TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/11 B3 401996-1/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.2008
beobachten
merken
Spruch

B3 401.996-1/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER als Vorsitzende und den Richter Mag. Florian NEWALD als Beisitzer über die Beschwerde des E.B., geboren am 00.00.1988, kosovarischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. Oktober 2008, Zl. 08 08.503-EWEST, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 und 10 Asylgesetzes 2005 (AsylG) als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein kosovarischer Staatsangehöriger und Angehöriger der albanischen Volksgruppe muslimischen Glaubens, stammt aus M. Am 11. September 2008 wurde er von den deutschen Behörden nach Österreich überstellt. Bei der niederschriftlichen Befragung durch das Fremdenpolizeiliche Referat der Bundespolizeidirektion Salzburg am selben Tag gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gekommen; auch habe sein Vater vor zwei Jahren wieder geheiratet und der Beschwerdeführer sei in der Familie nicht mehr willkommen, weil sein Vater seine Mutter umgebracht habe. Deswegen stelle er einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Bei der am 12. September 2008 stattgefundenen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Polizeianhaltezentrum Salzburg gab der Beschwerdeführer zusätzlich an, er habe eigentlich zu seinem Cousin nach Brüssel gewollt, sei aber von den deutschen Behörden an der Grenze angehalten und festgenommen worden. In Österreich verfüge er an Angehörigen über eine Tante, die vermutlich in V. wohne. Er habe seit zwei Jahren Geld gespart, um im Ausland um Asyl ansuchen zu können. Im Fall einer Rückkehr wisse er nicht, wie er zu Hause weiterleben solle.

 

Bei seinen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19. und 30. September 2008 erstattete der Beschwerdeführer - zusammengefasst - folgendes Vorbringen: Er sei im Jahre 1990 mit seiner Familie in Österreich gewesen. Damals sei seine Mutter von seinem Vater getötet worden. Anschließend sei er bei seiner Großmutter und Schwester im Kosovo aufgewachsen, es sei ihm gut gegangen und er sei ein guter Schüler gewesen. Als sein Vater im Jahre 2000 aus der Haft entlassen worden sei, habe er sich zunächst gut um die Familie gekümmert. Im Jahre 2005 habe er aber erneut geheiratet, die Stiefmutter habe mit dem Beschwerdeführer "keine Freude" gehabt und er sei nicht mehr willkommen gewesen. Im Jahre 2006 habe es sehr viele Probleme mit dem Vater gegeben, der Beschwerdeführer sei von diesem und von der Stiefmutter misshandelt worden. Bei einem Vorfall habe ihn sein Vater in alkoholisiertem Zustand mit einem Messer verletzt, wovon er noch immer eine Narbe trage. Die Polizei habe den Vater auf Anzeige hin festgenommen, jedoch nach wenigen Tagen wieder entlassen, weil seine Stiefmutter Bekannte bei der Polizei habe und den Hauptkommissar kenne. Der Vater habe gedroht, ihn zu töten, weshalb der Beschwerdeführer weggelaufen sei und bei der Familie seines besten Freundes gewohnt habe. Nach einer Woche sei er zurückgekehrt, aber der Vater habe ihm gesagt, dass er ihn nicht mehr sehen wolle. Er habe die Schule abgebrochen, weiterhin bei der Familie seines Freundes gewohnt und verschiedene Arbeiten durchgeführt, um ins Ausland fahren zu können. Im Falle einer Rückkehr in den Kosovo fürchte er obdachlos zu sein. Eine gemeinsame Zukunft mit seinem Vater sei nicht vorstellbar. Seine Halbschwester werde auch misshandelt und sei psychisch krank. Seitens des Staats befürchte er nichts, aber er habe Angst vor seinem Vater, der unberechenbar sei, wenn er betrunken sei. Zu seiner in Österreich lebenden Tante führte er aus, dass diese seit achtzehn Jahren im Bundesgebiet lebe und über die österreichische Staatsbürgerschaft verfüge. Im Kosovo habe er telefonischen Kontakt zu ihr unterhalten. Sie wolle ihm auch helfen, habe aber Angst vor dem Vater und dass dieser davon erfahre. Auf Vorhalt vorläufiger Sachverhaltsannahmen zur Grundversorgung und Verfügbarkeit von Quartieren im Kosovo gab der Beschwerdeführer an, dazu nichts sagen zu können, er sei "nicht so gut darüber informiert".

 

Am 30. September 2008 abermals beim Bundesasylamt einvernommen, wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass "nach wie vor beabsichtigt" sei seinen Asylantrag abzuweisen. Auf Frage, ob er dazu Stellung beziehen bzw. ergänzende Angaben machen wolle, antwortete er: "Ich habe bereits alles gesagt".

 

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ab, erkannte ihm weder den Status eines Asylberechtigten noch den eines subsidiär Schutzberechtigten zu und wies ihn gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo aus. Das Bundesasylamt traf in seinem Bescheid umfangreiche Feststellungen zur Situation im Kosovo, insbesondere zur Sicherheitslage und Polizeigewalt sowie zur Versorgungslage. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers erachtete das Bundesasylamt für glaubwürdig. Die Ablehnung des Asylantrages begründete das Bundesasylamt damit, dass eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen nicht vorliege und der Beschwerdeführer "den Schutz der Sicherheitsorgane und sogar der internationalen Kräfte im Kosovo in Anspruch nehmen" könne, welche "jedenfalls Willens und grundsätzlich auch in der Lage sind, den Bewohnern Schutz zu gewähren". Zur Ablehnung des Antrages hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde überdies im Wesentlichen unter Hinweis auf die Existenz von Hilfsorganisationen ausgeführt, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen arbeitsfähigen, gesunden, jungen Erwachsenen handle, der im Kosovo verschiedene Gelegenheitsarbeiten durchgeführt und die letzten Jahre als Kellner gearbeitet habe. Seine Ausweisungsentscheidung begründete das Bundesasylamt damit, dass der geschilderte Kontakt zur Tante nicht ausreichend sei, um als Privat- und Familienleben iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK qualifiziert zu werden.

 

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorbringt, er habe im Fall seiner Rückkehr kein Haus, in dem er wohnen könnte. Hätte er dies gehabt, so wäre er gar nicht erst nach Österreich gekommen. Sein Vater habe ihm die Hand "abhacken" wollen und ihm gedroht, dass er ihn ebenso wie seine Mutter umbringen werde, sollte er ihn noch einmal sehen. Er würde "sofort" zurückkehren, wenn "Ihr Staat mir ein Haus im Kosovo baut". Würde er im Kosovo wieder Arbeit als Kellner finden, würde das Einkommen reichen, um die Ausgaben zu decken. Das Problem sei aber die nichtvorhandene Unterkunft.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst. Der Asylgerichtshof schließt sich den Feststellungen zur Situation in der Republik Kosovo und der dazu führenden Beweiswürdigung an (vgl. VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/0460). Ob auch die Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers und die dazu führende Beweiswürdigung zutreffen, kann letztlich dahinstehen, da man auch dann, wenn man die Angaben des Beschwerdeführers zugrundelegt, in rechtlicher Hinsicht zu keinem anderen Ergebnis kommt (vgl. Pt. 3.2.2. und 3.3.2.).

 

2. In der Beschwerde wird kein neuer Sachverhalt vorgebracht und werden die Ausführungen des Bundesasylamtes nicht substantiiert bekämpft.

 

3. Rechtlich folgt:

 

3.1. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I 4/2008) ist auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

 

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid (bzw. das Asylerkenntnis) erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG zB VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert, deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG unberührt bleiben - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat, oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256).

 

Aber auch dann, wenn die Verfolgung von dritter Seite ausgeht, ohne auf einem der in der GFK genannten Gründe zu beruhen, kann sie asylrelevant sein: dann nämlich, wenn der Staat aus solchen Gründen seinen Schutz verweigert (VwGH 11.12.1997, 96/20/0045; 24.6.1999, 98/20/0574;13.11.2001, 2000/01/0098; 23.2.2006, 2005/01/0171; 23.11.2006, 2005/20/0406).

 

3.2.2. Die vom Beschwerdeführer behauptete Bedrohungssituation ist nicht als asylrelevante Verfolgung zu qualifizieren:

 

Sofern der Beschwerdeführer wirtschaftliche Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates ins Treffen führt, ist darauf hinzuweisen, dass alleine in allgemeinen schlechten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen keine Verfolgung gesehen werden kann (vgl. VwGH 8.6.2000, 99/20/0597 unter Bezugnahme auf VwGH 24.10.1996, 95/20/0321, 0322) und eine dem Beschwerdeführer existenzgefährdende Schlechterstellung des Beschwerdeführers aus Gründen der GFK nicht ersichtlich ist.

 

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei von seinem Vater misshandelt bzw. verstoßen worden, ist auszuführen, dass dem Vorbringen weder entnommen werden, dass der Beschwerdeführer aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 GFK genannten Gründen verfolgt werde, noch dass ihm die Behörden im Kosovo aus einem solchen Grund Schutz verweigern würden (vgl. nochmals VwGH 8.6.2000, 99/20/0203 mwN). Abgesehen davon ist von einer landesweite Bedrohungssituation durch den Vater nicht auszugehen. Dies wird implizit auch durch die Ausführungen in der Beschwerdeschrift, wonach der Beschwerdeführer "sofort" in den Kosovo zurückkehren würde, hätte er dort eine Unterkunftsmöglichkeit, bestätigt. Zur Frage der Zumutbarkeit einer derartigen innerstaatlichen Relokation (etwa bei der befreundeten Familie, bei der der Beschwerdeführer bereits zwei Jahre vor seiner Ausreise wohnhaft war oder beispielsweise in der Hauptstadt Prishtina) ist - ungeachtet der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur Versorgungslage (va. Grundversorgung, Wirtschaftslage und Sozialhilfe) - Folgendes auszuführen: Beim 1988 geborenen Beschwerdeführer handelt es sich um einen gesunden, arbeitsfähigen Mann, der vor seiner Ausreise aus dem Kosovo unter anderem als Kellner tätig war. Dass er vor seiner Ausreise aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden (und nicht bloß schlechten) Situation ausgesetzt gewesen wäre, wurde nicht vorgebracht. Des Weiteren ist auf die Existenz von Hilfsorganisationen im Kosovo hinzuweisen (vgl. dazu etwa auch die Auskunft des Spezialattaché im Kosovo, Mag. W.H., vom 12. November 2007 zu Zl. 536/07, wonach sich selbst im Fall der Nichtunterstützung durch die Familie "im Kosovo nach wie vor einzelne internationale und humanitäre Organisationen (¿Mutter Theresa', Rotes Kreuz, Caritas ...) [finden], die humanitäre Hilfe ermöglichen"). Damit kann (ebenfalls) dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass sein Vater nach nur wenigen Tagen wieder aus der Haft entlassen worden sei, weil dessen Ehefrau Beziehungen zum Hauptkommissar habe, den Tatsachen entspricht; überdies ist unter Berücksichtigung der zu den Sicherheitsbehörden sowie der Einrichtung des Ombudsmanns getroffenen nachvollziehbaren Feststellungen (denen nicht entgegengetreten wurde) davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei anderen Stellen (etwa bei der UNMIK) Schutz finden würde bzw. dass das Fehlverhalten eines einzelnen Organwalters vom Ombudsmann aufgegriffen würde.

 

3.3.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG ist der Asylantrag bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 und § 57 Abs. 11 Z 3 AsylG) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Asylantrag auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

 

Die Voraussetzungen dafür, einem Asylwerber subsidiären Schutz zu gewähren, unterscheiden sich im Kern nicht von jenen, nach denen dies nach § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 BGBl. I 76 (in der Folge: AsylG 1997) idF der Asylgesetznovelle 2003 BGBl. I 101 (AsylGNov. 2003;

entspricht § 8 AsylG 1997 in der Stammfassung) iZm § 57 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 BGBl I 75 (in der Folge: FrG) zu geschehen hatte;

sie gehen allenfalls darüber hinaus. (Dagegen gibt es in der neuen Rechtslage keine Entsprechung zu den Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 iZm § 57 Abs. 2 FrG, also dem zweiten Absatz dieser fremdengesetzlichen Bestimmung.) Deshalb kann zur Auslegung insoweit grundsätzlich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Bestimmungen herangezogen werden. Die Rechtsprechung zu § 57 FrG knüpft an jene zum inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz BGBl. 838/1992 an. Für § 57 Abs. 1 FrG idF BG BGBl I 126/2002 kann auf die Rechtsprechung zur Stammfassung dieser Bestimmung (BGBl I 75/1997) zurückgegriffen werden (VwGH 16.7.2003, 2003/01/0059; 19.2.2004, 99/20/0573), mit der sie sich inhaltlich deckt (die Änderung diente nur der Verdeutlichung). Nach der Judikatur zu (§ 8 AsylG 1997 iVm) § 57 FrG ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141).

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (nach der Rechtslage nach dem AsylG 1997 musste sich die Gefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen; zB VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; 25.1.2001, 2000/20/0438; 30.5.2001, 97/21/0560).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586;

21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460;

16.4.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443; 26.2.2002, 99/20/0509; 22.8.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG) zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

3.3.2. Bei einer Rückkehr des Beschwerdeführers in den Kosovo liegt aus nachstehenden Erwägungen keine Bedrohung iSd § 8 Abs. 1 AsylG vor: Der Beschwerdeführer konnte eine landesweit vorliegende Verfolgungssituation nicht einsichtig machen. Es sind weiters keine Umstände (amts)bekannt, dass im Kosovo eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Angesichts des bereits zur Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Relokationsmöglichkeit Ausgeführten kann auch nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in den Kosovo in seiner Lebensgrundlage gefährdet wäre. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach sich aus schlechten Lebensbedingungen keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 FrG ergibt (vgl. etwa VwGH 30.1.2001, 2001/01/0021).

 

3.4.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach dem AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen und dem Fremden weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG ist eine Ausweisung unzulässig, wenn sie Art. 8 EMRK verletzen würde oder wenn dem Fremden ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt. Würde ihre Durchführung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen und die nicht von Dauer sind, Art. 3 EMRK verletzen, so ist gemäß § 10 Abs. 3 AsylG die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

Bei der Abwägung, die durch Art. 8 EMRK vorgeschrieben wird, stehen die Interessen des Fremden an seinem Verbleib im Inland, die durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützt sind, dem öffentlichen Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenüber. Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes 17.3.2005, G 78/04 ua., (S 47) zur Vorgängerbestimmung des § 10 AsylG (nämlich § 8 Abs. 2 AsylG 1997) beabsichtigt der Gesetzgeber, "durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern". Dem in § 37 FrG verankerten Ausweisungshindernis durfte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Bedeutung unterstellt werden, "es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Missachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen" (VwGH 22.3.2002, 99/21/0082 mwN). Nichts anderes kann aber für die durch das AsylG vorgeschriebene Abwägung gelten, hat doch der Verfassungsgerichtshof (zu § 8 Abs. 2 AsylG 1997) ausgesprochen (VfGH 17.3.2005, G 78/04 ua., S 50): "§ 37 FrG legt [...] Kriterien fest, die sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [...] zu Art. 8 EMRK in Fällen der Außerlandesschaffung eines Fremden ergeben und die von den Asylbehörden bei Ausweisungen nach § 8 Abs. 2 AsylG, auch wenn sie dort nicht genannt sind, zu beachten sind."

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hiefür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 7.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 5.7.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK ein Familienleben vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR jeweils von den konkreten Umständen ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung ("the real existence in practice of close personal ties") neben einem über die normalen gefühlsmäßigen Beziehungen hinausgehenden "Abhängigkeitsverhältnis" gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sein kann (vgl VwGH vom 26.01.2006, Zl. 2002/20/0423).

 

3.4.2.1. Zunächst kann nicht angenommen werden, dass eine Ausweisung des Beschwerdeführers in sein durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Familienleben eingreifen würde: Der Beschwerdeführer verfügt seinen Angaben zufolge an in Österreich lebenden Verwandten lediglich über seine Tante, von der er angab, dass diese "wahrscheinlich in V." (eine durchgeführte Abfrage im Zentralen Melderegister mit dem vom Beschwerdeführer angegebenen Namen verlief jedoch negativ) - somit nicht in gemeinsamen Haushalt mit ihm - lebe. Eine derart stark ausgeprägte Nahebeziehung, dass die von der Judikatur des EGMR im Bereich des erweiterten Familienlebens (außerhalb der Beziehung zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern) geforderten zusätzlichen Elemente vorlägen, kann vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht erkannt werden und wurde auch nicht vorgebracht.

 

3.4.2.2. Zu einer allfälligen Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privatleben, ist Folgendes auszuführen: Beim Topos des Privatlebens spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der 1988 geborene Beschwerdeführer, der im Kosovo aufwuchs, befindet sich - abgesehen vom vorgebrachten Aufenthalt im Jahr 1990 - erst seit dem 11. September 2008 in Österreich. Damit scheidet auch ein Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Privatleben von vorneherein aus.

 

3.4.2.3. Sollte aber - entgegen der Ansicht des Asylgerichtshofes - davon ausgehen sein, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers in sein Recht auf Privat- oder Familienleben eingreifen würde, wäre ein solcher Eingriff jedenfalls insofern iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt, als das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung von Fremden, die wie der Beschwerdeführer nur auf Grund der von ihnen gestellten, zu keinem Zeitpunkt berechtigten Asylanträge zum Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen sind, das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich überwiegt (vgl. mit ähnlichen Überlegungen zu Ausweisungen nach § 33 Abs. 1 FrG z.B. VwGH 20.2.2004, 2003/18/0347; 26.2.2004, 2004/21/0027; 27.4.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 8.4.2008, NNYANZI Vereinigtes Königreich, Rs 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen).

 

3.4.2.4. Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht zukäme, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig gibt es Hinweise darauf, dass die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Beschwerdeführers liegen und nicht von Dauer sind, Art. 3 EMRK verletzen könnte.

 

3.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 AsylG unterbleiben.

Schlagworte
Ausweisung, familiäre Situation, innerstaatliche Fluchtalternative, Intensität, Interessensabwägung, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, Misshandlung, non refoulement, private Verfolgung, soziale Verhältnisse, staatlicher Schutz, wirtschaftliche Gründe
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten