TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/11 C7 247706-2/2008

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Veröffentlicht am 11.11.2008
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Spruch

C7 247706-2/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Filzwieser-Hat als Vorsitzende und den Richter Mag. Felseisen als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Bernold über die Beschwerde des S.A. alias A.F., geb. 00.00.1980, StA. Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.09.2008, FZ. 08 00.865-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 AsylG, BGBl. I. Nr. 100/2005 idF BGBL I Nr. 4/2008, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der erstinstanzliche Verfahrensgang ergibt sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesasylamtes.

 

Der Beschwerdeführer stellte am 09.02.2004 einen Asylantrag in Österreich. Er wurde hiezu am 11.02.2004 niederschriftlich einvernommen (As. 15 bis 25).

 

Der nunmehrige Beschwerdeführer brachte im Verfahren folgende Fluchtgründe vor:

 

Sein Vater sei Vorsitzender der PPP in seiner Heimatgemeinde, jedoch habe dort die PML die Mehrheit. Weiters seien der Beschwerdeführer und seine Familie Angehörige der schiitischen Glaubensgemeinschaft und sie hätten sowohl verschiedene religiöse Kundgebungen organisiert als auch an solchen teilgenommen. Am 20.08.2003 hätten sie auch an einer solchen Kundgebung teilgenommen und sie seien von Sunniten angegriffen worden. Es sei herumgeschossen worden und der Beschwerdeführer sei auch geschlagen worden. Am nächsten Tag sei auf der Straße auf den Beschwerdeführer geschossen worden. Dann sei er fälschlicherweise unter anderem wegen illegalen Waffenbesitzes angezeigt worden und in Folge von der Polizei gesucht worden. Von seinem Vater sei ihm telefonisch mitgeteilt worden, dass die Polizei auch schon bei ihnen zu Hause gewesen sei. Weiters habe er ihm gesagt, dass die Angehörigen der PML wütend auf die Familie des Beschwerdeführers seien, da sie einerseits PPP-Anhänger und andererseits auch Angehörige der Schiiten seien. Danach sei der Beschwerdeführer nicht mehr nach Hause zurückgekehrt, sondern weiter nach Karachi gefahren, von wo er seine Flucht nach Europa angetreten habe.

 

Der Asylantrag des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.02.2004, FZ: 04 02.126-BAW, gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchteil I) und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Pakistan gemäß § 8 AsylG zulässig ist (Spruchteil II).

 

Am 04.03.2004 wurde eine Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes eingebracht.

 

Am 15.02.2005 zog der Beschwerdeführer seine Berufung aufgrund einer Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin wieder zurück und legte diesbezüglich seine Heiratsurkunde vor.

 

Der Bescheid des Bundesasylamtes erwuchs am 15.02.2005 in Rechtskraft.

 

2. Am 23.01.2008 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Anlässlich der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der Beschwerdeführer vor, dass er am 09.12.2007 letztmalig von Wien nach Pakistan geflogen sei und seit 21.01.2008 wieder in Österreich sei. Bezüglich seiner Fluchtgründe gab der Beschwerdeführer an, dass er Schiit sei und sein Vater Funktionär der PPP. Aus diesen Gründen werde er in Pakistan verfolgt und er sei zwei Mal von Leuten der gegnerischen Partei angegriffen worden. Daher habe er Pakistan verlassen.

 

Am 28.01.2008 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor dem Bundesasylamt einvernommen und brachte vor, dass er seit 00.00.2005 mit seiner Frau verheiratet sei und mit dieser zusammenlebte. Nach einem Streit sei er vorübergehend zu seinem Bruder gezogen. Zu diesem Zeitpunkt sei eine Kontrolle von der Fremdenpolizei durchgeführt worden und da er damals nicht zu Hause war und seine Gattin falsche Aussagen über seine Person machte, sei sein Antrag auf Verlängerung seiner Niederlassungsbewilligung abgelehnt worden und er habe ein "Notfallvisum", welches bis 08.02.2008 gültig sei, bekommen. Außerdem sei ein Aufenthaltsverbot gegen ihn verhängt worden. Da seine Mutter schwer krank sei, sei er am 09.12.2007 nach Pakistan gereist. Drei Tage nach seiner Einreise nach Pakistan habe er einen Anruf von einem PPP-Mitglied erhalten, welches ihn warnte, dass Angehörige der PML-Q nur auf ihn warten würden, um ihn zu erschießen. Am 15.01.2008 sei von einem unbekannten Mann auf sein Auto geschossen worden, wodurch die Scheibe zerbrochen sei. Er gehe davon aus, dass der Schuss von Mitgliedern der PML-Q abgefeuert worden sei. Weiters gab er an, dass sich die Lage in Pakistan seit seiner Flucht im Jahr 2004, insbesondere durch die Ermordung von Benazir Bhutto, verschlechtert habe.

 

Am 08.09.2008 wurde der Beschwerdeführer erneut niederschriftlich vor dem Bundesasylamt einvernommen und schilderte nochmals den schon zuvor geschilderten Vorfall vom 15.01.2008, bei welchem er von Mitgliedern der PML-Q in seinem Auto angehalten worden sei. Ein Mann habe mit einer Holzstange die Fensterscheibe des Autos eingeschlagen. Der Beschwerdeführer sei daraufhin schnell weggefahren. Er habe keine Anzeige erstattet, da die PML-Q auch die Regierungspartei gewesen sei und es daher unmöglich gewesen sei, eine Anzeige zu erstatten. Mit der Tatsache konfrontiert, dass sich die politische Lage in Pakistan nunmehr geändert habe, die PPP an der Macht sei und somit die Probleme des Beschwerdeführers hinfällig seien, brachte der Beschwerdeführer vor, dass es in der PPP Sunniten und Schiiten gebe und es auch innerhalb der PPP Probleme gebe. Besonders im islamischen Monat Moharram gebe es oft Streit.

 

3. Mit angefochtenem Bescheid wies die Erstbehörde den Antrag auf internationalen Schutz des nunmehrigen Beschwerdeführers ab und gewährte auch keinen subsidiären Schutz. Es wurde keine Ausweisung ausgesprochen.

 

Die Erstbehörde traf darin aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben (u.a. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Pakistan vom Mai 2007; UK Home Office, April 2007; USDOS, März 2007; Tagespresse zu aktuellen Ereignissen) zur allgemeinen Lage in Pakistan. Beweiswürdigend hielt das Bundesasylamt fest, dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen durch die jüngsten Ereignisse in Pakistan selbst aufgehoben habe. Aufgrund der Veränderungen in Pakistan (Wahlsieg der PPP, PML-Q nicht mehr in der Regierung, Rücktritt von Musharraf und Wahl des Gatten von Benazir Bhutto zum Präsidenten) könne mit Grund angenommen werden, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht tragend sei. Weiters sei auch anzunehmen, dass sein Vorbringen nicht den Tatsachen entspreche. So habe er von sich aus fast keine Informationen preisgegeben, sondern musste jeweils nach den Details gefragt werden und sei den konkreten Fragen dann aber jeweils ausgewichen. Weiters stehe die Angabe, wonach er den von ihm geschilderten Überfall nicht bei der Polizei angezeigt habe, da die PML-Q die Regierungspartei sei und eine Anzeige daher zwecklos gewesen wäre, in Widerspruch zu den Erkenntnissen des Bundesasylamtes. Der Beschwerdeführer habe auch den Überfall auf ihn in seinem Auto in den beiden Einvernahmen in unterschiedlicher Weise geschildert und konnte auch auf Nachfrage die Unterschiede nicht erklären und hat sich in Folge noch in weitere Widersprüche verwickelt. Außerdem könne der Beschwerdeführer auch an einem anderen Ort in Pakistan leben. Zu Spruchpunkt II verwies das Bundesasylamt darauf, dass unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers eine allgemeine lebensbedrohende Notlage oder eine allgemeine extreme Gefährdungslage in Pakistan nicht bestehe.

 

4. Dagegen wurde am 30.09.2008 Beschwerde eingebracht.

 

5. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Antragstellers vor der Erstbehörde, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Anzuwenden war das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

2. Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Es hat insgesamt zwei Einvernahmen des Beschwerdeführers durchgeführt und ihn konkret und ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt. Der festgestellte Sachverhalt, dessen Beweiswürdigung und rechtliche Subsumtion finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid.

 

In der Beschwerde werden den individuellen Ausführungen des Bundesasylamtes, insbesondere in Bezug auf die fehlende Glaubwürdigkeit des Vorbringens, keine konkreten Argumente entgegengesetzt bzw. wird kein substantiiertes Beweisanbot getätigt, welches Anlass zu weiteren Ermittlungen der Berufungsbehörde geboten hätte.

 

Der Asylgerichtshof geht wie bereits die Behörde erster Instanz davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zum Fluchtgrund nicht glaubhaft ist, dies insbesondere aufgrund der widersprüchlichen Schilderungen des von ihm angeführten Überfalls durch Mitglieder der PML-Q (Schüsse auf sein Auto, Seitenscheibe auf Fahrerseite eingeschossen, Windschutzscheibe mit Holzstock eingeschlagen - Scheibe auf Fahrerseite mit Holzstange eingeschlagen) und der - trotz wiederholten Nachfragens des einvernehmenden Organs - wenig detailreichen und nicht plausiblen Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seines Fluchtvorbringens. Auch ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass aufgrund der geänderten politischen Verhältnisse in Pakistan das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Verfolgung durch Mitglieder der PML-Q in einem anderen Licht zu sehen ist, die Partei des Beschwerdeführers, die PPP, an der Macht ist und sich keine substantiierten Hinweise ergeben haben, dass er nun nicht den Schutz der Behörden in Anspruch nehmen könnte. In diesem Zusammenhang erscheint auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach seine Probleme nicht hinfällig seien, da es auch innerhalb der PPP Schiiten und Sunniten gebe, welche in Konflikt miteinander stehen würden, als eine nicht plausible Schutzbehauptung, welche sich überdies nicht als Verfolgung asylrelevanter Intensität darstellen würde. Weiters sind die Behauptung des Beschwerdeführers auf der einen Seite, dass aufgrund der politischen Tätigkeit seines Vaters die ganze Familie in Gefahr ist, und seine Aussage auf der anderen Seite, dass seine Eltern und einige seiner Geschwister weiterhin unbehelligt in Pakistan leben, als nicht stimmig zu bezeichnen. Gesamthaft betrachtet ist es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen, eine reale und aktuelle Verfolgungsgefahr in Pakistan glaubhaft zu machen.

 

Darüber hinaus könnte der Beschwerdeführer in eventu - wie schon von der Erstbehörde erwähnt - auch an einem anderen Ort in Pakistan leben, stellen sich die Probleme mit unbekannten Männern bzw. unbekannten Mitgliedern der PML-Q als örtlich auf den Heimatort des Beschwerdeführers beschränkt dar und wäre - auch angesichts der Bevölkerungsdichte Pakistans - mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer an anderen Orten, vor allem in Großstädten, ebenfalls derartigen Schwierigkeiten durch die genannten Personen ausgesetzt sein würde. Hinweise für eine Unzumutbarkeit im individuellen Fall, sich in einer anderen Stadt niederzulassen oder für Einschränkungen der Bewegungsfreiheit im Falle des Beschwerdeführers bzw. für eine Person mit dem Profil des Beschwerdeführers haben sich im Verfahren nicht ergeben. Derartige Einschränkungen lassen sich für den konkreten Fall auch nicht aus den vom Bundesasylamt in das Verfahren eingeführten Berichten ableiten.

 

Auch die Erwägungen des Bundesasylamtes zu Spruchpunkt II. sind nicht zu beanstanden. Es ist, wie schon von der Erstbehörde dargelegt, unter Berücksichtigung seines familiären Rückhaltes und seiner Berufserfahrung nicht ersichtlich, warum dem Beschwerdeführer eine Existenzsicherung in Pakistan, auch an anderen Orten Pakistans, nicht möglich und zumutbar sein sollte. Eine schwere Krankheit oder ein sonstiger Hinweis auf eine besondere Vulnerabilität des Beschwerdeführers sind im Asylverfahren nicht hervorgekommen.

 

Dass sich seit der Erlassung des Erstbescheides in Pakistan allgemein eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann in diesem Fall verneint werden und hat sich der Asylgerichtshof dessen durch Einschau in die aktuellen Folgeberichte, u.a. des USDOS (zuletzt März 2008) und des AA (zuletzt Oktober 2008) - im Interesse des Beschwerdeführers - versichert. Es kann jedenfalls auf Basis der Länderberichte und auch aufgrund der notorischen jüngsten Entwicklungen zum Entscheidungszeitpunkt nicht davon ausgegangen werden, dass in Pakistan eine Situation herrscht, in der die Staatsgewalt zusammengebrochen wäre oder systematische schwere Menschenrechtsverletzungen zu erkennen wären.

 

3. Der Sachverhalt ist zusammengefasst, wie dargestellt, aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde, geklärt (entspricht der bisherigen Judikatur zu § 67d AVG) und sind somit schon aus diesem Grund die Voraussetzungen des § 41 Abs 7 AsylG verwirklicht, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

 

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, innerstaatliche Fluchtalternative, non refoulement, Verfolgungsgefahr
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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