose z.B. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, 98/01/0352).
Nach den getroffenen Feststellungen wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner konkreten Bedrohungssituation an sich schon nicht als glaubwürdig beurteilt und zudem ausgeführt, dass im Verfahren auch keine andere konkret den Beschwerdeführer betreffende individuelle, auf Konventionsgründen beruhende Gefahr in Mali festgestellt werden konnte.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher der Erfolg versagt.
3. 3. Zu Spruchpunkt II. (Ausspruch über den subsidiären Schutz):
Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.
Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.
Gemäß § 57 Abs. 2 und 4 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 GFK).
Zur Auslegung des § 57 FrG ist im Wesentlichen weiterhin die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer solchen Gefahr in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Zu diesem Punkt wird auf die getroffenen Feststellungen (Punkt III. 1.1.) verwiesen, wonach eine konkrete Bedrohung des Beschwerdeführers nicht festgestellt wurde. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr auf exzeptionelle Umstände träfe, die eine Rückführung im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortung liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen könnten. Dies auch nicht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Mali zu den ärmsten Ländern Afrikas gehört, da ein Mindestmaß an Versorgung - wenn auch auf niedrigem Niveau - möglich ist und auch nicht hervorgekommen ist, dass der Beschwerdeführer einer besonders verletzlichen Gruppe angehört. Dementsprechend liegt insgesamt gesehen keine dem Beschwerdeführer drohende Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG vor.
3.4. Zu Spruchpunkt III. (Ausspruch über die Ausweisung):
Ist ein Asylantrag abzuweisen und hat die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde diesen Bescheid gemäß § 8 Abs. 2 AsylG mit der Ausweisung zu verbinden.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen: die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 31.07.2008, 265/07, Omoregie; 08.04.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 20.06.2008, 2008/01/0060; 17.12.2007, 2006/01/0216 bis 0219; 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423;
Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention², 194;
Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005³, S. 282ff).
Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Mali angesichts seines mehrjährigen Aufenthaltes in Österreich an sich einen Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellt. Denn selbst bei Bejahung dieser Frage führte eine Interessenabwägung nach den Gesichtspunkten des Art. 8 Abs. 2 EMRK, insbesondere der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens (vgl. VwGH 08.09.2000, 2000/19/0043), zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen überwiegen und dass dieser Eingriff in das Grundrecht notwendig und verhältnismäßig ist: Der Beschwerdeführer lebte bis 2004 in Mali, reiste illegal in Österreich ein und stützte seinen Aufenthalt von Anfang an ausschließlich auf den vorliegenden - missbräuchlichen - Asylantrag. Dem Beschwerdeführer musste daher sein bloß vorläufiger Aufenthaltsstatus klar gewesen sein. Dazu kommt, dass er in der kurzen Zeit seines Aufenthaltes in Österreich wiederholt straffällig wurde und auch nicht zu erkennen ist, dass in Ansehung des Beschwerdeführers - mit Ausnahme der Absolvierung eines dreimonatigen Deutschkurses - in Österreich besondere integrationsbegründende Umstände vorlägen. Die von der Erstbehörde ausgesprochene Ausweisung als solche begegnet daher auch zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt keinen Bedenken.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.