TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/19 B3 251518-0/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.11.2008
beobachten
merken
Spruch

B3 251.518-0/2008/5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde von H. M., geboren am 00.00. 1991, staatenlos, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Juli 2004, Zl. 03 22.360-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13. März 2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und H. M., gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BG BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG), Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg. cit. wird festgestellt, dass H. M., damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der minderjährige Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seinen Eltern am 25. Juli 2003 in das Bundesgebiet ein. An diesem Tag stellte seine Mutter als seine gesetzliche Vertretung für ihn am 25. Juli 2003 durch Ausfüllen des "Formular Asylantrag" einen Asylantrag. Bei ihrer Einvernahme am 8. April 2004 vor dem Bundesasylamt gab sie nach erfolgter Belehrung an, für den Beschwerdeführer mangels eigener Fluchtgründe einen Asylerstreckungsantrag auf das Verfahren seines Vaters zu stellen (AS 21). Das niederschriftliche Protokoll über die am 28. Juni 2004 stattgefundene Einvernahme seiner Mutter enthält folgenden Passus:

"F: Falls Sie gesetzliche Vertreterin für Ihren Sohn sind, haben Sie etwas dagegen, dass auch der von Ihnen für Ihren Sohn in einen Asylerstreckungsantrag umgewandelte Asylantrag als eigener Asylantrag behandelt wird? A: Nein. Wir gehören zusammen...".

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den "Asylantrag von H. M. vom 25.07.2003" gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF BG BGBl. I Nr. 126/2002 ab (Spruchteil I.), erklärte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Aserbaidschan für zulässig (Spruchteil II.) und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchteil III.).

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte Berufung, die nunmehr als Beschwerde zu werten ist (vgl. dazu weiter unten). Am 13. März 2008 führte die Rechtsmittelbehörde in der Sache des Beschwerdeführers eine - gemäß § 39 Abs. 2 AVG mit den Verfahren seiner Eltern und seiner (nachgeborenen) minderjährigen Schwester verbundene - öffentliche mündliche Verhandlung durch.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Festgestellt wird:

 

Der Beschwerdeführer ist der minderjährige, unverheiratete Sohn von H. Mi., dessen Beschwerde der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tag, GZ: B3 251.521-0/2008/9E, Folge gegeben und Herrn H. Mi. Asyl gewährt hat.

 

2. Dies ergibt sich aus den Asylakten des Beschwerdeführers und seines Vaters.

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I 4/2008, in der Folge:

AsylGHG) ist auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 AsylG 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieses Gericht gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

3.2.1. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

3.2.2. Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor der nunmehr zuständigen Richterin stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.

 

3.3.1. Gemäß § 23 Abs. 3 AsylG ist die Zurückziehung eines Asylantrages unzulässig; die Behörde hat jedenfalls über den Asylantrag abzusprechen, es sei denn, das Verfahren werde eingestellt oder der Antrag werde als gegenstandslos abgelegt (diese letzte Ausnahme betrifft die Anträge von Asylwerbern, denen Rückkehrhilfe gewährt worden ist: § 31 Abs. 3 AsylG). Gemäß § 31 Abs. 2 AsylG sind "Anträge auf Zurückziehung des Asylantrages [...] nach entsprechender Belehrung des Asylwerbers über die Rechtsfolgen als gegenstandslos abzulegen". § 23 Abs. 3 AsylG ist gemäß § 44 Abs. 3 AsylG auch in Verfahren über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge anzuwenden, die bis zum 30. April 2004 gestellt worden sind. (Dasselbe muss für § 31 Abs. 3 AsylG gelten. Er wird zwar in § 44 Abs. 3 AsylG nicht genannt, doch handelt es sich dabei offenbar um ein Redaktionsversehen. § 23 Abs. 3 AsylG verweist nämlich auf "§ 40 a Abs. 3". Einen solchen Absatz gibt es nicht; als § 40 a Abs. 3 war aber im Ministerialentwurf zur AsylGNov. 2003 noch der nunmehrige § 31 Abs. 3 AsylG vorgesehen gewesen, auf den sich die Verweisung daher offenbar bezieht. § 40 a AsylG - und damit auch der jetzige § 31 Abs. 3 AsylG - wird aber wie § 23 Abs. 3 AsylG in § 44 Abs. 3 AsylG genannt).

 

3.3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG begehren Fremde, die in Österreich Schutz vor Verfolgung iSd Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention) suchen, mit einem Asylantrag die Gewährung von Asyl. Gemäß § 10 AsylG (idF vor der AsylGNov. 2003) dagegen begehren Fremde "mit einem Asylerstreckungsantrag die Erstreckung des einem Angehörigen auf Grund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährten Asyl".

 

Das Gesetz (nämlich das AsylG idF vor der AsylGNov. 2003) unterscheidet somit zwischen "Asylanträgen" (im eigentlichen Sinn) und "Asylerstreckungsanträgen" und knüpft an diese beiden Typen von Anträgen unterschiedliche Rechtsfolgen. So gelten Asylerstreckungsanträge unter bestimmten Voraussetzungen als Asylanträge, wenn (und sobald) jener Asylantrag, auf den sie sich beziehen, negativ beschieden wird (§ 11 Abs. 2 zweiter Satz AsylG). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes spricht davon, dass der Erstreckungsantrag von Gesetzes wegen in einen Asylantrag umgedeutet wird (VwGH 27.1.2000, 98/20/0581; 22.7.2004, 2004/20/0132; 4.11.2004, 2003/20/0395). Wird ein Asylantrag abgewiesen, so muss die Asylbehörde feststellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat zulässig ist (§ 8 Abs. 1 AsylG), bei der Abweisung von Erstreckungsanträgen ist dies nicht vorgesehen (VwGH 6.10.1999, 99/01/0219; 15.10.2003, 2002/21/0075; vgl. auch VwGH 20.4.2006, 2005/18/0623). § 11 Abs. 3 AsylG regelt die Reihenfolge, in der ein Asylantrag und ein Asylerstreckungsantrag derselben Person zu behandeln sind, wenn der Erstreckungsantrag erst später gestellt wird. Nach § 11 Abs. 4 AsylG treten Bescheide, mit denen Asyl durch Erstreckung gewährt worden ist, außer Kraft, wenn den Asylberechtigten Asyl auf Grund Asylantrags gewährt wird. § 14 Abs. 1 Z 2 AsylG normiert als Verlusttatbestand, dass, wenn Asyl durch Erstreckung gewährt worden ist, der hiefür maßgebliche Grund weggefallen ist und kein anderer Grund für Asylerstreckung besteht.

§ 32 Abs. 1 AsylG endlich schließt eine Berufung gegen Bescheide, mit denen Asylerstreckungsanträge abgewiesen werden, im abgekürzten Berufungsverfahren aus, fingiert aber eine Berufung auf Grund der Anfechtung jenes Bescheides, mit dem der Asylantrag selbst abgewiesen wird.

 

Da das Gesetz somit an Asylanträge und an Erstreckungsanträge unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft und für sie unterschiedliche Verfahrensbestimmungen vorsieht, muss genau unterschieden werden, ob es sich bei einem Antrag um einen Asylantrag iSd § 3 AsylG oder um einen Asylerstreckungsantrag iSd § 10 AsylG handelt. Wie ein Anbringen in dieser Hinsicht zu beurteilen ist, dafür sind sein Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des darin gestellten Begehrens maßgebend. Es kommt nicht auf Bezeichnungen und zufällige verbale Formen an, sondern auf den Inhalt des Anbringens und das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteienschrittes (VwGH 8.4.1992, 91/13/0123; 5.7.1999, 99/16/0115; 25.9.2002, 2000/12/0315; 28.1.2003, 2001/14/0229).

 

3.3.2.2. Die Mutter des Beschwerdeführers kreuzte bei Ausfüllen des "Formular Asylantrag" - auf dem festgehalten ist, dass selbiges "selbstständig, ohne Hilfe fremder Personen" auszufüllen ist - am 25. Juli 2003 "Asylantrag" und nicht "Asylerstreckungsantrag" an. Da es jedoch unrealistisch wäre, von einem Fremden, der die österreichische Staatsgrenze vor kurzem überschritten hat, zu erwarten, dass er über den Unterschied zwischen Asylanträgen und Asylerstreckungsanträgen ausreichend unterrichtet ist, kommt der Präzisierung in einer nachfolgenden Einvernahme erhöhter Stellenwert zu (vgl. UBAS 30.7.2007, 255.528/0/5E-X/47/04). Nach eingehender Manuduktion erklärte die Mutter des Beschwerdeführers am 8. April 2004 vor dem Bundesasylamt ausdrücklich für ihn einen Asylerstreckungsantrag auf das Verfahren des Vaters des Beschwerdeführers zu stellen; es ist daher davon auszugehen, dass bereits mit 25. Juli 2003 ein Asylerstreckungsantrag bezogen auf das Verfahren des Vaters vorlag (selbst wenn man aber davon ausgehen sollte, dass die Mutter des Beschwerdeführers für diesen zunächst einen eigenen Asylantrag gestellt hätte, wäre dies im vorliegenden Fall im Ergebnis ohne anderweitige Konsequenzen, da diesfalls von einer Zurückziehung des Antrages unter gleichzeitiger Stellung eines Asylerstreckungsantrages auszugehen wäre und § 23 Abs. 3 des Asylgesetzes idF nach der Novelle 2003 zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwendbar war; vgl. hierzu auch die nachfolgenden Ausführungen).

 

3.3.2.3. Vor diesem Hintergrund ist nunmehr zu prüfen, wie die Erklärung der Mutter des Beschwerdeführers in der Einvernahme am 28. Juni 2004, wonach sie keine Einwände habe, dass der Asylerstreckungsantrag des Sohnes als eigener Asylantrag behandelt wird, rechtlich zu deuten ist.

 

Nach § 13 Abs. 8 AVG (in der damals wie heute gleichlautenden Fassung) kann der verfahrenseinleitende Antrag in jeder Lage des Verfahrens geändert werden, durch die Antragsänderung darf die Sache "ihrem Wesen nach" jedoch nicht geändert werden. Der Asylgerichtshof geht davon aus, dass die Verfahrensgegenstände eines Asylantrages und eines Asylerstreckungsantrages "ihrem Wesen nach" unterschiedlich sind; dies ergibt sich aus den oben unter 3.3.2.1. aufgezählten Unterschieden in den anzuwendenden Rechtsnormen und den Rechtsfolgen (anders läge es, wenn der Familienangehörige, auf den sich der Erstreckungsantrag bezieht, "ausgetauscht" werden soll:

VwGH 25.4.2007, 2007/20/0366). Die Erläuterungen zum Bericht des parlamentarischen Ausschusses, auf dessen Antrag § 13 Abs. 8 AVG zurückgeht (1167 BlgNR 20. GP, 28), lassen erkennen, dass vor allem an Änderungen von "Projekten" - als solche kommen Anbringen um Asyl nach dem Sprachgebrauch wohl nicht in erster Linie in Frage - gedacht war: "Eben solche Antragsänderungen (Änderungen des ¿Vorhabens' [§ 42 Abs. 1 AVG] oder, nach heutigem Sprachgebrauch, des Projekts) sind es, die durch Abs. 8 nunmehr grundsätzlich ermöglicht werden sollen (vgl. § 356 a GewO 1994)." Dass der Ausdruck "Wesen" nicht besonders deutlich ist, räumen letztlich auch die Materialien ein (1167 BlgNR 20. GP, 28): "Wo die Grenze zwischen einer das ¿Wesen' der Sache nicht berührenden, künftig zulässigen Antragsänderung (Projektänderung) und einer auch weiterhin unzulässigen ¿Antragsänderung', die sich in Wahrheit als Beantragung eines ¿anderen' Vorhabens (Projekts) darstellt, verläuft, kann nicht allgemein gesagt werden [...] und wird auch weiterhin letztlich vom Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden sein. Der Gesetzgeber muss sich zwangsläufig darauf beschränken, die Möglichkeit der Antragsänderung gesetzlich vorzusehen und die prinzipielle ¿Änderungsfreundlichkeit' des Gesetzes ausdrücklich hervorzuheben

[...]."

 

Die Erklärung der Mutter des Beschwerdeführers am 28. Juni 2004 kann daher, da das "Wesen" der Sache berührt würde, nicht als Änderung des Antragsgegenstandes iSd § 13 Abs. 8 AVG verstanden werden. Es liegt somit nahe anzunehmen, dass sie ihren Erstreckungsantrag zurückziehen und einen Asylantrag stellen wollte. Der Zurückziehung des Antrags steht jedoch § 23 Abs. 3 AsylG entgegen, der, da die Einvernahme nach dem 30. April 2004 stattfand, auf diesen Asylerstreckungsantrag anzuwenden war. Einen eigenen Asylantrag zu stellen, hindert diese Bestimmung jedoch nicht. Der Asylgerichtshof kommt daher zum Ergebnis, dass ab dem 28. Juni 2004 ein Erstreckungsantrag des Beschwerdeführers vom 25. Juli 2003 - bezogen auf den Asylantrag seines Vaters - und ein Asylantrag vom 28. Juni 2004 zu entscheiden waren.

 

Freilich ist nach § 23 Abs. 3 AsylG die Zurückziehung von Asylanträgen, nicht aber ausdrücklich auch jene von Asylerstreckungsanträgen unzulässig. Das erklärt sich grundsätzlich daraus, dass nach dem AsylG idF der AsylGNov. 2003 - auf diese Fassung geht § 23 Abs. 3 AsylG ja zurück - Asylerstreckungsanträge gar nicht vorgesehen sind. Daraus ergibt sich aber noch nicht ohne Weiteres, dass § 23 Abs. 3 AsylG gemäß § 44 Abs. 3 AsylG auf "alte" Asylerstreckungsanträge anwendbar ist. Das Motiv der Einführung dieser Bestimmung, nämlich dem Missbrauch durch Zurückziehung und Stellung eines neuen Asylantrages zu steuern (Erläut. zur RV, 120 BlgNR 22. GP, 17), würde bei der Zurückziehung von Asylerstreckungsanträgen nicht greifen, da sie ohnedies nicht neu gestellt werden können, ein neuer Asylantrag aber jedenfalls zulässig ist, stützt er sich doch auf andere Behauptungen.

 

Dies kann hier jedoch dahingestellt bleiben: Sollte die Zurückziehung eines Erstreckungsantrages auch ab dem 1. Mai 2004 (weiterhin) zulässig sein, so wurde der Erstreckungsantrag des Beschwerdeführers wirksam zurückgezogen und nach dem 28. Juni 2004 war nur über den Asylantrag zu entscheiden.

 

Dem Gesagten ist dabei anzumerken, dass der Asylgerichtshof keineswegs verkennt, dass die Erklärung der Mutter des Beschwerdeführers vom 28. Juni 2004 vor dem Hintergrund der rechtlichen Belehrung durch das Bundesasylamt zu sehen ist, wonach Asylerstreckungsanträge nicht mehr vorgesehen seien (vgl. etwa die Aussage der Mutter in der mündlichen Verhandlung am 13. März 2008, wonach sie für sich und ihren Sohn immer nur einen Asylerstreckungsantrag auf das Verfahren ihres Ehemannes habe stellen wollen). Dennoch meint die Rechtsmittelbehörde, die Erklärung der Mutter des Beschwerdeführers nach ihrem Erklärungswert beurteilen zu müssen (und nicht etwa von einer Art Willensmangel ausgehen zu sollen). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 18.6.1996, 94/04/0183 mwN; 28.1.2003, 2001/14/0229 mwN) ist nämlich das Verfahrensrecht von dem Grundsatz beherrscht, dass es in der Interpretation von Parteienerklärungen auf das Erklärte ankommt und nicht auf die der Erklärung zugrundeliegenden Motive (vgl. auch VwGH 23.5.1996, 96/07/0031; 21.12.2000, 2000/01/0057 mwN; 18.5.2006, 2003/16/0009).

 

3.3.2.4. Im Ergebnis hat der Beschwerdeführer (durch seine gesetzliche Vertretung) seinen Asylerstreckungsantrag am 25. Juli 2003 gestellt, somit vor dem 1. Mai 2004; das Verfahren über diesen Antrag war daher nach dem AsylG idF vor der AsylGNov. 2003 zu führen. Dagegen wurde sein Asylantrag nicht vor dem 1. Mai 2004 gestellt; das Verfahren über diesen Antrag war am 31. Dezember 2005 anhängig; das Verfahren ist daher nach dem AsylG idF der AsylGNov. 2003 zu führen.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde, wie sich aus Spruch und Begründung ergibt, über den Asylantrag des Beschwerdeführers entschieden, der Erstreckungsantrag ist weiterhin offen (falls man nicht davon ausgeht, dass er wirksam zurückgezogen worden ist). Daran ändert es nichts, dass das Bundeasylamt auf diesen Asylantrag zu Unrecht die Rechtslage vor der AsylGNov. 2003 anwandte, offenbar, weil es davon ausging, dass eine "Umwandlung" des Erstreckungsantrages in einen Asylantrag zulässig sei und auch vorlag und dass auf diesen Asylantrag die Rechtslage anzuwenden sei, die auf den Erstreckungsantrag anzuwenden gewesen war.

 

3.4.1. § 10 AsylG lautet:

 

"(1) Familienangehörige (§ 1 Z 6) eines

 

1. Asylberechtigten;

 

2. subsidiär Schutzberechtigten (§§ 8 in Verbindung mit 15) oder

 

3. Asylwerbers

 

stellen einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Für Ehegatten gilt dies überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den ersten Asylantrag eingebracht hat.

 

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages Familienangehörigen eines Asylberechtigten mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid den gleichen Schutzumfang zu gewähren, es sei denn, dem Antragsteller ist gemäß § 3 Asyl zu gewähren. Abs. 2 gilt.

 

(4) Befindet sich der Familienangehörige eines subsidiär Schutzberechtigten im Ausland, kann der Antrag auf Gewährung desselben Schutzes gemäß § 16 drei Jahre nach Schutzgewährung gestellt werden.

 

(5) Die Behörde hat Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz, wobei die Gewährung von Asyl vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält einen gesonderten Bescheid."

 

Gemäß § 1 Z 6 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist.

 

3.4.2. Da der Vater des Beschwerdeführers seinen Asylantrag vor dem 1. Mai 2004 gestellt hat, ist das Verfahren über dessen Asylantrag - anders als das über den Asylantrag des Beschwerdeführers - nach dem Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 zu führen. § 10 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 ist im Verfahren des Vaters nicht anzuwenden. Stellen Mitglieder einer Kernfamilie ihre Asylanträge teils vor, teils ab dem 1. Mai 2004, so entsteht eine Situation, die in den Übergangsbestimmungen der Asylgesetznovelle 2003 nicht ausdrücklich geregelt worden ist. So ist nicht vorgesehen, dass § 10 AsylG idF der Asylgesetznovelle 2003 etwa auch auf "alte" Verfahren anzuwenden ist, wie dies § 44 Abs. 3 AsylG für andere Verfahren anordnet. In einer solchen Situation ist der vor dem 1. Mai 2004 gestellte Antrag ohne Rücksicht darauf zu erledigen, zu welchem Ergebnis das Verfahren über den nach dem 30. April 2004 gestellten Antrag führt, nicht aber umgekehrt. Im Verfahren über den späteren Antrag ist mithin das Ergebnis zu berücksichtigen, zu dem das Verfahren über den früheren Antrag gelangt ist. Aufgrund eines Antrages, der ab dem 1. Mai 2004 gestellt worden ist, muss daher zumindest derselbe Schutzumfang gewährt werden wie dem Familienangehörigen, der - aufgrund eines vor diesem Tag gestellten Antrages - den stärksten Schutz erhalten hat, nicht aber umgekehrt (vgl. UBAS 30.7.2007, 255.528/0/5E-X/47/04 mwN).

 

3.4.3. Wie den oben unter II.1. getroffenen Feststellungen zu entnehmen ist, wurde dem Vater des Beschwerdeführers Asyl gewährt. Beim Beschwerdeführer handelt es sich somit, wie in § 10 Abs. 1 AsylG gefordert, um den Familienangehörigen eines Asylberechtigten. Da überdies keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem Beschwerdeführer die Fortsetzung seines Familienlebens mit dem asylberechtigten Angehörigen in einem anderen Staat möglich wäre, war dem Beschwerdeführer spruchgemäß Asyl zu gewähren. Gemäß § 12 AsylG war diese Entscheidung mit der Feststellung zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

3.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

3.6. Der Asylgerichtshof geht davon aus, dass § 11 Abs. 4 AsylG idF BG BGBl. I Nr. 126/2002 auch im Verhältnis von Asylerstreckungsanträgen zu Asylanträgen gilt, die unter dem Regime der AsylGNov. 2003 gestellt worden sind. Das bedeutet, dass mit dem vorliegenden Bescheid der noch offene Asylerstreckungsantrag gegenstandslos wird und über ihn daher nicht mehr zu entscheiden ist (falls nicht ohnedies davon auszugehen wäre, dass er wirksam zurückgezogen worden ist).

Schlagworte
Asylerstreckung, Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten