TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/11 C7 223288-0/2008

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Veröffentlicht am 11.11.2008
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Spruch

C7 223288-0/2008/13E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. FILZWIESER-HAT als Vorsitzende und den Richter Mag. FELSEISEN als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Bernold über die Beschwerde des S. A., geb. 00.00.1974, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.06.2001, FZ. 00 13.271-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.08.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idgF, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der erstinstanzliche Verfahrensgang ergibt sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesasylamtes. Der Beschwerdeführer stellte am 16.09.2000 einen Asylantrag in Österreich. Er wurde hiezu am 20.10.2000 niederschriftlich einvernommen (As. 9 bis 18).

 

Der nunmehrige Beschwerdeführer brachte im Verfahren folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt vor: Er habe in Indien Probleme mit der Polizei bekommen, da er seit 1992 Mitglied der SSF gewesen sei. Am 00. August 2000 habe es einen Bombenanschlag auf einen Gerichtssaal in L. gegeben. Die Polizei habe den Beschwerdeführer daraufhin am 00. August verhaftet, geschlagen und gedroht, den Beschwerdeführer umzubringen. Gegen eine Zahlung von 100.000 Rupien durch die Mutter des Beschwerdeführers sei der Beschwerdeführer wieder freigelassen worden. Im Juni 2000 sei er auch verhaftet worden. Damals sei er so stark geschlagen worden, dass er Narben im Gesicht bekam. Im Jahr 1996 habe die Polizei außerdem seinen Bruder umgebracht. Insgesamt sei der Beschwerdeführer etwa 5 bis 6 Mal verhaftet worden.

 

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.06.2001 wurde der Asylantrag des Asylwerbers gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchteil I) sowie festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Indien gemäß § 8 AsylG zulässig ist (Spruchteil II).

 

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 13.07.2001 fristgerecht Berufung. (nunmehr: Beschwerde).

 

4. Der Asylgerichtshof führte am 19.08.2008 eine mündliche Verhandlung durch, welche folgenden Verlauf nahm:

 

"... VR befragt die Parteien, ob diese psychisch und physisch in der Lage sind, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen bzw. ob irgendwelche Hindernisgründe vorliegen. Diese Fragen werden von den Parteien dahingehend beantwortet, dass keine Hindernisgründe bei ihnen vorliegen.

 

BF: Ich fühle mich wohl und es gibt keine Hindernisgründe.

 

VR befragt den BF, ob er den Dolmetscher gut verstehe; dies wird bejaht.

 

Eröffnung des Beweisverfahrens:

 

VR weist den BF auf die Bedeutung dieser Verhandlung hin und ersucht ihn, die Wahrheit anzugeben. Der BF wird aufgefordert nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen und belehrt, dass unrichtige Angaben bei der Entscheidungsfindung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sind. Ebenso wird auf die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes hingewiesen und dass auch mangelnde Mitwirkung bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen ist.

 

Der BF wird gemäß § 51 AVG iVm § 49 AVG belehrt.

 

Ferner wird dem BF eine Rechtsbelehrung gemäß § 13a AVG gegeben.

 

Die für das Ermittlungsverfahren wesentlichen Aktenteile werden verlesen. VR erklärt diese Aktenteile zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und zum Inhalt der hier zu Grunde liegenden Niederschrift. Die Aktenteile beziehen sich insbesondere auf alle Niederschriften, auf alle Schriftsätze der Parteien im Verfahren, auf alle vorliegenden Bescheinigungsmittel sowie sonstigen Ermittlungsergebnisse (s.a. die Aktenspiegel zu den Verfahrensgängen im Akt).

 

Der BF hat keine Bescheinigungsmittel vorzulegen.

 

Beginn der Befragung:

 

VR: Ist Ihre dem bisherigen Verfahren zugrunde gelegte Identität richtig? Auf § 119 Abs. 2 FPG wird hingewiesen.

 

BF: Ja, meine Angaben sind richtig.

 

VR: Waren Ihre Aussagen im erstinstanzlichen Verfahren richtig und bleiben diese aufrecht ?

 

BF: Ja.

 

VR: Wo haben Sie in Indien gewohnt?

 

BF: Ich habe in dem Bundesstaat Punjab gelebt, in der Stadt L., in der Siedlung C..

 

VR: Mit wem haben Sie dort gelebt?

 

BF: Ich habe dort mit meiner Mutter gelebt.

 

VR: Haben Sie noch Familienangehörige in Indien?

 

BF: Ja.

 

VR: Welche sind das? Wo leben diese?

 

BF: Ein Onkel von mir lebt in der Stadt M., ein anderer Onkel lebt inJ.. L., eine Tante lebt in M., ebenfalls in Dist. L..

 

VR: Was haben Sie in Indien gearbeitet?

 

BF: Wir besaßen eine kleine Familienfabrik.

 

VR: Ist diese Fabrik noch im Besitz Ihrer Familie?

 

BF: Nein, meine Mutter hat einen Teil der Fabrik verkauft und einen Teil des Geländes hat sie vermietet.

 

VR: Wann haben Sie Indien verlassen?

 

BF: Am 10. September 2000.

 

VR: Warum haben Sie Indien verlassen?

 

BF: Der Grund, warum ich Indien verlassen habe, ist der, dass ich im Jahre 1992 Mitglied der Sikh Student Federation geworden bin. Wir haben für die Unabhängigkeit des Punjabs und die Gründung von Khalistan gekämpft. Diesbezüglich haben wir verschiedene Veranstaltungen und Kundgebungen organisiert. Da unser Ziel gegen die Regierung von Indien war, wurden Mitglieder der SSF von der Polizei festgenommen und misshandelt. Ich wurde auch mehrmals von der Polizei festgenommen. Das 1. Mal wurde ich am 00. Juni 1999 von der Polizei festgenommen und 5 Tage angehalten. In dieser Zeit wurde ich auch geschlagen. Meine Familie kontaktierte einen Minister und erst durch seine Intervention wurde ich freigelassen. In weiterer Folge wurde ich mehrmals festgenommen, zum Beispiel November 1999, Januar 2000, April 2000, am 00. August 2000. Immer wenn es irgendwo eine Bombenexplosion gab, wurde ich festgenommen und misshandelt. Bei der Festnahme am 00. August 2000 hat die Polizei die Bezahlung von 100.000 Rupien von meiner Familie gefordert. Erst nach Übergabe des Geldes wurde ich freigelassen. Ein bekannter Polizist gab uns bekannt, dass die Polizei vorhatte, mich beim nächsten Mal zu töten. Deshalb bin ich ein Monat später aus Indien ausgereist, um mein Leben zu retten. Mein älterer Bruder, der auch Mitglied bei der SSF war, wurde 1996 von der Polizei getötet. Ich hatte Angst, dass dies mir auch widerfahren könnte. Das sind meine Flucht und Asylgründe.

 

VR: Wie wurde Ihr Bruder von der Polizei getötet?

 

BF: Er wurde erschossen.

 

VR: Was ist passiert, als Ihr Bruder erschossen wurde?

 

BF: Mein Bruder wurde zu Hause von der Polizei festgenommen mit der Beschuldigung, dass er in einer Schießerei involviert war. Eine Woche später wurde in der Nähe vom Dorf G. auf den Feldern sein Leichnam gefunden.

 

VR: Was haben Sie für die SSF gemacht?

 

BF: Ich habe anderen Mitglieder der SSF Informationen über unser Zusammentreffen weitergegeben und, wie gesagt, nahm ich an verschiedenen Veranstaltungen und Kundgebungen teil.

 

VR: Was waren das beispielsweise für Informationen, welche Sie weitergegeben haben?

 

BF: Diese Informationen bezogen sich auf Ort, Datum und Zeitpunkt der Versammlung.

 

VR: Haben Sie einen Mitgliedsausweis?

 

BF: Nein.

 

VR: Hatten Sie nie einen oder haben Sie Ihn nicht bei sich?

 

BF: In Indien hatte ich einen.

 

VR: Können Sie mir Näheres über die SSF erzählen?

 

BF: Die SSF wurde 1936 gegründet und richtete sich gegen die Kolonialmacht der Engländer. Damals war das Büro des SSF in Lahore. Nach der Unabhängigkeit 1947 schlief der SSF ein und wurde 1980 von Bhai Amrik Singh wieder ins Leben gerufen mit dem Ziel die Sikh-Religion zu schützen und danach hatte sie das Ziel, die Unabhängigkeit des Punjab von Indien und die Gründung von Khalistan. Das Mindestbeitrittsalter ist 14 Jahre und das Austrittsalter ist 30 Jahre. Eine Voraussetzung ist, dass man Student oder Schüler ist.

 

VR: Handelt es sich um eine legale Organisation?

 

BF: Ja.

 

VR: Wie ist der Stand der SSF heute? Welche Funktion hat sie noch in Indien?

 

BF: Ich bin seit acht Jahren nicht mehr in Kontakt mit dieser Organisation, da ich außerhalb von Indien lebe, aber ich habe gehört, dass diese Organisation noch aktiv ist und weitere Veranstaltungen und Zusammentreffen organisiert. Sie kämpft gegen Ungerechtigkeit in der Gesellschaft und für die Förderung der Sikhs. Ab und zu fällt auch das Wort Khalistan.

 

VR: Was wurde Ihnen bei den Verhaftungen durch die Polizei vorgeworfen?

 

BF: Als ich am 00. Juni 1999 verhaftet wurde, haben sie mich beschuldigt, dass ich bei der Bombenexplosion in Ja. involviert war. Bei der Festnahme November 1999 haben sie mich beschuldigt, dass ich an einer Bombenexplosion in D. involviert war. Bei der Festnahme im Januar und April 2000 behaupteten sie, dass ich an Schießereien und Bombenexplosionen in A. und G. beteiligt war und bei der Festnahme am 00. August 2000 haben sie mich beschuldigt, dass ich in die Bombenexplosion vor der Unabhängigkeitsfeier in D. involviert war.

 

VR: Warum hat die Polizei gerade Sie verdächtigt?

 

BF: Die Akali-Partei unterstützte die SSF, aber 1996 hat die Akali-Partei an den Parlamentswahlen 1996 teilgenommen und gemeinsam mit der BJP die Wahlen gewonnen. Einige Mitglieder der SSF waren gegen die Teilnahme der Akali-Partei bei den Parlamentswahlen, weil wir der Meinung waren, dass wir die Parlamentswahlen boykottieren sollen. Aus Rache wegen unseres Protests wurden wir von der Polizei schikaniert mit der Behauptung, dass wir Terroristen seien.

 

VR: Wie lange wurden Sie jeweils von der Polizei festgehalten?

 

BF: Bei der Festnahme am 00. Juni 1999 wurde ich 5 Tage angehalten. Bei der Festnahme im November 1999 wurde ich 3 Tage angehalten, bei der Festnahme im Januar und April 2000 wurde ich am selben Tag freigelassen und bei der Festnahme am 00. August 2000 wurde ich 7 Tage angehalten.

 

VR: Warum wurden Sie jedes Mal freigelassen?

 

BF: Nach der Festnahme am 00.Juni kontaktierte meine Familie einen Minister und durch seine Intervention wurde ich von der Polizei freigelassen, aber bei der Verhaftung November 1999, Januar 2000 und April 2000 wurde ich nach meiner Befragung freigelassen und bei der Festnahme im August 2000 wurde von meiner Familie Geld in der Höhe von 100.000 Rupien gefordert und nachdem meine Mutter das Geld übergab, wurde ich freigelassen.

 

VR: Wurde jemals Anklage gegen Sie erhoben?

 

BF: Nein, ich wurde immer einfach so - ohne Anzeige - festgenommen.

 

VR: Wurde jemals gegen Sie ein Strafverfahren eingeleitet?

 

BF: Nein.

 

VR: Wenn Sie nach Indien zurückkehren müssten, was würden Sie befürchten?

 

BF: Ich habe Angst, dass ich bei meiner Rückkehr festgenommen werde und womöglich getötet werde. Ich habe gehört, dass die Pro-Khalistan-Mitglieder, die zurückgekehrt sind oder nach längerer Zeit festgenommen werden konnten, getötet wurden.

 

VR: Warum sollte man Sie verhaften, wenn kein Verfahren gegen Sie läuft?

 

BF: Die Punjab-Polizei ist immer noch gegen mich und möchte mich verhaften, weil ich ein Befürworter von Khalistan war.

 

VR: Wurden damals auch andere Mitglieder der SSF festgenommen oder befragt?

 

BF: Ja, viele.

 

VR: Kennen Sie Personen, die festgenommen wurden.

 

BF: Ja, ich kenne zwei Personen, die ich gut gekannt habe, die festgenommen wurden. Diese heißen B. S. und A. S..

 

VR: Wo sind diese Personen jetzt?

 

BF: Sie sind verschwunden. Man hat dann nicht mehr gehört, was mit Ihnen passiert ist.

 

VR: Könnten Sie nicht außerhalb des Punjabs in einem Ort leben?

 

BF: Mein Leben wäre überall in Gefahr, weil die Regierung von ganz Indien gegen Khalistan ist.

 

VR: Aus den Ländenberichten, die in das Verfahren eingeführt werden, kann nicht geschlossen werden, dass alle Befürworter von Khalistan in Indien verfolgt werden.

 

BF: Das ist ein sehr sensibles Thema und die indische Regierung setzt alles daran, es zu verhindern, dass negative Berichte erstattet werden, aber die Khalistan-Bewegung ist noch aktiv, wenn auch geschwächt. Neuerlich gab es eine Bombenexplosion in L. in Shinghar Cinema und es wurden 4 Personen verhaftet. Man weiß nicht, ob diese Personen tatsächlich schuldig sind, aber die Regierung nimmt Befürworter von Khalistan ins Visier und verhaftet diese.

 

VR: Waren Sie jemals an Bombenanschlägen oder ähnlichen Aktionen beteiligt?

 

BF: Nein.

 

VR: Wie ist Name des Ministers, den ihre Familie bei ihrer Festnahme kontaktiert hat?

 

BF: XY..

 

VR: Wie ist der Name des Polizisten, der Sie gewarnt haben soll?

 

BF: Dieser Polizist hieß R. S..

 

VR: Wo war er Polizist?

 

BF: Diese Polizeistation heißt M. Polizeistation in L.. Diese Bezeichnung ist umgangssprachlich, weil in der Nähe ein Park mit Krokodilen liegt.

 

VR: Ist dieser Polizist noch immer in dieser Polizeistation?

 

BF: Das weiß ich nicht, das ist lange her.

 

VR: Warum hat er Sie damals gewarnt?

 

BF: Er war auch ein Bewohner meiner Siedlung C. und kannte mich.

 

VR: Wissen Sie, was dieser damalige Minister heute macht?

 

BF: Das weiß ich nicht. Ich habe auch keinen Kontakt mehr zu ihm.

 

VR: Haben Sie Kontakt nach Hause?

 

BF: Ja, ich telefoniere ab und zu nach Hause.

 

VR: Wie sieht die Lage zu Hause aus?

 

BF: Meine Mutter hat mir erzählt, dass die Polizei ab und zu nach Hause kommt und nach mir fragt.

 

VR: Warum sollt die Polizei nach so langer Zeit noch Interesse an Ihnen haben?

 

BF: Die Polizei möchte alle Befürworter der Khalistan-Bewegung eliminieren, deswegen suchen sie wahrscheinlich auch mich.

 

Die Verhandlung wird für 10 min unterbrochen.

 

VR: Hat der Beisitzer Fragen?

 

BR: Am 20.11.2000 haben Sie in der Niederschrift angegeben, dass die Polizei Sie nach Ihrer Freilassung weiter gesucht hat und umbringen wollte. Wie können Sie sich dann erklären, dass Sie Ihr Land problemlos verlassen konnten?

 

BF: Ich hielt mich die meiste Zeit versteckt und bei der Flucht bin ich mit einem Taxi gereist. Es war nicht so, dass die Polizei dauernd vor meiner Haustür gestanden ist.

 

BR: Bei der Ausreise am Flughafen hat es keine weiteren Probleme gegeben?

 

BF: Nein.

 

VR an RV: Möchten Sie etwas vorbringen oder fragen?

 

RV: Nein.

 

Folgende Erkenntnisquellen werden der beschwerdeführenden Partei genannt und deren Inhalt erörtert:

 

Auswärtiges Amt, "Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien", Stand Oktober 2006

 

UK Home Office, Border & Immigration Agency (BIA), India Country Report, January 2008

 

UK Home Office, Border & Immigration Agency (BIA), Operational Guidance Note India, April 2008

 

US Department of State, India, Country Report on Human Rights Practices - 2007, 11.03.2008

 

Christian Brüser, Gutachten Indien, November 2007, Allgemeiner Teil

 

Vereinbart wird, dass der RV eine schriftliche Stellungnahme innerhalb einer Frist von 2 Wochen einbringen wird.

 

VR: Gibt es noch irgendetwas, das Sie vorbringen möchten?

 

BF: Ich möchte noch angeben, dass ich fühle, dass mein Leben in Indien in Gefahr ist.

 

VR fragt den BF, ob er den Dolmetscher gut verstanden habe; dies wird bejaht.

 

..."

 

5. Am 01.09.2008 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Länderberichten ein, in welchem unter anderem noch ein Bericht der kanadischen Asylbehörde zitiert wurde.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Feststellungen

 

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Seine Identität wird entsprechend seinen Angaben festgestellt.

 

Der Beschwerdeführer hat hinsichtlich seiner Fluchtgründe keine Verfolgungsgefahr glaubhaft gemacht. Im Entscheidungszeitpunkt konnte somit keine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in Indien festgestellt werden.

 

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer vor einer etwaigen, seinem Vorbringen im Verfahren entsprechenden Bedrohung, Sicherheit durch Verlegung seines Aufenthaltsortes in einen anderen Teil von Indien finden könnte.

 

1.2. Zum Herkunftsstaat Indien:

 

Zur Lage in Indien werden aufgrund der in der Verhandlung vorgehaltenen, dem Parteiengehör unterworfenen Quellen nachstehende Feststellungen getroffen:

 

Auswärtiges Amt, "Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien", Stand Oktober 2006

 

UK Home Office, Border & Immigration Agency (BIA), India Country Report, January 2008

 

UK Home Office, Border & Immigration Agency (BIA), Operational Guidance Note India, April 2008

 

US Department of State, India, Country Report on Human Rights Practices - 2007, 11.03.2008

 

Christian Brüser, Gutachten Indien, November 2007, Allgemeiner Teil

 

Die indische Verfassungs- und Rechtsordnung garantieren die grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten. Die Justiz ist unabhängig. Die Verfahrensdauer ist allerdings häufig extrem lang; Korruption im Einzelfall kann nicht ausgeschlossen werden. Es gibt menschenrechtsverletzende Übergriffe von Polizei- und Sicherheitskräften, eine Systematik ist dabei nicht erkennbar.

 

Was die Provinz Punjab anbelangt, so ist der Terrorismus im Punjab Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Zu Terroranschlägen kommt es nur noch vereinzelt, so im April 2005 auf ein Kino in Neu Delhi, welcher der Babbar Khalsa zugeschrieben wird.

 

Sikhs haben aufgrund ihrer religiösen oder Überzeugung oder der allgemeinen politischen Situation mit keinen staatlichen Repressalien zu rechnen.

 

Es gibt keine Berichte, wonach Mitglieder von Akali Dal oder der SSF wegen ihrer Mitgliedschaft verfolgt oder diskriminiert werden. Beide Gruppen können frei ohne Beeinträchtigungen agieren.

 

"Sikh separatist groups such as Babbar Khalsa are proscribed in India and rank and file members are likely to fear prosecution rather than persecution. There is also no evidence to the effect that rank and file members of other Sikh separatist groups are significantly active or are capable of actions which would bring them to the adverse attention of the authorities. It is therefore unlikely that individuals associated at a low or medium level with Sikh militant groups would be able to establish a well-founded fear of persecution. ...

 

The authorities are nevertheless still alert to the potential threat posed by Sikh militant groups, in particular Babbar Khalsa, and as such high-profile leading members of these organisations are likely to face a real risk of persecution. ..."

 

(UK Home Office, Border & Immigration Agency (BIA), Operational Guidance Note India, 3.6., April 2008)

 

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern. Volle Bewegungsfreiheit ist gewährleistet. Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem für indische Bürger. Die Bürger besitzen in der Mehrzahl keine Ausweise. Wer sich verfolgt fühlt, kann sich demnach in einem anderen Landesteil niederlassen.

 

Soweit sich Probleme lediglich auf die lokale Polizei beziehen und der Asylwerber für die zentralen Behörden von keinem Interesse ist, ist eine innerstaatliche Fluchtalternative zumutbar.

 

Nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts hat das Stellen eines Asylantrags allein keine nachteiligen Konsequenzen für abgeschobene indische Staatsangehörige.

 

In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder Privater angewiesen.

 

Was Angehörige der Sikhs betrifft, so gelten sie als mobile und unternehmerische Gemeinschaft. In ganz Indien sind Sikhs in verschiedenen Berufen (Kraftfahrer, Mechaniker, Inhaber von Restaurants, Hotels oder Reisebüros, etc.) und im öffentlichen Dienst anzutreffen. Bedürftigen Sikhs wird zumindest vorübergehend in Sikh-Tempeln (Gurudwara) Nahrung und Unterkunft gewährt.

 

2. Beweiswürdigung

 

2.1 Der Asylgerichtshof hat durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt sowie durch die am 19.08.2008 durchgeführte mündliche Verhandlung Beweis erhoben.

 

2.2. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Einvernahme vor der Erstbehörde und den Ausführungen in der Verhandlung im Einklang mit dem Akteninhalt.

 

2.3. Die Aussage des Asylwerbers stellt im Asylverfahren zweifellos das Kernstück dar. Hierbei ist es nach Ansicht des VwGH Sache des Asylwerbers, entsprechende, seinen Antrag untermauernde Tatsachenbehauptungen aufzustellen und diese glaubhaft zu machen.

 

Die Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubwürdig könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650).

 

2.4. Der erkennende Gerichtshof geht aufgrund des Eindrucks in der mündlichen Verhandlung und aufgrund einer Gesamtschau des Akteninhaltes nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist; dies aus folgenden näheren Erwägungen:

 

Der Beschwerdeführer hat keine aktuelle und reale Verfolgungsgefahr glaubhaft gemacht. Der Beschwerdeführer brachte vor, in den Jahren 1999 und 2000 wegen seiner Mitgliedschaft bei der SSF mehrmals festgenommen worden zu sein und der Beteiligung an verschiedensten militanten Aktionen wie Bombenexplosionen oder Schießereien beschuldigt worden zu sein. Er sei jedes Mal wieder frei gelassen worden, entweder gleich nach den Befragungen oder auf Intervention oder einmal gegen Bezahlung eines bestimmten Geldbetrages.

 

Es erscheint dem Asylgerichtshof unter Berücksichtigung der allgemeinen Berichtslage zu Indien nicht plausibel, dass ein für die Polizei verdächtiger Terrorist jedes Mal nach wenigen Tagen frei gelassen wird. Vielmehr wird eine Freilassung in solchen Fällen nur gegen Kaution, falls diese bei begründetem Verdacht der Teilnahme an Bombenexplosionen überhaupt gewährt werden würde, erfolgen. Gegen den Beschwerdeführer wurde entsprechend eigener Angaben nie Anzeige erstattet oder ein "offizielles" Ermittlungsverfahren durchgeführt oder Anklage erhoben oder ein Strafverfahren eingeleitet. Insofern und in Ermangelung sonstiger Hinweise darauf kann es nicht als den Tatsachen entsprechend angesehen werden, dass der Beschwerdeführer als Terrorist bzw. als Person, welche der Teilnahme an terroristischen Aktionen verdächtigt wurde, von der Polizei in Indien gesucht wird. Auch sein Vorbringen, bei einer Rückkehr nach Indien als Khalistan-Befürworter verhaftet zu werden, kann nicht als glaubwürdig gewertet werden, steht dies doch nicht im Einklang mit den Länderberichten. Ebenso wenig vermag die bloße Mitgliedschaft bei der SSF eine Verfolgungsgefahr zu begründen, wie aus den Länderberichten hervorgeht.

 

Somit kann im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers in sein Heimatland nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Beschwerdeführer einer Verfolgungsgefahr asylrelevanter Intensität ausgesetzt sein würde.

 

Außerdem wird, wie in den Länderfeststellungen festgehalten wurde, auf die Möglichkeit verwiesen, sich in anderen Landesteilen Indiens niederzulassen und könnte der Beschwerdeführer durch Verlegung seines Aufenthaltsortes in eine andere Region Indiens, beispielsweise nach Delhi oder Mumbai, der behaupteten Verfolgung durch die Punjab-Polizei entgehen. Für eine landesweite polizeiliche Suche haben sich keine substantiierten Hinweise ergeben und lässt sich auch den Länderberichten keine landesweite Verfolgungsgefahr für eine Person mit dem Profil des Beschwerdeführers mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit entnehmen (vgl. VwGH 24.01.2008 Zl. 2006/19/0985). Aus den Angaben des Beschwerdeführers ist, wie oben dargelegt, auch nicht abzuleiten, dass ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt oder ein Strafverfahren gegen ihn läuft. Er wurde seinen Angaben nach auch nach den Befragungen durch die Polizei im Rahmen ihrer Ermittlungen jedes Mal freigelassen. Ebenso konnte er seinen Heimatstaat vom Flughafen Delhi aus legal und problemlos mit seinem Reisepass verlassen.

 

2.5. Die Feststellungen zum Herkunftsstaat Indien gründen sich auf die in der mündlichen Verhandlung genannten, dem Parteiengehör unterworfenen sowie als unbedenklich erachteten objektiven und aktuellen Quellen, welche auch durch die Stellungnahme nicht erschüttert werden konnten. Aus dem in der Stellungnahme angeführten Bericht der kanadischen Asylbehörde geht zwar unter Berufung auf zwei indische Menschenrechtsorganisationen (SHRG, ensaaf) hervor, dass Sikh, welche in militante Aktionen verwickelt waren, oder beschuldigt wurden, an solchen Aktionen teilgenommen zu haben, noch Ziel der Behörden sein können, jedoch konnte im konkreten Fall, wie unter 2.4 ausgeführt, ein derartiges dort beschriebenes Profil des Beschwerdeführers und eine daraus resultierende Gefährdungslage nicht erkannt werden. Weiters ergibt sich aus dem zitierten Bericht, dass die grundsätzliche Situation für Sikh im Punjab gut ist und keine Hinweise für eine Verschlechterung der Lage der Sikh im Punjab bestehen, Gewaltanwendungen und Einschüchterungen vielmehr weniger geworden sind und auch keine aktuellen Berichte über Verhaftungen von Sikh vorliegen. Somit stehen die Ergebnisse der kanadischen Asylbehörde im Wesentlichen mit den getroffenen Länderfeststellungen in Einklang.

 

Aus den Länderberichten ist zudem ersichtlich, dass in Indien jedenfalls keine Situation herrscht, in der die Staatsgewalt zusammengebrochen wäre oder systematische schwere Menschenrechtsverletzungen zu erkennen wären. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass sich, wie die Länderberichte zeigen, die Lage in Indien seit Jahren im Wesentlichen unverändert darstellt und eine Verschlechterung der Situation mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch nicht zu erwarten ist.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Anzuwenden war das AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: "AsylG 1997"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichtshof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005")? anzuwenden.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

4.1. Spruchpunkt I

 

Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt des aus Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH vom 26.2.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH vom 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.4.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH E vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH E vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH E vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Daher muss die Verfolgungsgefahr (bzw. die wohlbegründete Furcht davor) im gesamten Gebiet des Heimatstaates des Asylwerbers bestanden haben.

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlings-Konvektion genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Der Beschwerdeführer hat keine Verfolgungsgefahr glaubhaft gemacht.

 

Darüber hinaus könnte, wie in den obigen Ausführungen zur Beweiswürdigung dargelegt, die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Furcht vor der Polizei nicht im gesamten Gebiet seines Heimatstaates als wohlbegründet angesehen werden und somit keine aktuelle Verfolgungsgefahr im gesamten Gebiet Indiens erkannt werden.

 

Die Beschwerde war daher gemäß § 7 AsylG abzuweisen.

 

4.2. Spruchpunkt II

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 AsylG 1997 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist und diese Entscheidung mit der Abweisung des Asylantrags zu verbinden. Die Prüfung ist - im Falle der Abweisung des Asylantrags - von Amts wegen vorzunehmen.

 

Zur Auslegung des § 8 Abs. 1 AsylG idF BGBL I 2003/101 iVm § 50 FPG 2005 (Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1. Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verweisen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des Art. 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechenden Bestimmungen" des FPG zu beziehen, das ist § 50 FPG) ist die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992 und § 57 Fremdengesetz, BGBl I Nr. 126/2002 BGBL, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Berufungswerber betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG idF BGBL I 2003/101 zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Bei der Entscheidungsfindung ist insgesamt die Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung der EMRK, auch unter dem Aspekt eines durch die EMRK zu garantierenden einheitlichen europäischen Rechtsschutzsystems als relevanter Vergleichsmaßstab zu beachten. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 13669/03).

 

Wie bereits oben ausgeführt, liegt keine Verfolgung im Sinne der GFK vor, daher bleibt zu prüfen, ob es im vorliegenden Fall begründete Anhaltspunkte dafür gibt, der Beschwerdeführer liefe Gefahr, in Indien einer Bedrohung im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG unterworfen zu werden.

 

Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt, hat der Beschwerdeführer allein auf Grund der Tatsache, dass er einen Asylantrag gestellt hat, keine Sanktionen zu erwarten.

 

Dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Indien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, Zahl: 2003/01/0059, zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK), hat der Beschwerdeführer nicht belegen können und kann auch von Amts wegen aufgrund der Länderberichte nicht davon ausgegangen werden. Es ist nicht ersichtlich, warum ihm eine Existenzsicherung in seinem Heimatland - auch außerhalb seines Herkunftsortes, beispielsweise in Delhi - nicht möglich und zumutbar sein sollte und wird diesbezüglich auch auf die Länderfeststellungen über den starken Zusammenhalt der Sikh-Gemeinschaft verwiesen (vgl. dazu VwGH 24.01.2008 Zl. 2006/19/0985). Der Beschwerdeführer hat in Indien zehn Jahre die Grundschule und zwei Jahre ein College besucht und danach als Händler und Verkäufer in der Fabrik seiner Familie gearbeitet. Zudem leben Verwandte des Beschwerdeführers in seinem Heimatland, sodass ein soziales Bezugsnetz für den Fall der Rückkehr besteht. Hinweise auf eine unzumutbare wirtschaftliche Situation der Familienangehörigen in Indien sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Seine Mutter lebt unter anderem von Mieteinnahmen eines Teils des Fabrikgeländes der Familie.

 

Es haben sich im Verfahren keine "außergewöhnlichen Umstände" ergeben, die dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr drohen könnten und die ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 AsylG darstellen könnten wie etwa Hungertod, eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens.

 

Somit war die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen.

 

4.3. Die Prüfung einer Ausweisung im Sinne von § 8 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I 101/2003 war in verfassungskonformer Auslegung von § 8 Abs. 2 iVm § 44 Abs. 3 AsylG nicht vorzunehmen; dies im Hinblick darauf, dass mit erstinstanzlichem Bescheid - der damaligen Rechtslage entsprechend - keine Ausweisung verfügt wurde und der Asylgerichtshof auf Grund Art. 129c B-VG als Überprüfungsinstanz in Asylsachen eingerichtet ist und solcherart nicht zu einer - im Ergebnis - erstinstanzlichen Entscheidung über die Ausweisung eines Fremden zuständig gemacht werden darf. Verfassungskonform kann § 8 Abs. 2 iVm § 44 Abs. 3 AsylG nur dahingehend ausgelegt werden, dass eine Ausweisung nur dann vom Asylgerichtshof verfügt werden darf, wenn bereits die erstinstanzliche Entscheidung darüber abgesprochen hat.

 

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
innerstaatliche Fluchtalternative, non refoulement, Rechtsschutzstandard, Sicherheitslage
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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