TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/17 E12 249566-0/2008

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Veröffentlicht am 17.11.2008
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Spruch

E12 249.566-0/2008-10E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Isabella Zopf als Vorsitzende und den Richter Dr. Markus Steininger als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mittermayr über die Beschwerde der A.H., geb. 00.00.1975, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.04.2004, FZ. 03 12.119-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.10.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997, BGBl. I 1997/76 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Türkei, stellte am 28.4.2003 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde sie zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA am 23.12.2003, AS 43ff niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahme ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte sie im Wesentlichen vor, ihr Gatte sei schon seit 15 Jahren in Österreich, sie fühle sich einsam und wolle bei ihrem Mann leben. Sie sei niemals von irgendjemand bedroht worden. Weiters vertrete sie ihr Kind A.S., für das sie auch einen Asylerstreckungsantrag stelle. Eigene Fluchtgründe habe das Kind nicht.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 13.4.2004, Zahl: 03 12.119-BAW, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gem. § 8 Asylgesetz 1997 für zulässig erklärt.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der BF als nicht asylrelevant

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 16.4.2004 innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen. Im Wesentlichen wurde nach Darlegung allgemeiner rechtlicher und sonstiger Ausführungen vorgebracht, dass die BF als Frau ohne den Schutz ihres Mannes diversesten Belästigungen, Verdächtigungen und auch männlichen Nachstellungen ausgesetzt gewesen sei. Ihre Flucht sei auch aus Furcht vor Verfolgung aus politischen Gründen erfolgt. Es bestünden auch stichhaltige Gründe, dass im Fall der Abschiebung das Leben oder die Freiheit der BF gefährdet wären.

 

Am 1.3.2008 wurde das 2. Kind der BF, A.Se., geboren. Die BF beantragte am 8.8.2008 für ihre Tochter die Gewährung desselben Schutzes. Eigene Fluchtgründe habe auch dieses Kind nicht.

 

Am 22.10.2008 wurde vor dem Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher die BF teilnahm. Das Bundesasylamt hat nicht an der Verhandlung teilgenommen. Die BF erklärte zwar, dass ihre bisherigen Angaben aufrecht blieben, brachte allerdings in der Folge eine völlig neue, entsprechend gesteigerte Fluchtgeschichte vor, allerdings durchsetzt mit zahlreichen Widersprüchen und Ungereimtheiten, auf die in der Folge noch einzugehen sein wird. Im Anschluss daran wurde der Ehegatte der BF, A.A., als Zeuge unter Wahrheitspflicht einvernommen, der das Vorbringen seiner Gattin in keiner Weise bestätigen konnte.

 

Im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, ergänzende Einvernahme des BF als Partei, Einvernahme des Ehegatten der BF als Zeuge und Erörterung des Berichtes des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei vom 25.10.2007 ( Stand: September 2007) und des Fortschrittsberichtes 2007, 6.11.2007, Türkei, der EU-Kommission. Hinsichtlich des detaillierten Verfahrensherganges und Parteienvorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.

 

III. Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gem. § 73 (1) Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) tritt dieses Gesetz mit der Maßgabe des § 75 (1) leg. cit in Kraft, wonach alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen sind.

 

Gegenständliches Verfahren war am 31.12.2005 anhängig, weshalb es nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen war.

 

Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.

 

Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die Erstbehörde hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt, als auch Sachverhaltsfeststellungen zur Situation in der Türkei getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation der BF gebracht. Auch die rechtliche Beurteilung begegnet keinen Bedenken. Obwohl sich - auf die konkrete Situation der BF bezogen- die Situation in der Türkei nicht wesentlich geändert hat, wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht die oben zitierten aktuellen Quellen eingehend erörtert und dieser Entscheidung zugrunde gelegt.

 

Aufgrund der Feststellungen des Bundesasylamtes in Verbindung mit der bereits genannten Beweisaufnahme zur Situation in der Türkei durch den Asylgerichtshof ist von auf ausreichend aktuelle Quellen (vgl. Erk. d. VwGH vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997 das E. vom 11. November 1998, 98/01/0284, bzw. auch das E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) basierenden Feststellungen auszugehen, welche den weiteren Ausführungen zu Grunde gelegt werden.

 

Der AsylGH schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenem Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses (vgl. für viele exemplarisch VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/046; 01.3.2007, 2006/20/0005; 21.3.2007, 2007/19/0085-3 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]; 31.5.2007 2007/20/0488-6 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]).

 

Das Vorbringen der BF zu deren Identität und Herkunft konnte aufgrund der diesbezüglichen bedenkenlosen Angaben der Entscheidung zugrunde gelegt werden, ebenso wie die Angaben anlässlich der Einvernahme vor dem BAA vom 23.12.2003 zum eigentlichen "Fluchtgrund". Das Vorbringen des BF im Verfahren vor dem Gerichtshof erwies sich hingegen aus folgenden Gründen als unsubstantiiert, widersprüchlich und unglaubwürdig:

 

Die BF behauptet in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof erstmals, von den Feinden ihres Schwiegervaters verfolgt worden zu sein, weil ihr Schwager ein Mädchen aus dieser verfeindeten Familie entführt habe. Insgesamt sei sie in den Jahren 2001 und 2002 3-4 Mal mit dem Umbringen bedroht worden. Deswegen habe ihr Mann gesagt, sie solle nach Österreich kommen. Ihr Schwager hingegen, der das Mädchen entführt habe, lebt noch immer in der Türkei. Er habe Probleme, weil er ein Frauenheld ist. Diese Ausführungen der BF sind völlig unglaubwürdig. Wenn es nämlich die behauptete Entführung tatsächlich gegeben hätte, wäre in erster Linie nämlich der Schwager verfolgt worden. Dessen Probleme führt die BF aber vielmehr auf Frauengeschichten zurück. Widerlegt wird diese Behauptung auch durch die Aussage des Gatten der BF, der vor dem Gerichtshof angab, dass es in seiner Familie in den letzten 15 bis 20 Jahren sicher keiner Entführung gegeben habe. Außerdem gab er an, dass der Bruder eigentlich ein Halbbruder ist und in erster Linie Probleme mit seinen Schwiegereltern hat, weil er eine Geliebte hat. Außerdem ist es völlig unglaubwürdig, dass die BF mit der Flucht bis April 2003 zugewartet hätte, wenn die Entführung nach ihren Angaben bereits im September 1997 gewesen sein soll. Außerdem ist es aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung auch in keiner Weise nachvollziehbar, warum die Drohungen gegenüber der BF erst im Jahr 2001 begonnen haben sollten, wenn die Entführung bereits 1997 war. Die BF hätte jederzeit sogar auf legalem Weg ausreisen können, zumal sie zu dieser Zeit laut eigener Angabe auch einen Reisepass besaß. Der Ehegatte war 1998 beim Begräbnis seines Vaters das letzte Mal in der Türkei, irgendwelche Probleme oder Vorfälle hat es dabei nicht gegeben. Im Gegensatz dazu datiert die BF die Besuche ihres Gatten mit 1997 und 2000, wobei er jedes Mal zusammengeschlagen worden sein soll. Auch die Polizei wäre eingeschritten. Der Ehegatte hingegen erwähnte die Schlägereien bzw. den daraus resultierenden Polizeieinsatz mit keinem Wort. Er sprach lediglich davon, dass ihn die Feinde seines Vaters umbringen wollten und er deshalb 1988 nach Österreich gegangen sei. Dies ist alleine schon deshalb unglaubwürdig, weil die behauptete Entführung als Problemursache erst 9 Jahre später gewesen sein soll und es auch sehr unwahrscheinlich ist, dass der Zeuge unter derartigen Umständen seine junge Frau zurückgelassen hätte. Letztendlich ist aber auch aus diesen Angaben einwandfrei zu erkennen, dass die BF vor dem Gerichtshof eine völlig frei erfundene Geschichte auftischt, denn was wäre naheliegender, als dass sich gerade das Opfer an Übergriffe auf seine Person erinnern kann. Eine weitere Steigerung erfahren die Flunkereien der BF als sie auf die Frage, ob sie überhaupt den Inhalt der Beschwerdeschrift kennt, mit "Nein" antwortet. Als sie gefragt wurde, was sie damit meine, wenn sie von einer Verfolgung aus politischen Gründen spricht, antwortete sie mit der Gegenfrage:

"Welche politischen Gründe, ich habe keine politischen Gründe." Auch zur Frage nach den in Beschwerde behaupteten Nachstellungen, Belästigungen, etc. konnte die BF nichts Konkretes angeben. Sie gab nur lapidar an, dass das stimme und ihre Eltern gegen die Heirat mit ihrem nunmehrigen Gatten waren. Insgesamt hinterließ die BF mit ihrer Aussage, die auch in Zusammenhang mit jener ihres Gatten zu sehen ist, einen völlig unglaubwürdigen Eindruck. Sie versuchte lediglich, ihre ursprüngliche Fluchtgeschichte zu steigern, verwickelte sich dabei aber in zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten. Obendrein wurde das zentrale Element ihrer Geschichte, nämlich die Entführung als Auslöser der Racheaktionen, durch die Aussage ihres Gatten eindeutig widerlegt.

 

Aus diesem Vorbringen resultierend konnte die BF aufgrund der geschilderten Ungereimtheiten und offenen Widersprüche, die zu entkräften sie sich im Zuge des Beschwerdeverfahrens außerstande sah, konkrete und individuell gegen ihre Person gerichtete asylrelevante und eingriffsintensive Verfolgungsmaßnahmen türkischer Autoritäten oder sonstiger Personenkreise nicht glaubhaft machen, weshalb letztlich eine maßgeblich wahrscheinliche Verfolgung aus einem der Gründe der GFK nicht erkannt werden konnte. Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass die türkische Staat oder sonstige Personenkreise die BF verfolgen bzw. eine Verfolgung der BF durch Private durch den türkischen Staat geduldet würde. Aufgrund des gesamten Vorbringens der BF, dem aufgrund oben geschilderter Umstände jegliche Glaubwürdigkeit abgesprochen wird, ist davon auszugehen, dass sowohl die Angaben über die Entführung und daraus resultierende Racheaktionen der Familie der Entführten der Teil der frei völlig erfundenen Fluchtgeschichte der BF sind.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Der BF ist es nicht gelungen, der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass Zweifel daran aufgekommen wären. Im Gegenteil - wurde doch ihre Unglaubwürdigkeit durch ihre Aussage vor dem AsylGH noch untermauert. Von der BF wurde es unterlassen, durch klare, konkrete und substantiierte Ausführungen darzulegen, warum sie vom Vorliegen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit durch das Bundesasylamt ausgeht. Da somit weder aus dem amtswegigen Ermittlungsergebnis im Beschwerdeverfahren noch aus den Ausführungen der BF ein substantiierter Hinweis auf einen derartigen Mangel vorliegt, kann ein solcher nicht festgestellt werden.

 

Selbst wenn man das Vorbringen der BF im Rahmen des Verfahrens vor dem BAA als wahr unterstellen würde und in diesem Zusammenhang die äußerst vagen Beschwerdeangaben als Fluchtgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe alleinstehender schutzloser Frauen deuten würde, trifft dies aus nachstehenden Erwägungen aber ebenfalls nicht zu:

 

Der Terminus "soziale Gruppe" wurde als Auffangtatbestand in die GFK aufgenommen. Dem Gerichtshof liegen keinerlei aktuelle Hinweise dahingehend vor, dass es in der Türkei eine systematische Diskriminierung bzw. Verfolgung von alleinstehenden, schutzlosen, jungen Frauen, welche stärker schutzbedürftig wären, gibt. Deswegen kann auch nicht von einer diesbezüglichen homogenen Gruppe von Personen, die eine solche Verfolgung zu gewärtigen hätten, gesprochen werden. Eine derart extensive Interpretation des Terminus "soziale Gruppe" würde die in der GFK getroffene Einschränkung der für die Asylbegründung erforderlichen Verfolgungsgründe unterlaufen und letztendlich dazu führen, dass sämtlichen alleinstehenden schutzlosen Frauen, welche stärker schutzbedürftig wären, Asyl zu gewähren wäre. Dies wäre mit dem Charakter der sozialen Gruppe als Auffangtatbestand nicht vereinbar und würde diesen in weiterer Folge ad absurdum führen.

 

Der Asylgerichtshof verkennt auch nicht, dass befürchtete Blutrache in bestimmten Fallkonstellationen asylrelevant sein kann. Im gegenständlichen Fall wäre jedoch - immer vorausgesetzt, man würde das Vorbringen der BF vor dem Asylgerichtshof als wahr unterstellenprimär der Schwager als verdächtigter unmittelbarer Täter betroffen. Dieser lebt aber nach wie vor von der Familie der Entführten unbehelligt in der Türkei. Auch darin kann somit keine Asylrelevanz erblickt werden.

 

Aus dem Vorbringen der BF kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis abgeleitet werden, dass diese vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) in deren Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 Asylgesetz ausgesetzt wäre.

 

Nach der Judikatur der Straßburger Instanzen muss der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EGMR vom 7.7.1987, 12877/87-Kalema gg. Frankreich, DR 53, S.254,264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen. Die Bedrohung muss objektiv in Bezug auf den BF gegeben sein. Genau dies ist jedoch hier aus oben geschilderten Gründen nicht der Fall. Einerseits ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat keine solche Gefahr und andererseits beschränkte sich die BF auf ein Vorbringen, aus welchem sich keine konkrete objektive, auf ihre Person zu beziehende Gefahr ableiten ließe. Es kann auch nicht erkannt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in die Türkei dort die notwendigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, zumal ihre Eltern und 5 Brüder nach wie vor in der Türkei leben, und es ihr daher bei einer Rückkehr in die Türkei möglich wäre, im Rahmen ihrer Familie die existenziellen Grundbedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft- zumindest für die Dauer der Arbeitssuche- zu erfüllen. Außerdem könnte der Ehegatte, wie schon bis zur Ausreise, der BF Geld in die Türkei schicken.

 

Soweit sich die BF zu ihren in Österreich bestehenden Anknüpfungspunkten gem. Art. 8 EMRK äußerte, wird darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall im Gegensatz zu Art. 3 EMRK Art. 8 nicht vom Prüfungsumfang des § 8 AsylG 1997 in der hier anzuwendenden Fassung umfasst wird. Erwägungen zu Art. 8 EMRK sind sohin nicht Gegenstand einer Prüfung nach § 8 AsylG 1997; sedes materiae ist erst die Setzung konkreter Maßnahmen zur Außerlandesschaffung (vgl. VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0225-6).

Schlagworte
Familienverband, Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, non refoulement, soziale Gruppe, soziale Verhältnisse
Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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