TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/18 D4 306915-1/2008

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Veröffentlicht am 18.11.2008
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Spruch

D4 306915-1/2008/6E

 

Schriftliche Ausfertigung des am 8.10.2008 mündlich verkündeten

 

ERKENNTNISSES

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ als Vorsitzende und den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Marianne KIENAST über die Beschwerde des I.A., geb.00.00.1985, StA. Kirgisistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.10.2006, FZ. 05 16.427-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.10.2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und I.A. gemäß § 7 AsylG idF BGBI I 101/2003 Asyl gewährt. Gemäß § 12 AsylG BGBI I 101/2003 wird festgestellt, dass I.A. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

Die beschwerdeführende Partei führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist kirgisische Staatsangehörige, gehört der kirgisischen Volksgruppe an, ist muslimischen Bekenntnisses, war im Heimatstaat zuletzt in XY wohnhaft, reiste am 05.10.2005 gemeinsam mit ihrem Gatten illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 05.10.2005 einen Asylantrag.

 

Vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, am 15.12.2005 und vom Bundesasylamt, Außenstelle Graz, am 17.05.2006 im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache einvernommen, wurde als Fluchtgrund im Wesentlichen Folgendes angegeben:

 

Ihr Gatte sei Polizist und bedroht worden, da er einen Mann namens S.(phonetisch) - ihr Gatte habe ihr über diesen Mann keine Details berichtet - "ins Gefängnis gebracht hätte". Dieser Mann sei Mitglied einer kriminellen Organisation gewesen. Nachts hätten sie Drohanrufe von Unbekannten erhalten. Auf Grund dieser Bedrohung hätte sie ihr Studium abbrechen müssen, da sie sich nicht mehr außer Haus gewagt hätte. Das Auto ihres Gatten sei am 00.00. 2005 in Brand gesetzt, in das Haus ihrer Schwiegereltern eingebrochen sowie deren Hund erschossen worden. Auch ein Wohnsitzwechsel sei erfolglos geblieben, die Verfolger hätten sie auch dort gefunden.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.10.2005 wurde der Asylantrag im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass die Asylrelevanz des Vorbringens der Beschwerdeführerin zu verneinen gewesen sei. Mangels Bedrohung im Sinne des § 50 Abs. 1 und 2 FPG 2005 sei die Ausweisung aus Österreich und die Abschiebung nach Kirgisistan zulässig. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die Feststellungen der Erstbehörde zum Herkunftsstaat im angefochtenen Bescheid verwiesen. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass den Angaben der Antragstellerin jegliche Substanziiertheit gefehlt habe. Überdies hätte sie nicht aufklären können, warum sich die sie bedrohende kriminelle Organisation nicht einfach an den Vorgesetzten ihres Gatten gewandt hätte. Unverständlich sei auch, warum der Gatte der Antragstellerin die von ihr geschilderte Plünderung des Elternhauses nicht erwähnt habe. Die Angaben hinsichtlich der in Kirgisistan verbliebenen Angehörigen seien ebenso widersprüchlich gewesen. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde somit die Glaubwürdigkeit abgesprochen.

 

Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist vom Gatten der Antragstellerin - der Bescheid gegenüber der nunmehrigen Beschwerdeführerin gelte als mitangefochten - im Wesentlichen mit der Begründung Beschwerde erhoben, dass die Behörde in der Beweiswürdigung die Aussagen des Antragstellers in unzulässiger Weise pauschaliert habe. Es sei denklogisch, dass immer nur bestimmte Personen innerhalb des Sicherheitsapparates korrupt seien. Wieso die Erstbehörde zu dem Schluss komme seine Gattin hätte die Erschießung des Hundes nicht erwähnt, sei nicht nachvollziehbar, habe sie dies doch in ihrer Einvernahme vom 12.10.2005 angegeben. Zu dem Vorwurf, seine Gattin hätte den Namen des A. nicht angeben können, bemerkte er, dass sie den Namen nur vom Hörensagen her kennen würde und sie überdies seinen Vornamen der Lautsilbenfolge nach hätte angeben können. Hinsichtlich der Anzahl der Personen, die ihm Geld geboten hätten, erklärte der Antragsteller, dass ihm von einer Mehrzahl von Personen Geld offeriert worden sei, aber eine einzige Person als Überbringer fungiert habe. In einer Gesamtschau sei sein Vorbringen plausibel und nachvollziehbar. Zur rechtlichen Würdigung wurde bemerkt, dass der Antragsteller mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Sanktionen zu rechen hätte, die die asylrechtlich relevante Schwelle bei weitem übersteigen würden. Aus Sicht der Unterstützer von A. sei er allein für dessen Inhaftierung verantwortlich und sei daher einer aktuellen und unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt. Auch ein Wohnsitzwechsel sei ohne Erfolg geblieben. Des Weiteren könnte ihm eine in Kirgisistan nicht tolerierbare politische Gesinnung unterstellt werden, da er sich seinem Vorgesetzten und Korruption widersetzt habe. Zum Refoulement und zur Ausweisung wurde ebenfalls ein Vorbringen erstattet. Der Beschwerde wurden ergänzende Informationen zu Kirgisistan und zur Lage der Korruption beigelegt.

 

Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 22.10.2008, zu der sich ein Vertreter der Erstinstanz entschuldigen ließ, führte die Beschwerdeführerin zu ihrer Flucht im Wesentlichen Folgendes aus:

 

Sie sei auf Grund von Problemen ihres Ehegatten geflohen, welche aus seiner Arbeit als Polizist resultiert hätten. Es sei zu Drohanrufen gegen ihren Gatten und ihr gekommen, in welchen sie explizit damit bedroht wurde, dass man sie und ihren Ehemann umbringen würde. Ihr Ehemann hätte sie jedoch nicht näher eingeweiht. Sie sei durch die Anrufe eingeschüchtert gewesen und hätte sich nicht mehr auf die Straße gewagt. Ihr Ehemann hätte ihr erzählt, dass in das Haus seiner Eltern eingebrochen und der Hund erschossen worden sei. Auf Grund der andauernden Drohungen hätten beide gemeinsam Kirgisistan verlassen.

 

Nach dem Schluss des Beweisverfahrens wurde das Erkenntnis zugleich öffentlich verkündet. Ebenso wurde das den Ehemann der Beschwerdeführerin betreffende gleichlautende Erkenntnis öffentlich verkündet.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

 

1. Zur Person:

 

Die beschwerdeführende Partei führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist kirgisische Staatsangehörige, gehört der kirgisischen Volksgruppe an, ist muslimischen Bekenntnisses, war im Heimatstaat zuletzt in XY wohnhaft, reiste am 05.10.2005 gemeinsam mit ihrem Gatten illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 05.10.2005 einen Asylantrag.

 

Die Beschwerdeführerin wurde am 00.00.1985 in B. geboren und lebte mit ihrem Gatten E.A., geb.00.00.1980, bis zu ihrer Flucht in B.. Ihr Gatte versah nach Abschluss der Polizeiakademie zunächst seinen Dienst als einfacher Polizist und wechselte später zum Rayonsgericht als Inspektor für Strafsachen. Sein Aufgabengebiet war die Überwachung von Personen, die zu bedingten Haftstrafen verurteilt worden waren. Diese mussten sich periodisch bei ihm melden, andernfalls er verpflichtet war sie zur Fahndung auszuschreiben. Nach Erlass eines Haftbefehls durch das Gericht konnte die bedingte Haftstrafe sodann in eine unbedingte umgewandelt werden.

 

Einer der von ihm betreuten Personen war der Anführer einer kirgisischen Mafiagruppe namens A.. Dieser wurde zu drei Jahren bedingter Haft verurteilt, kam seiner Meldepflicht nicht nach, wurde wieder straffällig, weshalb ihn der Ehemann der Beschwerdeführerin zur Fahndung ausschrieb und den diesen betreffenden Akt dem Gericht übergab.

 

Auf Grund der vom Ehemann der Beschwerdeführerin gesetzten Handlungen wurde dieser von einem ihm Unbekannten (offensichtlich ein Anhänger des A.) - gegen Bestechungsgeld - aufgefordert eine positive Beurteilung des A. bei der zuständigen Richterin abzugeben. Er wurde auch durch seinen Vorgesetzten unter Druck gesetzt die Fahnung zu widerrufen. Nachdem er sich geweigert hatte, wurde er in seinem Büro von einem Anhänger des A. persönlich bedroht. Als er sich weiterhin weigerte erhielt er in der gemeinsamen Wohnung am privaten Telefonanschluss nächtliche Drohanrufe. Die Beschwerdeführerin erlangte dadurch Kenntnis von der Verfolgung. Die Beschwerdeführerin selbst wurde explizit damit bedroht, dass sie bzw. ihr Ehemann umgebracht werden würden. Am 00.00. 2005 wurde das Auto des Ehemannes der Beschwerdeführerin in Brand gesteckt und brannte völlig aus. Schließlich wurde auch in das Haus der Schwiegereltern der Beschwerdeführerin eingebrochen und deren Hund getötet. Die Beschwerdeführerin selbst wagte es nicht mehr, das Haus zu verlassen. Aus Angst um seine Familie überließ der Ehemann der Beschwerdeführerin seinen Eltern seine Wohnung und zog mit der Beschwerdeführerin in eine andere Wohnung. Auf Anraten der Schwiegereltern entschlossen sich die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann zur Flucht und reisten gemeinsam aus.

 

Der Asylgerichtshof gab in seinem Erkenntnis vom 22.10.2008, D4 306917-1/2008/6E, schriftlich ausgefertigt am heutigen Tag, der gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Gatten der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerde gemäß § 7 AsylG statt und stellte fest, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

 

2. Zum Herkunftsstaat:

 

Als Folge der schwierigen Wirtschaftslage nimmt die Kriminalität stark zu. Korruption, Amtsmissbrauch, Übergriffe durch Staatsorgane, Fehlverhalten und Polizeigewalt sind ein weit verbreitetes Problem. Insbesondere auch aufgrund der herrschenden Unterbezahlung stellt Bestechung und Korruption ein großes Problem in Kirgisistan dar. Seitens der Regierung werden aber auch Schritte zur Bekämpfung der Korruption im Privaten, wie auch im Öffentlichensektor gesetzt, trotzdem stellt Korruption auf allen Ebenen der Gesellschaft weiterhin ein Problem dar.

 

Die Judikative gilt in weiten Kreisen der Öffentlichkeit als äußerst korrupt und weit davon entfernt, unabhängig zu sein. Vorwürfe, die Judikative habe ebenso wie die politische Elite enge Beziehungen zum organisierten Verbrechen, werden im Land immer wieder laut, Experten stimmen dem zumindest teilweise zu. Es herrscht allgemein Übereinstimmung darüber, dass seit der Revolution 2005 das organisierte Verbrechen durch die Spaltungen und Schwächen begünstigt wurde, die heute kennzeichnend für die Staatsbehörden sind. Eine Reihe von Morden steht in Zusammenhang mit dieser Entwicklung. Mehrere Abgeordnete wurden erschossen, was das Parlament dazu veranlasste, Rechtsvorschriften zu erlassen, um seinen Mitgliedern das Tragen von Waffen zu gestatten.

 

Durch die weitverbreitete Desillusionierung aufgrund der in Kirgisistan herrschenden, politischen Lage scheint sich auch das Interesse am Islamismus zu erhöhen, der sich selbst als Alternative zu Korruption, Kriminalisierung und fehlender Ordnung darstellt. Dieses Interesse und die Schwäche der staatlichen Sicherheitsstrukturen scheinen auch zu einer Zunahme der Tätigkeiten gewalttätiger Gruppen geführt zu haben.

 

Die Lage der Menschenrechte ist in vieler Hinsicht besorgniserregend, zu den größten Problemen gehören politisch motivierte Morde, Folter, sehr schlechte Bedingungen in den Gefängnissen und Gewalt gegen Frauen. Die Durchsetzung der Menschenrechte wird auch durch mangelnde rechtsstaatliche Tradition und eine fehlende unabhängige Justiz erschwert. Es gibt weder eine rechtstaatliche Tradition noch eine unabhängige Justiz. In der Praxis ist die Folter nicht abgeschafft. Die Zustände auf Polizeistationen, in der Untersuchungshaft und in Gefängnissen sind in vielen Fällen menschenwidrig.

 

Beweis wurde erhoben durch die Einvernahme der Beschwerdeführerin durch die Behörde erster Instanz am 12.10.2005 und am 10.10.2006, sowie durch die Befragung der Beschwerdeführerin im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung durch des Asylgerichtshofes vom 22.10.2008 ebenso durch die Befragung des Ehemannes der Beschwerdeführerin im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung des Asylgerichtshofes vom 22.10.2008, weiters durch Einsicht in die Mitteilung über die Kirgisische Republik, politische und wirtschaftliche Lage, Beziehungen zur EU des European Parliament vom 09.05.2007, die ACCORD Anfragebeantwortung betreffend Russische Minderheit, Korruption bei den Behörden vom 09.06.2006, die ACCORD Anfragebeantwortung betreffend die Situation der russischen Minderheit, Korruption, vor allem bei Polizei und Justiz, Verbindungen der Polizei oder der Justiz zum organisierten Verbrechen, Lage von Rückkehrern nach Stellung eines Asylantrages in Europa vom 15.02.2007, die ACCORD Anfragebeantwortung betreffend Strafmaß für "Preisgabe von Staatsgeheimnissen" laut Strafgesetzbuch, Unterstellung von strafbaren Handlungen vom 23.02.2007 sowie die Mitteilung von ACCORD betreffend Konsequenzen einer Asylantragstellung im Falle einer Rückkehr nach Kirgisistan vom 30.05.2008 sowie schließlich die als unbedenklich beurteilten Dokumente.

 

III. Beweiswürdigung:

 

Die Beschwerdeführerin erweckt in der mündlichen Beschwerdeverhandlung einen persönlich glaubhaften Eindruck. Das für die Entscheidungsfindung zentrale fluchtauslösende Ereignis, die Verfolgung ihres Gatten und die daran anknüpfende Bedrohung ihrer Person, vermochte die Beschwerdeführerin in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof anschaulich zu schildern. Sie antwortete auf die ihr gestellten Fragen gewissenhaft, sodass in einer Zusammenschau sämtlicher Angaben - darunter auch die glaubwürdige Aussage ihres Gatten - ein detailreiches nachvollziehbares und geschlossenes Bild des fluchtauslösenden Ereignisses entstand.

 

Zur Beweiswürdigung des Bundesasylamtes ist zu bemerken, dass die angeblichen Widersprüche in der mündlichen Verhandlung aufgeklärt werden konnten. Dass die Beschwerdeführerin nicht über alle Details von ihrem Ehemann informiert worden war, verwundert nicht, zumal dieser seine Gattin aus verständlichen Gründen schützen wollte.

 

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin erscheint auch insbesondere vor dem Hintergrund der als notorisch zu bezeichnenden Korruption und der Verflechtung zwischen Polizei bzw. Justiz und der organisierten Kriminalität bzw. Mafia durchaus auch plausibel und mit den allgemeinen Verhältnissen im Herkunftsland der Beschwerdeführerin vereinbar.

 

Die Feststellungen zur Lage in Kirgisistan ergeben sich aus den zuvor zitierten Unterlagen.

 

Da die Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Situationsdarstellungen zu zweifeln. Auch seitens der Parteien wurden hinsichtlich der herangezogenen Quellen keine Einwände erhoben.

 

IV. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 75 AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetz 1997 zu Ende zu führen. § 44 Asylgesetz 1997 gilt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG sind beim Unabhängigen Bundesasylsenat am 01.07.2008 anhängige Verfahren in denen bis zu diesem Zeitpunkt keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, vom dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Da gegenständlicher Asylantrag am 05.10.2005 gestellt wurde, ist er nach der Rechtslage des AsylG 1997 idF 101/2003, unter Beachtung der Übergangsbestimmungen, zu beurteilen, woraus sich die gegenständliche Zuständigkeit ergibt.

 

Flüchtling ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung."

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.

 

Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (zB VwGH vom 19.12.1995, 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998, 98/01/0262).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung ausgeführt, dass als Fluchtgründe unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes nur solche Maßnahmen in Betracht kommen, die einen weiteren Verbleib im Heimatland aus objektiver Sicht unerträglich erscheinen lassen (VwGH vom 16.09.1992, 92/01/0544, VwGH vom 07.10.2003, 92/01/1015, 93/01/0929, u.a.).

 

Die Beschwerdeführerin hat glaubwürdig dargetan, dass sie auf Grund der politischen Gesinnung des Ehemannes und in weiterer Folge als Mitglied der sozialen Gruppe der Familie verfolgt wird. Der Ehemann der Beschwerdeführerin verweigert aufgrund seiner politischen Gesinnung insofern die Zusammenarbeit mit der Mafia, als er keine Bestechungsgelder annahm und sich den Drohungen der Mafia nicht beugte, obwohl diese Vorgangsweise von hierarchisch höherstehenden Mitarbeitern des Polizeiapparates zumindest toleriert wenn nicht sogar unterstützt wurde. Die Beschwerdeführerin wurde auf Grund der Handlungen des Ehemannes mit dem Tode bedroht.

 

Angesichts der für die Beschwerdeführerin entstandenen massiven - von hohen Polizeifunktionären zumindest tolerierten - Bedrohungen durch Mitglieder der organisierten Kriminalität ist jedenfalls nicht mit einem rechtsstaatlichen Verfahren für die Beschwerdeführerin zu rechnen.

 

Im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin keinesfalls mit einem effektiven staatlichen Schutz rechnen kann - im Gegenteil wird die Verfolgung durch Vertreter staatlicher Einrichtungen demonstrativ toleriert - ist nicht davon auszugehen, dass für die Beschwerdeführerin die Möglichkeit besteht in irgendeinem Teil der Republik Kirgisistan Schutz vor der gegenständlichen Verfolgung zu finden, weshalb die Annahme einer innerstaatlichen Flucht- bzw. Schutzalternative ausscheidet.

 

Es ist daher jedenfalls eine asylrelevante Verfolgungsgefahr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen und war daher dem Berufungswerber letztlich doch Asyl zu gewähren.

Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, Familienverband, Familienverfahren, gesamte Staatsgebiet, Korruption, Organisierte Kriminalität, politische Gesinnung, Schutzunfähigkeit, soziale Gruppe
Zuletzt aktualisiert am
12.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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