TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/10 D5 260874-0/2008

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Veröffentlicht am 10.11.2008
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Spruch

D5 260874-0/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Vorsitzende und den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Beisitzer über die Beschwerde der K.S., geb. 00.00.2004, StA. von Usbekistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.5.2005, FZ. 05 02.676-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und K.S. gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg. cit. wird festgestellt, dass K.S. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Die minderjährige Beschwerdeführerin, eine usbekische Staatsangehörige und Angehörige der tatarischen Volksgruppe, reiste gemeinsam am 28.2.2005 zusammen mit ihrem Vater K.F. (AIS-Zahl: 05 02.673), ihrer Mutter K.A. (AIS-Zahl: 05 02.674) und ihrem Bruder (AIS-Zahl: 05 02.677) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte ihr Vater als ihr gesetzlicher Vertreter am selben Tag einen Asylantrag. Am 2.3.2005, am 7.3.2005 und am 4.5.2005 fanden die niederschriftlichen Einvernahmen des gesetzlichen Vertreters vor dem Bundesasylamt statt. Mit Bescheid vom 11.5.2005, Zahl: 05 02.676-BAE, wies das Bundesasylamt den Asylantrag der minderjährigen Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 ab (= Spruchteil I.) und erklärte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der minderjährigen Beschwerdeführerin nach Usbekistan für nicht zulässig (= Spruchteil II.); weiters erteilte das Bundesasylamt der minderjährigen Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 1.5.2006 (= Spruchteil III.). Gegen Spruchteil I. des o.a. Bescheides erhob der Vertreter der minderjährigen Beschwerdeführerin im Familienverfahren am 27.5.2005 fristgerecht eine Beschwerde. Die Spruchteile II. und III. des o.a. Bescheides erwuchsen hingegen in Rechtskraft.

 

Im Zuge der erstinstanzlichen Einvernahme am 4.5.2005 verwies der gesetzliche Vertreter der minderjährigen Beschwerdeführerin auf seine Angaben in seinem Verfahren und führte weiters aus, dass seine Tochter mit ihm nach Österreich gekommen sei, weil er sich zu diesem Schritt entschlossen habe.

 

Im o.a. Bescheid stellte das Bundesasylamt fest, dass die minderjährige Beschwerdeführerin zur Kernfamilie des K.F. (AIS Zahl: 05 02.673) gehöre und sei im Falle der minderjährigen Beschwerdeführerin nicht festzustellen gewesen, dass sie in Usbekistan einer begründeten Furcht vor Verfolgung ausgesetzt gewesen sei.

 

In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesasylamt zur Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 folgendes aus:

 

Im gegenständlichen Fall liege ein Familienverfahren gemäß § 10 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 vor. Das Vorbringen der minderjährigen Beschwerdeführerin beziehungsweise der gesamten Familie im Familienverfahren sei im Rahmen der Beweiswürdigung überprüft worden und ergebe sich daraus die rechtliche Beurteilung, dass der minderjährigen Beschwerdeführerin in Usbekistan keinen Verfolgungen aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründen ausgesetzt gewesen sei.

 

In Bezug auf die Entscheidung über den subsidiären Schutz gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 führte das Bundesasylamt aus, dass für die minderjährige Beschwerdeführerin gegenwärtig ein Abschiebungshindernis nach Usbekistan bestehe, weil "aufgrund der gegenwärtigen Lage" davon ausgegangen werden könne, dass sie im Falle der Rückkehr zumindest einer unmenschlichen Behandlung - im Sinne des Art. 3 EMRK - ausgesetzt wäre.

 

Das Bundesasylamt erteilte daher der minderjährigen Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 1.5.2006.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Folgendes ist als glaubwürdiges Vorbringen des minderjährigen Beschwerdeführers zu qualifizieren und als maßgebender Sachverhalt festzustellen:

 

Die minderjährige Beschwerdeführerin ist usbekische Staatsangehörige moslemischen Glaubens und Zugehörige der tatarischen Volksgruppe. Die minderjährige Beschwerdeführerin konnte ihre Identität durch Vorlage ihrer am 00.00.2004 vom Standesamt ausgestellten Geburtsurkunde nachweisen.

 

Als maßgebender Sachverhalt ist weiters festzuhalten, dass die minderjährige Beschwerdeführerin die Tochter des K.F. (AIS-Zahl: 05 02.673) und der K.A. (AIS-Zahl: 05 02.674) ist, denen mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 10.11.2008, GZ. D5 260872-0/2008/4E, und vom 10.11.2008, GZ. D5 260873-0/2008/3E, Asyl gewährt und bezüglich derer festgestellt wurde, dass ihnen damit die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Gleichlautende Erkenntnisse des Asylgerichtshofes ergingen an die Geschwister der minderjährigen Beschwerdeführerin (AIS-Zahlen: 05 02.677, 06 09.724, 06 13.475).

 

2. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich für den zuständigen Senat des Asylgerichtshofes rechtlich Folgendes:

 

2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I Nr. 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1.7.2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, vom Asylgerichtshof (konkret: von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat) weiterzuführen.

 

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren nach leg. cit. gegen einen abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes. Daher ist das Verfahren der minderjährigen Beschwerdeführerin von dem zuständigen Senat des Asylgerichtshofes (D/5) weiterzuführen.

 

2.2. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen; § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge, die ab dem 1.5.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, in der jeweils geltenden Fassung geführt.

 

2.3. Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 hat die Behörde Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz, wobei die Gewährung von Asyl vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält gemäß leg. cit. einen gesonderten Bescheid.

 

Entsprechend den erläuternden Bemerkungen zu § 10 Abs. 5 AsylG 1997 sollen alle Familienmitglieder einen eigenen Bescheid, aber mit gleichem Inhalt zugesprochen bekommen. Jener Schutzumfang, der das stärkste Recht gewährt, ist auf alle Familienmitglieder anzuwenden.

 

Da dem Vater und der Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin durch die oben genannten Asylgewährungen gemäß § 7 AsylG 1997 jeweils das stärkste Recht gewährt wurde, hat die minderjährige Beschwerdeführerin als deren Familienangehöriger gemäß § 10 Abs. 5 leg.cit. das Recht, einen gesonderten Bescheid mit demselben Inhalt zu erhalten.

 

2.4. Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrunde liegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/ 0011; VwGH 21.9.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.4.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 9.3.1999, Zl. 98/01/0318). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.3.1999, Zl. 98/01/0352; VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401; VwGH 22.5.2003, Zl. 2001/20/0268, mit Verweisen auf Vorjudikatur).

 

Da über den Asylantrag des Vaters und der Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin positiv entschieden worden ist, war sohin der minderjährigen Beschwerdeführerin im Rahmen des vorliegenden Familienverfahrens gemäß § 7 AsylG 1997 BGBl. I Nr. 101/2003 Asyl zu gewähren. Überdies haben sich im Verfahren der minderjährigen Beschwerdeführerin keine Hinweise auf Asylausschluss- oder Asylendigungsgründe ergeben. Gemäß § 12 leg.cit. ist die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass der betroffenen Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

2.5. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
09.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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