TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/19 A13 402088-1/2008

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Veröffentlicht am 19.11.2008
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Spruch

A13 402.088-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SINGER als Vorsitzende und die Richterin Dr. LASSMANN als Beisitzer über die Beschwerde der E.I., geb. 00.00.1980, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.09.2008, Zahl: 08 05.731-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Mit Bescheid vom 29.09.2008 , Zahl: 08 05.731-BAL, hat das Bundesasylamt, Außenstelle Linz, den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 03.07.2008 gem. § 3 AsylG 2005 abgewiesen und ihr den Status der Asylberechtigten ebenso wie den Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Heimatstaat Nigeria nicht zuerkannt und diese Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die mit Schriftsatz vom 15.10.2008 fristgerecht eingebrachte Beschwerde.

 

3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gem. § 41 Abs. 7 AsylG 2005 aufgrund des aus der Aktenlage als geklärt anzusehenden Sachverhaltes Abstand genommen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Nigeria und behauptet den im Spruch genannten Namen zu führen. Ihre genaue Identität kann jedoch mangels vorgelegter Dokumente nicht festgestellt werden. Ebenso wenig kann ihre genaue Fluchtroute (Reiseweg von Nigeria nach Österreich) festgestellt werden.

 

Sie reiste laut eigener Angabe am 03.07.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Am selben Tag stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Bei ihren Einvernahmen im erstinstanzlichen Verfahren (am 03.07.2008 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Erstbefragung, am 08.07.2008 vor dem Bundesasylamt Traiskirchen und am 20.08.2008 vor dem Bundesasylamt Linz) gab die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen im Kern an, ihr Vater sei Mitglied einer Geheimgesellschaft gewesen und hätten die anderen Mitglieder nach seinem Tod verlangt, die Beschwerdeführerin solle als die älteste Tochter die Position ihres Vaters übernehmen. Der Name des Kultes wäre "Ogboni". Diese Aufgabe sei jedoch nicht mit dem christlichen Glauben der Beschwerdeführerin vereinbar und habe sie sich deshalb geweigert, den Platz ihres verstorbenen Vaters einzunehmen. Infolge dessen wäre die Genannte von den anderen Mitgliedern bedroht worden. Im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria würde sie von den Mitgliedern der Ogbonigesellschaft getötet werden.

 

Zu ihrer Fluchtroute gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, Nigeria von der Stadt Warri aus am 09. oder 10. Juni 2008 mit einem Schiff verlassen zu haben. Nach etwa drei Wochen sei sie von Board des Schiffes gegangen und habe sie anschließend ein Mann mit seinem Sattelschlepper mitgenommen. Cirka einen Tag später sei sie in Österreich angekommen und per Zug zum Flüchtlingslager gefahren.

 

2. Die belangte Behörde wies den Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin auf Gewährung von internationalem Schutz ab und begründete ihre Entscheidung zusammengefasst mit der fehlenden Asylrelevanz ihrer Angaben. Die von der Beschwerdeführerin angegebenen Gründe für das Verlassen ihres Heimatlandes seien unglaubwürdig, es könne nicht festgestellt werden, dass der vorgebrachte Fluchtgrund ausschlaggebend für das Verlassen ihrer Heimat gewesen wäre und bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass die Genannte im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria einer Gefahr ausgesetzt wäre.

 

Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesasylamt aus, dass bei der Beschwerdeführerin keine individuellen Umstände vorliegen, die dafür sprechen würden, dass sie bei ihrer Rückkehr nach Nigeria in eine derart extreme Notlage gelange, die eine unmenschliche Behandlung iSd Art. 3 EMRK darstellen würde.

 

Bezugnehmend auf Spruchpunkt III. verwies die belangte Behörde auf den Umstand, dass mangels Familienangehöriger in Österreich die Ausweisung keinen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben darstelle. Mangels sonstiger Integration oder sozialer Bindungen in Österreich stelle die Ausweisung keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

 

3. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese Entscheidung mit Schriftstück vom 15.10.2008 fristgerecht Beschwerde. Der Beschwerde ist ein handgeschriebener Brief der Beschwerdeführerin in englischer Sprache beigefügt, in der sie erneut in groben Zügen ihren Fluchtgrund schildert.

 

Infolge der fluchtauslösenden Ereignisse habe die Beschwerdeführerin ihre Heimat verlasssen müssen und würden diese Ereignisse eine Bedrohung ihrer physischen Integrität darstellen vor denen sie keinen hinreichenden Schutz durch staatliche Organe zu erhalten glaubte.

 

4. Zur Lage in Nigeria:

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen zur Lage in Nigeria decken sich mit dem Amtswissen des Asylgerichtshofes und werden zum Gegenstand dieses Erkenntnisses erklärt.

 

5. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:

 

5.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl.I Nr. 2008/4 nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 haben das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Gemäß Abs. 2 ist im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen.

 

Gemäß § 15 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Weiters hat er bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen durch einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen, und an diesen mitzuwirken sowie unter anderem auch dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente und Gegenstände am Beginn des Verfahrens, oder soweit diese erst während des Verfahrens hervorkommen oder zugänglich werden, unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind.

 

5.2. Im gegenständlichen Fall liegen die genannten Voraussetzungen des § 41 Abs.7 AsylG 2005 für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vor. Das Bundesasylamt hat ein im beschriebenen Sinne ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und enthält der Beschwerdeschriftsatz zudem kein Vorbringen, das geeignet wäre, die in der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheids zum Ausdruck kommende Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften oder in Zweifel zu ziehen. Der verfahrensrelevante Sachverhalt ist daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes als aus der Aktenlage als geklärt anzusehen.

 

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533, VwGH vom 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317, kann nur dann angenommen werden, dass ein Sachverhalt nicht aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) als geklärt anzusehen ist, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in einem entscheidenden Punkt nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will.

 

Diese Voraussetzungen liegen im Fall der Beschwerdeführerin nicht vor.

 

Der Asylgerichtshof erachtet es des Weiteren im gegenständlichen Fall nicht für notwendig, die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes um zusätzliche (über bloße Zusatzbemerkungen oder Eventualausführungen hinausgehende) eigene Argumente zu ergänzen.

 

Nach der Rechtssprechung des VwGH widerspräche lediglich diese Notwendigkeit der Annahme eines hinreichend geklärten Sachverhaltes mit der Folge, dass von einer mündlichen Verhandlung nicht Abstand genommen werden dürfte (vgl. VwGH vom 30.9.2004, Zl 2001/20/0140).

 

Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Auf die oben zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, demzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

Die Beschwerdeführerin hat den Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz am 03.07.2008 gestellt. Daher gelangen im gegenständlichen Verfahren die Bestimmungen des AsylG 2005 vollumfänglich zur Anwendung.

 

5.3. Zu Spruchpunkt I:

 

Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Der Asylgerichtshof schließt sich mit Abstandnahme einer mündlichen Verhandlung der Beurteilung der belangten Behörde an und kommt zu dem Ergebnis, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführerin bereits aufgrund der fehlenden Glaubwürdigkeit ihrer Angaben die Asylrelevanz zu versagen ist.

 

Die belangte Behörde hat plausibel erläutert, weshalb sie zur Ansicht gelangte, dass die von der Beschwerdeführerin geschilderten Varianten ihrer angeblichen Bedrohungssituation nicht der Wahrheit entsprechen. So könne einerseits auf Grund des persönlichen Eindruckes, den sie während der Einvernahme gewinnen konnte, nicht von der Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin ausgegangen werden. Andererseits deckt sich das Vorbringen der Beschwerdeführerin in keinster Weise mit dem Amtswissen und den Berichten über den Ogboni-Kult. So ist dieser Kult vorwiegend Reichen in Nigeria vorbehalten, gibt es keine Zwangsmitgliedschaft und kann auch niemand aus der Familie zur Nachfolge gezwungen werden, geschweige denn wird eine solche Person deshalb mit dem Tod bedroht. Die Beschwerdeführerin war nicht in der Lage, diesen aus mehreren objektiven aktuellen Quellen zusammengesetzten Feststellungen, substantiiertes Vorbringen entgegenzusetzen.

 

Zwar ist es möglich, dass auch andere Volksgruppen als die Yoruba und deren Untergruppen als Ogboni aufgenommen werden, jedoch ist dies die Ausnahme. Die Beschwerdeführerin behauptete selbst, ihre Familie gehöre eher zu den Armen und sei sie Angehörige eines den Yoruba nicht zugehörigen Clans. Wenn Ihr Vater daher als Nicht-Yoruba Mitglied bei den Ogbonis gewesen wäre, so wäre zu erwarten gewesen, dass dies von der Beschwerdeführerin thematisiert würde. Aufgrund der Feststellungen zur Ogboni-Gesellschaft ist daher davon auszugehen, dass ihr der Zugang zum Ogboni-Kult ohnehin verwehrt wäre. Gegenteilige glaubhafte Beweismittel vermochte sie nicht vorzulegen.

 

Der Beschwerdeführerin wurde bei einer dreimaligen Einvernahme die Möglichkeit gegeben, ihre Fluchtgründe und ihren Fluchtweg im Detail darzustellen. Wie im Bescheid richtig aufgezeigt, wird bei Gesamtbetrachtung des Vorbringens offensichtlich, dass die Beschwerdeführerin durch leere Behauptungen einen Fluchtgrund bzw. ein Rückkehrhindernis zu konstruieren versuchte.

 

Wenn die belangte Behörde daher das Vorbringen der Beschwerdeführerin als unglaubwürdig erachtet, ist ihr zuzustimmen. Die Durchsicht der Aussagen der Genannten während des Verfahrens vor der belangten Behörde zeigt deutlich, dass ihre Angaben stets oberflächlich waren und sie keine persönliche Betroffenheit ihrer Person zum Ausdruck brachte.

 

Selbst wenn man aber rein hypothetisch, im Kern vom Wahrgehalt der Angaben der Beschwerdeführerin ausgehen wollte, ändert dies nichts an der Beurteilung der fehlenden Asylrelevanz.

 

Die Erstbehörde verweist in ihrem Bescheid zu Recht auf die der Beschwerdeführerin mögliche innerstaatliche Fluchtalternative. Es gelang ihr im ganzen Verfahren nicht, eine konkrete Gefährdung ihrer Person durch staatliche Stellen, bzw. die Unmöglichkeit für sie, an einem anderen Ort unbehelligt zu leben, glaubhaft zu machen bzw. zu widerlegen.

 

Die Beschwerdeführerin arbeitete nach eigenen Angaben zuletzt als Friseurin in ihrem Heimatland. Sie hat dort angeblich auch noch Familie, nämlich ihre Mutter und eine Schwester.

 

Insgesamt sind somit - unabhängig von der Beurteilung des Wahrgehaltes des Vorbringens der Beschwerdeführerin - die eingangs beschriebenen Voraussetzungen für eine Asylgewährung im gegenständlichen Fall nicht erfüllt.

 

Das Beschwerdevorbringen ist insgesamt nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Bundesasylamtes beim Instanzgericht zu erwecken. Im erstinstanzlichen Verfahren kann weder eine Verletzung von Verfahrensvorschriften festgestellt werden, noch kann von einem rechtswidrigen Inhalt desselben ausgegangen werden. Das Beschwerdevorbringen, die zitierten Berichte von ACCORD sowie der handschriftliche Brief, vermögen die behauptete Rechtswidrigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht darzulegen.

 

Insbesondere konnte die Beschwerdeführerin keine substantiierten Angaben dartun, weshalb gerade für sie - entgegen der ausführlichen Länderfeststellungen der Erstbehörde - keine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben wäre.

 

Die im angefochtenen Bescheid einmalige Nennung von Serbien anstatt von Nigeria ist einem offensichtlichen Tippfehler zuzuschreiben, welcher rechtlich unbeachtlich ist.

 

Dem Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführerin wären keine zusätzlichen Fragen über Einzelheiten gestellt worden, ist entgegenzuhalten, dass sie im Rahmen ihrer drei niederschriftlichen Einvernahmen sehr ausführlich befragt wurde und auch jedes Mal darauf hingewiesen wurde, ihrem Vorbringen noch etwas anfügen zu können.

 

Die in der Beschwerde zum Teil zitierten Ausschnitte des Länderberichtes von ACCORD vermögen es nicht, den Inhalt der Länderfeststellungen der belangten Behörde zu erschüttern, zumal das Bundesasylamt im bekämpften Bescheid auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhende Feststellungen zur Situation in Nigeria und insbesondere zur Ogboni-Geheimgesellschaft traf, wobei die Berichte in den Kernaussagen ein übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darboten. Aus diesem Grund kann auch auf die beantragte Beiziehung eines Sachverständigen für Nigeria verzichtet werden

 

5.4. Zu Spruchpunkt II

 

Gemäß § 8 Abs.1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung der Beschwerdeführerin in ihr Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Im Sinne der Judikatur des EGMR und jener des darauf in seiner Rechtssprechung Bezug nehmenden VwGH - vgl. etwa VwGH vom 23.09.2004, Zl. 2004/21/0134 mit weiteren Nachweisen - hat die entsprechende Prüfung von Refoulementschutz dahingehend zu erfolgen, ob im Herkunftsstaat des Antragstellers eine derart extreme Gefahrenlage herrscht, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße droht, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene.

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den der Fremde abgeschoben werden soll, genügt nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH (vgl. E. vom 01.07.1999, Zl. 97/21/0804; E. vom 09.05.2003, Zl. 1998/18/0317), nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde.

 

Im Fall der Beschwerdeführerin konnten keine derart exzeptionellen Umstände festgestellt werden, die der Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK gleichzuhalten wären.

 

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann somit nicht angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in ihr Herkunftsland einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde.

 

Die Beschwerdeführerin behauptet oder bescheinigt auch keinen sonstigen auf ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand", der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

 

5.5. Zu Spruchpunkt III

 

Gemäß §10 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Im konkreten Fall kommt der Beschwerdeführerin weder ein solches Aufenthaltsrecht zu, noch konnte festgestellt werden, dass die Genannte im Fall ihrer Ausweisung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Privat- und Familienleben verletzt würde.

 

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin seit Juli 2008 in Österreich aufhältig ist und während dieses knapp 5-monatigen Aufenthaltes keine Verfestigungs- oder Integrationstatbestände verwirklicht wurden. Es ist weiters zu beachten, dass den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin zufolge ihre Mutter und ihre Schwester nach wie vor in Nigeria leben.

 

Es liegen daher insgesamt betrachtet keine Gründe im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG vor, die einer Ausweisung entgegenstehen. Die Ausweisungsentscheidung der belangten Behörde steht somit in Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen und war sohin zu bestätigen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Identität, innerstaatliche Fluchtalternative, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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