TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/14 B1 245084-0/2008

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Veröffentlicht am 14.11.2008
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Spruch

B1 245.084-0/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß §§ 61 Abs. 1, 75 Abs. 7 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 iVm § 66 Abs.4 AVG 1991 durch den Richter Dr. Ruso als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Magele als Beisitzer über die Beschwerde von N.A., geb. 00.00.1981, Staatsangehörigkeit: Republik Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.11.2003, Zahl: 03 24.077-BAT, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde von N.A. vom 09.12.2003 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.11.2003, Zahl: 03 24.077-BAT, wird gemäß § 7 Asylgesetz 1997 BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) abgewiesen.

 

Gemäß § 8 Abs.1 AsylG wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von N.A. in die Republik Kosovo zulässig ist.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Gang des Verfahrens und Sachverhalt

 

1.1 Der Beschwerdeführer, zum damaligen Zeitpunkt ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo, beantragte nach illegaler Einreise mit Schlepperunterstützung am 11.08.2003 die Gewährung von Asyl, wobei er seine Identität durch einen am 00.00.2001 in Prishtine ausgestellten UNMIK-Personalausweis belegte.

 

Am 11.11.2003 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesasylamt, wobei er angab, dass er aus dem Dorf V. in der Gemeinde G. stamme, wo sich seine Eltern und Geschwister noch aufhalten, während ein Bruder als österreichischer Staatsbürger in Österreich lebe.

 

Der Beschwerdeführer habe im Herkunftsstaat keine Probleme mit der Polizei oder sonstigen Behörden gehabt. Er habe den Herkunftsstaat verlassen, weil sein Cousin namens G.N. einen jungen Mann namens V.M. erschossen habe und seither ein Blutracheakt zu befürchten sei. Der Beschwerdeführer legte dazu die Kopie eines Zeitungsartikels der Tageszeitung "XX" vom 00.00.2003 vor, aus welchem gemäß der hergestellten Übersetzung in die deutsche Sprache ersichtlich ist, dass während eines Streites zwischen zwei Familien aus dem Dorf B. der jugendliche V.M. durch Schussverletzungen getötet worden sei. Der Zwischenfall habe im Dorf V. - G. am Dienstag um 04:00 Uhr in der Früh stattgefunden. Nach Augenzeugen sei der Täter G.N., der aus dem Dorf V. - G. stamme. Das polizeiliche Informationsbüro habe keine genaueren Angaben über den Vorfall geben wollen.

 

Der Beschwerdeführer gab weiters an, dass sein Cousin zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer sei nach dem Vorfall nach Prishtine verzogen und habe bei einem befreundeten Studenten gewohnt und dann aus Angst vor Racheakten den Herkunftsstaat verlassen. Er sei am 08.08.2003 mit Schlepperunterstützung ausgereist. Der Beschwerdeführer sei niemals persönlich Verfolgungshandlungen seitens der Familie des ermordeten V.M. ausgesetzt gewesen. Er könne nur vermuten, dass man nach ihm gesucht habe. Der Beschwerdeführer habe keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen im Herkunftsort, da es kein Telefonnetz im Dorf V. gebe. Er habe zuletzt am 25.06.2003 mit seiner Familie Kontakt gehabt. Auf die Aufforderung, die Ermordung des V.M. konkret zu beschreiben gab der Beschwerdeführer an, dass er geschlafen habe und dann die Leiche gesehen habe. V.M. sei mit drei Schüssen getötet worden. Der Beschwerdeführer sei sofort weggelaufen und sei von einem Cousin des Opfers an der Tatörtlichkeit gesehen worden. Nachdem er die Leiche gesehen habe, sei er ins Haus zurück gegangen, habe sich angezogen und sei nach Prishtine gereist. Der Beschwerdeführer habe weder vor noch nach diesem Vorfall Kontakt mit der Familie des V.M. gehabt. Im Falle einer Rückkehr befürchte er Blutrache der Familie M..

 

1.2 Das Bundesasylamt hat mit dem angefochtenen Bescheid den Asylantrag des Asylwerbers gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I); weiters wurde mit diesem Bescheid die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II).

 

Im angefochtenen Bescheid wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers zugrunde gelegt und festgestellt, dass dieser keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre und gemäß Feststellungen über die aktuelle Situation im Herkunftsstaat weder von Verfolgung bedroht, noch aufgrund der allgemeinen Lage einer Gefährdung ausgesetzt sei, welche die Einräumung von Refoulementschutz rechtfertigen könnte.

 

1.3 Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom 09.12.2003 das Rechtsmittel der Berufung erhoben.

 

Darin wird das vom Beschwerdeführer im Verfahren bereits erstattete Vorbringen wiederholt und weiter ausgeführt, dass nach zitierten Quellen Blutrache in Albanien und Kosovo wieder zum Alltag gehöre. Der Beschwerdeführer sei eine besonders hochgradig gefährdete Person, da er ein junges männliches Familienmitglied des Täters sei und noch dazu vom Cousin des ermordeten am Tatort gesehen worden sei.

 

1.4 Mit Schreiben des Asylgerichtshofes vom 28.08.2008 wurde der polizeiliche Verbindungsbeamte des Bundesministeriums für Inneres an der österreichischen Vertretungsbehörde in Prishtine um Überprüfung ersucht, ob tatsächlich zwischen den Familien M. und N. aufgrund des vom Beschwerdeführer dargestellten Vorfalls Blutrache besteht und die Familie M. Rache an der Familie N. üben wolle oder bereits geübt habe. Mit Bericht des polizeilichen Verbindungsbeamten des Bundesministeriums für Inneres vom 27.09.2008 wurde mitgeteilt, dass der Fall am 26.09.2008 vor Ort erhoben worden sei. Dabei wurde festgestellt, dass durch den Vater des G.N., den GJ.N. bestätigt wurde, dass G.N. den V.M. am 00.00.2003 durch mehrere Schüsse getötet hatte und deshalb (durch das Berufungsgericht) zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Jahren verurteilt wurde. Die Familie N. habe wegen des Vorfalles durch die Familie des Opfers keine unmittelbaren Drohungen erhalten und es haben auch keine Anschläge stattgefunden, die Familie betrachte den Vorfall aber als Drohung für die Familie mit schwebendem Zustand. Laut GJ.N. ist vom Vorfall nur seine Familie betroffen. Im Ort V. gibt es insgesamt 52 Häuser, wovon 49 von Verwandten der Familie N. bewohnt werden. Diese wären laut GJ.N. nicht gefährdet und waren auch am Vorfall nicht involviert.

 

1.5 Am 05.11.2008 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof durchgeführt, an der der Beschwerdeführer und der Vertreter des Beschwerdeführers (BFV) teilgenommen haben und zu der das Bundesasylamt keinen Vertreter entsandt hat.

 

Dabei gab der Beschwerdeführer (BF) auf Befragen durch den Vorsitzenden Richter (VR) und die Beisitzende Richterin (BR) folgendes an:

 

"VR: Sie sind im August 2003 nach Österreich gekommen. Was haben Sie seither hier getan?

 

BF: Seitdem ich in Österreich bin, wohne ich bei meinem Bruder. Ich habe die ganze Zeit die Kinder meines Bruders zur Schule und in den Kindergarten begleitet; dann bin ich zu Hause geblieben. Ich habe kein Recht hier in Österreich zu arbeiten, daher war ich nicht beschäftigt. Meine Freizeit habe ich mit meinem Bruder verbracht, sofern er Zeit hatte, die meiste Zeit war ich zu Hause. Im letzten Jahr habe ich ein bisschen in der Eisdiele ausgeholfen. Ich verbringe natürlich auch sehr viel Zeit mit meiner Freundin.

 

VR: Haben Sie seit Ihrer Einreise nach Österreich Leistungen aus der GVS in Anspruch genommen, um Ihren Lebensunterhalt zu fristen?

 

BF: Die ersten drei Jahre nicht, da wurde ich vom Bruder unterstützt und die letzen zwei Jahre habe ich ¿ 180,-- an Sozialhilfe erhalten.

 

VR: Sie stammen aus dem Dorf V., in der Gemeinde G., unter welchen Umständen haben Sie bis zu Ihrer Ausreise dort gelebt?

 

BF: Ich habe dort im Elternhaus gewohnt. Ich habe die Schule besucht. Ich habe auch studiert.

 

VR: Wovon haben Sie Ihren Lebensunterhalt bestritten?

 

BF: Ich wurde sowohl von meinen Eltern, als auch von meinem Bruder unterstützt.

 

VR: Aus welchem Grund haben Sie den Herkunftsstaat verlassen?

 

BF: Ein Cousin von mir namens G.N. hat am 00.00.2003 einen jungen Mann namens V.M. im Heimatdorf ermordet.

 

VR: Welche Befürchtungen haben sich für Sie aus diesem Vorfall ergeben?

 

BF: Ich habe Angst, dass Rache genommen wird.

 

VR: Glauben Sie, dass an Ihnen persönlich Rache genommen werden könnte?

 

BF: Ja, denn der Cousin von V.M. hat mich dort gesehen, das heißt, er hat mich einige Minuten nach dem Vorfall gesehen. Es war um 04.00 Uhr in der Früh; er war mit dem Wagen unterwegs.

 

VR: Warum waren Sie auf dem Tatort?

 

BF: Ich habe Schüsse gehört und bin nach einigen Minuten aufgestanden, um zu sehen, was passiert sei. Ich habe auch den jungen Mann V.M. im Wagen dort gesehen. Einige Minuten später kam auch der Cousin von V.M. mit dem Wagen.

 

VR: Sind Sie wegen dieses Vorfalles jemals bedroht worden oder Ziel eines Angriffes gewesen?

 

BF: An diesem Tag habe ich das Heimatdorf verlassen und habe mich nach Pristina begeben und wohnte dort bei einem Freund, einem Studenten.

 

VR: Wer hat V.M. getötet?

 

BF: Er wurde von G.N. ermordet, dieser befindet sich derzeit in Haft.

 

VR: Welche Anhaltspunkte dafür haben Sie, dass irgendjemand wegen dieses Vorfalls an Ihnen Rache nehmen soll, nachdem der Täter offensichtlich in Haft ist?

 

BF: Mein Anhaltspunkt dafür ist, dass ein Cousin mich gesehen hat.

 

VR: Ist Ihnen bekannt, ob durch die Familie des V.M. seither gegen die Familie des Täters irgendeine Handlung im Rahmen einer Rache gesetzt worden ist?

 

BF: Sie wussten nicht, dass ich mich in Pristina aufhalte.

 

VR: Ist Ihnen eine Handlung im Rahmen der Rache gegen andere Personen der Familie N. bekannt geworden?

 

BF: Es ist zu keiner Versöhnung gekommen; man weiß nichts darüber, das heißt keiner von uns ist bis jetzt ermordet worden, wie lange das dauert, weiß man nie.

 

VR: Der von Ihnen angegebene Vorfall ist durch einen österreichischen Verbindungsbeamten im Herkunftsland überprüft worden; dieser hat ein Gespräch mit dem Vater des G.N. im Dorf V. geführt. Dabei hat dieser angegeben, dass es einerseits bisher zu keinerlei Racheakten der Familie M. gekommen ist, dass andererseits auch keine Streitbeilegung oder Versöhnung stattgefunden hat, dass aber von diesem Zustand der Bedrohung, den der Vater von G.N. als bestehend annimmt, nur seine Familie betroffen sei und offensichtlich nicht irgendwelche anderen Anverwandten. Nach der Aussage des Vaters von G.N. gibt es im Dorf V. 52 Häuser, wovon 49 von Verwandten der Familie N. bewohnt werden, diese wären nicht gefährdet und auch nicht am Vorfall involviert. Daher erscheint es mir höchst unwahrscheinlich, dass eine Bedrohung, wie von Ihnen dargestellt, für Sie tatsächlich bestehen sollte. Was sagen Sie dazu?

 

BF: Der Vater von G. lebt seit mindestens 22 Jahren in der Schweiz. Ich und G. sind wie Brüder, wir sind gemeinsam aufgewachsen. Sein Vater ist einmal im Jahr für drei Wochen im Kosovo auf Urlaub. Als der Vorfall passierte, war der Vater von G. in der Schweiz. Ich bin der erste, der dort am Tatort von der Familie M. gesehen wurde. Deshalb habe ich Angst.

 

VR: Sie haben die Lebensverhältnisse der Familie des G.N. jetzt zutreffend beschrieben, allerdings hat sich zum Zeitpunkt des Vorfalls auch GE., der Bruder von G., in V. befunden und er ist dort nach wie vor mit seiner Familie im Elternhaus aufhältig und war nicht Ziel von Angriffen. Daher ist davon auszugehen, dass eine Bedrohung auf Grund dieses Vorfalles weder für ihn noch für Sie persönlich besteht. Was sagen Sie dazu?

 

BF: GE. lebt ständig mit der Angst und verlässt auch das Haus nicht. Es wird auch für ihn von anderen Personen eingekauft, er selber geht nicht aus dem Haus, um einzukaufen.

 

VR: Beschreiben Sie Ihr Verhältnis zu G.N. näher, das Sie vorher mit jenem zwischen Brüdern verglichen haben.

 

BF: Wir sind gemeinsam aufgewachsen, wir haben die gleiche Schule besucht; wir waren die ganze Zeit gemeinsam in der Schule. Wir waren ständig gemeinsam; sein Vater war hauptsächlich in der Schweiz aufhältig.

 

VR: Die Tötung des V.M. durch den G.N. in der Nacht des 00.00.2003 ist offensichtlich in einer Situation erfolgt, in der Sie nicht gemeinsam mit G. unterwegs waren.

 

BF: Nein, ich habe in einem anderen Haus geschlafen.

 

VR: Die Hintergründe dieser Tat, für die offensichtlich die Entführung oder auch ein eventuell einvernehmlicher Kontakt des V.M. mit einer Schwester des G.N. der auslösende Grund war, sind im Kosovo in einem Strafverfahren in zwei Instanzen durchleuchtet und aufgeklärt worden. Daraus ist für eine Öffentlichkeit und insbesondere auch für die beteiligten Familien ersichtlich, dass Ihre behauptete Anwesenheit am Tatort keine Beteiligung am Tötungsdelikt indiziert. Was sagen Sie dazu?

 

BF: Ich hörte die Schüsse, ging hinaus, habe den Toten gesehen, einige Minuten später ist der Cousin des Getöteten gekommen und hat mich gesehen.

 

BFV an BF: Gibt es aus der Vergangenheit Erfahrungen mit der Familie M.hinsichtlich Blutrache?

 

BF: Ich habe gehört, dass es vor dreißig bis vierzig Jahre Probleme mit dieser Familie gegeben hat. Dies habe ich von meinen Eltern gehört.

 

...Vorhalt der vorläufigen Beurteilung der politischen und menschenrechtlichen Situation im Herkunftsstaat des BF ...

 

VR gibt dem BF Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Beurteilung.

 

BF: Man weiß, dass die NATO - Truppen seit dem Jahr 1999 sich im Kosovo befinden. Ich bin jedoch der Meinung, dass sie mein Problem nicht lösen können. Sowohl die KFOR, als auch die UNMIK können mein Problem nicht lösen. Ich kann nicht ständig mit der Angst im Kosovo leben.

 

BFV: Die polizeilichen Einrichtungen sind nicht geeignet, Übergriffe, die auf Blutrache zurückzuführen sind, dauerhaft und gesichert zu vermeiden.

 

VR: Möchten Sie noch etwas sagen, oder hatten Sie die Gelegenheit alles vorzubringen?

 

BF: Ich kann nicht im Kosovo leben. In Österreich lebt mein Bruder und ich habe auch eine Freundin, mit der ich seit März 2008 zusammen bin. Sie ist österreichische Staatsbürgerin.

 

BFV: Warum können Sie nicht im Kosovo leben?

 

BF: Aus Angst vor der Blutrache. Das würde mir das Leben kosten."

 

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers wird folgender Sachverhalt festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Er stammt aus dem Dorf V. in der Gemeinde G.. Nach dem Mord seines Cousins G.N. an einem jungen Mann namens V.M. verließ der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat und reiste in Österreich illegal ein. Es wird wie im angefochtenen Bescheid der Sachverhalt zugrunde gelegt, dass der Beschwerdeführer sein Heimatland verlassen hat, weil er Blutrache seitens der Familie des Getöteten subjektiv befürchtete. Eine derartige Gefährdung ist im Herkunftsstaat tatsächlich nicht zu erwarten.

 

Der Beschwerdeführer lebt derzeit in Österreich im Haushalt seines Bruders, von dem er auch finanziell unterstützt wird. Weiters bezieht er seit zwei Jahren Leistungen der Grundversorgung in Höhe von EUR 180,--.

 

Bis zu seiner Ausreise lebte er in seinem Elternhaus und bestritt seinen Lebensunterhalt durch Unterstützung seitens der Eltern und seines Bruders.

 

2.2. Zur Situation im Kosovo wird festgestellt:

 

1. a. Allgemeines:

 

Im Kosovo, einem Gebiet von ca. 11.000 qkm, leben - geschätzt - 2,1 Millionen Menschen, davon 92 Prozent ethnische Albaner, 5,3 Prozent Serben, 0,4 Prozent Türken, 1,1 Prozent Roma sowie 1,2 Prozent anderer Ethnien. Die Amtssprachen sind Albanisch und Serbisch. Auf Gemeindeebene werden auch Bosnisch, Romanes und Türkisch als Amtssprachen in Verwendung sein. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seiten 3-5]

 

1. b. Lageentwicklung:

 

1. b.1. Kosovo unter UN - Verwaltung

 

Am 24.03.1999 begann die NATO die Luftangriffe gegen die Bundesrepublik Jugoslawien mit dem erklärten Ziel, "eine humanitäre Katastrophe zu verhindern (und) das Morden im Kosovo zu beenden". Im Juni 1999 rückten die unter Führung der NATO gebildeten KFOR-Einheiten in den Kosovo ein. Am 10.06.1999 wurde das Gebiet auf der Basis der Sicherheitsrats-Resolution 1244 der vorläufigen zivilen UN-Verwaltung "United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK)" unterstellt. Völkerrechtlich gehörte der Kosovo aber nach wie vor zur Bundesrepublik Jugoslawien. [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:: Entscheidungen Asyl 03/2008 , Seite 2]

 

1. b.2. Statusverhandlungen

 

Der VN-Generalsekretär hat für die Verhandlungen zum Status des Kosovo den ehemaligen finnischen Staatspräsidenten Martti Ahtisaari zu seinem Sondergesandten ernannt. Ahtisaari hat am 21. Oktober 2005 die Statusgespräche begonnen. Nach anfänglicher Pendeldiplomatie zwischen Wien und Pri¿tina bzw. Belgrad begannen am 22. Februar 2006 direkte Gespräche zwischen beiden Delegationen. VN-Sondergesandter Ahtisaari hat am 02.02.2007 den Parteien einen Entwurf des Statuspakets übergeben. Abschließend hat sich der UN-Sicherheitsrat mit der Statuslösung befasst. In intensiven Verhandlungen bis Ende Juli 2007 konnte jedoch keine Einigung über einen Resolutionstext erzielt werden, und die Befassung des UN-Sicherheitsrates wurde zunächst auf Eis gelegt.

 

Unter Federführung einer "Troika" aus USA, Russland und EU begannen am 01.08.2007 neue Verhandlungen, die jedoch am 10.12.2007 endgültig scheiterten.

 

[Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007, Seite 7; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:

Entscheidungen Asyl 03/2008 , Seite 2]

 

1. b.3. Wahlen

 

Am 17.11.2007 fanden Parlaments-, Kommunal- und Bürgermeisterwahlen, die ohne besondere Zwischenfälle abliefen, statt. Der mit der Wahlbeobachtung betraute Europarat hat bestätigt, dass die Wahlen entsprechend der internationalen und europäischen Standards verlaufen sind.

 

Ergebnisse der Parlamentswahlen vom 17.November 2007

 

Partei: 2004 2007 Sitze Frauenanteil

 

AAK (Ramush Haradinaj) 8,39% 9,6% 10 3

 

AKR (Beghjet Pacolli n.k. 12,3% 13 4

 

LDD (Nexhat Daci) n.k. 10% 11 4

 

LDK (Fatmir Sejdu) 45,42% 22,6% 25 8

 

ORA (Veton Surroi) 6,23%. 4,1% - -

 

PDK (Hashim Thaci) 28,85% 34,3% 37 12

 

Andere Parteien 11,11%. 7,1% 24 6

 

Gesamt 120 27

 

[Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seite 28; Kosovo - Bericht 29.09.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seite 36]

 

Am 9. Jänner 2008 hat das Parlament sowohl Präsident Fatmir Sejdiu in seinem Amt als auch das Kabinett von Ministerpräsident Hashim Thaci (Demokratische Partei des

 

Kosovo, PDK) bestätigt. Das neue Kabinett hat zwei Vizeministerpräsidenten und 15

 

Minister, sieben davon kommen der PDK, fünf dem Koalitionspartner

LDK

 

und drei den Minderheiten zu. [APA 09.01.2008: Kosovos neue Führungsspitze von Parlament bestätigt]

 

1. b.4. Unabhängigkeit des Kosovo

 

Das kosovarische Parlament erklärte am 17.02.2008 gegen den Willen Serbiens seine Unabhängigkeit. Die Proklamation enthält neben dem Bekenntnis zur Verwirklichung des Ahtisaari-Plans für eine überwachte Unabhängigkeit eine Einladung an die EU, die Staatswerdung des Kosovo mit einer eigenen Mission zu begleiten, und an die NATO, ihre Schutztruppen im Land aufrechtzuerhalten.

 

Die einseitige Sezession ist völkerrechtlich und international umstritten. Gleichwohl haben mittlerweile über 30 Staaten, allen voran die USA und die Mehrzahl der EU-Staaten, den Kosovo förmlich anerkannt.

 

Das neue Staatswesen ist zwar formal souverän, die internationale Staatengemeinschaft wird jedoch weiterhin sowohl zivil als auch militärisch präsent sein. Die Außenminister der EU und die NATO haben sich verständigt, die KFOR nicht abzuziehen; rund 17.000 NATO-Soldaten bleiben im Kosovo, darunter knapp 2.400 Deutsche. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben die Entsendung

 

einer ca. 2.000 Mann starken EU-Mission (EULEX) beschlossen. Sie soll die UN-Verwaltung (UNMIK) nach einer Übergangszeit ablösen. Rund 70 Experten sind für ein International Civilian Office (ICO) unter Leitung eines EU-Sondergesandten mit weitreichenden Befugnissen vorgesehen. Als Leiter von EULEX wurde der französische General und ehemalige KFOR-Kommandeur Yves de Kermabon zum EU-Sondergesandten (EUSR) der Niederländer Pieter Feith bestellt. Noch ist offen, wann und wie die Befugnisse auf die EU übergehen sollen. Es fehlen klare Regelungen für den Wechsel der Zuständigkeiten.

 

UNMIK kann sich formal aber erst dann aus dem Kosovo zurückziehen, wenn die noch geltende UN-Resolution 1244 durch den Sicherheitsrat außer Kraft gesetzt wird.

 

Unter UNMIK-Verwaltung haben sich im Kosovo demokratische Strukturen entwickelt; es gibt ein Parlament und eine demokratisch legitimierte (provisorische) Regierung. Gewaltenteilung ist gewährleistet. Das Justizsystem bedarf an vielen Stellen noch der Verbesserung.

 

Eine kosovarische Polizei wurde aufgebaut, die sich bislang als gute Stütze der demokratischen Strukturen etabliert hat. Der Transitionsprozess, d. h. die schrittweise Übertragung der Kompetenzen von UNMIK auf kosovarische Institutionen hat bereits begonnen. Nach dem vorliegenden Verfassungsentwurf ist die Republik Kosovo ein demokratisches, multiethnisch zusammengesetztes Staatswesen, das den Minderheiten starke Rechte zusichert. Der Entwurf enthält alle notwendigen Schutzmaßnahmen gegen Bedrohungen oder Diskriminierung von Minderheiten. Nationale Identitäten, Kulturen, Religionen und Sprachen werden darin respektiert.

 

[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seiten 2-3]

 

Die Verfassung wurde am 15. Juni 2008 vom Parlament verabschiedet [UN, Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations

 

Interim Administration Mission in Kosovo, 12.06.2008], welche am selben Tag in Kraft trat. [Constitution of the Republic of Kosovo. http://www.gazetazyrtare.com/egov/index.php?option=com_content&task=view&id=130&Itemid=54]

 

Die serbische Staatsführung bezeichnete die Verfassung der abtrünnigen Provinz als "rechtlich nicht existent". Präsident Boris Tadic kündigte an, die Proklamation der Kosovo-Verfassung werde von Belgrad nicht als rechtsgültig anerkannt.

 

Der Kosovo bleibt unter internationalem Protektorat.

 

Laut den Übergangsbestimmungen der Verfassung sind alle kosovarischen Institutionen verpflichtet, mit dem Internationalen Beauftragten, internationalen Organisationen und anderen Akteuren voll zu kooperieren, deren Mandat im Status Vorschlag des UNO-Vermittlers Ahtisaari definiert wurde. Auch die im Kosovo seit Juni 1999 stationierte NATO-geführte internationale Schutztruppe KFOR wird weiterhin das Mandat und die Befugnisse im Einklang mit einschlägigen internationalen Instrumenten genießen, die UNO-Resolution 1244 eingeschlossen.[APA 10.06.2008: Der Kosovo will Heimat aller seiner Bürger sein ]

 

Ob die Letztverantwortlichkeit im Kosovo bei der EU oder der UNO liegen wird, ist noch Gegenstand von Verhandlungen. [UN, Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, 12.06.2008]

 

1. b.4.1.Staatsangehörigkeit:

 

Das Staatsangehörigkeitsgesetz der Republik Kosovo trat am 15.06.2008 in Kraft.

 

Erlangung der Staatsbürgerschaft bei Vorliegen folgender Fakten:

 

CHAPTER II ACQUISITION OF CITIZENSHIP

 

Article 5 Modalities of the acquisition of citizenship

 

The citizenship of Republic of Kosova shall be acquired:

 

a) by birth;

 

b) by adoption;

 

c) by naturalization;

 

d) based on international treaties

 

e) based on Articles 28 and 29 of this Law.

 

Erlangung der Staatsbürgerschaft durch Geburt:

 

Acquisition of citizenship by birth

 

Article 6 Acquisition of citizenship by birth based on parentage

 

6.1 A child shall acquire the citizenship of Republic of Kosova by birth if on the day of his/her birth both of his/her parents are citizens of Republic of Kosova.

 

6.2 If on the day of the child's birth only one parent is a citizen of Republic of Kosova, the child shall acquire the citizenship of Republic of Kosova under the following conditions:

 

a) the child is born in the territory of Republic of Kosova;

 

b) the child is born outside the territory of Republic of Kosova and one parent is stateless or has unknown citizenship;

 

c) the child is born outside the territory of Republic of Kosova and one parent has another citizenship but both parents agree in writing that the child shall acquire the citizenship of Republic of Kosova. This provision must be exercised prior to the child's fourteenth birthday.

 

Übergangsbestimmungen:

 

CHAPTER V TRANSITIONAL PROVISIONS

 

Article 28 The Status of habitual residents of Republic of Kosova

 

28.1 Every person who is registered as a habitual resident of Republic of Kosova pursuant to UNMIK Regulation No. 2000/13 on the Central Civil Registry shall be considered a citizen of Republic of Kosova and shall be registered as such in the register of citizens.

 

Article 29 Citizenship according to the Comprehensive Proposal for the Republic of Kosova Status Settlement

 

29.1 All persons who on 1 January 1998 were citizens of the Federal Republic of Yugoslavia and on that day were habitually residing in Republic of Kosova shall be citizens of Republic of Kosova and shall be registered as such in the register of citizens irrespective of their current residence or citizenship.

 

29.2 Provisions of paragraph 1 of this Article apply also to direct descendants of the persons referred to in paragraph 1.

 

29.3 The registration of the persons referred to in paragraphs 1 and 2 of this Article in the register of citizens shall take effect upon the application of the person who fulfills the requirements set out in this Article.

 

29.4 The competent body shall determine in sub-normative acts the criteria which shall constitute evidence of the vrancitizenship of the Federal Republic of Yugoslavia and habitual residence in Republic of Kosova on January 1 1998.

 

29.5 The competent body shall use the criteria set for the in UNMIK Regulation No. 2000/13 on the Central Civil Registry to determine habitual residence in Republic of Kosova on January 1 1998

 

Exkurs:

 

REGULATION NO. 2000/13

 

UNMIK/REG/2000/13

 

17 March 2000

 

ON THE CENTRAL CIVIL REGISTRY

 

Section 3

 

HABITUAL RESIDENTS OF KOSOVO

 

The Civil Registrar shall register the following persons as habitual residents of

 

Kosovo:

 

(a) Persons born in Kosovo or who have at least one parent born in Kosovo;

 

(b) Persons who can prove that they have resided in Kosovo for at least a continuous period of five years;

 

(c) Such other persons who, in the opinion of the Civil Registrar, were forced to leave Kosovo and for that reason were unable to meet the residency requirement in paragraph (b) of this section; or

 

(d) Otherwise ineligible dependent children of persons registered pursuant to

 

subparagraphs (a), (b) and/or (c) of this section, such children being under the age of

 

18 years, or under the age of 23 years but proved to be in full-time attendance at a recognized educational institution.

 

Doppelstaatsbürgerschaft

 

Article 3 Multiple Citizenships

 

A citizen of Republic of Kosova may be the citizen of one or more other states. The acquisition and holding of another citizenship shall not cause the loss of the citizenship of Kosova. [Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. Andreas Pichler, 06.03.2008, Zahl 156/08 an das BAL , Regulation no. 2000/13, 17 March 2000 On the Central Civil Registry; Law on Citizenship of Kosova

 

http://www.assembly-kosova.org/?krye=laws&lang=en&ligjid=243 ]

 

2. Sicherheitslage im Kosovo:

 

2. a. Lageentwicklung:

 

Insgesamt hat sich die Sicherheitslage seit Juni 1999 verbessert, mit den Unruhen Mitte März 2004 wieder punktuell eingetrübt (ohne auf das Niveau von 1999 zurückzufallen). Nach den Ausschreitungen im März 2004 gab es keine weiten Unruhen mehr.

 

Die Zahl der registrierten Delikte verringerte sich 2006 im Vergleich zum Jahr 2005 um ca. 5 % auf 64.165. Für 2006 lässt sich ein Rückgang der Delikte gegen Leib und Leben feststellen, während Eigentumsdelikte durchschnittlich um etwa 5 % zugenommen haben.

 

Nachfolgend detaillierte Zahlen zu ausgewählten Delikten:

 

Delikt 2005 2006

 

Mord einschließl. Mordversuch 308 236

 

Vergewaltigung 60 55

 

Raub 488 441

 

Körperverletzung 4284 3711

 

Menschenhandel 56 32

 

Brandstiftung 470 427

 

Illegaler Waffenbesitz 1442 1371

 

Einbruch 4035 4769

 

[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008 , Seite 9]

 

2.1. Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden:

 

Kosovo Police Service KPS /ShPK:

 

Die OSCE leitete in VUSHTRRI eine zentrale Aus -und Fortbildungsstätte für KPS.

 

Seit 1999 werden die verschiedenen Lehrgänge - bisher immerhin über 8.000 Polizisten - durch internationale Trainer aus verschiedenen Staaten ausgebildet.

 

Inzwischen wird das Institut durch einen lokalen Direktor geleitet und auch seit 2006 aus dem Kosovo Budget finanziert. Die OSCE ist mit einem kleinen Stab an Mitarbeitern (12 und 2 sonstige) direkt vor Ort bzw. als Unterstützung auch im Hauptquartier vertreten.

 

Neben der Ausbildung besteht ein Hauptaugenmerk auf Fortbildung. Immer wieder werden bei Kursen auch externe Experten eingeflogen, welche dann in ihrem Spezialgebiet die Kenntnisse weitergeben.

 

Durch entsprechende gesetzliche Regelungen wurde die Aus- und Fortbildung von Polizei, Zoll, Feuerwehr und Justiz (Justizwache) an dieser Fortbildungsstätte

 

zusammengefasst. Das KOSOVO CENTRE for PUBLIC SAFETY EDUCATION

 

and DEVELOPMENT - KCPSED - ist im Ministerium für Inneres angesiedelt und hat 2008 ein Budget von 2,7 Millionen Euro bei einem Personalstand von 177 ständigen Mitarbeitern..

 

Nach der Ausbildung erfolgt die Aufteilung in die verschiedenen Regionen des Kosovo.

 

Von diesen wurden bis auf die Region MITROVICA alle bereits von UNMIK Police an KPS übergeben. UNMIK Police übt eine beobachtende Rolle aus, unterstützt und evaluiert die Arbeit von KPS.

 

Gesamtstand: 7.160 Beamte (30.11.2007)

 

davon serbische Ethnie: 716 Beamte = 10,0 Prozent

 

sonstige Minderheiten: 403 Beamte = 5,6 Prozent

 

[Kosovo - Bericht 29.09.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seiten 41-42]

 

KPS geht Anzeigen professionell nach. Beschwerden und Anzeigen gegen Angehörige von KPS werden sehr genau auch im Zuge von Disziplinarverfahren untersucht, Konsequenzen wie Suspendierungen, etc werden nach den bisherigen Erfahrungswerten fast rascher ausgesprochen als in Österreich. [Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. Andreas Pichler, 22.10.2006, Zahl 154/07 an das BAE ]

 

KPS erfüllt seine Aufgaben generell professionell und kompetent. [Commission of the European Communities: Kosovo Under UNSCR 1244 2007 Progress Report, COM(2007) 663 final, 06.11.2007, Seite 46]

 

Sollte eine Person aus dezidierten Gründen kein Vertrauen in KPS haben, kann die Anzeige auch bei internationalen Polizeibeamten von UNMIK eingebracht werden, welche dann über die weitere Vorgangsweise entscheiden.

 

Wenden sich Personen an KFOR, versuchen diese, die Anzeige an eine dafür zuständige Stelle (KPS oder UNMIK) weiterzuleiten. KFOR hat keine Exekutivgewalt im Kosovo.

 

Als weitere Möglichkeit bietet sich eine direkte Anzeige bei der Justiz (Staatsanwalt) an, wo dann über die weitere Vorgangsweise entschieden wird.

 

Die Beamten von KPS tragen deutlich sichtbar ihre jeweilige Dienstnummer, wodurch eine Zuordnung ohne Probleme möglich ist. Die Tätigkeit ist in den Dienstberichten dokumentiert und transparent nachvollziehbar.

 

Das Einbringen von Beschwerden ist jederzeit möglich, aufgrund der Sensibilisierung werden Beschwerden auch rasch behandelt und führen - wenn berechtigt - zu den entsprechenden Konsequenzen für den betroffenen Funktionsträger.

 

Missstände in der Verwaltung können auch beim Ombudsmann angezeigt werden.

 

Dieser strich bei einem persönlichen Gespräch hervor, dass Beschwerden gegen KPS von dieser Institution unverzüglich und effizient bearbeitet werden, was bei anderen Institutionen absolut nicht der Fall wäre. [Kosovo - Bericht 31.03.2007 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seiten 9-10]

 

Zudem wird die Tätigkeit jeder Polizeidienststelle von der OSZE (Security Issues Officer) überwacht. Täglich werden Polizeiberichte verfasst, welche auch der OSZE übermittelt werden. Gegebenenfalls kann sich eine Person auch an die OSZE wenden, sollte ein KPS Mitarbeiter seine Kompetenzen überschritten bzw. nicht erfüllt haben. [Demaj, Violeta: Gutachten zu Aktivitäten der AKSh. 07.05.2007 , Seite 11]

 

UNMIK Police:

 

Seit August 1999 ist UNMIK Police im Kosovo präsent. Konkrete operative Aufgaben bestehen derzeit in der Region Mitrovica (noch nicht an KPS übergeben), in der Abteilung für Organisierte Kriminalität, im Interpol - Büro, bei Kriegsverbrechen und im Ordnungsdienst (Demonstrationen, etc).

 

Sonderfälle sind die Einheiten für Zeugenschutz, Transport von Häftlingen und Personenschutz.

 

Sonst hat UNMIK POLICE eine beobachtende Funktion von KPS eingenommen. Nach dem gegenwärtigen Zeitplan würde EULEX ab Ende November 2008 die Rolle von UNMIK Police (und dem Department of Justice von UNMIK) übernehmen.

 

Beamte vieler Entsendestaaten in UNMIK Police haben sich für EULEX Funktionen beworben und sollen größtenteils in der neunten Welle wechseln können.

 

Gesamtstand: 1925 Beamte aus 42 Ländern (inkl. 5 aus Afrika)

 

Österreich: 21 Beamte

 

[Kosovo - Bericht 29.09.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seiten 42-43]

 

Sowohl die internationale Polizei als auch die Justiz haben breites Ermessen, in jeder strafrechtlichen Angelegenheit einzuschreiten.

 

Generell ist für alle ethnischen Albaner, auch solchen in Gebieten, wo sie eine Minderheit bilden, hinlänglicher Schutz durch UNMIK/KPS verfügbar.

 

UNMIK/KPS sind willens und auch in der Lage, denjenigen, die Verfolgung befürchten, Schutz zu gewähren und stellen einen rechtlichen Mechanismus zur Ermittlung, Strafverfolgung und Bestrafung von Verfolgungsmaßnahmen sicher.

 

(Home Office, Operational Guidance Note Kosovo, 22.07.2008, Seiten 4 und 5)

 

Die Aufklärungsquote liegt bei Eigentumsdelikten bei 45 Prozent, bei Straftaten gegen Personen bei 71 Prozent. Schwerere Verbrechen haben eine höhere Aufklärungsrate als weniger schwere Verbrechen aufgrund der Ressourcen, die zu deren Ermittlung bereitgestellt werden.

 

(UN Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo. S/2008/211, 28.03.2008, Seite 11)

 

EULEX

 

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgt die Entsendung der Teilnehmer . Diese treffen ab dem 21. September 2008 in insgesamt 9 Wellen (jede Woche eine Welle) in den Kosovo. Die Auswahl der Teilnehmer erfolgte zielgerichtet für jede ausgeschriebene Position (Anmerkung: im Gegensatz zu UN - Missionen, bei welchen die Besetzung der Funktionen nach dem Eintreffen der Teilnehmer im Missionsgebiet je nach Erfordernissen erfolgt). Alle Teilnehmer haben sowohl ein nationales Training im jeweiligen Entsendestaat, als auch ein dreitägiges Training vor Ort in Pristina zu absolvieren.

 

Der Aufgabenbereich liegt in Überwachung und Beratung der lokalen Polizei, Justiz, Justizwache und des Zolls.

 

Operative Aufgaben im Polizeibereich sollen analog der jetzt von UNMIK ausgeübten Tätigkeiten sein (Abteilung OK, Kriegsverbrechen, Zeugenschutz, Personenschutz, etc.)

 

[Kosovo - Bericht 29.09.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seiten 43-44]

 

Kosovo Protection Corps KPC / TMK:

 

KPC / TMK wurde nach der Demilitarisierung der Kosovo Liberation Army KLA / UCK 1999 gegründet und wird in Ausrüstung, Training und Dienstversehung durch Kosovo Force KFOR unterstützt. Nach Ablauf der Übergangsphase von 120 Tagen nach Ausrufung der einseitigen Unabhängigkeitserklärung soll KPC / TMK in eine Kosovo Security Force KSF / FSK übergeleitet werden. Die Schaffung der neuen Einheit ist im Ahtisaari - Paket vorgesehen. Die Auflösung von KPC / TMK wurde im Parlament mittels Gesetz 2008/03-L083 am 13.06.2008 beschlossen.

 

Derzeitiger Stand KPC / TMK:

 

Aktive: 2.906

 

Reservisten: 2.000

 

Minderheitenanteil: 6,6 Prozent, inklusive 1,4 Prozent Serben

 

[Kosovo - Bericht 29.09.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seite 42]

 

KFOR:

 

KFOR hat eine Präsenz von ca. 16.000 Soldaten und gliedert sich in fünf Regionen, welche jeweils unter verschiedener Führung stehen, das Hauptquartier ist in Pristina. Das Vertrauen der Bevölkerung in KFOR ist im Vergleich mit anderen internationalen Institutionen am höchsten. KFOR führt auch im CIMIC Sektor immer wieder zahlreiche Projekte durch, mit welchen die Infrastruktur im Kosovo verbessert werden soll. [Kosovo - Bericht 29.09.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seiten 45-46]

 

Municipal Community Safety Council:

 

In allen Gemeinden des Kosovo besteht darüber hinaus ein "Municipal Community Safety Council" (MCSC, Rat zum Schutz der Volksgruppen). Dem Rat gehören neben KFOR, UNMIK Polizei, KPS auch Vertreter der verschiedenen Glaubensgemeinschaften (orthodoxe, katholische, islamische Gemeinschaft) wie auch alle Dorfvorsitzenden der Gemeinde an. Zweck des Rates, welcher vom Gemeindepräsidenten einberufen wird, ist es, einmal pro Monat über die Sicherheitslage im Allgemeinen und eventuelle Bedenken bzw. Bedürfnisse der einzelnen ethnischen bzw. religiösen Minderheiten zu beraten und wenn erforderlich korrigierende Maßnahmen zu ergreifen. Personen, die sich unsicher fühlen, können sich an diesen Rat wenden bzw. über ihre Dorfräte ihre Sicherheitsbedenken den zuständigen Behörden bekannt machen. So klagte beispielsweise der Dorfrat eines Dorfes im albanischen Grenzgebiet in der Gemeinde Gjakove/Djakovica (der MCSC wurde in dieser Gemeinde im August 2006 eingerichtet) über Raubüberfälle (vorwiegend Viehraub) durch maskierte Banden. Zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung dieser Gegend verstärkte die KFOR ihre Truppen in der Region und auch die Polizei führt seither mehr Patrouillen in der Region durch. [Demaj, Violeta:

Gutachten zu Aktivitäten der AKSh. 07.05.2007 , Seiten 11-12]

 

In Planung:

 

KOSOVO SECURITY FORCE KSF / FSK

 

Die Übergangsphase von KPC / TMK zu KSF / FSK soll innerhalb von vier Monaten erfolgen, realistisch wurde ein Zeitrahmen von sechs Monaten angenommen.

 

Mitglieder von KPC / TMK können sich für die neue Einheit bewerben und müssen sich mit anderen Bewerbern einem Auswahlverfahren stellen.

 

Das Korps soll ebenfalls uniformiert, militärisch gegliedert und leicht bewaffnet sein. Der Aufgabenbereich wird jenem von KPC / TMK entsprechen. Eine Erhöhung der Mannstärke ist nur mit Zustimmung der internationalen Militärpräsenz (dzt. KFOR) möglich.

 

Oberbefehlshaber soll der Staatspräsident sein, die Eingliederung im neu geschaffenen Ministerium ("Verteidigungsministerium") erfolgen und der Kommandant über Vorschlag des Ministers mit Zustimmung des Premierministers und Entscheidung durch den Staatspräsidenten ernannt bzw. abberufen werden.

 

Die Ausbildung der Mitglieder soll in einer privaten Universität (Amerikanische Universität Kosovo AUK) erfolgen, es soll keine Militärakademie eingerichtet werden.

 

Kein Einsatz ist im Rahmen einer Grenzsicherung geplant.

 

Aktive: 2.500

 

Reservisten: 800

 

Minderheitenanteil: analog der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung

 

[Kosovo - Bericht 29.09.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seiten 44-45]

 

Die Sicherheitssituation ist derzeit stabil mit Ausnahme Nordkosovo. Bisher verlief die Phase seit der Ausrufung der einseitigen Unabhängigkeit durch den Kosovo überraschend ruhig.

 

Für den Großteil der Bevölkerung im Südkosovo und auch in den anderen serbischen Gemeinden außerhalb des Brennpunktes Mitrovica gestaltet sich das Leben völlig normal und ist in keiner Weise von mangelnder Sicherheit betroffen.

 

[Kosovo - Bericht 29.09.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seite 46-37]

 

2.2. Kosovo - Albaner

 

Der UNHCR wies bereits im Januar 2003 darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der Kosovo - Albaner, die während der Kosovo - Krise geflohen waren, nach Hause zurückgekehrt ist.

 

Die Sicherheitslage hat sich im Allgemeinen für Angehörige der albanischen Mehrheitsbevölkerung in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Nicht zuletzt die größere Effizienz der lokalen Polizei "KPS" und eine Verbesserung des lokalen Gerichtswesens haben dazu beigetragen, die Situation (für ethnische Albaner) zu verbessern. Zudem haben aber auch das - für Nachkriegssituationen typische - allgemeine Chaos und die relative Normenungebundenheit, die in der Gesellschaft vorherrschte nachgelassen und ein mehr geregeltes gesellschaftliches Leben ist an deren Stelle getreten. Gegenwärtig gibt die allgemeine Sicherheitslage für ethnische Albaner, d.h. Angehörige des nunmehrigen Mehrheitsvolkes in Kosovo, bis auf genau definierte Ausnahmen zu Besorgnissen keinen Anlass mehr. [Müller, Stephan:

Allgemeines Gutachten zur Situation im Kosovo, 15.02.2007, Seiten 4-5]

 

Im Positionspapier des UNHCR vom Juni 2006 wird aber darauf hingewiesen, dass es immer noch einige Kategorien von Kosovo - Albanern (so z.B. aus Gebieten in denen sie eine ethnische Minderheit bilden oder Kosovo - Albaner in Mischehen und Personen gemischt-ethnischer Herkunft, Kosovo - Albaner, die der Mitarbeit mit dem serbischen Regime nach 1990 verdächtigt werden sowie Opfer von Menschenhandel) gibt, die mit ernsten Problemen, einschließlich pyhsischer Gefahr, konfrontiert werden könnten, wenn sie derzeit nach Hause zurückkehren würden. [UNHCR Positionspapier vom Juni 2006 , Seite 9] .

 

Katholische Albaner sind im politischen wie wirtschaftlichen Leben voll integriert und sind keinerlei Benachteiligungen durch die mehrheitlich moslemischen Albaner ausgesetzt.

 

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es für eine Diskriminierung bzw. Verfolgung der katholischen Albaner im Kosovo durch die mehrheitlich moslemische Bevölkerung keine Anhaltspunkte gibt. Auch sind keine Einzelfälle von Übergriffen bekannt geworden. Katholische Albaner sind keiner Verfolgung bzw. besonderen Gefährdung aufgrund ihrer religiösen Überzeugung ausgesetzt. [Demaj, Violeta: Katholische Albaner im Kosovo. Gutachten erstellt im Juli 2006, Seiten 13-15]

 

3. Rückkehrfragen: Wirtschaft, Grundversorgung und Gesundheitssystem im Kosovo

 

3. a. Wirtschaft:

 

Trotz der Unabhängigkeit ist die wirtschaftliche Lage in der rohstoffreichen Region weiterhin äußerst prekär. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 1.100 Euro/Kopf ist der Kosovo Schlusslicht in Europa. Die Arbeitslosigkeit beträgt über 40 Prozent. Das Land hat mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren die jüngste Bevölkerung Europas und die höchste Geburtenrate. Ein Drittel der Einwohner ist jünger als 14 Jahre. Jährlich drängen 36.000 junge Leute neu auf den Arbeitsmarkt.

 

[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008 , Seiten 2-3]

 

3. b. Grundversorgung/Sozialwesen

 

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die Bevölkerung des Kosovo ist bis auf wenige Ausnahmen (z.B. sozial schwache Bewohner von Enklaven) nicht mehr auf die Lebensmittelversorgung durch internationale Hilfsorganisationen angewiesen. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007 , Seite 17]

 

Bedürftige Personen erhalten Unterstützung in Form von Sozialhilfe, die von den "Municipalities" ausgezahlt wird, sich allerdings auf sehr niedrigem Niveau bewegt. Sie beträgt für Einzelpersonen 35 Euro monatlich und für Familien (abhängig von der Zahl der Personen) bis zu 75 Euro monatlich. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007 , Seite 17]

 

Im Jahr 2007 erhielten insgesamt 37.170 Familien mit einer gesamten Anzahl von 161.049 Personen Sozialunterstützung.

 

Die Kriterien für die Sozialhilfe sind entsprechend geregelt und auch im Verwaltungsweg durchsetzbar.

 

Kategorie I:

 

Alle Familienmitglieder sind Abhängige (eingestuft als nicht arbeitsfähig oder für Arbeit nicht verfügbar und tatsächlich nicht arbeitstätig):

 

1. Personen über 18 Jahre mit dauernder oder schwerer Behinderung und damit

 

verbundener Arbeitsunfähigkeit;

 

2. Personen mit 65 Jahren oder älter;

 

3. Personen mit Behinderung, mit 65 Jahren oder älter oder Kinder unter 5 Jahren, welche eine Vollaufsicht benötigen;

 

4. Kinder bis zu 14 Jahren;

 

5. Personen zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr (inklusive), welche eine höhere

 

Schule besuchen;

 

6. Elternteile mit Kindern unter 15 Jahren;

 

Kategorie II:

 

Zumindest ein Familienmitglied ist arbeitsfähig und beim Arbeitsamt ("Entin e Punsimit") als "arbeitslos" gemeldet und die restlichen Familienmitglieder sind "Abhängige" (siehe Kategorie I) oder auch als arbeitslos gemeldet.

 

a) zumindest ein Kind unter 5 Jahren od.

 

b) ein Vollwaisenkind unter 15 Jahren mit Vollaufsicht

 

c) Grundbesitz nicht über 50 Ar (1/2 Hektar)

 

Generell wird Sozialhilfe auf die Dauer von bis zu sechs Monaten bewilligt und bedarf dann eines neuen Antrags.

 

Überprüfungen der Fakten werden durch Bedienstete des Ministeriums für Soziales und Arbeit vor Ort durchgeführt. Bei bestimmten Kriterien wie Eigentum (Qualität des Hauses, Fahrzeuge, Arbeitstätigkeit im Ausland, etc) kann aufgrund der gesetzlichen Kriterien der Anspruch gestrichen werden.

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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