B10 402.457-1/2008/3E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 Asylgesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBGl. I 2008/4, (AsylG) und 66 Abs. 2 AVG durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Vorsitzenden und die Richterin Mag: Ursula SAHLING als Beisitzerin über die Beschwerde des B. alias A. alias M.H. alias D., geb. 00.00.1978 alias 00.00.1978, StA. Bosnien-Herzegowina alias Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.10.2008, AZ. 08 02.103-BAW, zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde vom 30.10.2008 wird der Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.10.2008 gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer gibt an Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina zu sein und stellte nach illegaler Einreise am 29.02.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, in T. geboren und mit vier oder fünf Jahren nach B. umgezogen zu sein. Die Tante hätte ihn 1989 nach Italien mitgenommen. Dort sei er bis 1994 in einem Heim gewesen. Dann sei er nach Deutschland gezogen. 1999 hätte er eine Ausweisung bekommen und sei nach Frankreich gezogen. 2003 sei er von dort nach Bosnien abgeschoben worden. Nach Ausstellung eines Passes sei er 2004 wieder nach Frankreich gefahren. In Graz sei er aber angehalten worden und hätte deshalb einen Asylantrag gestellt. Er hätte dabei falsche Daten angegeben. Dann sei er nach Frankreich weitergezogen. 2006/2007 wäre er auch in Belgien gewesen, dort hätte er seine jetzige Frau kennen gelernt. Dann sei er mit deren Familie nach Schweden gefahren. Die schwedischen Behörden hätten sie nach Österreich schicken wollen, weshalb sie freiwillig hierher gefahren wären.
Er wolle nicht nach Bosnien zurück, er habe dort niemanden. Selbst bei einer Abschiebung würde er wieder hierher zurückkehren. Wenn er hier einen negativen Bescheid bekäme, so hätte er andere Länder, wo er wieder Asylanträge stellen könne.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.10.2008, Zl. 08 02.103-BAW, wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt, dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien abgewiesen, der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem Bundesgebiet nach Serbien ausgewiesen und einer Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 und 5 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen wurde festgehalten, dass die Identität mangels vorliegender Personaldokumente nicht festgestellt werden konnte. Der Beschwerdeführer sei Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina und Angehöriger der Ethnie der Roma. Seinem Vorbringen sei nicht glaubhaft zu entnehmen, dass er aus den in der GFK genannten Gründen Verfolgung im Heimatland zu gewärtigen habe. Der Asylantrag seiner Lebensgefährtin sei abgewiesen worden. Er habe in Österreich keine sozialen Kontakte, die ihn an Österreich binden würden.
Beweiswürdigend wurde die Unglaubwürdigkeit der Fluchtgründe des Beschwerdeführers u.a. damit begründet, dass er bereits unter einer völlig falschen Identität und Herkunft (M.H., geb. am 00.00.1978 in P., Kosovo) einen Asylantrag gestellt habe und nicht am Verfahren mitwirke. Er versuche vorsätzlich die Behörde zu täuschen. Er wäre durch verschiedene EU Staaten gereist und hätte unter verschiedenen Identitäten in Frankreich, Deutschland, Dänemark, Belgien, Schweden Asylanträge gestellt, wenn er durch die Polizei im Zuge einer Kontrolle angehalten worden sei bzw. er sich dadurch persönliche Vorteile erhoffe.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 61 Abs.1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes oder
soweit in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4,
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG und die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.
Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbarer Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
Von der durch § 66 Abs. 3 AVG der Berufungsbehörde eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, wenn "hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist", war im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen nicht Gebrauch zu machen:
Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein Verfahren mit nachgeordneter Kontrolle durch den Asylgerichtshof (Art. 129 c B-VG), welcher auf sein Verfahren ebenfalls das AVG anzuwenden hat (§ 23 AsylGHG), und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (nunmehr grundsätzlich nur mehr durch den Verfassungsgerichtshof) eingerichtet. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 18 AsylG 2005 grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnung des Gesetzgebers würde aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens vor dem Bundesasylamt zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor den Asylgerichtshof käme, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen des Asylwerbers sachgerecht einzugehen oder überhaupt eine (neuerliche) Einvernahme durchzuführen. Es ist nicht im Sinne des Gesetzgebers, wenn der Asylgerichtshof, statt seine "umfassende" Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht. Dies spricht auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Asylgerichtshof beginnen und zugleich - abgesehen von der beschränkten Kontrolle der Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof - bei diesem enden soll, für ein Vorgehen nach § 66 Abs. 2 AVG (vgl. VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084; VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315).
Im angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina ist und im Spruch sowohl sein Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug zu Serbien verneint als auch seine Ausweisung nach Serbien verfügt. Diesbezüglich fehlen aber Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid, warum ein Staatsangehöriger Bosniens nach Serbien auszuweisen ist.
Darüber hinaus fehlen Feststellungen darüber, ob der Beschwerdeführer mit Frau B.A. verheiratet ist, wie dies zwar in den Einvernahmen vermerkt, aber im Bescheid lediglich als Lebensgemeinschaft festgestellt wurde und aufgrund welcher Erwägungen die Erstbehörde diese Angaben des Beschwerdeführers für wahr erachtet. Weiters fehlt die Feststellung, ob der Beschwerdeführer nunmehr den Namen seiner angeblichen Ehegattin trägt oder ob es sich um eine zufällige Namensgleichheit handelt.
Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, wieso die Erstbehörde zwar die Fluchtgründe des Beschwerdeführers aufgrund Gebrauchs verschiedener Identitäten und Herkünfte für unglaubwürdig hält und Asylmissbrauch attestiert, aber die behauptete Volksgruppenzugehörigkeit zu den Roma und die Staatsangehörigkeit zu Bosnien-Herzegowina ohne Nachweise für wahr erachtet.
Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Asylgerichtshof gemäß § 66 Abs. 2 und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Beschwerdeführers gegen eine Kassation des erstinstanzlichen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.