TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/19 B16 314884-1/2008

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Veröffentlicht am 19.11.2008
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Spruch

B16 314.884-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Nowak als Einzelrichter über die Beschwerde des H.H., geb. 00.00.2006, StA. nunmehr Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.09.2007, FZ. 06 08.366-BAL zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von H.H. in den Kosovo nicht zulässig ist.

 

III. Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 wird H.H. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.11.2009 erteilt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

I.

 

1. VERFAHRENSGANG:

 

1.1. Der minderjährige Beschwerdeführer wurde am 00.00.2006 in Österreich geboren. Er brachte, vertreten durch seine Eltern als ihre gesetzlichen Vertreter, diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hochleitner, am 11.08.2006 einen Asylantrag ein.

 

1.2. Mit Bescheid der Erstbehörde vom 10.09.2007, Zahl 06 08.366-BAL, wurde der Asylantrag des minderjährigen Beschwerdeführers im Spruchteil I. gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005 abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Im Spruchteil II. wurde ihm gemäß § 8 Abs 1 Z 1 iVm § 34 Abs 3 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und er wurde gemäß § 10 Abs 1 Z 2AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien Provinz Kosovo ausgewiesen.

 

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine gesetzlichen Vertreter, fristgerecht Berufung, nunmehr Beschwerde.

 

2. SACHVERHALT

 

2.1. Zur Person des minderjährigen Beschwerdeführers wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist nunmehr kosovarischer Staatsangehöriger.

 

Er wurde am 00.00.2006 in Österreich als Sohn von H.B. und H.S. geboren.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.10.2004, Zahl 03 31.924-BAL wurde unter Spruchteil I der Asylantrag der Mutter des Beschwerdeführers vom 15.10.2003 gemäß § 7 AsylG abgewiesen, unter Spruchteil II die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Mutter des Beschwerdeführers nach Serbien und Montenegro in die Provinz Kosovo gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ausgesprochen und unter Spruchteil III gemäß § 8 Abs. 2 AsylG die Mutter des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.09.2007, Zl. 06 08.366-BAL wies das Bundeasasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Asyl gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG ab.

 

Der Asylgerichtshof gab in seinem Erkenntnis 19.11.2008, Zahl B16 211.694-5/2008/2E, der gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Mutter des Beschwerdeführers erhobenen Beschwerde gemäß § 7 AsylG statt und stellte gemäß § 8 AsylG 1997 fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Mutter des Beschwerdeführers in den Kosovo nicht zulässig ist. Ihr wurde gemäß § 15 AsylG 1997 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.11.2009 erteilt.

 

Die soeben angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem Asylakt und den Angaben der Mutter des Beschwerdeführers, dem gegenständlichen Akt sowie dem AIS.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Im vorliegenden Verfahren hat zwar keine mündliche Verhandlung vor dem 1. Juli 2008 stattgefunden, dennoch ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen. Dies ergibt sich daraus, dass ein Familienverfahren vorliegt und die das Familienverfahren betreffenden Akten unter einem zu führen sind. Da im Verfahren der Mutter des Beschwerdeführers bereits eine mündliche Verhandlung vor dem 1.Juli 2008 stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof - soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr.10, nichts anderes ergibt - die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, das an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 (idF. BGBI. I Nr. 101/2003) gilt.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. 101/2003 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt. Anträge die danach gestellt wurden nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes idF. BGBI. I Nr. 101/2003.

 

Alle übrigen Verfahren werden nach den Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (BGBl. 100/2005) geführt.

 

2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Der Status eines Asylberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.

 

Flüchtling i.S.d. AsylG ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die " begründete Furcht vor Verfolgung".

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht, (zB VwGH vom 19.12.1995, 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998, 98/01/0262).

 

Die gesetzlichen Vertreter brachten keine eigenen Fluchtgründe für den Beschwerdeführer vor. Weitere Anhaltspunkte, welche auf Fluchtgründe im Sinne der GFK schließen ließen, fanden sich darin nicht, weil der Asylantrag vielmehr der Wahrung des Familienlebens diente.

 

3. § 34 Abs. 1 AsylG lautet:

 

"Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist; einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes."

 

Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Entscheidungsrelevante Tatbestandsmerkmale sind "die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art 8 MRK", der Umstand, dass dieses Familienleben mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht zumutbar ist und das dem Antragsteller nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art 8 MRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention (vgl. EGMR, Urteil v. 13.6.1997, Fall MARCKX, Ser. A, VOL. 31, Seite 14, § 31).

 

Nach dem oben zitierten EGMR-Urteil sind sowohl die Beziehungen der Eltern untereinander, als auch jeweils jene zu den Kindern durch Art 8 MRK geschützte familiäre Bande. Bei einer diesbezüglichen Familie ergeben sich die von der MRK-Rechtsprechung zusätzlich geforderten engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander aus ihrem alltäglichen Zusammenleben, gemeinsamer Sorge und Verantwortung füreinander, sowie finanzieller und anderer Abhängigkeit.

 

Wie den oben getroffenen Feststellungen zu entnehmen ist, ist der Beschwerdeführer der minderjährige Sohn der H.S. Der Mutter des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes subsidiärer Schutz gewährt. Da überdies keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer die Fortsetzung seines Familienlebens mit dem asylberechtigten Angehörigen in einem anderen Staat möglich wäre, war dem Beschwerdeführer spruchgemäß subsidiärer Schutz zu gewähren.

 

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist die Entscheidung über die Gewährung des subsidiären Schutzes mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen ist. In gegenständlichem Fall war diese in Bezug auf ihre Dauer an die Befristung der der Mutter gewährten Berechtigung anzulehnen.

Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung, Familienverfahren, subsidiärer Schutz
Zuletzt aktualisiert am
11.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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