TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/13 D7 304534-1/2008

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Veröffentlicht am 13.11.2008
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Spruch

D7 304534-1/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Stark als Einzelrichterin über die Beschwerde der S.B., geb. 00.00.2005, Staatsangehörigkeit Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.08.2006, Zahl 05 13.399-BAW, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 20.11.2007 und 04.06.2008 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides wird gemäß

 

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG) in Verbindung mit § 7 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG 1997) und § 10 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, abgewiesen.

 

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides wird stattgegeben. Gemäß

 

§ 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 8 Abs. 1 und 10 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, in Verbindung mit § 50 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG), Art. 3 Fremdenrechtspaket 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von S.B. nach Armenien nicht zulässig ist.

 

III. Gemäß §§ 8 Abs. 3 und 10 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 wird S.B. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 13.11.2009 erteilt.

 

IV. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des Bescheides wird stattgegeben und Spruchpunkt III. gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

I.1. Der (nunmehrige) Beschwerdeführer wurde in Österreich geboren, nachdem zuvor seine Eltern illegal in das Bundesgebiet gereist waren. Der Vater des Beschwerdeführers brachte am 25.08.2005 beim Bundesasylamt einen Asylantrag für den Beschwerdeführer ein.

 

Der Asylantrag des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.08.2006, Zahl 05 13.399-BAW, in Spruchpunkt I. gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, abgewiesen. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Armenien gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. zulässig sei und der Asylwerber wurde in Spruchpunkt III. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 59 bis 115).

 

I.2. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.08.2006, Zahl 05 13.399-BAW, zugestellt am 10.08.2006, richtet sich gegenständliche fristgerecht am 17.08.2006 eingebrachte Berufung (nunmehr Beschwerde, erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 119 bis 125).

 

Am 17.10.2007 langte eine Vollmacht von Herrn Rechtsanwalt Dr. Peter Zawodsky beim Unabhängigen Bundesasylsenat, der damals zuständigen Berufungsbehörde, ein (siehe Akt der Mutter, Zahl D7 256238-7/2008).

 

Für den 20.11.2007 wurde zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes vom damals zur Entscheidung berufenen Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat anberaumt, an welcher die Eltern des Beschwerdeführers und deren Vertreter teilnahmen. Das Bundesasylamt wurde ordnungsgemäß geladen, entschuldigte sich jedoch mit Schreiben vom 09.05.2007 und beantragte zugleich gegenständliche Beschwerde abzuweisen. Die Verhandlung wurde zwecks Einholung eines psychiatrisch-neurologischen Gutachtens im Verfahren des Vaters des Beschwerdeführers auf unbestimmte Zeit vertagt.

 

Mit Bescheid vom 12.02.2008, Zahl 256.239/7/14Z-VIII/40/06, wurde Herr Universitätsprofessor Dr. med. G.P., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, ÖAK Diplom Psychosomatische Medizin, ÖÄK Diplom Psychotherapeutische Medizin, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, im Verfahren des Vaters des Beschwerdeführers zum Sachverständigen bestellt und mit Schreiben vom selben Tag ersucht ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten für den Vater des Beschwerdeführers zu erstellen (siehe Akt des Vaters, Zahl D7 256239-7/2008).

 

Am 08.04.2008 langte ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten von Herrn Universitätsprofessor Dr. med. G.P. vom 15.03.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat ein (siehe Akt des Vaters, Zahl D7 256239-7/2008).

 

Am 04.06.2008 wurde die am 20.11.2007 vertagte öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat fortgeführt. An der Verhandlung nahmen die Eltern des Beschwerdeführers und deren Vertreter teil. Das Bundesasylamt wurde ordnungsgemäß geladen, entschuldigte sich jedoch mit Schreiben vom 14.04.2008 und beantragte zugleich gegenständliche Beschwerde abzuweisen. In der Verhandlung wurden nach Erörterung des Vorbringens der Eltern des Beschwerdeführers die im Verfahren herangezogenen Erkenntnisquellen zur Kenntnis gebracht anschließend die Beweisaufnahme und danach die Verhandlung geschlossen. Die Verkündung des Bescheides entfiel und es wurde angekündigt, dass den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides zugestellt werden würde.

 

Die Verhandlungsschrift vom 04.06.2008 wurde dem Bundesasylamt am selben Tag per E-Mail übermittelt (siehe Akt des Vaters, Zahl D7 256239-7/2008).

 

I.3. Mit 01.07.2008 wurde die ursprünglich zuständige Berufungsbehörde, der Unabhängige Bundesasylsenat, aufgelöst und an seine Stelle trat der neu eingerichtete Asylgerichtshof. Nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes wurde gegenständlicher Verwaltungsakt der nunmehr zuständigen Richterin zur Weiterführung des Beschwerdeverfahrens zugewiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

 

II.1. Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 Asylgesetz 2005, Art. 2 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Gegenständliches Verfahren war am 30.06.2008 bzw. 01.07.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und ist daher vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Es handelt sich um ein Beschwerdeverfahren gegen einen abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes, in dem zwei mündliche Verhandlungen vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat stattgefunden haben. Das ursprünglich zur Entscheidung berufene Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates wurde zur Richterin des Asylgerichtshofes ernannt, ihr wurde nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes das Beschwerdeverfahren zugeteilt und sie hat daher dieses Verfahren gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

II.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft.

 

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), BGBl. I. Nr. 76/1997 tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft

 

(§ 73 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, werden Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt.

 

Gegenständlicher Asylantrag wurde am 25.08.2005 beim Bundesasylamt eingebracht, weshalb dieses Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG 1997) in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, zu führen ist.

 

II.3. Der Asylgerichtshof geht von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

 

II.3.1. Der Beschwerdeführer, dessen Identität festgestellt werden konnte, ist Staatsangehöriger von Armenien und gehört der armenischen Volksgruppe an.

 

II.3.2. Es konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer der Sohn von Frau A. alias A.M. alias B. auch B., geb. 00.00.1985, Staatsangehörigkeit Armenien, deren Identität nicht festegestellt werden konnte und von Herrn R. alias R.B. alias H. alias T., geb. 00.00.1981, Staatsangehörigkeit Armenien, dessen Identität ebenfalls nicht festgestellt werden konnte ist.

 

Der Asylantrag der Mutter des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.08.2006, Zahl 04 19.326-BAW, in Spruchpunkt I. gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, abgewiesen. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Asylwerberin nach Armenien gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. zulässig sei und die Mutter des Asylwerbers wurde in Spruchpunkt III. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen. Der Asylantrag des Vaters des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.08.2006, Zahl 04 19.329-BAW, in Spruchpunkt I. gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, abgewiesen. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Vaters des Asylwerbers nach Armenien gemäß

 

§ 8 Abs. 1 leg. cit. zulässig sei und der Vater des Asylwerbers wurde in Spruchpunkt III. des Bescheides aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen.

 

II.3.3. Der Asylantrag des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.08.2006, Zahl 05 13.399-BAW, in Spruchpunkt I. gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, abgewiesen. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Armenien gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. zulässig sei und der Asylwerber wurde in Spruchpunkt III. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 59 bis 115).

 

II.3.4. Die gegen die Bescheide der Eltern des Beschwerdeführers eingebrachten Beschwerden gegen Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesasylamtes wurde in den Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 13.11.2008, Zahl: D7 256238-6/2008/16E und D7 256239-7/2008/20E gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG) in Verbindung mit § 7 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG 1997) abgewiesen. Den Beschwerden gegen Spruchpunkte II. der Bescheide wurde stattgegeben. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, in Verbindung mit § 50 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG), Art. 3 Fremdenrechtspaket 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Eltern nach Armenien nicht zulässig ist (Spruchpunkte II.). Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 wurden den Eltern befristete Aufenthaltsberechtigungen bis zum 13.11.2009 erteilt (Spruchpunkte III.) und den Beschwerden gegen Spruchpunkte III. der Bescheide stattgegeben und Spruchpunkte III. gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben (Spruchpunkte IV.).

 

II.4.1. Die Identität des Beschwerdeführers (II.3.1.) konnte auf Grund der Vorlage einer Geburtsurkunde vor dem Bundesasylamt festgestellt werden. Die Staatsangehörigkeit (II.3.1.) wurde auf Grund des Vorbringens und der Sprache der Eltern des Beschwerdeführers festgestellt. Die Eltern des Beschwerdeführers haben vor dem Bundesasylamt angegeben, der armenischen Volksgruppe anzugehören (erstinstanzlicher Verwaltungsakt der Mutter, Seite 19).

 

II.4.2. Die in der Beschwerde nicht angefochtenen Feststellungen hinsichtlich der Verwandtschaft (II.3.2.) wurden nachvollziehbar im Bescheid des Bundesasylamtes getroffen.

 

II.4.3. Der Verfahrensgang in den Asylverfahren der Eltern des Beschwerdeführers (II.3.2. und II.3.4.) und der Verfahrensgang im Asylverfahren des Beschwerdeführers (II.3.3.) ergeben sich aus den Akten des Bundesasylamtes, Zahlen 04 19.326-BAW, 04 19.329-BAW, 05 13.399-BAW und den Akten des Asylgerichtshofes Zahlen D7 256238-6/2008,

 

D7 256239-7/2008 und D7 304534-1/2008.

 

II.5.1. Gemäß § 3 Abs. 1 1. Satz AsylG 1997 begehren Fremde, die in Österreich Schutz vor Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) suchen, mit einem Asylantrag die Gewährung von Asyl.

 

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich infolge von vor dem 01. Jänner 1951 eingetretenen Ereignissen aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung

 

(Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in

 

Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrundeliegenden, in

 

Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 19.04.2001, Zl. 99/20/0273).

 

Gemäß § 1 Z 6 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist.

 

Familienangehörige (§ 1 Z 6 AsylG) eines

 

Asylberechtigten;

 

subsidiär Schutzberechtigten (§§ 8 in Verbindung mit § 15) oder

 

Asylwerbers

 

stellten einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Für Ehegatten gilt dies überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Freden geschlossen wird, der den ersten Asylantrag eingebracht hat (§ 10 Abs. 1 AsylG).

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Asylberechtigten mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

Der Beschwerdeführer ist in Österreich geboren. Im gegenständlichen Fall sind die Voraussetzungen für die Anwendung eines Familienverfahrens gemäß § 10 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, erfüllt.

 

Die Eltern des Antragstellers haben keine über ihre Person hinausgehende konkret nur gegen die Person des Antragstellers gerichtete Verfolgung in Armenien geltend gemacht. Wie bereits ausgeführt (siehe II.3.2.), wurden die Asylanträge der Eltern des Beschwerdeführers zunächst mit Bescheid des Bundesasylamtes in Spruchpunkt I. gemäß

 

§ 7 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, abgewiesen. Die dagegen eingebrachten Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes gemäß

 

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG) in Verbindung mit § 7 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG 1997) abgewiesen (siehe II.3.4.).

 

Da somit weder die in § 7 AsylG 1997 noch in § 10 Abs. 2 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, genannten Voraussetzungen erfüllt sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. abzuweisen.

 

II.5.2. Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid den gleichen Schutzumfang zu gewähren, es sei denn, dem Antragsteller ist gemäß § 3 Asyl zu gewähren. Abs. 2 gilt (§ 10 Abs. 3 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003).

 

Wie bereits ausgeführt (siehe II.3.2.), wurden über die Asylanträge der Eltern des Beschwerdeführers in Spruchpunkt II. der Bescheide ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Eltern des Asylwerbers nach Armenien gemäß

 

§ 8 Abs. 1 leg. cit. zulässig sei und die Eltern des Asylwerbers wurden in Spruchpunkt III. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen.

 

Den gegen die Bescheide der Eltern des Beschwerdeführers eingebrachten Beschwerden gegen Spruchpunkte II. der Bescheide wurde stattgegeben. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, in Verbindung mit § 50 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG), Art. 3 Fremdenrechtspaket 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Eltern nach Armenien nicht zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 wurden den Eltern befristete Aufenthaltsberechtigungen bis zum 13.11.2009 erteilt (siehe II.3.4).

 

Im Ergebnis war daher der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesasylamtes stattzugeben.

 

II.5.3. Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, ist Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen (§ 13) abgewiesen wurde, von jener Asylbehörde mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, von der erstmals festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist.

 

Gemäß § 15 Abs. 1 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, obliegt die Verlängerung befristeter Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 8 Abs. 3 sowie deren Widerruf dem Bundesasylamt.

 

Gemäß § 15 Abs. 2 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, ist die befristete Aufenthaltsberechtigung für höchstens ein Jahr und nach der ersten Verlängerung für höchstens fünf Jahre zu bewilligen. Die Aufenthaltsberechtigung behält bis zur Entscheidung über die Verlängerung durch das Bundesasylamt Gültigkeit. Wird von der Behörde gemäß

 

§ 8 Abs. 4 festgestellt, dass keine Umstände einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat entgegenstehen, so ist die befristete Aufenthaltsberechtigung in diesem Bescheid zu widerrufen. Die befristete Aufenthaltsberechtigung ist auch zu widerrufen, wenn der Fremde einen Asylausschließungsgrund (§ 13) verwirklicht.

 

Auf Grund des Gesundheitszustandes des Vaters des Beschwerdeführers und da derzeit nicht davon auszugehen ist, dass die Rückkehr des Vaters des Beschwerdeführers nach Armenien in nächster Zeit gesundheitlich vertretbar wäre, war in diesem speziellen Fall spruchgemäß zu entscheiden.

 

II.5.4. Ist ein Asylantrag abzuweisen und hat die Überprüfung gemäß Abs. 1 ergeben, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden (§ 8 Abs. 2 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003).

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung uns seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundene Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979).

 

Der Asylgerichtshof geht in Übereinstimmung mit den österreichischen Höchstgerichten und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass bei einer Ausweisung Art. 3 EMRK beachtlich ist (vgl. VfGH vom 06.03.2008, B 2400/07-9, und die darin wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte; vom 29.09.2007, B 328/07 und B 1150/07; VfSlg. 13.837/1994, 14.119/1995 und 14.998/1997).

 

Der Beschwerde gegen die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers wurde stattgegeben (Spruchpunkt II. dieses Erkenntnisses) und dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt III. dieses Erkenntnisses gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 13.11.2009 erteilt.

 

Da somit die Vorsaussetzungen für eine Ausweisung in den Herkunftsstaat nicht mehr vorliegen war Spruchpunkt III. des Bescheides des Bundesasylamtes zu beheben.

Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung, Familienverfahren, subsidiärer Schutz
Zuletzt aktualisiert am
10.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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