TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/11 E11 401511-1/2008

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Veröffentlicht am 11.11.2008
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Spruch

E11 401.511-1/2008-5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. KINZLBAUER als Vorsitzenden und den Richterin Dr. ZOPF als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Frau BIRNGRUBER über die Beschwerde der A.M., geb. am 00.00.2008, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.08.2008, FZ. 08 06.961-BAL, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2008/4 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Beschwerdeführer (nachfolgend auch BF genannt), ein Staatsangehöriger von Armenien, stellte durch seine gesetzliche Vertreterin am 07.08.2008 im Rahmen eines Familienverfahrens einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens brachte sie (die gesetzliche Vertreterin) im Familienverfahren im Wesentlichen den Fluchtgrund vor, dass der Ehemann und Familienvater große Probleme in Armenien habe. Der Mann hat jedoch darüber nicht mit ihr gesprochen, da sie schwanger war. Unbekannte Männer hätten im Jahre 2003 den gemeinsamen Sohn aus der Schule zu entführen versucht und ihm dabei die Hand gebrochen. Weiters bekam die gesetzliche Vertreterin des BF immer wieder Anrufe von Unbekannten, die wissen wollten, wo sich ihr Mann aufhält und bedrohten die Vertreterin und die Kinder mit dem Umbringen.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 28.08.2008, FZ. 08 00.936-BAL, gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Der Antrag auf internationalen Schutz betreffend seiner Eltern und Geschwister (A.Mk.; Zl. E11 401514-1/2008, A.L., Zl. E11 401515-1/2008, A.D., Zl. E11 401512-1/2008, und A.G., Zl. E11 401513-1/2008) wurde im Rahmen eines Familienverfahrens gleichlautend entschieden.

 

Gegen die erstinstanzliche Entscheidung hat die gesetzliche Vertreterin (mit wortgleichem Schriftsatz wie bei ihrem Gatten) innerhalb offener Frist berufen.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das ausreisekausale Vorbringen als gänzlich unwahr, sodass die behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt wurden und daher auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen war (VwGH 9.5.1996, Zl. 95/20/0053). Weiters konnte nicht glaubhaft gemacht werden, dass die geschilderte Verfolgung durch unbekannte Personen asylrelevante Gründe iSd GFK aufweist.

 

Im Wesentlichen wurde nach Darlegung allgemeiner rechtlicher und sonstiger Ausführungen das bereits in den Einvernahmen vor dem BAA geschilderte Geschehen wiederholt. Die gesetzliche Vertreterin des BF befürchte im Falle einer Rückkehr nach Armenien mit einer gravierenden Gefahr für Leib und Leben rechnen zu müssen.

 

Hinsichtlich des weiteren Verfahrensherganges bzw. des Vorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen und zum Inhalt dieses Erkenntnisses erklärt, zumal das BAA nach Ansicht des Asylgerichtshofes ein mängelfreies und ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst hat (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens vgl VwGH 04.10.1995, Zahl 95/01/0045; VwGH 25.03.1999, Zahl 98/20/0559; VwGH 24.11.1999, Zahl 99/01/0280; VwGH 8.6.2000, Zahl 99/20/0366; VwGH 30.11.2000, Zahl 2000/20/0356; VwGH 22.2.2001, Zahl 2000/20/0557; VwGH 21.6.2001, Zahl 99/20/0460).

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.

 

III. Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gem. § 73 (1) Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) tritt dieses Gesetz mit der Maßgabe des § 75 (1) leg. cit in Kraft, wonach alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen sind.

 

Gegenständliches Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig, weshalb es nach den Bestimmungen des AsylG 2005 idgF zu Ende zu führen war.

 

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren gemeinsam mit dem Verfahren seiner Eltern und Geschwister (Zl.: E11 401515-1/2008, Zl.: E11 401514-1/2008, E11 401513-1/2008 und E11 401512-1/2008) gemäß § 34 AsylG vor.

 

§ 34 AsylG lautet wie folgt:

 

(1) Stellt ein Familienangehöriger (§ 22 Z 2) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist; einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, es sei denn,

 

dass die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat möglich ist oder

 

dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Familienangehörige sind gem. § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Die Beschwerden seiner oa. Familienangehörigen wurden mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag gem. §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005, BGBl I Nr 100/2005, abgewiesen. Der BF kann für sich daraus somit nicht den Status eines Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten ableiten.

 

Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.

 

Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesasylamt hat in sehr anschaulicher Weise die zahlreichen Widersprüche in den Aussagen zu den fluchtkausalen Ereignissen aufgezeigt, um die mangelnde Glaubwürdigkeit darzulegen. Das BAA hat die Angaben als gänzlich unwahr erachtet. Die Erstbehörde hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt, als auch ausführliche Sachverhaltsfeststellungen zur allgemeinen Situation in Armenien auf Grundlage ausreichend aktuellen und unbedenklichen Berichtsmaterials getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des BF gebracht. Auch die rechtliche Beurteilung begegnet keinen Bedenken.

 

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

 

Der AsylGH schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenem Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses (vgl. für viele exemplarisch VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/046; 01.3.2007, 2006/20/0005; 21.3.2007, 2007/19/0085-3 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]; 31.5.2007 2007/20/0488-6 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]).

 

Sofern in der Beschwerde seitens der gesetzlichen Vertreterin des BF gerügt wird, dass das BAA auf die zentrale Ursache der Flucht, nämlich dem Übergriff auf H.B., nicht eingegangen wäre, ist entgegen zu halten, dass die Behörde in seiner rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I feststellte, dass dies im Zusammenhang mit der Begehung einer allgemein strafbaren Handlung anzusehen wäre und das Einschreiten der staatlichen Organe zur Aufklärung des Attentats als keine Verfolgungsmaßnahme darstellt. Der diesbezügliche Einwand der BF kann demzufolge außer Acht gelassen werden, da die Erstbehörde dies ausreichend dargelegt hat. Würde man die Fluchtgründe auch in ihrem Wahrheitsgehalt nicht anzweifeln, würde unter Berücksichtigung aller bekannter Ereignisse auch bei richtlinienkonformer Interpretation der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit nicht ohne weiteres davon gesprochen werden, dass die Sicherheitsbehörden in Armenien iSd Art 6 lit c Richtlinie 2004/83 EG des Rates vom 29. April 2004 "erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens wären, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaften Schaden iSd Art 7 leg cit gegen derartige Gefahren zu bieten".

 

Zum Vorwurf der amtswegigen Ermittlungspflicht ist festzustellen, wenn die Partei der Meinung sei, dass die Ermittlungen unvollständig oder nicht richtig sind, muss sie - im Rahmen des ihr zu gewährenden Parteiengehörs - konkrete Vorbringen erstatten, was gegen die Ermittlungsergebnisse der Behörde spricht und allenfalls Gegenbeweise vorlegen (VwGH 14.12.1995, 95/19/1046). Unterlässt sie die erforderliche Mitwirkung, kann der Behörde aus der Unterlassung weiterer Ermittlungen kein Vorwurf gemacht werden (VwGH 20.9.1999, 98/21/0138). Wenn die gesetzliche Vertreterin in ihrer Beschwerde rügt, dass die Erstbehörde den SV umfassend zu ermitteln gehabt hätte und entsprechende Feststellungen dazu treffen hätte müssen ist dem entgegenzutreten, dass die Verpflichtung des Asylgerichtes, den SV von Amts wegen vollständig und umfassend zu ermitteln, sich grundsätzlich nur auf solche asylrechtlich relevante Umstände bezieht, die vom Asylwerber auch vorgetragen werden. Die Aussage des Asylwerbers ist das zentrale Bescheinigungsmittel und Ausgangspunkt für die den Asylgerichtshof treffende Ermittlungspflicht. Finden sich in den Aussagen eines Asylwerbers keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Asylgrundes, so bedarf es in der Regel keiner weiteren amtswegigen Ermittlungen. Es besteht keine Verpflichtung der Behörde, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (vgl hg Erk v 21.11.1995, Zl 95/20/0329, mwN). (VwGH 23.1.1997, 95/20/0303, 95/20/0304; vgl. auch VwGH 2.3.1988, 86/01/0187; B 30.11.2000, 2000/20/0445).

 

Zu den von der gesetzlichen Vertreterin des BF vorgebrachten Bedenken hinsichtlich des Berichtes der vorgelegten Dokumente des Sachverständigen, ist anzuführen, dass es sich hierbei um objektive Kriterien derartiger amtlicher Dokumente handelt. Im Vergleich mit den vorgelegten Dokumenten ist festzustellen, dass unzweifelhaft große Ungereimtheiten zu den genannten Kriterien gegeben sind, die von der Behörde in ihrer Glaubwürdigkeit als abträglich gewertet wurden. So ist es auch aus ho. Sichtweise unverständlich, dass neben einer leserlichen Bezeichnung der Polizeidienststelle auch keinerlei Adressaten enthalten sind. Dies kann auch dahingehend nicht gerechtfertigt werden, dass das Schreiben nachträglich angefordert wurde. Die Ausführungen des SV wurden im Rahmen der freien Beweiswürdigung entsprechend gewürdigt.

 

Zum Vorbringen, die Vermutung der Behörde, dass der Familienvater beim Verlassen Armeniens seinen Reisepass vorgelegt habe, sei unrichtig, ist entgegen zu halten, dass die Behörde lediglich fest stellte, dass dieser unter Vorlage seines RP legal ausgereist sei. Diese Feststellung schließt jedoch nicht ein, ob es der armenische oder estische RP war. Der Asylgerichtshof verkennt hierbei aber auch nicht, dass es dem Familienvater vor seiner Ausreise ungehindert möglich war, einen armenischen Reisepass durch die do. Behörden zu erhalten, obwohl der Familienvater angeblich durch die Behörden verfolgt worden wäre.

 

Bezüglich des Aufenthaltsortes der gesetzlichen Vertreterin des BF und ihrer Familie ab Februar 2007 im Dorf Z. darf auf die Angaben in den Niederschriften verwiesen werden. Wenn nunmehr dahingehend geltend gemacht wird, dass es sich bei den genannten Angaben um Dolmetschfehler gehandelt habe, wird festgestellt, dass der Familienvater bei jeder einzelnen Einvernahme gefragt wurde, ob er den Ausführungen des Dolmetsch einwandfrei folgen kann bzw. wurden ihm seine Aussagen auch jedes Mal wortwörtlich rückübersetzt. Von diesem wurde immer ausdrücklich erklärt, dass die einwandfreie Verständigung gegeben war. Ein Verlangen auf eine Einvernahme in Russisch durch den Gatten bzw. dessen Verweigerung ist nicht ersichtlich.

 

Hinsichtlich der nunmehrigen anderweitigen Darstellung hinsichtlich des Verwandtschaftsgrades zu C.K. ist auf oa. Feststellungen hinzuweisen.

 

Zu den von der gesetzlichen Vertreterin des BF vorgebrachten Einwand, dass der Gatte bei seiner Einvernahme in Belgien nicht zu Protokoll gegeben hätte, dass er im März 2003 durch Messerstiche verletzt worden wäre, ist festzuhalten, dass dies jedoch eindeutig aus dem Entscheid vom 25.6.2004 des Königreiches Belgien über den Asylantrag des Gatten ersichtlich ist.

 

Zum weiteren Vorbringen, dass es sich bei der Verfolgung um eine quasistaatliche Verfolgung handelt, wird darauf verwiesen, dass dem Vorbringen des Familienvaters die Wahrheit abgesprochen wurde (sh dahingehende Ausführungen bzw Begründungen). Es ist daher diesem Einwand nicht näher zu treten.

 

Hinsichtlich der von der Vertreterin des BF angeführten behördlichen Beurteilung, dass die Vorbringen des Gatten in den NL und Belgien widersprüchlich seien, wird auf die Feststellungen im Bescheid des BAA verwiesen.

 

Zum weiteren Vorbringen, dass ihm - dem Gatten - die Länderberichte niemals vorgehalten wurden bzw. ihm keine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wurden, ist festzustellen, dass dem Gatten in seiner Einvernahme durch das BAA am 18.4.2008 diese vorgehalten wurden und dieser erklärte, dass er keine Stellungnahmefrist beanspruche sondern sofort Stellung nehme.

 

Wie auch bereits im angeführten Bescheid des BAA festgestellt, haben die vorgelegte DVD sowie Zeitungsberichte keinen unmittelbaren Einfluss auf das Asylvorbringen. Zu den vorgebrachten gesundheitlichen Problemen ist anzumerken, dass die gesetzliche Vertreterin bzw. der Vater des BF bei ihren Einvernahmen in Österreich mehrmals nach gesundheitlichen Problemen befragt wurde, diese jedoch immer verneinten.

 

Nach Ansicht des AsylGH hat das Bundesasylamt wie bereits oben ausgeführt ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Der Vertreterin des BF ist es nicht gelungen, der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass Zweifel an der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes aufgekommen wären, weshalb sich der Asylgerichtshof dadurch nicht zu weiteren Erhebungsschritten und insbesondere auch nicht zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung veranlasst sieht; dies insbesondere auch unter dem Aspekt des insgesamt mängelfreien und umfassenden Verfahrens des BAA. Von der Vertreterin des BF wurde es unterlassen, durch klare, konkrete und substantiierte Ausführungen darzulegen, warum sie vom Vorliegen einer mangelhaften Beweiswürdigung durch das Bundesasylamt ausgeht, was jedoch unterblieb. Da somit weder aus dem amtswegigen Ermittlungsergebnis im Beschwerdeverfahren noch aus den Ausführungen der Vertreterin des BF ein substantiierter Hinweis auf einen derartigen Mangel vorliegt, kann ein solcher nicht festgestellt werden.

 

Im gegenständlichen Fall ist es der Vertreterin des Beschwerdeführers nicht gelungen ihre vorgebrachte Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG iVm § 8 Abs 1 AsylG 1997 im dargestellten Ausmaß glaubhaft zu machen, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 50 Abs 1 iVm § 8 Abs 1 AsylG 1997 zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

 

Wenn auch in Armenien eine wirtschaftlich schwierigere Situation als in Österreich besteht, so ist in einer Gesamtbetrachtung, unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers, festzuhalten, dass von einer lebensbedrohenden Notlage in seinem Herkunftsstaat, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des Asylgerichtshofes nicht gesprochen werden kann.

 

Der BF (bzw. seine Eltern), der unter keinen nennenswerten Krankheiten leidet, verfügt in Armenien über Familienangehörige. Er teilt auf Grund des Familienverfahrens mit seinen Eltern aufenthaltsrechtlich ein gemeinsames Schicksal, weshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass sie auch gemeinsam zurückkehren. Der Lebensunterhalt konnte in der Vergangenheit auch durch die Tätigkeiten seines Vaters und der Mutter gesichert werden. Es ist zumutbar, dass dies seine Eltern auch bei ihrer Rückkehr wieder tun. Es wäre den Eltern auch zumutbar, durch eigene und notfalls auch wenig attraktive und ihre bisherigen Tätigkeiten nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite, zB. Verwandtschaft, Hilfsorganisationen, religiös-karitativ tätige Organisationen - erforderlichenfalls unter Anbietung ihrer gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung - jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zum Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer 'Schatten- oder Nischenwirtschaft' stattfinden. Auf kriminelle Aktivitäten wird hiermit nicht verwiesen.

 

Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 67 AsylG 2005 zB. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe (über diese wird im erstinstanzlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in Armenien gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen

(http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und-vertretung/rueckkehrhilfe/). Im Rahmen des Projekts ERSO (European Reintegration Support Organisations), einer Kooperation von zwölf europäischen NGOs, findet auch nach der Rückkehr ein entsprechendes Monitoring statt (www.project-erso.eu).

 

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

 

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.

 

Aus dem Vorbringen der gesetzlichen Vertreterin des BF kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatschen kein Hinweis abgeleitet werden, dass dieser vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) in dessen Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr ausgesetzt wäre.

 

Auch hinsichtlich der Ausweisung nach Armenien ist festzuhalten, dass das BAA eine korrekte Überprüfung im Sinne der Rechtssprechung vorgenommen hat, familiäre Bezüge zu dauernd aufenthaltsberechtigten Angehörigen der Kernfamilie in Österreich oder zu sonstigen Angehörigen in Österreich, zu denen ein außergewöhnlich enger Bezug oder ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestünde, sind vor der Erstbehörde bis zur Ausfertigung gegenständlichen Erkenntnisses nicht behauptet worden, bzw. hervorgekommen. Ebenso wenig ein zu schützendes Privatleben in Form einer besonderen Integration zum Entscheidungszeitpunkt. Der BF befindet sich mit seinen Eltern und den Geschwistern in einem Familienverfahren nach dem AsylG 2005. Die gesamte Familie ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bedroht, weshalb durch die Ausweisung auf Grund dieses Umstandes keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben darstellt.

 

Der Sachverhalt ist zusammengefasst, wie dargestellt, aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt (entspricht der bisherigen Judikatur zu § 67d AVG) und sind somit schon aus diesem Grund die Voraussetzungen des § 41 Abs 7 AsylG verwirklicht, und somit von einer mündlichen Verhandlung abzusehen. Weder war der Sachverhalt ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden nicht vorgetragen.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
12.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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