TE AsylGH Beschluss 2008/11/13 S2 402468-1/2008

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Veröffentlicht am 13.11.2008
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Spruch

S2 402.468-1/2008/2Z

 

B E S C H L U S S

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schnizer- Blaschka als Einzelrichterin über die Beschwerde des K.S., geb. 00.00.1976, StA: Afgahnistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.10.2008, Zahl 08 06.856-EAST OST, den Beschluss gefasst:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 37 Absatz 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Text

BEGRÜNDUNG

 

I.1. Der Beschwerdeführer brachte am 05.08.2008 den hier verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz beim Bundesasylamt ein. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt diesen Antrag ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Artikel 20/1/c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.2.2003 Griechenland zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Griechenland zulässig sei.

 

Dagegen richtet sich die vorliegende rechtzeitig erhobene Beschwerde.

 

2. Der nähere erstinstanzliche Verfahrensgang ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Mit 01.01.2006 ist das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in Kraft getreten und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge idgF anzuwenden.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz im August 2008 gestellt, weshalb § 5 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 37 Abs. 1 AsylG hat der Asylgerichtshof einer Beschwerde gegen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung verbundenen Ausweisung binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Nach herrschender Literatur ist hier auch Art. 8 EMRK maßgeblich (Vogl/Taucher/Bruckner/Marth/Doskozil, Fremdenrecht 6. Anm. zur - analogen - Regelung des § 37 Abs 1 AsylG, 155, Frank/Anerinhof/Filzwieser AsylG 2005, K3 zu § 37 Abs. 1 AsylG, 512 und K8 zu § 38 AsylG, 522f; vgl auch Fahrner/Premiszl, "Das Fristensystem im "Dublin-Verfahren" nach dem Asylgesetz 2005, Migralex 2/06, 69f).

 

Das Verfahren über die Frage der Gewährung der aufschiebenden Wirkung ist ein Provisorialverfahren, für das grundsätzlich nur sieben Tage zur Verfügung stehen. Daher ist davon auszugehen, dass die Formulierung in § 37 Abs. 1 AsylG: "wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung [...] eine reale Gefahr" einer Grundrechtsverletzung bedeuten würde, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung schon dann ermöglicht, wenn es (bloß) Hinweise darauf gibt, dass Grundrechte oder sonstige massive Interessen des Beschwerdeführers beeinträchtigt werden könnten. Gewissheit kann in diesem Stadium des Verfahrens nicht vorausgesetzt werden, weil damit das Schicksal der Berufung schon entschieden wäre.

 

Nach § 37 Abs. 2 AsylG ist bei der Entscheidung über die Frage der aufschiebenden Wirkung "auch auf die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Art. 19 Abs. 2 und 20 Abs. 1 lit. e der Dublin II-VO und die Notwendigkeit der effektiven Umsetzung des Gemeinschaftrechts Bedacht zu nehmen". Die angeführten Bestimmungen der Dublin II-VO sehen vor, dass ein "gegen die[se] Entscheidung eingelegter Rechtsbehelf [...] keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung [hat], es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem innerstaatlichen Recht zulässig ist". Zum Gemeinschaftsrecht, auf die Notwendigkeit von dessen effektiver Umsetzung Bedacht zu nehmen ist, gehört jedenfalls auch das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO. Diese Kriterien sind also nicht sehr aussagekräftig. Im Übrigen ist der Asylgerichtshof, falls er die aufschiebende Wirkung zuerkennt, gemäß § 37 Abs. 3 AsylG gehalten, seine Entscheidung in der Sache binnen zweier Wochen (anstatt der ansonsten vorgeschriebenen acht Wochen: § 41 Abs. 2 AsylG) zu treffen, sodass die allfällige Beeinträchtigung der in § 37 Abs. 2 AsylG angesprochenen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze in engen Grenzen bleibt.

 

Dass der Maßstab kein allzu enger sein darf, ergibt sich auch aus der Praxis des Verwaltungsgerichtshofes, der bei der Bekämpfung verfahrensbeendender Bescheide in Asylsachen regelmäßig die aufschiebende Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG zuerkennt, obwohl dem bereits die (negativen) Entscheidungen zweier Instanzen vorausgegangen sind. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem Verfahren nach § 5 AsylG 1997 - ausgesprochen, es sei, um Grundrechtswidrigkeiten zu vermeiden, "erforderlich, dass das Verfahren, in dem in Österreich geprüft wird, ob die Aufenthaltsbeendigung mit Art. 3 EMRK im Einklang steht, den Anforderungen des Art. 13 EMRK entspricht. Wird vertretbar behauptet, die Aufenthaltsbeendigung verstoße gegen Art. 3 EMRK, so muss dem Betroffenen ein Rechtsbehelf zur Verfügung stehen, der zu einer unabhängigen und gründlichen Prüfung führt. Für die Wirksamkeit der Beschwerde im Sinne der Anforderungen des Art. 13 EMRK bedarf es auch der Möglichkeit einer Aussetzung der Vollziehung [...]" (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582). Schließlich erkennt der Verwaltungsgerichtshof Beschwerden gegen Bescheide, die nach § 5 AsylG 2005 ergehen, regelmäßig die aufschiebende Wirkung zu.

 

2. Die Zuständigkeitsvoraussetzungen nach § 5 AsylG sind noch nicht hinreichend geklärt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren, er habe in Griechenland keinen Asylantrag gestellt, er hätte dort acht Monate ohne Versorgung verbracht, immer Hunger gehabt und an einer Demonstration von Asylwerbers teilgenommen, sind per se nicht so gehalten, dass neuerliche Erhebungen der Erstbehörde notwendig wären, die aus jetziger Sicht eine Zurückverweisung im Sinne des § 41 Abs 3 AsylG zwingend erforderlich machten. Im konkreten Fall kommt aber einerseits hinzu, dass die Erstbehörde auf das Vorbringen, Opfer körperlicher Übergriffe durch Staatsorgane geworden zu sein, im Bescheid überhaupt nicht hinreichend eingegangen ist und andererseits in aktuellen dem Asylgerichtshof notorischen Pressetexten (Bezug nehmend auf Ausführungen eines UNHCR-Vertreters in Athen) von einer generellen Verweigerung der Entgegennahme von Asylanträgen in Griechenland die Rede ist, was zumindest einer näheren Prüfung in Hinblick auf Relevanz in Verfahren nach der Dublin II-VO bedarf. Diese Umstände bedürfen weiterer Erwägungen des Asylgerichtshofes im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung des Beschwerdeführers gemäß Art 3 EMRK bei einer Rückkehr.

 

Bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers in Österreich unentbehrlich. Aufgrund der dem Asylgerichtshof hier zur Entscheidung zukommenden knappen Entscheidungsfristen liegt im konkreten Fall derzeit auch keine unzulässige Beeinträchtigung des "effet utile" der Dublin II-VO vor.

 

Der Asylgerichtshof war im Ergebnis jedenfalls zwingend gehalten, gemäß § 37 Abs. 1 AsylG vorzugehen.

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen.

Schlagworte
aufschiebende Wirkung
Zuletzt aktualisiert am
24.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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