B3 251.521-0/2008/9E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde von H. M., geboren am 00.00. 1964, staatenlos, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Juli 2004, Zl. 03 22.356-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13. März 2008 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und H. M. gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF BG BGBl. I Nr. 126/2002 (AsylG) Asyl gewährt. Gemäß § 12 AsylG wird festgestellt, dass H. M. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 25. Juli 2003 gemäß § 7 AsylG ab (Spruchteil I.), erklärte gemäß § 8 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. 101/2003 seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Aserbaidschan für zulässig (Spruchteil II.) und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchteil III.).
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte Berufung, die nunmehr als Beschwerde zu werten ist (vgl. dazu weiter unten). Am 13. März 2008 führte die Rechtsmittelbehörde in der Sache des Beschwerdeführers eine - gemäß § 39 Abs. 2 AVG mit den Verfahren seiner Ehefrau und seiner minderjährigen Kinder verbundene - öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser wurden der Beschwerdeführer und seine Ehefrau einvernommen. Weiters wurden der Bericht des (dt.) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 7. Mai 2007 (Beilage I. zur Verhandlungsschrift [VS]), das Gutachten des Transkaukasus-Instituts vom 6. Oktober 2005 zur Verwaltungsstreitsache AN 15 K 03.30442 des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes Ansbach (Beilage II. zur VS) und eine englische Fassung des Staatsbürgerschaftsrechts Aserbaidschans vom 30. September 1998 (Beilage III. zur VS) verlesen und erörtert.
Am 28. Juli 2008 langte beim Asylgerichtshof das Gutachten der Ländersachverständigen Dr. T. S. vom 26. Juli 2008 zu den vorgelegten Ausweisen für Staatenlose des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau ein, das den Parteien im Wege des schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht wurde.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur hier relevanten Situation in Aserbaidschan:
1.1.1. Allgemeines:
Die aserbaidschanische Verfassung wurde am 20.11.1995 durch Referendum bei einer Zustimmung von 94,8% angenommen. Diese Verfassung löste das seit der Unabhängigkeit des Landes gültige Verfassungsgesetz "Über die Unabhängigkeit der Republik Aserbaidschan" vom 30.08.1991 ab. Die Vorarbeiten zur Verabschiedung der derzeit gültigen, zuletzt 2002 geänderten Verfassung waren 1994 vom damaligen Staatspräsidenten Heydar Aliyev - dem Vater des derzeit regierenden Staatspräsidenten - initiiert worden. Die Verfassung geht im Wesentlichen auf einen Entwurf zurück, den das Präsidialamt verfasst hatte.
Art. 7 Abs. 3 der Verfassung enthält den Grundsatz der Gewaltenteilung, wonach die aserbaidschanische Nationalversammlung "Milli Medschlis" die gesetzgebende Gewalt, der Staatspräsident die vollziehende Gewalt und die Gerichte die rechtsprechende Gewalt ausüben. Der Staatspräsident hat nicht das Recht, die Nationalversammlung aufzulösen. Diese kann aber auf Vorschlag des Verfassungsgerichtes ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Staatspräsidenten einleiten. Der Staatspräsident wird direkt vom Volk für eine Amtsperiode von fünf Jahren gewählt; die einmalige Wiederwahl ist möglich. Der Staatspräsident ernennt mit Zustimmung der Nationalversammlung den Premierminister und entlässt ihn; er ernennt und entlässt ebenfalls die Minister. Die Nationalversammlung wird ebenfalls auf fünf Jahre gewählt. Sie verabschiedet Gesetze und Verordnungen.
De facto dominiert der Staatspräsident das politische Leben im Lande. Gestützt auf die Präsidialverwaltung, trifft er im Wesentlichen alle politisch bedeutenden Entscheidungen selbst. Das Ministerkabinett, in dem neben dem Staatspräsidenten der Premierminister, alle Minister und weitere Regierungsmitglieder zusammengefasst sind, trifft nicht regelmäßig zusammen, sondern erfährt in teilweise im Fernsehen übertragenen Sitzungen die Instruktionen des Staatspräsidenten. Auch die Nationalversammlung ist im Wesentlichen dazu berufen, bereits vorher gefasste Entscheidungen des Staatspräsidenten in Gesetzesform zu gießen. Ein Meinungsaustausch findet im Parlament so gut wie nicht statt.
Dies liegt nicht zuletzt auch an der Zusammensetzung der "Milli Medschlis", wie sie sich aus den letzten Parlamentswahlen vom 06.11.2005 ergab. Danach kommt die Regierungspartei "Neues Aserbaidschan", deren Vorsitzender der Staatspräsident ist, auf eine knappe absolute Mehrheit. Daneben sind aber auch zahlreiche "unabhängige" Abgeordnete und Abgeordnete anderer Parteien letztlich zum Regierungslager zu zählen. Nur die vier Abgeordneten der Müsawat-Partei gehören klar zur Opposition. Die im Oppositionsblock "Azadliq" (= Freiheit) zusammengeschlossenen Parteien Volksfront, ADP (Demokratische Partei Aserbaidschans) und Liberale Partei haben die von ihnen gewonnenen Mandate nicht angetreten, um gegen Wahlrechtsverletzungen zu protestieren.
Die Parlamentswahlen vom 06.11.2005 und die Nachwahlen vom 13.05.2006 entsprachen nach Ansicht der internationalen Wahlbeobachtungsmission von OSZE und ODIHR in vielerlei Hinsicht nicht den internationalen Standards von OSZE und Europarat. Dies galt auch für alle weiteren, bisher in Aserbaidschan durchgeführten Wahlen, darunter auch die Präsidentschaftswahlen vom 16.11.2003, in denen der derzeitige Staatspräsident Ilham Aliyev als Nachfolger seines Vaters Heydar Aliyev zum Staatsoberhaupt gewählt wurde. Im Hinblick auf die Parlamentswahlen vom November 2005 war offenkundig, dass von der Regierung unterstützte Kandidaten es leichter hatten, in das Parlament einzuziehen. Oppositionelle Kandidaten sahen sich zahlreichen Nachteilen ausgesetzt, insbesondere außerhalb Bakus, wo Kundgebungen entweder nicht genehmigt wurden, oder weit außerhalb geschlossener Ortschaften stattfinden mussten. Es sind auch Fälle bekannt geworden, in denen durch Straßensperrungen oder kurzfristige Baustellen Personen an der Teilnahme an solchen Veranstaltungen gehindert wurden.
Im Vorfeld der Parlamentswahlen wurde ebenfalls deutlich, dass Oppositionsparteien über nur unzureichenden Zugang zu elektronischen Medien verfügen. Die von der Regierung kontrollierten oder dieser nahestehenden Fernsehsender berichten fast ausschließlich über die Aktivitäten der Regierung. Sofern über die Opposition berichtet wird, dann i.d.R. in einem bewusst kritischen Ton.
Die Rechtsprechung in Aserbaidschan wird durch den Verfassungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, Berufungsgerichte, erstinstanzliche Bezirksgerichte und Gerichte mit Sonderzuständigkeiten ausgeübt. Das Verfassungsgericht wurde am 04. Juli 1998 errichtet. Es besteht aus neun Richtern, die von der Nationalversammlung auf Vorschlag des Staatspräsidenten ernannt werden. Das Verfassungsgericht kann vom Staatspräsidenten, der Nationalversammlung, dem Obersten Gerichtshof, dem Generalstaatsanwalt, dem Ombudsmann und der Hohen Versammlung der Autonomen Republik Nachitschewan angerufen werden und entscheidet in diesen Fällen über die Verfassungskonformität von Gesetzen oder untergesetzlichen Normen im Wege eines Normenkontrollverfahrens oder im Wege eines Organstreitverfahrens. Jeder Staatsbürger kann sich an das Verfassungsgericht im Wege einer Individualbeschwerde wenden, wenn er sich von einem Akt hoheitlicher Gewalt in seinen Grundfreiheiten verletzt fühlt.
Die Rechtswirklichkeit im Lande bleibt weiterhin hinter den Standards eines Mitgliedstaats des Europarats zurück. Dies betrifft insbesondere die Rechtsprechung, die zwar formell unabhängig ist, aber unter dem Einfluss der Regierungsgewalt steht. Insbesondere Verfahren, die von politischer Bedeutung sind (wie z.B. der Prozess gegen Mitglieder der Jugendorganisation "Yeni Fikir" oder Strafverfahren gegen Journalisten), lassen den Schluss zu, dass die Gerichte bewusst auf ein vorgegebenes Ergebnis hinarbeiten. Schlussendlich kann der Bürger nicht darauf vertrauen, durch die Justiz vor Willkür ausreichend geschützt zu sein. Die Auswahl neuer Richter erfolgt mittlerweile nach einem transparenten Verfahren. Dennoch ist zweifelhaft, ob die neu zu ernennenden Richter in genügendem Maße vor Einflussnahme durch die Exekutive geschützt sind. Unabhängige Beobachter, die auf dem Gebiet der Rechtsreform tätig sind, beklagen zudem, dass die universitäre Ausbildung junge Juristen nur ungenügend auf eine zukünftige Tätigkeit insbesondere in der Justiz vorbereitet. Oft stehen dem Richter auch nur ungenügende oder veraltete Hilfsmittel zur Verfügung, wie beispielsweise Lehrwerke aus der Zeit der Sowjetunion.
Trotz eines am 04.08.2004 in Kraft getretenen Gesetzes über die Anwaltschaft ist die Zahl der zugelassenen Rechtsanwälte immer noch unzureichend. Dieses Gesetz sollte eine erweiterte Zulassung von lizenzierten Rechtsbeiständen zur Rechtsanwaltskammer herbeiführen. Bei der im November 2005 durchgeführten Ersten Sitzung des neu gegründeten Rechtsanwaltskollegs wurden jedoch lediglich 36 neue Rechtsanwälte zugelassen.
Quelle: Bericht des (dt.) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 7. Mai 2007, Stand: März 2007, S. 5f (Beilage I. zur VS)
1.1.2. Politische Opposition:
Die Betätigungsmöglichkeiten für eine politische Opposition sind spürbar eingeschränkt. Am 24.11.2006 entschied das Wirtschaftsgericht, dass die oppositionelle Volksfrontpartei ihr Parteihauptquartier im Zentrum Bakus verlassen müsse, da sie dieses ohne Rechtsgrundlage nutze. Die Volksfront nutzte das betreffende Gebäude kostenfrei seit 1992, als unter einer Volksfrontregierung dieser Partei das betreffende Grundstück überlassen worden war. Die Nutzer dieses Gebäudes (neben der Partei auch die Parteizeitung "Azadliq", die Nachrichtenagentur Turan und weitere Nichtregierungsorganisationen) hatten sich mehrfach um den formellen Abschluss eines Mietvertrages bemüht und hatten ebenfalls ihre Bereitschaft bekundet, Miete zu zahlen. Im Januar 2007 verfügte die Volksfrontpartei immer noch nicht über eine eigene Parteizentrale, da die ihr von der Regierung zugewiesene Immobilie weit außerhalb der Stadt in einem nur schwer zugänglichen Gebiet liegt. Unter ähnlichen Umständen hatten bereits 1998 die Oppositionspartei ADP und 2003 die ebenfalls oppositionelle Müsawat ihre in der Innenstadt Bakus gelegenen Parteizentralen räumen müssen.
Sympathisanten zahlreicher Oppositionsparteien (insbesondere der nicht genehmen, von der Regierung nur als "radikale Opposition" bezeichneten Parteien wie Volksfront, ADP und Müsawat) können im täglichen Leben Benachteiligungen ausgesetzt sein. In Einzelfällen erreichen derartige Nachteile ein solches Maß, dass von staatlicher Repression gesprochen werden kann. Dies betrifft insbesondere solche Sympathisanten, die sich öffentlich - so z.B. bei nicht genehmigten Kundgebungen oder in von den Oppositionsparteien herausgegebenen Zeitungen - zu oppositionellen Parteien oder regierungskritischen Positionen bekennen.
Gerade in derartigen Fällen zeigt sich, dass der Grundsatz der Unschuldsvermutung, den die aserbaidschanische Verfassung in Art. 63 garantiert, in der Praxis nicht beachtet wird. Viele Erklärungen der Staatsanwaltschaft und des Innenministeriums enthalten in zahlreichen Einzelfällen Vorverurteilungen.
Natiq Effendiyev von der Oppositionspartei ADP wurde wegen illegalen Waffenbesitzes am 07.09.2006 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Seine Verhaftung erfolgte am 19.10.2005 im Zusammenhang mit einem angeblichen Putschversuch, an dem Rasul Guliyev, im Exil befindlicher Vorsitzender der ADP, die ehemaligen Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Farhad Aliyev, und für Gesundheit, Ali Insanov, sowie weitere Regierungsfunktionäre beteiligt gewesen sein sollen.
Die Vorwürfe, die im Zusammenhang mit der gescheiterten Rückkehr des Exilpolitikers Rasul Guliyev gegen Ex-Minister Farhad Aliyev erhoben wurden, legen den Schluss nahe, dass die aserbaidschanische Regierung durch die vorgenommenen Verhaftungen sich vermeintlicher Widersacher entledigen will. Einer gleichlautenden Erklärung von Generalstaatsanwalt und Innenminister zufolge wird Farhad Aliyev zur Last gelegt, die "radikale Opposition" finanziell unterstützt zu haben, was als Beteiligung an einem versuchten Staatsstreich ausgelegt wird. Farhad Aliyev befindet sich immer noch in Untersuchungshaft. Auch die Ermittlungen gegen Ali Insanov und Fikret Jusifov sind noch nicht abgeschlossen; letzterer wurde allerdings am 02.08.2006 wegen illegalen Waffenbesitzes bereits zu einer Haftstrafe von 18 Monaten verurteilt. Zeitweise waren im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Umsturzversuch vom Oktober 2006 bis zu 12 Personen in Haft.
Am 28.09.2006 bestätigte das Berufungsgericht hohe Haftstrafen für drei Mitglieder der Jugendorganisation "Yeni Fikir", die im Sommer 2005 verhaftet und am 13.07.2006 wegen Umsturzversuches zu sieben Jahren (Ruslan Baschirli), zu vier Jahren (Ramin Tagiyev) und zu einer Bewährungsstrafe von fünf Jahren (Said Nuri) verurteilt worden waren. Die OSZE hatte im Hinblick auf das erstinstanzliche Urteil kritisiert, dass der Strafprozess nicht internationalen Standards entsprach und unabhängige Prozessbeobachter an einigen Verhandlungstagen vom Prozess ausgeschlossen worden waren.
In Aserbaidschan gibt es immer noch politische Gefangene, die vor dem Beitritt Aserbaidschans zum Europarat verurteilt und die von den unabhängigen Experten Trechsel und Alkema in einem Gutachten im Auftrag des Europarates als "politische Gefangene" bezeichnet worden waren. Nachdem der Staatspräsident Ilham Aliyev zahlreiche politische Gefangene begnadigt hatte, hat sich die Zahl der von den Experten des Europarates anerkannten politischen Gefangenen auf drei reduziert. Auch im Jahre 2006 erließ der Staatspräsident zwei Dekrete zur Begnadigung von Häftlingen, unter denen sich auch Personen befanden, die nach Meinung von Menschenrechtsverteidigern als politische Gefangene gelten müssen. Derzeit befinden sich nach Ansicht von Menschenrechtsverteidigern noch ca. 75 "Altfälle" politischer Gefangener in Haft. Nach Ansicht der aserbaidschanischen Regierung handelt es sich hierbei aber um gewöhnliche Straftäter.
Quelle: Bericht des (dt.) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 7. Mai 2007, Stand: März 2007, S. 7f (Beilage I. zur VS)
1.1.3. Meinungs- und Pressefreiheit:
Auf den ersten Blick besteht in Aserbaidschan eine vielseitige und bunte Presselandschaft. In Baku erscheinen zahlreiche Zeitungen mit unterschiedlicher Ausrichtung. Einerseits existieren staatlich herausgegebene Tageszeitungen, die sich auf eine Berichterstattung über die Tätigkeit der Regierung beschränken. Auf der anderen Seite verfügt jede größere Oppositionspartei über ein eigenes Presseorgan. Ebenfalls erscheinen unabhängige Tageszeitungen, die keiner politischen Partei oder keinem Oligarchen zuzuordnen sind. Alle Zeitungen können in der Regel frei publizieren; eine Zensur findet nicht statt. Journalisten und Herausgeber der Oppositionszeitungen setzen sich jedoch im Falle kritischer Berichterstattung über Regierungsmitglieder der Gefahr aus, aufgrund ihrer Tätigkeit Nachteile zu erleiden, die teilweise bis zu Gefängnishaft gehen können. Ein probates Mittel der Einschüchterung von Journalisten sind Schadensersatzklagen und Strafverfahren wegen angeblicher (oder teilweise auch unbestreitbarer) Beleidigung von Regierungsvertretern. In 2006 hat es mehrere Fälle gegeben, in denen Journalisten auf der Grundlage derartiger Strafprozesse zu Gefängnisstrafen verurteilt worden sind (Shahin Agabeyli von der Zeitung "Milli Yol" und Samir Agozalov). Beide wurden am 21.10.2006 vom Staatspräsidenten begnadigt, nachdem sie ihre Strafe zum Teil verbüßt hatten. Ähnliche Klagen führten dazu, dass die betroffenen Journalisten zu Schadensersatzzahlungen, Geldbußen oder auf Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Grundlage derartiger Verurteilungen sind oftmals Zeitungsartikel, die auch nach westlichen Standards als beleidigend bezeichnet würden. So hatte die oben erwähnte Tageszeitung "Milli Yol" behauptet, der Innenminister sei in Verbrechen wie Mord und Entführungen verwickelt gewesen. In anderen Fällen erfolgten Verurteilungen für Aussagen, denen nur schwerlich ein beleidigender Charakter zuzuschreiben ist, wie beispielsweise ein Artikel der Zeitung "Müsawat", in der die Rede von US-amerikanischen Spionen war, die von Aserbaidschan in den Iran reisten.
Derartige Straf- und Zivilverfahren haben eine einschüchternde Wirkung auf kritische Journalisten. Verurteilungen zur Zahlung von Schadensersatz oder Geldbußen sind teilweise für Zeitungen in kommerzieller Hinsicht existenzbedrohend, da sich viele Zeitungen lediglich durch den Verkauf ihrer Druckerzeugnisse finanzieren können. Firmen wollen beispielsweise keine Anzeigen in oppositionellen Zeitungen veröffentlichen, da sie Repressionen befürchten.
Auch in 2006 ereigneten sich bewaffnete und gewalttätige Übergriffe auf Journalisten, bei denen nicht auszuschließen ist, dass sie in einem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Opfer stehen. Keiner der bekannt gewordenen Übergriffe ist bislang von der Polizei aufgeklärt worden. Das gilt im Übrigen auch für den im März 2005 verübten Mord an dem Journalisten Elmar Huseynov.
Aufgrund der niedrigen Auflage aserbaidschanischer Tageszeitungen kommt den elektronischen Medien eine besondere Bedeutung zu. In Aserbaidschan strahlen sechs aserbaidschanische TV-Sender landesweit terrestrisch aus, davon sind zwei staatlich (AzTV) bzw. öffentlich-rechtlich (ITV), und vier privat (LIDER, Space, ATV und ANS). Praktisch alle TV-Sender werden von der Regierung direkt (wie z. B. der staatliche TV-Sender AzTV) oder von regierungsnahen Oligarchen kontrolliert. Dies gilt beispielsweise für die privaten TV-Sender ATV, LIDER und Space. Daneben existieren noch einige regionale TV-Sender von nur untergeordneter Bedeutung.
Der TV-Sender ITV entstand im August 2005 im Wege einer Umwandlung des bisherigen staatlichen TV-Senders AzTV 2. Mit der Schaffung des öffentlich-rechtlichen TV-Senders ITV wollte Aserbaidschan eine der Verpflichtungen gegenüber dem Europarat erfüllen, die es bei der Aufnahme in diese Organisation übernommen hatte. Die Strukturen dieses Senders sollen westlichen Vorgaben an einen unabhängigen TV-Sender erfüllen (der Verwaltungsrat wurde vom Parlament gewählt), aber in der Praxis kontrolliert die Regierung weiterhin auch diesen Sender. Alle Mitglieder des Verwaltungsrates stehen der Regierung nahe.
Über Antenne waren bislang die ausländischen TV-Sender TRT 1, Samanyolu, Kanal D (alle
türkisch) und Pervij Kanal und RTR (russisch) in vielen Teilen des Landes zu empfangen.
Der aserbaidschanische Rundfunkrat ist jedoch fest entschlossen, die Ausstrahlung ausländischer TV-Sender in Aserbaidschan zu beschränken. Seit dem 03.01.2007 ist Kanal D nicht mehr in Aserbaidschan zu empfangen. STV, Pervij Kanal und RTR werden nach einer Entscheidung des Rundfunkrates zum 01.07.2007 nicht mehr in Aserbaidschan ausstrahlen dürfen.
Die aserbaidschanischen Behörden gehen ebenfalls gegen Publikationen im Internet vor. Am 12.01.2007 wurde Bachtiar Haciyev verhaftet, nachdem er auf seiner Webpage www.susmayaq.biz zu einer Protestkundgebung gegen Energiepreiserhöhungen aufgerufen hatte. Drei Tage später wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt.
Quelle: Bericht des (dt.) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 7. Mai 2007, Stand: März 2007, S. 9f (Beilage I. zur VS)
1.1.4. Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis, Folter:
Es lässt sich grundsätzlich keine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungsspraxis feststellen, die nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe diskriminiert. Personen, die des Umsturzversuches bezichtigt werden, müssen sich aber im besonderen Maße auf langjährige Haftstrafen gefasst machen.
Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass politisch motivierte Strafverfahren betrieben werden. Am 04.10.2006 wurde der Journalist und Satiriker der Zeitung "Azadliq", Mirza Sakit, wegen angeblichen Drogenbesitzes zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Nach eigenen Aussagen haben ihm Polizeibeamte die Betäubungsmittel untergeschoben. Diese Aussagen halten unabhängige Beobachter für glaubhaft. Es sind weitere Fälle bekannt, in denen Oppositionelle wegen Waffenbesitzes oder ähnlicher Delikte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sind. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch in diesen Fällen die Waffen bei den betroffenen Personen zum Zwecke der Strafverfolgung platziert wurden. Die aserbaidschanische Strafprozessordnung ermöglicht eine Untersuchungshaft bis zu einer Dauer von 18 Monaten. Die gegen den ehemaligen Minister Farhad Aliyev am 19.10.2005 verhängte Untersuchungshaft wurde am 12.10.2006 um weitere sechs Monate verlängert. Außer Farhad Aliyev sind noch weitere Personen wegen des Vorwurfs der Vorbereitung eines
Umsturzversuches für einen ähnlich langen Zeitraum in Untersuchungshaft.
Die Haftbedingungen in den Gefängnissen des Landes sind weiterhin schlecht. Es fehlt insbesondere an einer ordnungsgemäßen Versorgung der Häftlinge mit Lebensmitteln und Medikamenten. Der Zugang von Besuchern zu Strafgefangenen wird oftmals willkürlich geregelt; vielfach können Besucher ihre Verwandten nur nach Zahlung eines Bestechungsgeldes besuchen. Im Allgemeinen haben Strafgefangene nur unzureichend Gelegenheit, sich über ihre Haftbedingungen zu beschweren. Es ist nicht feststellbar, dass Haftbedingungen für politische Straftäter auffallend härter sind als die für andere Straftäter.
Auch Familienangehörige von Mitgliedern der Oppositionsparteien sind aufgrund des politischen Engagements ihres Verwandten oftmals Nachteilen ausgesetzt. So wurde Anfang Januar 2007 berichtet, dass der Ehefrau des wegen angeblichen Drogenbesitzes zu einer Freiheitsstrafe verurteilten Satirikers der Oppositionszeitung "Azadliq" Mirza Sakit die Ausstellung eines Personalausweises verweigert wurde.
Quelle: Bericht des (dt.) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 7. Mai 2007, Stand: März 2007, S. 12f (Beilage I. zur VS)
Folter ist in Aserbaidschan unzulässig. Ein durch Folter erlangter Beweis darf vor Gericht nicht verwendet werden. Aserbaidschan ist seit 1996 Vertragsstaat der Antifolterkonvention. In der Vergangenheit gab es zahlreiche Hinweise darauf, dass in Aserbaidschan verhaftete Personen im Polizeigewahrsam misshandelt worden sind. In einem Bericht des Komitees zur Verhütung von Folter des Europarates vom 07.12.2004 heißt es beispielsweise, dass von der Polizei verhaftete Personen misshandelt werden. Unabhängigen Beobachtern zufolge wird insbesondere die so genannte "falaka" praktiziert, die in Schlägen auf die Fußsohlen besteht und dazu führt, dass die so misshandelte Person ohne Hilfe für einen gewissen Zeitraum nicht mehr gehen kann. Auch die im Hinblick auf die Unruhen am 15.10.2003 festgenommenen Oppositionellen haben bestätigt, dass sie in der Haft misshandelt worden seien. Auf die Klage von Sardar Jalaloglu, dem Vorsitzenden der ADP, verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Aserbaidschan zu einer Zahlung von 10.000 Euro Schadensersatz (Entscheidung veröffentlicht am 11.01.2007). Das Gericht stellte in seiner Entscheidung fest, dass der Kläger in Haft misshandelt worden sei und dass die aserbaidschanischen Behörden es unterlassen haben, die von ihm behaupteten Misshandlungen zu untersuchen. Der am 19.10.2005 verhaftete und der oppositionellen ADP nahe stehende Natiq Effendiyev ist nach Angaben seines Rechtsanwaltes, der ihn in Haft aufgesucht hat, misshandelt worden. Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass die Sicherheitsbehörden auch weiterhin in ihrer Gewalt befindliche Personen misshandeln.
Quelle: Bericht des (dt.) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 7. Mai 2007, Stand: März 2007, S. 15f (Beilage I. zur VS)
1.1.5. Ausweichmöglichkeiten:
[Staatliche Repressionen] werden landesweit unterschiedslos praktiziert.
Quelle: Bericht des (dt.) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 7. Mai 2007, Stand: März 2007, S. 14 (Beilage I. zur VS)
1.1.6. Voraussetzungen zur Erlangung der Staatsbürgerschaft:
Gemäß Artikel 5 des Staatsbürgerschafts-Gesetzes (StbG) der Republik Aserbaidschan (RA) vom 30. September 1998 können folgende Personen als Staatsbürger betrachtet werden:
1. Personen, die vor der Verabschiedung dieses Gesetzes Staatsbürger Aserbaidschans waren. (auf Basis der Registrierung des Wohnsitzes)
2. Personen, die vor dem 1. Jänner 1992 nicht Staatsbürger Aserbaidschans oder einer anderen Republik waren, aber ihren Wohnort in Aserbaidschan registriert hatten. (gilt nur bei Antragstellung innerhalb eines Jahres ab Gesetzesbeschluss)
3. Flüchtlinge, die auf dem Gebiet Aserbaidschans zwischen 1. Jänner 1988 und 1. Jänner 1992 gelebt haben. (verlieren nicht das Recht, ins Herkunftsland zurückzukehren)
4. Personen, die die Staatsbürgerschaft gemäß diesem Gesetz angenommen haben.
(Law on Citizenship, 30. September 1998, Art. 5, Arbeitsübersetzung aus dem Englischen)
Gemäß Artikel 11 StbG können Personen die Staatsbürgerschaft erlangen
1) durch die Geburt in der Republik Aserbaidschan oder wenn mindestens ein Elternteil die Staatsbürgerschaft besitzt (vgl. auch Art. 1 StbG),
2) durch den Erwerb der Staatsbürgerschaft,
3) aufgrund bilateraler und multilateraler Verträge,
Gemäß Artikel 11 StbG können Personen die Staatsbürgerschaft erlangen
1) durch die Geburt in der Republik Aserbaidschan oder wenn mindestens ein Elternteil die Staatsbürgerschaft besitzt (vgl. auch Art. 1 StbG),
2) durch den Erwerb der Staatsbürgerschaft,
3) aufgrund bilateraler und multilateraler Verträge,
4) in Übereinstimmung mit anderen Bestimmungen des Gesetzes.
(Law on Citizenship, 30. September 1998, Art. 11, Arbeitsübersetzung aus dem Englischen)
Artikel 14 StbG besagt, dass Ausländer und Staatenlose, die seit 5 Jahren in der Republik Aserbaidschan leben und die Kenntnis der Landessprache nachweisen können, die Staatsbürgerschaft unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft, Nationalität, Geschlecht, Ausbildung, Sprache und politischer, religiöser oder sonstiger Einstellungen erwerben können.
(Law on Citizenship, 30. September 1998, Art. 14, Arbeitsübersetzung aus dem Englischen)
Laut Artikel 10 StbG wird die Zugehörigkeit eines aserbaidschanischen Staatsbürgers zu einem anderen Staat nicht anerkannt.
(Law on Citizenship, 30. September 1998, Art. 10, Arbeitsübersetzung aus dem Englischen)
In seinem Bericht zu Aserbaidschan vom Juni 2002 erwähnt die European Commission against Racism and Intolerance (ECRI) des Europarats, dass auf der Basis von Artikel 5 StbG aserbaidschanische Flüchtlinge aus Armenien, mesketische Türken und früher staatenlose politische Flüchtlinge aus dem Iran die Staatsbürgerschaft erhalten hätten. Angaben von Behörden zufolge hätten seit Bestehen des Gesetzes 48 Personen die Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung nach Artikel 14 StbG erhalten. (ECRI, 26.06.2002)
Die Commission on Human Security stellt in einem Bericht vom November 2002 fest, dass Kindern tschetschenischer Flüchtlinge, die in Lagern in Aserbaidschans lebten, von Regierungsbeamten im Widerspruch zu Artikel 1 StbG die Staatsbürgerschaft verwehrt worden sei. 86% der 40.000 in Aserbaidschan lebenden Mesketen hätten die Staatsbürgerschaft erhalten.
(Commission on Human Security, November 2002, S. 6-7)
Quelle: ACCORD Anfragebeantwortung vom 26. April 2004 "Aserbaidschan: Voraussetzungen zur Erlangung der Staatsbürgerschaft", Zahl a-3806, AS 51f
1.2. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist staatenlos, moslemischen Glaubens und trägt den im Spruch angeführten Namen. Die Eltern des Beschwerdeführers lebten ursprünglich im Iran, flüchteten jedoch aus politischen Gründen nach Aserbaidschan, wo der Beschwerdeführer am 00.00. 1964 in der Siedlung Z. geboren wurde. Dort lebte er bis 1981 und danach in Baku. Nach dem Sturz des letzten Schahs kehrte der Beschwerdeführer im Jahre 1985 mit seinen Eltern und seinem 1976 geborenen Bruder in den Iran zurück. Dort wurden sie aufgrund ihres langjährigen Aufenthaltes in Aserbaidschan als Kommunisten betrachtet und ihnen deswegen ua. die Ausstellung von Dokumenten bzw. die Verleihung der iranischen Staatsbürgerschaft verweigert. Als Ende 1989 auf Initiative der nationalistischen "Volksfront Aserbaidschans" die Grenzbefestigungen zwischen der UdSSR und Iran auf einer Länge von ca. 700 km zerstört wurden, kam es massenhaft zu illegalen Grenzüberschreitungen in Richtung Iran bzw. Süd-Aserbaidschan. Auch der Beschwerdeführer konnte so mit seinen Eltern und seinem Bruder im Februar 1990 nach Aserbaidschan zurückkehren, wo sie zunächst bis 1993 in S. und danach (wieder) in Baku lebten. Danach suchte der Beschwerdeführer um Verleihung der aserbaidschanischen Staatsbürgerschaft an. Seit 1991 lebte er mit seiner nunmehrigen Ehefrau A. Z. (GZ 251.520) zusammen, der als Tochter iranischer Flüchtlinge am 15. März 1989 von den aserbaidschanischen Behörden ein Ausweis für Staatenlose ausgestellt worden war. Am 9. November 1991 kam der gemeinsame Sohn H. Mi. zur Welt. Am 25. Juni 1992 wurde dem Beschwerdeführer ein Ausweis für Staatenlosen ausgestellt; er suchte zur Wahrung seiner staatsbürgerlichen Rechte weiterhin, jedoch erfolgslos um die aserbaidschanische Staatsbürgerschaft an. Ab dem Jahre 1993 wurden der Beschwerdeführer und sein Vater regelmäßig von aserbaidschanischen Sicherheitskräften in ziviler Kleidung aufgesucht und unter Schlägen bzw. Fußtritten zu ihrem Aufenthalt im Iran verhört. Man warf ihnen vor, im Iran ausgebildet worden zu sein, um nun in Aserbaidschan als Spione für den Iran tätig zu sein. Dem Beschwerdeführer wurden seine schriftlichen Ersuche um Verleihung der aserbaidschanischen Staatsbürgerschaft, in denen er auch die Übergriffe im Zusammenhang mit dem Spionagevorwurf erwähnte, gezeigt, und ihm gesagt, dass er damit nichts erreichen werde. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 2002 nahmen die Übergriffe gegenüber dem Beschwerdeführer zu. Als es schließlich zu Morddrohungen gegenüber dem Sohn des Beschwerdeführers kam, flüchtete der Beschwerdeführer am 15. Juli 2003 mit seiner Ehefrau und seinem Sohn aus Aserbaidschan.
Am 00.00. 2006 kam seine Tochter H. Z. (GZ 308.432) in Österreich zur Welt.
2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus folgender Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Situation in Aserbaidschan stützen sich auf die zitierten Quellen. Angesichts der Seriosität dieser Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen die Verfahrensparteien nicht entgegengetreten sind, besteht für den Asylgerichtshof kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.
2.2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinem glaubwürdigen Vorbringen, der vorgelegten Heiratsurkunde (siehe dazu B3 251.520/0/3-IX/49/04) sowie dem vorgelegten Ausweis für Staatenlose. Dass der Beschwerdeführer weder über die iranische noch über die aserbaidschanische (oder eine sonstige) Staatsbürgerschaft verfügt, ergibt sich ebenfalls aus dem vorgelegten Ausweis für Staatenlose bzw. aus dem oben unter Punkt I.2. angeführten Gutachten der Ländersachverständigen Dr. T. S..
2.2.2. Im Gegensatz zur Ansicht des Bundesasylamtes ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit nicht abzusprechen: Das Bundesasylamt argumentierte zunächst (nur), die Angaben des Beschwerdeführers seien "abstrakt und allgemein gehalten". Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass bei Einbeziehung des persönlichen Eindrucks, der in der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer und seiner Ehefrau gewonnen werden konnte, deren Angaben zu den Geschehnissen in Aserbaidschan Glaubwürdigkeit zuzubilligen ist; die diesbezüglichen Angaben erweisen sich als detailreich, frei von Widersprüchen und stellen sich - vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen zu den Verhältnissen in Aserbaidschan - auch als plausibel dar. Dass der Beschwerdeführer - wie das Bundesasylamt meint - nicht nachvollziehbar darlegen habe können, warum gerade er mit seiner Familie das Land verlassen habe müssen, seine Mutter und sein Bruder allerdings nicht, wurde vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung glaubhaft entkräftet. So gab er nachvollziehbar an, dass das Interesse der Beamten (zumindest nach dem Tod seines Vaters) ausschließlich in seiner selbst gelegen war, da ihm als männliches Familienoberhaupt wegen seines mehrjährigen Aufenthaltes im Iran vorgeworfen wurde, nun als Spion für den Iran tätig zu sein. Dass beispielsweise der 1976 geborene Bruder keinen derartigen Übergriffen ausgesetzt war, erscheint anhand dessen Alters zum Zeitpunkt des Iranaufenthaltes als plausibel. Die Behauptung des Bundesasylamtes, dass die Beamten - um glaubwürdig zu bleiben - "ihre Drohungen schon wesentlich früher wahr gemacht hätten", erweist sich als nicht schlüssig bzw. ist nicht klar, worauf sich diese Aussage bezieht. Einerseits ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bereits vor dem Bundesasylamt schilderte, man wollte ihn provozieren, um ihn verhaften zu können, andererseits gab er ohnedies an, mehrfach geschlagen und getreten worden zu sein. Sofern schließlich vom Bundesaylamt angeführt wird, dass dem Beschwerdeführer laut aserbaidschanischen StbG 1998 das Recht auf Verleihung der Staatsbürgerschaft zugestanden wäre, er sich aber dennoch keines Rechtsbeistandes bediente, ist dies im Lichte der oben unter Punkt
1.1.1. getroffenen Feststellungen zur Rechtswirklichkeit in Aserbaidschan kein stichhaltiges Argument die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in Zweifel zu ziehen (vgl. darüber hinaus auch die unter Punkt 1.1.4. getroffenen Feststellungen, wonach der Ehefrau eines wegen angeblichen Drogenbesitzes verurteilten Oppositionspolitikers die Ausstellung eines Personalausweises verweigert wurde).
3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
3.1. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I 4/2008, in der Folge:
AsylGHG) ist auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 AsylG 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieses Gericht gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).
3.2.1. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
3.2.2. Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor der nunmehr zuständigen Richterin stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.
3.3.1. Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen.
3.3.2. Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag am 25. Juli 2003 gestellt. Das vorliegende Verfahren war am 31. Dezember 2005 anhängig; es ist daher nach dem AsylG idF BG BGBl. I Nr. 126/2002 zu führen.
3.4.1. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
3.4.2. Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.3.1999, 98/01/0352). Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).
3.4.3.1. Wie sich aus den unter II.1.2. getroffenen Feststellungen ergibt, verfügt der Beschwerdeführer über keine Staatsbürgerschaft, verbrachte aber - abgesehen von seinem Aufenthalt im Iran von 1985 bis 1990 - sein gesamtes Leben bis zu seiner Ausreise im Jahr 2003 (legal) immer in Aserbaidschan. Somit ist Aserbaidschan der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes und daher der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers im Sinne des § 1 Z 4 AsylG.
3.4.3.2. Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen zur Situation in Aserbaidschan besteht für den Beschwerdeführer angesichts des zu seinen Asylgründen festgestellten Sachverhalts eine objektiv nachvollziehbare Verfolgungsgefahr: Der Beschwerdeführer war in Aserbaidschan aufgrund des Vorwurfs wegen seines mehrjährigen Aufenthaltes im Iran nunmehr als Spion für den Iran tätig zu sein - und damit einer ihm unterstellten politischen (staatsfeindlichen) Gesinnung - zahlreichen Übergriffen ausgesetzt. Bei einer Rückkehr läuft er Gefahr, mit der hier erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit wieder Übergriffen von asylrelevanter Intensität ausgesetzt zu sein. Zusätzlich wurde ihm von seinen Verfolgern signalisiert, dass er mit seinen Anträgen auf Ausstellung der aserbaidschanischen Staatsbürgerschaft - trotz gesetzlichen Anspruches nach Art. 5 Z 2 oder Z 3 bzw. Art. 14 (aserbaidschanisches) StbG (siehe oben Punkt 1.1.6.) - nichts erreichen werde und er daher keine rechtliche Gleichstellung mit aserbaidschanischen Staatsbürgern zur Verteidigung seiner Grundrechte erlangen könnte.
Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass staatliche Repressionen landesweit praktiziert werden. Damit ist es dem Beschwerdeführer nicht möglich, sich anderwärts in Aserbaidschan niederzulassen.
3.5. Zusammenfassend ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht, wegen der ihm unterstellten politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb der Republik Aserbaidschans aufhält und dass auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt. Gemäß § 12 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.