TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/11 C5 315175-1/2008

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Veröffentlicht am 11.11.2008
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Spruch

C5 315.175-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. SCHADEN als Vorsitzenden und die Richterin Mag. PUTZER als Beisitzerin über die Beschwerde des Herrn A.K., geb. 00.00.1980, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.9.2007, FZ. 05 03.280-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 9.3.2005 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren, er brachte ihn am nächsten Tag beim Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen) ein. Begründend gab er dazu bei seinen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle Ost und Außenstelle Wien) am 4.4.2005 und am 12.4.2006 an, er sei Mitglied der "Bhartia Janta Party" (so in der Niederschrift; BJP) und dafür zuständig gewesen, von Veranstaltungen der Partei zu informieren und Wahlwerbung zu betreiben. Mitte September 2004 sei er von betrunkenen Mitgliedern der Congress-Partei angehalten und geschlagen worden; man habe ihn aufgefordert, seine Tätigkeit für die BJP aufzugeben und für die Congress-Partei zu arbeiten. Die Polizei habe eine Anzeige nicht entgegengenommen. Am 4.10.2004 sei er von Mitgliedern der Congress-Partei zu Hause gesucht worden, sie hätten auch die Eingangstür zerstört; es sei ihm jedoch die Flucht gelungen. Er habe sich dann bei seinem Onkel an einem anderen Ort versteckt, sei aber bei einer religiösen Feierlichkeit am 12.1.2005 abermals von denselben Mitgliedern der Congress-Partei wie Mitte September geschlagen worden. In einen anderen Landesteil sei er nicht gegangen, da er schon in einigen Dörfern im Punjab bedroht worden und ihm gesagt worden sei, dass man ihn überall finden werde.

 

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 BGBl. I 76 (in der Folge: AsylG) idF der Asylgesetznovelle 2003 BGBl. I 101 (AsylGNov. 2003) ab (Spruchpunkt I); gemäß § 8 Abs. 1 AsylG erklärte es, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien sei zulässig (Spruchpunkt II); gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wies es den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien aus (Spruchpunkt III). Das Bundesasylamt traf Feststellungen zur Situation im Herkunftsland des Beschwerdeführers, so auch zur Möglichkeit, sich an anderen Orten innerhalb Indiens niederzulassen (Seite 15 des angefochtenen Bescheides; vgl. unten Pt. 2.2.2.2). Es beurteilte das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht als glaubwürdig und begründete dies näher. Weiters verneinte das Bundesasylamt, dass der Beschwerdeführer iSd § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 57 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 BGBl. I 75 (in der Folge: FrG) bzw. iVm § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge:

FPG) bedroht oder gefährdet sei, und begründete abschließend seine Ausweisungsentscheidung.

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 27.9.2007 persönlich zugestellt.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte, nun als Beschwerde (vgl. Pt. 2.2.1.2) zu behandelnde (und daher in der Folge so bezeichnete) Berufung vom 10.10.2007.

 

2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

2.1. Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den Feststellungen zum Sachverhalt an (vgl. VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/0460). Auch die Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Das Bundeasylamt hat zu Recht hervorgehoben, dass es nicht plausibel ist, weshalb der Beschwerdeführer, ein Parteimitglied von untergeordneter Bedeutung, von Anhängern einer gegnerischen Partei so heftig verfolgt worden sein soll, dass man ihm selbst in anderen Orten der Provinz nachgestellt hätte, und warum es ihm nicht möglich gewesen sein sollte, sich den Belästigungen durch einen Umzug in einen anderen Ort Indiens zu entziehen; anstattdessen habe der Beschwerdeführer in Kauf genommen, dass seine Mutter ihr Haus verkauft habe, um den Schlepper zu bezahlen. Der Asylgerichtshof schließt sich daher auch der Beweiswürdigung an.

 

Die Beschwerde wiederholt in groben Zügen das Vorbringen des Beschwerdeführers bei den niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt. Sie bekämpft die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides nicht in substantiierter Form, sondern wirft dem Bundesasylamt nur vor, es hätte fehlende Details nachfragen müssen und den Beschwerdeführer nicht erst im angefochtenen Bescheid mit seinen Schlussfolgerungen - der Annahme der Unglaubwürdigkeit - konfrontieren dürfen. Der Asylgerichtshof kann nicht finden, dass das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer nicht ausreichend Gelegenheit gegeben hätte, seine Fluchtgründe darzulegen; soweit es notwendig gewesen sein sollte, dem Beschwerdeführer die mangelnde Plausibilität seiner Behauptungen deutlicher vorzuhalten, ist dieser Mangel durch die Möglichkeit saniert, in der Beschwerde dazu Stellung zu nehmen, davon hat der Beschwerdeführer jedoch nicht ausreichend substantiiert Gebrauch gemacht. Sodann verliert sich die Beschwerde in Ausführungen zum Inhalt der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK; Hinweis auf das Handbuch des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge; Frage nichtstaatlicher Verfolgung, keine Verfolgungssicherheit in einem Drittstaat) und behauptet schließlich, dem Beschwerdeführer stehe in Indien keine inländische Fluchtalternative offen (dazu unten Pt. 2.2.2.2).

 

2.2. Rechtlich folgt daraus:

 

2.2.1.1. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 erster Satz B-VG sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig waren, vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005, in der Folge: AsylG 2005) sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 (in der Folge: AsylG) idF der AsylGNov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die ab dem 1.5.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG in der jeweils geltenden Fassung, di. nunmehr die Fassung der AsylGNov. 2003, zu führen.

 

Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag nicht vor dem 1.5.2004 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach dem AsylG idF der AsylGNov. 2003 zu führen. Da es am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig war, ist es vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

2.2.1.2. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (in der Folge: AsylGHG, Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I 4/2008 [in der Folge: AsylGH-EinrichtungsG]) ist auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf Art. 151 Abs. 39 Z 4 erster Satz B-VG und auf § 38 AsylG. § 38 AsylG spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieses Gericht gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen.

 

2.2.2.1. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256).

 

2.2.2.2. Da der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe, nämlich die Verfolgung durch Anhänger der Congress-Partei, nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe.

 

Selbst wenn man aber die Angaben des Berufungswerbers als wahr unterstellte, ergäbe sich daraus nicht, dass er iSd GFK verfolgt wird. Dann stünde ihm nämlich, wie sich aus den Feststellungen im angefochtenen Bescheid ergibt, eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, da er sich in Indien außerhalb seiner engeren Heimat niederlassen kann. So gibt es kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, die Bürger haben häufig keine Ausweise. Personen, die aus anderen Teilen Indiens zuziehen, werden nicht überprüft, die lokalen Polizeibehörden haben dazu weder die Ressourcen noch die sprachlichen Fähigkeiten. Die Beschwerde behauptet dagegen, dem Beschwerdeführer stehe keine inländische Fluchtalternative offen; es sei im Verfahren nicht zutage getreten, dass er innerhalb Indiens Verfolgungssicherheit erlangen könnte, da es nicht zugemutet werden könne, in einem menschenunwürdigen Versteck auf unbestimmte Zeit auszuharren. Mit dieser nicht weiter untermauerten Behauptung kann die Beschwerde die ausführlichen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Niederlassungsmöglichkeit in Indien nicht erschüttern.

 

Auch wenn man also die Angaben des Berufungswerbers als wahr unterstellt, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, die sich im gesamten Herkunftsstaat auswirken würde.

 

2.2.3.1. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig (soweit dies nunmehr durch den Asylgerichtshof geschieht: im Rahmen des Erkenntnisses; § 17 Abs. 3 AsylGHG) festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 FrG zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden. Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 FPG das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das jeweilige andere Bundesgesetz nunmehr auf die entsprechenden Bestimmungen des FPG verweist. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, di.

§ 50 FPG. Ob dies wirklich der Absicht des Gesetzgebers entspricht - da doch Asylverfahren, die am 31.12.2005 bereits anhängig waren, nach dem AsylG weiterzuführen sind - braucht nicht weiter untersucht zu werden, da sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre und da sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen ließe. Angemerkt sei jedoch, dass ein Verweis des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 50 FPG nicht etwa jene Rechtslage herstellte, die dem Asylgesetz 2005 entspricht; § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (der inhaltlich dem § 8 Abs. 1 AsylG entspricht) verweist nämlich nicht auf § 50 FPG, sondern regelt den subsidiären Schutz etwas anders als § 8 Abs. 1 AsylG, er zählt auch die maßgeblichen Bedrohungen selbst auf, und zwar in einer Weise, die nicht wörtlich dem § 50 FPG entspricht.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Folge: MRK), Art. 3 MRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Gemäß § 57 Abs. 2 und 4 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer Einschränkung, die im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht kommt - Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 GFK).

 

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG knüpft an jene zum inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz BGBl. 838/1992 an. Für § 57 Abs. 1 FrG idF BG BGBl I 126/2002 kann auf die Rechtsprechung zur Stammfassung dieser Bestimmung (BGBl I 75/1997) zurückgegriffen werden (VwGH 16.7.2003, 2003/01/0059; 19.2.2004, 99/20/0573), mit der sie sich inhaltlich deckt (die Änderung diente nur der Verdeutlichung). Nach der Judikatur zu (§ 8 AsylG - nunmehr § 8 Abs. 1 AsylG - iVm) § 57 FrG ist Voraussetzung einer Feststellung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (zB VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; 25.1.2001, 2000/20/0438; 30.5.2001, 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465;

8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586; 21.9.2000, 99/20/0373;

25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460; 16.4.2002, 2000/20/0131;

17.9.2008, 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028).

 

Der Fremde hat glaubhaft zu machen, dass er iSd § 57 Abs. 1 und 2 FrG aktuell bedroht ist, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443; 26.2.2002, 99/20/0509; 22.8.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 (nunmehr: § 8 Abs. 1) AsylG zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Der Prüfungsrahmen des § 57 FrG ist durch § 8 (nunmehr: § 8 Abs. 1) AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 21.10.1999, 98/20/0512).

 

2.2.3.2. Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre; daher liegt kein Fall des § 57 Abs. 2 FrG vor. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 MRK oder das Protokoll Nr. 6 zur MRK verletzt würde.

 

Es besteht kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände", die eine Abschiebung unzulässig machen könnten. In Indien besteht nicht eine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 MRK ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer hat auch keinen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet, der ein Abschiebungshindernis bilden könnte.

 

2.2.4.1. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde dann, wenn ein Asylantrag abzuweisen ist und wenn die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden. Da diese Voraussetzungen hier vorliegen, ist der Beschwerdeführer auszuweisen. Bei der Ausweisungsentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Art. 8 MRK zu berücksichtigen (VfSlg. 17.340/2004 [S 515], 17.516/2005 [Pt. IV.2.1 am Ende und IV.3.2]; VfGH 29.9.2007, B 1150/07; vgl. auch die Erläut. zur RV der AsylGNov. 2003 [120 BlgNR 22. GP, 14], die davon ausgehen, dass "bei jeder Ausweisungsentscheidung im österreichischen Fremdenwesen [...] Art. 8 EMRK in die Entscheidungsfindung einzubeziehen" ist und die das offenbar auch für das Asylrecht annehmen; weiters VwGH 23.11.2006, 2005/20/0516; 27.2.2007, 2007/01/0016; 26.3.2007, 2006/01/0595; 17.12.2007, 2006/01/0216). Dabei stehen die Interessen des Fremden an seinem Verbleib im Inland, die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützt sind, dem öffentlichen Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenüber. Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.516/2005 (Pt. IV.2.1) beabsichtigt der Gesetzgeber, "durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern". Dem in § 37 FrG verankerten Ausweisungshindernis darf nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Bedeutung unterstellt werden, "es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Missachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen" (VwGH 22.3.2002, 99/21/0082 mwN). Nichts anderes kann aber für die durch das AsylG vorgeschriebene Abwägung gelten, hat doch der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen (VfSlg. 17.516/2005 [Pt. IV. 3.2]): "§ 37 FrG legt [...] Kriterien fest, die sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [...] zu Art. 8 EMRK in Fällen der Außerlandesschaffung eines Fremden ergeben und die von den Asylbehörden bei Ausweisungen nach § 8 Abs. 2 AsylG, auch wenn sie dort nicht genannt sind, zu beachten sind."

 

2.2.4.2. Das Bundesasylamt hat die durch Art. 8 Abs. 2 MRK vorgeschriebene Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer bisher nur auf Grund eines Asylantrages zum Aufenthalt berechtigt war, der sich letztlich als nicht begründet erwiesen hat (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 sowie mit ähnlichen Überlegungen zu Ausweisungen nach § 33 Abs. 1 FrG zB VwGH 20.12.1999, 99/18/0409;

17.12.2001, 2001/18/0232; 17.12.2001, 2001/18/0234; 17.12.2001, 2001/18/0142; 17.12.2001, 2001/18/0162; 31.10.2002, 2002/18/0217;

27.2.2003, 2003/18/0020; 26.6.2003, 2003/18/0141; 10.9.2003, 2003/18/0147; 20.2.2004, 2003/18/0347; 26.2.2004, 2004/21/0027;

27.4.2004, 2000/18/0257; 8.3.2005, 2005/18/0044; weiters VfGH 29.9.2007, B 1150/07, wonach bei der Abwägung zu berücksichtigen ist, ob sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, und daran anschließend VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216).

 

2.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 idF Art. 2 Z 44 AsylGH-EinrichtungsG (der auch im Verfahren nach dem AsylG anzuwenden ist, vgl. AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E) unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass auch die Voraussetzungen des durch Art. 6 AsylGH-EinrichtungsG mit Ablauf des 30. Juni 2008 aufgehobenen Art. II Abs. 2 lit. D Z 43 a EGVG vorlägen, da der Sachverhalt aus der Aktenlage iVm der Beschwerde geklärt ist und sich insbesondere in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben hat, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis erübrigt es sich, auf den in der Beschwerde weiters gestellten Antrag, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, einzugehen. Es sei darauf hingewiesen, dass einen solchen Antrag weder das AVG noch - im Zusammenhang mit einem Bescheid wie dem vorliegenden - das AsylG kennt. Der ausdrücklich gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wäre daher unzulässig und zurückzuweisen (VwGH 24.3.1999, 99/11/0007). Im Übrigen kommt der Beschwerde von Gesetzes wegen (§ 64 Abs. 1 AVG iVm § 23 AsylGHG) die aufschiebende Wirkung zu.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
25.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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