TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/10 B10 318639-1/2008

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Veröffentlicht am 10.11.2008
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Spruch

B10 318.639-1/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Asylgesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl. I 2008/4, (AsylG) und 66 Abs. 2 AVG durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Vorsitzenden und die Richterin Mag: Ursula SAHLING als Beisitzerin über die Beschwerde des S.B., geb. 00.00.1978, StA. Republik Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.03.2008, AZ. 08 01.466-EAST West, zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde vom 03.04.2008 wird der Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.03.2008 gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo (vormals Serbien, Provinz Kosovo) und stellte nach illegaler Einreise am 10.02.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, nach Österreich gekommen zu sein, um Geld zu verdienen und weil er als Mitglied der verbotenen Selbstbestimmungspartei "Vetevendosja" nach Austritt aus dieser Gruppe per telefonischer Kurznachricht mit dem Tod bedroht worden sei, falls er nicht zurückkehre, worauf er mit zwei Freunden, welchen es ebenso ergangen wäre, geflüchtet sei.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.03.2008, Zl. 08 01.466-EAST West, wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt, dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kosovo nicht zuerkannt und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG 2005 aus dem Bundesgebiet in die Republik Kosovo ausgewiesen.

 

Im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen wurde festgestellt, dass keine Verfolgungsgründe im Sinne des AsylG 2005 glaubhaft gemacht wurden bzw. nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer einer Gefahr im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG ausgesetzt wäre und keine Umstände existieren, welche einer Ausweisung in die Republik Kosovo entgegenstünden.

 

Weiters wurden Feststellungen über die Sicherheitslage und die Tätigkeit der Polizei, über die Kriminalität allgemein und den bestehenden effektiven Schutz seitens der Sicherheitsbehörden und durch das Rechtsschutzsystem sowie über die organisierte Kriminalität, welche ein großes Problem im Kosovo darstellt, die gesicherte Grundversorgung und die Sicherheitslage nach der Anerkennung am 17.03.2008 getätigt.

 

Beweiswürdigend wurden demgegenüber jedoch die Fluchtgründe als glaubhaft und widerspruchsfrei bewertet und der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt, wonach es sich bei der geltend gemachten Bedrohung um ein Kriminaldelikt handle und sich der Beschwerdeführer unter den Schutz der KPS hätte stellen können.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 Abs.1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes oder

 

soweit in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4,

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG und die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Ad I)

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbarer Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Von der durch § 66 Abs. 3 AVG der Berufungsbehörde eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, wenn "hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist", war im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen nicht Gebrauch zu machen:

 

Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein Verfahren mit nachgeordneter Kontrolle durch den Asylgerichtshof (Art. 129 c B-VG), welcher auf sein Verfahren ebenfalls das AVG anzuwenden hat (§ 23 AsylGHG), und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (nunmehr grundsätzlich nur mehr durch den Verfassungsgerichtshof) eingerichtet. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 18 AsylG 2005 grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnung des Gesetzgebers würde aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens vor dem Bundesasylamt zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor den Asylgerichtshof käme, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen des Asylwerbers sachgerecht einzugehen oder überhaupt eine (neuerliche) Einvernahme durchzuführen. Es ist nicht im Sinne des Gesetzgebers, wenn der Asylgerichtshof, statt seine "umfassende" Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht. Dies spricht auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Asylgerichtshof beginnen und zugleich - abgesehen von der beschränkten Kontrolle der Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof - bei diesem enden soll, für ein Vorgehen nach § 66 Abs. 2 AVG (vgl. VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084; VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315).

 

Im angefochtenen Bescheid fehlen Feststellungen über die genannte Partei. Lediglich zwei Absätze der Feststellungen beschäftigen sich mit einer aufgelösten Demonstration dieser Partei. Inwiefern der Beschwerdeführer also seine Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte, obwohl die Erstbehörde keine Feststellungen zur Partei "Vetevendosje" getroffen hat, ist dem Asylgerichtshof nicht erschließbar.

 

Es fehlen Feststellungen wie Ziele, Organisation, Anführer, Aktivitäten, etc, über die Partei, auch im Hinblick auf die zwischenzeitig erklärte Unabhängigkeit des Kosovo.

 

Es hätte geklärt werden müssen, welche Aufgaben bzw. Funktion der Beschwerdeführer in dieser Partei innehatte und weshalb er wegen seines Austritts wann mit dem Tod bedroht wurde und ob er nun zu dieser Partei zurückgekehrt ist bzw. was er in diesem Fall zu befürchten hätte.

 

Es fehlen zudem Ermittlungen über die Tätigkeiten seiner Freunde bei der Partei und deren Bedrohung und der dafür maßgeblichen Gründe, deren Identität und allfälligen asylrechtlichen Status bzw. deren Vorbringen in diesen Verfahren.

 

Darüber hinaus ist anzumerken, dass die vorgenommene Beweiswürdigung insofern unschlüssig ist, als sie im Widerspruch zu den Feststellungen steht, wonach das Vorliegen von Verfolgungsgründen im Sinne des AsylG 2005 als unglaubwürdig beurteilt wurde.

 

Nun vermag zwar die seitens des Bundesasylamtes vorgenommene unschlüssige Beweiswürdigung für sich selbst betrachtet nicht zu einer Behebung des angefochtenen Bescheides nach § 66 Abs. 2 AVG führen. Jedoch verbleibt unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die seitens des Bundesasylamtes vorgenommene Beweiswürdigung als unschlüssig anzusehen ist, ein Vorbringen des Beschwerdeführers übrig, dem das Bundesasylamt nicht sachgerecht begegnet ist. Auf Grundlage des seitens des Bundesasylamtes durchgeführten Verfahrens und der getätigten bzw. eben gerade nicht getätigten Ermittlungsschritte kann nicht die Feststellung getroffen werden, dass das vom Beschwerdeführer getätigte Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Da es das Bundesasylamt unterlassen hat, auf Grund von tragfähigen Ermittlungen und Feststellungen das Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund solcher Feststellungen einer Beurteilung zu unterziehen, wäre die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung durch den Asylgerichtshof - aus den oben angeführten Gründen sowie zur neuerlichen Befragung des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund der zu tätigenden Ermittlungen und zu treffenden Feststellungen - unvermeidlich.

 

Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Asylgerichtshof gemäß § 66 Abs. 2 und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Beschwerdeführers gegen eine Kassation des erstinstanzlichen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

 

Weiters möge die Erstbehörde im fortgesetzten Verfahrensgang auch nachvollziehbar ausführen, weshalb eine Bedrohung nach Austritt aus einer politischen Partei nicht unter die Fluchtgründe der GFK zu subsumieren ist, sondern ein reines Kriminaldelikt darstellen soll (Stichwort: politische Verfolgung).

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
25.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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