TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/12 E10 306923-1/2008

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Veröffentlicht am 12.11.2008
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Spruch

E10 306.923-1/2008-7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Hermann LEITNER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Reinhard ENGEL als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau Dutzler über die Beschwerde der P.A. (vertreten durch die Mutter, S.L.), geb. am 00.00.2002, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.10.2006, FZ. 05 06.087-BAS, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde von P.A. gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.10.2006, FZ.: 05 06.087-BAS, wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt verwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Die Beschwerdeführerin (BF), eine Staatsangehörige von Armenien, stellte durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin am 28.04.2005 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Dazu wurde die gesetzliche Vertreterin zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte die gesetzliche Vertreterin im Wesentlichen vor, dass sie als Jesidin einen Armenier christlichen Glaubens geheiratet habe und deswegen Probleme mit ihrer Familie gehabt habe. Sie seien von ihrer Familie bedroht worden, ihr Mann sei von Familienmitgliedern zusammengeschlagen worden und sie sei von ihrem Vater derart geschlagen worden, dass sie ein Kind verloren habe. Aus Angst weiterer Übergriffe hätten sie Armenien verlassen.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.10.2006, FZ: 05 06.087-BAS (in weiterer Folge als "angefochtener Bescheid" bezeichnet), wurde der Asylantrag der BF gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I). Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II). Gemäß § 8 Abs. 2leg. cit. wurde sie aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat ausgewiesen (Spruchpunkt III).

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der gesetzlichen Vertreterin, insbesondere im Hinblick auf ihre jesidische Glaubensrichtung, als unglaubwürdig. Diesbezüglich wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 30.11.2006 innerhalb offener Frist Berufung [jetzt Beschwerde] erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die erstinstanzliche Behörde die Abweisung des Asylantrages hauptsächlich damit begründete, dass die gesetzliche Vertreterin nicht der jesidischen Glaubensrichtung angehöre, weshalb es am Fluchtmotiv fehle. Insbesondere wurde ins Treffen geführt, dass die ehemalige Zugehörigkeit der gesetzlichen Vertreterin zu den Jesiden alleine schon aus ihrer Geburtsurkunde hervor gehe, welche von der erstinstanzlichen Behörde als echt erachtet wurde. Diese Urkunde sei in der Beweiswürdigung mit keinem Wort erwähnt worden, was einen groben Verfahrensmangel darstelle.

 

Der AsylGH hat durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und Folgendes festgestellt:

 

Das Bundesasylamt hat es im erstinstanzlichen Verfahren zur Gänze unterlassen, der gesetzlichen Vertreterin das Parteiengehör zu gewähren. Weder wurde dieser jener Sachverhalt vorgehalten, von welchem das Bundesasylamt hinsichtlich der allgemeinen Lage in Armenien ausgeht, noch wurden ihr die Quellen vorgehalten, woraus das Bundesasylamt jene Feststellungen bezieht.

 

Die belangte Behörde erachtete die im Zuge des Verfahrens seitens der gesetzlichen Vertreterin vorgelegten Dokumente als echt (AS 203). Die Geburtsurkunde der gesetzlichen Vertreterin wurde seitens der belangten Behörde nicht übersetzt. Die Übersetzung dieser Urkunde erfolgte im Zuge der Beschwerdevorlage. Aus dieser Urkunde geht hervor, dass die Eltern der gesetzlichen Vertreterin der Jesidischen Volksgruppe angehören. Wäre dieses Beweismittel im erstinstanzlichen Verfahren entsprechend berücksichtigt und dieser Umstand im erstinstanzlichen Verfahren aufgegriffen worden, so hätte dies voraussichtlich zu einer anderen Beweiswürdigung und anderen Feststellungen seitens der belangten Behörde geführt, womit noch nicht gesagt ist, dass nach Durchführung weiterer Erhebungen (z. B. Berücksichtigung des Ergebnisses des Berichts der BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007) dies in einem Hauptinhalt des Spruches zu einem anderslautenden Bescheid führen muss.

 

Ebenso erfolgte keine Prüfung des Privatlebens der BF.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.

 

III. Rechtliche Beurteilung

 

Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], wenn der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann der AsylGH [Berufungsbehörde] jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Auch der AsylGH ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084 zur Anwendbarkeit von § 66 (2) AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat). Eine kassatorische Entscheidung darf vom AsylGH nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Das erkennende Gericht hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH v. 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" i. S.d. § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084).

 

Im Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, welches sich auf den Unabhängigen Bundesasylsenat bezog und aufgrund der identischen Interessenslage in Bezug auf den AsylGH ebenfalls seine Gültigkeit hat, führte der VwGH zur Frage der Gesetzmäßigkeit der Ermessungsübung im Sinne des § 66 Abs. 2 und 3 AVG folgendes aus:

 

"Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.

 

Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstelle in den Bundesländern erfolgt, während der unabhängige Bundesasylsenat - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch zu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl.2000/20/0084)."

 

Auch wenn der AsylGH eine Außenstelle in Linz einrichtete, ist auszuführen, dass aufgrund des organisatorischen Aufbaues des AsylGH und des Bundesasylamtes, sowie aufgrund des Aufenthaltsortes der BF und der Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes eine Weiterführung des Verfahrens durch den AsylGH im Sinne des § 66 (3) AVG nicht mit einer Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht im erforderlichen Ausmaß ermittelt. Es wird daher Sache des Bundesasylamtes sein, die gebotenen Ermittlungstätigkeiten im bereits erörterten nachzuholen.

 

Zur Verletzung des Parteiengehörs wird auf folgenden Umstand hingewiesen:

 

In verschiedenen Erkenntnissen geht der VwGH davon aus, dass die Verletzung des Parteiengehörs durch die Möglichkeit der Einbringung der Berufung in diesem konkreten Fall als saniert anzusehen ist (vgl. für viele: VwGH vom 11.9.2003, 99/07/0062; VwGH vom 27.2.2003, 2000/18/0040; VwGH vom 26.2.2002, 98/21/0299).

 

Soweit im erstinstanzlichen Asylverfahren das Parteiengehör verletzt wurde, wird angeführt, dass in diesem Fall der Beschwerdeführer die Gelegenheit hat, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid Stellung zu nehmen und es dem BF aufgrund der durch die Verletzung des Parteiengehörs hervorgerufenen Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens [§ 32 AsylG in der hier geltenden Fassung] im Beschwerdeverfahren weiters frei steht, zulässigerweise einen neuen Sachverhalt vorzubringen bzw. neue Bescheinigungsmittel vorlegen. Hierdurch mag zwar gegenüber dem BF die Verletzung des Parteiengehörs durch die Möglichkeit der Einbringung der Berufung zwar als saniert anzusehen sein, dies ändert aber nichts daran, dass dieser Umstand in weiterer Folge die Verpflichtung zur Durchführung einer Verhandlung und somit die Rechtsfolgen des § 66 (2) AVG auslösen kann.

 

Genau der im vorherigen Satz genannte Fall trat hier ein. Die gesetzliche Vertreterin brachte nämlich aufgrund der Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens zulässiger Weise einen neuen Sachverhalt vor. Diesen Sachverhalt hat die Behörde bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, was nur angemessen im Rahmen einer weiteren Verhandlung möglich ist, weshalb die Rechtsfolgen des § 66 (2) AVG ausgelöst werden.

 

Ebenso wird darauf hingewiesen, dass die Gewährung des Parteiengehörs mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Stellungnahme der gesetzlichen Vertreterin zu folge hat, welche wiederum ein wesentliches Bescheinigungsmittel zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes darstellen kann und von der Behörde amtswegig herbeizuschaffen sein wird.

 

Enthält -wie im gegenständlichen Fall- der Bescheid eine nicht auf den sonstigen Inhalt abgestimmte schlüssige Beweiswürdigung, so führt dies in weiterer Folge dazu, dass auch die hierauf aufbauenden Feststellungen letztlich auf ein mangelhaftes Verfahren fußen und das Ermittlungsverfahren in seiner Gesamtheit als mangelhaft anzusehen ist. Hätte das Bundesasylamt die Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung erkannt, hätte es weitere Erhebungen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes getätigt, wozu auch eine weitere Befragung der gesetzlichen Vertreterin, bzw. eine Konfrontation dieser mit dem Ergebnis der Erhebungen erforderlich gewesen wäre.

 

Aufgrund der oa. Erwägungen ist letztlich festzustellen, dass das Bundesasylamt seine neuerliche Entscheidungsfindung auf aktuelle Quellen zu stützen haben wird, deren nicht notorisch bekannten Teile der gesetzlichen Vertreterin im Rahmen des Parteiengehörs zu Kenntnis zu bringen sein werden.

 

Im gegenständlichen Fall ist auch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht vertritt, dass beweiswürdigende Überlegungen zur Stichhaltigkeit einer Fluchtgeschichte sich regelmäßig nicht auf das Vorbringen des Asylwerbers beschränken dürfen. Vielmehr bedarf es idR auch einer Betrachtung der konkreten fallbezogenen Lage im Herkunftsstaat des Betreffenden, weil seine Angaben letztlich nur vor diesem Hintergrund einer Plausibilitätskontrolle zugänglich sind (VwGH 18.4.2002, 2001/01/0002; in diesem Sinne auch VwGH 28.1.2005, 2004/01/0476). Von den Asylbehörden ist eine Einbeziehung des realen Hintergrundes der von einem Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in das Ermittlungsverfahren zu erwarten. Die Behauptungen des Asylwerbers sind auch am Verhältnis zu der Berichtslage in Bezug auf das Ereignis, von dem er betroffen gewesen sein will, zu messen (VwGH 30.9.2004, 2001/20/0135, in diesem Sinne auch VwGH 31.5.2005, 2005/20/0176).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis 2001/10/02 B 2136/00 davon aus, dass sich die Asylbehörden nicht mit Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat begnügen dürfen, sondern fallbezogen konkrete Ermittlungen ( im gegenständlichen Erkenntnis des VfGH geht es um eine Geheimgesellschaft) in Bezug auf das individuelle Vorbringen tätigen müssen, um dieses einer Plausibilitätskontrolle unterziehen zu können. Nach Ansicht des zitierten VfGH Erkenntnis besteht diese Verpflichtung selbst dann, "wenn die vom Beschwerdeführer gegebene Schilderung von vornherein als kaum glaubwürdig und als irreal erscheint. Dies entbindet die Asylbehörde nicht von ihrer Verpflichtung, die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen".

 

Das Bundesasylamt wird im Sinne obiger Ausführungen im Ermittlungsverfahren die Geburtsurkunde der gesetzlichen Vertreterin und die Tatsache, dass die Eltern der gesetzlichen Vertreterin Jesidischer Volkszugehörigkeit sind, zu berücksichtigen haben.

 

Im Rahmen der nachzuholenden Ermittlungstätigkeiten wird das Bundesasylamt auch die gesetzliche Vertreterin ein weiteres Mal zu befragen haben. Ebenso wird es dieser das Ermittlungsergebnis zur Kenntnis zu bringen und ihr die Gelegenheit einzuräumen zu haben, sich hierzu zu äußern. In weiterer Folge wird das BAA das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer schlüssigen Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen zu haben, welche als Basis für die rechtliche Beurteilung dienen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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