TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/18 E12 235295-0/2008

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Veröffentlicht am 18.11.2008
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Spruch

E12 235.295-0/2008-22E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Isabella Zopf als Vorsitzende und den Richter Dr. Markus Steininger als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mittermayr über die Beschwerde des B.A., geb. 00.00.1979, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.02.2003, FZ. 01 22.904-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.10.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997, BGBl. I 1997/76 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Armenien, stellte am 5.10.2001 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA am 8.10.2001, AS 7ff, und am 29.5.2002, AS 35ff, niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte er im Wesentlichen vor, er werde durch eine Privatperson namens S. verfolgt. Er habe für einen Mord einstehen sollen, den er nicht begangen habe, sei jedoch zuvor geflohen.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 5.2.2003, Zahl: 01 22.904-BAL, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien gem. § 8 Asylgesetz 1997 für zulässig erklärt.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF als unglaubwürdig, da es widersprüchlich und unplausibel ist.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 24.2.2003 innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass im Rahmen der Einvernahmen asylrelevante Gründe vorgebracht worden seien. Der BF sei Angehöriger einer sozialen Gruppe. Zum Beweis seiner Glaubwürdigkeit legte der BF der Beschwerde außerdem eine Bestätigung des Waisenhauses bei..

 

Am 14.10.2008 wurde vor dem Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher der BF teilnahm. Das Bundesasylamt hat nicht an der Verhandlung teilgenommen. Der BF wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen, allerdings durchsetzt mit zahlreichen Widersprüchen, auf die in der Folge noch einzugehen sein wird.

 

Im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, ergänzende Einvernahme des BF als Partei und Erörterung der aus der Beilage 1 zur Verhandlungsschrift vom 14.10.2008 ersichtlichen Erkenntnisquellen zur asyl- und abschieberelevanten Lage in Armenien. Hinsichtlich des detaillierten Verfahrensherganges und Parteienvorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.

 

III. Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gem. § 73 (1) Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) tritt dieses Gesetz mit der Maßgabe des § 75 (1) leg. cit in Kraft, wonach alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen sind.

 

Gegenständliches Verfahren war am 31.12.2005 anhängig, weshalb es nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen war.

 

Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.

 

Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die Erstbehörde hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt, als auch Sachverhaltsfeststellungen zur asyl- und abschieberelevanten Lage in Armenien getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des BF gebracht. Auch die rechtliche Beurteilung begegnet keinen Bedenken. Obwohl sich - auf die konkrete Situation des BF bezogen- die Situation in Armenien nicht wesentlich geändert hat, wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht wie oben ausgeführt die aktuellen Erkenntnisquellen eingehend erörtert und dieser Entscheidung zugrunde gelegt.

 

Aufgrund der Feststellungen des Bundesasylamtes in Verbindung mit der bereits genannten Beweisaufnahme zur Situation in Armenien durch den Asylgerichtshof ist von auf ausreichend aktuelle Quellen (vgl. Erk. d. VwGH vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997 das E. vom 11. November 1998, 98/01/0284, bzw. auch das E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) basierenden Feststellungen auszugehen, welche den weiteren Ausführungen zu Grunde gelegt werden.

 

Der AsylGH schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenem Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses (vgl. für viele exemplarisch VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/046; 01.3.2007, 2006/20/0005; 21.3.2007, 2007/19/0085-3 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]; 31.5.2007 2007/20/0488-6 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]).

 

Das Vorbringen des BF zu dessen Herkunft konnte aufgrund der diesbezüglichen Sprach- und Ortskenntnisse der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Die Identität konnte allerdings nicht festgestellt werden, da der BF laut eigener Angabe seinen Familiennamen nicht kennt.

 

Der BF weist zwischenzeitig 3 Verurteilungen auf: Vom BG V. wurde er 2003 wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Tagen mit einer Probezeit von 3 Jahren, vom LG S. 2004 wegen §§ 127, 128 Abs. 1/4, 129/1, 130 2. Fall, 125, 229/1 und 135/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 13 Monate mit einer Probezeit von 3 Jahren und vom LG P. 2008 wegen §§ 127, 128 Abs. 1/4, 129/1 und 130 ( 4. Fall) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren unbedingt verurteilt.

 

Die Angaben des BF vor dem Asylgerichtshof erwiesen sich als widersprüchlich und offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechend:

So legte der BF mit seiner Beschwerdeschrift eine Aufenthaltsbestätigung des Waisenhauses aus dem Jahr 2003 vor. Die Übersetzung ergab, dass diese Bestätigung für einen gewissen Herrn H. ausgestellt wurde, dessen Name dem BF nichts sagte. Er kann auch weder Nachnamen noch Telefonnummer jenes "Bekannten" nennen, der diese Bestätigung besorgt haben soll. Die Antwort, wie diese Person überhaupt das richtige Waisenhaus gefunden haben soll, wo der BF selbst die Adresse nicht benennen konnte, blieb der BF jedenfalls schuldig. Auch die Angaben des BF zum Waisenhaus selbst sind unglaubwürdig: So kann er nicht einmal die Adresse nennen, obwohl er dort ca. 8 Jahre gelebt haben will. Er weiß auch nicht, wie viele Kinder tatsächlich in diesem Waisenhaus gelebt haben sollen. Geht man davon aus, dass die ersten Lebensjahre eines Kindes dazu dienen, grundlegende Dinge zu erleben, zu lernen, ist es völlig unglaubwürdig, dass jemand mit 8 Jahren nicht einmal seine Wohnanschrift kennt. Ebenso ist die Schilderung des BF unglaubwürdig, dass er mit 8 Jahren aus dem Waisenhaus geflohen ist, zumal er nicht einmal ein auslösendes Ereignis dafür nennt. Dass sich ein 8-jähriges, alleinstehendes Kind, das im Waisenhaus zumindest Kost und Quartier gesichert hat, aus einem nichtigen Grund (der BF hat im Zoo seine Gruppe verloren) einer völlig ungewissen und unsicheren Zukunft auf der Strasse aussetzt, ist mit den Gesetzen des logischen Denkens in keiner Weise vereinbar. Weiters sind die Angaben des BF zum angeblichen Schusswaffengebrauch anlässlich seiner Festnahme bei der Einreise nach Österreich äußerst widersprüchlich und somit unglaubwürdig: Während der BF vor dem BAA behauptete, dass bei seinem Aufgriff Schüsse gefallen seien, schwächt er dies anlässlich der Einvernahme vor dem Gerichtshof über Vorhalt dahingehend ab, dass er ein Geräusch gehört habe und seine Fluchtgefährten meinten, dass jemand in die Luft geschossen hat. In Wahrheit hat es laut Schreiben des GÜP Gmünd vom 7.9.2002 beim Aufgriff des BF nie einen Schusswaffengebrauch gegeben. Die Unglaubwürdigkeit des BF ist auch daraus zu ersehen, dass er anlässlich seiner Erstbefragung eine gänzlich andere Fluchtgeschichte auftischte als vor dem BAA. Zum eigentlichen Fluchtgrund, nämlich Verfolgung durch Privatpersonen, sind die Angaben des BF ebenso widersprüchlich und somit unglaubwürdig: Der BF behauptete, dass ihm ein gewisser S. ein Geschäftslokal zur Verfügung gestellt habe, er aber dessen Nachnamen nicht kenne. Dies ist unglaubwürdig, weil es im allgemeinen Geschäftsleben üblich ist, in solchen Fällen einen Mietvertrag abzuschließen, der auch die Familiennamen der Vertragspartner enthält. Auch bei den Zeitangaben finden sich Widersprüche: Während der BF den Zeitpunkt des Kennenlernens mit S. mit Sommer 2000 datiert und vor dem Gerichtshof behauptete, für den Mord habe er 8 bis 10 Monate später einstehen sollen, war dieser Zeitpunkt vor dem BAA der August 2001. Auch was die angebliche Mafiazugehörigkeit von S. betrifft, verwickelte sich der BF in Widersprüche: Während er S. vor dem BAA noch der Mafiazugehörigkeit bezichtigte, wusste er vor dem Gerichtshof nicht mehr so genau, ob dies tatsächlich so sei. Vielmehr stellte er einen nicht näher nachvollziehbaren und sehr allgemein gehaltenen Zusammenhang zur Polizei her. Während der BF vor dem BAA angab, 2000 von 2 betrunkenen Polizisten wegen Geld geschlagen und getreten worden zu sein, schwächte er dieses Vorbringen vor dem Asylgerichtshof dahingehend ab, dass er nur bedrängt worden sei. Erst über Vorhalt gab er an, dass er mit bedrängt gemeint habe, geschlagen und getreten worden zu sein. Auch in diesem Punkt zeigt sich die Unglaubwürdigkeit des BF: Wenn einem ein derart einschneidendes Erlebnis, wie Misshandlung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes tatsächlich passiert, behält man dies sehr wohl in genauer Erinnerung und kann zwischen Bedrängen und Schlagen bzw. Getretenwerden unterscheiden. Ausgesprochen lebensfremd und unglaubwürdig ist auch die Behauptung des BF, er habe zwar für einen Mord einstehen sollen, ihm seien aber zur Tat keine Details genannt worden, die er vor der Polizei hätte angeben sollen. Gerade dann, wenn es die vom BF behauptete Verstrickung zwischen S. und Polizei tatsächlich gegeben hätte, wäre man darauf bedacht gewesen, zumindest nach außen hin den Schein zu wahren und im Falle einer Überprüfung durch übergeordnete Dienststellen zumindest einen halbwegs nachvollziehbaren Akt mit entsprechenden Niederschriften vorzulegen. Ein solcher Akt wäre auch für ein nachfolgendes Gerichtsverfahren von Notwendigkeit gewesen. Auch die Angabe des BF, dass ihn die Polizei bei seiner Flucht anlässlich der geplanten Übergabe durch S. an die Polizei nicht einmal verfolgt habe, ist lebensfremd, wenn zwischen S. und Polizei tatsächlich alles so wie behauptet, ausgemacht gewesen wäre. Die Polizei hätte in diesem Fall sicherlich nichts unversucht gelassen, um den "quasi auf dem Silbertablett" präsentierten "Mörder" zu fassen. Abgerundet wird die Unglaubwürdigkeit des BF noch durch die Schilderungen zu seiner eigentlichen Flucht, die er in einem Flugzeug ohne Papiere hinter der Tür des Cockpits erlebt haben will. In das Flugzeug sei er gelangt, weil ein Bekannter den Piloten kannte. Wie er ohne Dokumente durch die Grenzkontrolle gekommen sein will, lässt der BF allerdings offen. Wenn der BF tatsächlich hinter der Cockpittür gesessen sein will, würde dies voraussetzen, dass diese offen war, was allerdings aus Sicherheitsgründen nicht Usus ist. Dass ein Pilot dieses Risiko für eine ihm völlig fremde Person eingehen sollte, ist in keiner Weise nachvollziehbar und völlig unglaubwürdig.

 

Aus diesem Vorbringen resultierend konnte der BF aufgrund der geschilderten Ungereimtheiten und offenen Widersprüche, die zu entkräften er sich auch im Zuge des Beschwerdeverfahrens außerstande sah, konkrete und individuell gegen seine Person gerichtete asylrelevante und eingriffsintensive Verfolgungsmaßnahmen armenischer Autoritäten oder sonstiger Personenkreise nicht glaubhaft machen, weshalb letztlich eine maßgeblich wahrscheinliche Verfolgung aus einem der Gründe der GFK nicht erkannt werden konnte. Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass der armenische Staat nicht fähig oder nicht willens gewesen wäre, den BF vor privater Verfolgung zu schützen. Doch selbst wenn man den Angaben des BF Glauben schenken würde, könnte daraus keine asylrelevante Verfolgung abgeleitet werden. Übergriffe in einer asylrelevanten Intensität durch Private könnten dann eine dem Staat zuzurechnende Verfolgung iSd GFK darstellen, wenn der betreffende Staat aus asylrelevanten Gründen nicht gewillt ist, die nicht unmittelbar dem Staat zuzurechnenden Verfolgungshandlungen hinanzuhalten. Derartige Umstände sind allerdings im ggst. Verfahren nicht einmal ansatzweise zutage getreten.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Dem BF ist es nicht gelungen, der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass Zweifel an der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes aufgekommen wären. Im Gegenteil - wurde doch seine Unglaubwürdigkeit durch seine persönliche Aussage vor dem AsylGH noch untermauert. Vom BF wurde es unterlassen, durch klare, konkrete und substantiierte Ausführungen darzulegen, warum er vom Vorliegen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung durch das Bundesasylamt ausgeht. Die Beschwerdeschrift enthält nur sehr allgemeine Ausführungen, die unter anderem beinhalten, der BF wäre Angehöriger einer sozialen Gruppe, ohne allerdings auch nur anzugeben, welcher sozialen Gruppe.

 

Selbst wenn man das Vorbringen des BF als wahr unterstellen würde, kann die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bzw. eine daraus resultierende asylrelevante Verfolgung nicht festgestellt werden.

 

Aus dem Vorbringen des BF kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatschen kein Hinweis abgeleitet werden, dass dieser vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) in dessen Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 Asylgesetz ausgesetzt wäre.

 

Nach der Judikatur der Straßburger Instanzen muss der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EGMR vom 7.7.1987, 12877/87-Kalema gg. Frankreich, DR 53, S.254,264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen. Die Bedrohung muss objektiv in Bezug auf den BF gegeben sein. Genau dies ist jedoch hier aus oben geschilderten Gründen nicht der Fall. Einerseits ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat keine solche Gefahr und andererseits beschränkte sich der BF auf ein Vorbringen, aus welchem sich keine konkrete objektive, auf seine Person zu beziehende Gefahr ableiten ließe. Auch wenn in Armenien eine wirtschaftlich schwierigere Situation als in Österreich besteht, so ist in einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der individuellen Situation des BF festzuhalten, dass von einer lebensbedrohenden Notlage in seinem Herkunftsstaat, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des Asylgerichtshofes nicht gesprochen werden kann.

 

Es ist dem BF als 29-jährigem, gesunden jungen Mann durchaus zumutbar, in Armenien durch eigene und notfalls auch wenig attraktive Arbeit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keine besonderen Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer Schatten- oder Nischenwirtschaft stattfinden. Auf kriminelle Aktivitäten wird hiemit ausdrücklich nicht verwiesen.

 

Im gegenständlichen Fall ist im Gegensatz zu Art. 3 EMRK Art. 8 nicht vom Prüfungsumfang des § 8 AsylG 1997 in der hier anzuwendenden Fassung umfasst. Erwägungen zu Art. 8 EMRK sind sohin nicht Gegenstand einer Prüfung nach § 8 AsylG 1997; sedes materiae ist erst die Setzung konkreter Maßnahmen zur Außerlandesschaffung (vgl. VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0225-6).

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, non refoulement, strafrechtliche Verurteilung
Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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