TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/20 B12 255149-0/2008

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Veröffentlicht am 20.11.2008
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Spruch

B12 255149-0/2008/27E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Rohrböck als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn H.A., geb. am 00.00.1985, StA. Afghanistan, vertreten durch Mag. Harald QUINZ, CARITAS-Flüchtlingshilfe, 6800 Feldkirch, Wichnergasse 22, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. November 2004, Zl. 03 39.010-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2008 und am 28. Oktober 2008 zu Recht erkannt:

 

I. Der Beschwerde des Herrn H.A. gegen Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. November 2004, Zl. 03 39.010-BAI, wird stattgegeben und Herrn H.A. gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt.

 

II. Gem. § 12 AsylG wird festgestellt, dass Herrn H.A. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

III. Die Spruchpunkte II und III des Bescheides des Bundesasylamts vom 2. November 2004, Zl. 03 39.010-BAI, werden ersatzlos aufgehoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Beschwerdeführer hat am 30. Dezember 2003 beim Bundesasylamt einen Asylantrag gemäß § 3 AsylG 1997 eingebracht. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 17. September 2004 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an:

 

"(...)

 

Angaben zum Fluchtweg:

 

F: Wann haben Sie Afghanistan verlassen?

 

A: Vor ca. 1 Jahr und 2 oder 3 Monaten.

 

F: Wissen Sie, über welche Länder Sie bis nach Österreich gebracht wurden?

 

A: Von Afghanistan nach Pakistan und dann in den Iran. Ab dem Iran kann ich nicht sagen, über welche Länder wir von den Schleppern bis nach Österreich gebracht worden. Als wir in Österreich waren, wurde uns gesagt, wo wir sind.

 

F: Hatten Sie irgendwelche Dokumente bei sich, als Sie Afghanistan verlassen haben?

 

A: Ich hatte keinerlei Dokumente bei mir.

 

F: Wie sind Sie dann zu dem hier vorgelegten Dokument gekommen?

 

A: Dieses Dokument wurde mir von Afghanistan nach Deutschland nachgeschickt.

 

Angaben zum Fluchtgrund:

 

Aufforderung: Schildern Sie den Grund Ihrer Flucht aus Afghanistan!

 

A: (freie Erzählung) Mein Vater hatte 3 Frauen. Bei der ersten Frau hat er seine Familie finanziell abgesichert. Auch bei der zweiten Frau hat mein Vater die Familie finanziell abgesichert. Ich stamme von der dritten Frau. Mein Vater sagte zur ersten und zweiten Familie, dass er jetzt bei der dritten Familie bleibe, weil die Frauen und Kinder der ersten und zweiten Frau finanziell abgesichert waren.

 

Am Tag bevor mein Vater getötet wurde, waren wir bei meinem Großvater. Dort hat ein Halbbruder von mir mit einer Pistole vom Dach aus auf meinen Vater geschossen. Er hat meinen Vater nicht getroffen und ist geflüchtet.

 

Am nächsten Tag hat es dieser Halbbruder geschafft, meinen Vater während des Gebets in der Moschee zu erschießen.

 

Als habe schon am Vortag meinen Halbbruder bei der Polizei angezeigt. Die Polizisten sind sofort gekommen und haben auf uns bis 19.00 Uhr aufgepasst. Während dieser Zeit konnten sie ihn auch nicht finden.

 

Ich war zuhause, als ich die Schüsse gehört habe. Ein Mann, der meinen Vater kannte, hat uns gleich die schreckliche Nachricht überbracht. Ich bin zu Moschee gelaufen und sah meinen Vater mit einem Kopfschuss am Boden liegen.

 

Ich bin wieder sofort zur Polizei gelaufen und habe den Sachverhalt erklärt. Die Polizei hat alles aufgenommen. Die Polizei hat darüber eine Bestätigung ausgestellt, die ich hier vorlege.

 

F: Wann wurde diese Bestätigung von der Polizei ausgestellt und wann haben Sie diese Bestätigung in die Hand bekommen?

 

A: Als ich in Deutschland einen Asylantrag gestellt habe, hat man mir bei der Einvernahme gesagt, dass alles, was ich erzähle, nicht nachvollziehbar sei und man mir nicht glaubt. Ich habe dann mit meiner Familie Kontakt aufgenommen und ihnen gesagt, dass man mir nicht glaubt. Deshalb hat meine Familie in Afghanistan bei der Polizei die hier vorgelegte Bestätigung geholt und mir nach Deutschland nachgeschickt.

 

F: Wann haben Sie die Familie in Afghanistan verständigt?

 

A: Das war ca. Mitte März 2002, jedenfalls 2 Monate nachdem ich in Deutschland angekommen bin. In Deutschland bin ich am 19.01.2004 angekommen.

 

(Fortsetzung der freien Erzählung) Ca. 6 Monate später wurde mein leiblicher Bruder von diesem Halbbruder auch schwer verletzt.

 

Ca. 1 1/2 Monate vor meiner Flucht aus Afghanistan war ich am Basar und wollte mit einem Taxi nach Hause. Ich stieg in ein Taxi und wir fuhren los. Während der Fahrt fuhr ein Motorrad mit 2 Personen neben uns Taxi und der Beifahrer hat direkt auf mich im Taxi geschossen. Die Scheiben wurden zerschossen. Dadurch wurde ich an der linken Hand an 2 Fingern verletzt. Die Täter sind dann sofort geflüchtet.

 

Ich ging dann in Krankenhaus und habe folgend meine Ausreise organisiert. Weitere Vorfälle gab es keine mehr. In der Folge habe ich Afghanistan verlassen.

 

Der Hintergrund dieser Vorfälle ist ein Familienstreit. Erstens ging es um die Aufteilung des Vermögens meines Vaters und Neid. Dieser Halbbruder hat meinen Vater umgebracht und auf mich geschlossen. Der Grund ist der, dass die Familie der ersten Frau nicht sehen konnte, dass auch wir vom Vater finanziell versorgt werden. Es war auch die Wut dieser Familie, dass mein Vater die erste Familie verlassen und sich von nun an der Familie der dritten Frau widmen wollte. Es ging also sowohl ums Geld, ums Vermögen und um Neid. (Ende der freien Erzählung)

 

F: Gibt es darüber hinaus weiter Gründe Ihrer Flucht aus Afghanistan?

 

A: Nein, es gibt keine weiteren Gründe. Ich habe Afghanistan verlassen, weil ich vor der Familie der ersten Frau meines Vaters Angst hatte. Ich weiß nicht, ob nur die Familie der ersten Frau oder auch die Familie der zweiten Frau neidisch waren, weil sich mein Vater der dritten Frau gewidmet hat.

 

F: Mit welcher Waffe wurde auf Sie im Taxi geschossen?

 

A: Ich habe das nicht sehen können. Ich weiß nur, dass auf mich geschossen wurde. Es wurde im fahrenden Taxi auf mich geschossen. Ich habe gerade mit dem Taxilenker die Preis der Fahrt ausgehandelt als auf mich geschossen wurde.

 

F: Wie viele Schüsse wurde auf Sie abgegeben?

 

A: Nur ein Schuss.

 

F: Wurde dieser Sachverhalt bei der Polizei angezeigt?

 

A: Ich bin zur Polizei gegangen und habe Anzeige erstattet. Die Polizei hat die Anzeige angenommen.

 

F: Hat die Polizei gegen ihren Halbbruder etwas unternommen?

 

A: Ja, die Polizei sagte, dass Sie meine Halbbruder versuchen zu finden.

 

F: Sind Sie in Afghanistan vorbestraft?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie in Afghanistan Straftaten begangen?

 

A: Nein.

 

F: Hatten Sie in Afghanistan jemals Probleme mit der Polizei, einem Gericht oder einer anderen Staatlichen Behörde?

 

A: Nein.

 

F: Hatten Sie sonst - außer dem hier geschilderten Sachverhalt - Probleme in Afghanistan?

 

A: Nein.

 

F: Was befürchten Sie für den Fall Ihrer Rückkehr nach Afghanistan?

 

A: Ich habe Angst um mein Leben. Ich weiß nicht, ob dieser Halbbruder jemand findet, der mich für Geld tötet.

 

V: Sie haben am 30.12.2003 unmittelbar nach ihrer Einreise nach Österreich niederschriftlich angegeben, dass Sie wegen des in Afghanistan herrschenden Krieges nach Österreich gekommen sind. Am 30.12.2003 haben Sie offensichtlich nichts von der hier vorgebrachten Gefährdung in ihrem Heimatland vorgebracht. Was sagen Sie dazu?

 

A: Ich wurde am 30.12.2003 nicht nach dem Fluchtgrund gefragt. Der Schlepper sagte uns, dass wir bei Anhaltung einen falschen Namen angegeben sollen. Wir wurden am 30.12.2003 nur gefragt, wie ich heiße und woher ich komme.

 

F: Warum sind Sie weiter nach Deutschland gereist?

 

A: Weil ich in Afghanistan mit dem Schlepper ausgemacht habe, dass ich nach Deutschland gebracht werde, weil in Deutschland ein Onkel von mir lebt.

 

F: Möchten Sie zum Fluchtgrund noch etwas sagen, was Ihnen wichtig ist und das Sie bisher nicht gesagt haben:

 

A: Nein, nichts mehr.

 

Vermerk: Zum vorgelegten Schriftstück erklärt der Antragsteller folgendes:

 

"Das ist eine Bestätigung von der Polizei, dass ich in allen drei Fällen bei der Polizei die hier geschilderten Anzeigen bei Polizei erstattet habe und dass die jeweiligen Beamten die Anzeigen auch an den Vorgesetzten weitergeleitet haben.

 

(...)"

 

Mit Bescheid vom 2. November 2004, Zl. 03 39.010-BAI, hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 30. Dezember 2003 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen und ihm den Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I), seine "Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung [...] nach Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG" für zulässig erklärt (Spruchpunkt II) und "gemäß § 8 Abs. 2 AsylG [...] K.A. (offensichtlich gemeint: Herr H.A.) aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen" (Spruchpunkt III). Diesen Bescheid hat das Bundesasylamt wie folgt begründet:

 

"Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens gelangt die Behörde nach unten angeführter Beweiswürdigung zu folgenden

Feststellungen:

 

Allgemeine Feststellung zu dem Islamischen Staat Afghanistan:

 

Der Islamische Staat Afghanistan ist unterteilt in 30 Provinzen mit verschiedenen Stämmen und Religionen. Die Bevölkerung setzt sich aus Pashtunen, Tadjiken, Hazara, Usbeken, Aimaken und Turkmenen zusammen. 99% der Bevölkerung sind Moslem, davon sind ca. 88% sunnitischen Glaubens. Die Amtssprache ist Pashtu, Dari war inoffiziell verboten. Die Analphabetenquote liegt bei 90%, wobei Afghanistans Bildungsstand rückläufig ist.

 

Am 24.12.1979 marschierten sowjetische Truppen in Afghanistan ein. Erst nach 10 Jahren wurde der Krieg gegen die russische Besatzungsmacht beendet, jedoch befindet sich Afghanistan seither in einem Bürgerkrieg. Seit dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes und der Machtübernahme durch die Mujaheddin am 16.04.1992 ist Afghanistan eine Islamische Republik.

 

Der Krieg in Afghanistan hat mit den Terroranschlägen in den USA am 11.09.2001, für die Osama bin Laden verantwortlich gemacht wird, eine Wende erfahren. Am 07.10.2001 begannen die USA mit Militärschläge gegen die Taliban und die Terrororganisation Al Kaida in Afghanistan vorzugehen.

 

Fünf Wochen nach Beginn der amerikanischen Luftangriffe trat die große Wende im Machtgefüge Afghanistans ein. Die Nordallianz konnte in einer groß angelegten Offensive am 09.11.2001 die strategisch wichtige Stadt Mazar-i Sharif erobern. Nur wenige Tage danach fiel die 5jährige Taliban-Herrschaft in Kabul. In Herat wurde das Taliban-Regime durch einen Volksaufstand vertrieben. Mittlerweile kontrolliert die Nordallianz angeblich 90% des Landes. Kandahar, die letzte Hochburg der Taliban, wurde am 07.12.2001 von der Nordallianz eingenommen und somit wurde das Taliban-Regime gestürzt.

 

Übergangsregierung

 

Bei der am 27.11.2001 einberufenen Afghanistan-Konferenz in Petersburg/Bonn unter der Führung von UNO-Sonderbeauftragten für Afghanistan, Lakhdar Brahimi, waren vier afghanische Delegationen mit der Bildung einer multi-ethnischen Übergangsregierung betraut. Am 05.12.2001 stand die neue Übergangsregierung fest. Diese setzt sich aus 11 Pashtunen, 8 Tadjiken, 5 Hazaras, 3 Usbeken und 1-2 Personen anderer, noch unbekannter Gruppen, zusammen. Insbesondere wurde auf die Einbeziehung von Frauen Bedacht genommen. Auf der Abschlusspressekonferenz unter der Teilnahme des UN-Sonderbeauftragten für Afghanistan, Lakdhar Brahimi und Bundesaußenminister Joschka Fischer wurde das in der Nacht auf den 05.12. unterzeichnete "Agreement on provisional arrangements in Afghanistan pending the re-establishment of permanent government institutions" präsentiert, als Vorsitzender der Übergangsregierung wurde der 46jährige südafghanische Pashtunen-Führer Hamid KARZAI bestätigt.

 

In diesem Abkommen wurden u.a. folgende Punkte festgelegt:

 

Allgemeine Bestimmungen

 

Die Übergangsregierung wird offiziell am 22.12.2001 die Macht in Afghanistan übernehmen.

 

Die Übergangsregierung soll eine Übergangsverwaltung einrichten, die aus einem Vorsitzenden, einer unabhängigen Kommission für die Einberufung der Loya Jirga und einem Obersten Gerichtshof, sowie auch anderen Gerichten besteht. Die Zusammensetzung, Funktionen und Verfahren der Übergangsverwaltung und der unabhängigen Kommission werden ebenfalls in diesem Abkommen festgesetzt.

 

Mit der Machtübertragung soll die Übergangsregierung die afghanische Souveränität mit unmittelbarer Wirkung sichern. In der Übergangszeit wird die Übergangsregierung Afghanistan in den äußeren Angelegenheiten vertreten und den Sitz bei den Vereinigten Nationen einnehmen. Ebenso wird die Übergangsregierung internationalen Institutionen und Konferenzen beiwohnen.

 

Die Loya Jirga soll innerhalb 6 Monate nach Bildung der Übergangsregierung einberufen und vom Exilkönig Zahir Shah eröffnet werden. Die Loya Jirga soll über eine Interimsregierung und eine Interimsverwaltung entscheiden, die Afghanistan bis zur Wahl einer repräsentativen Regierung führt. Die Regierungswahl ist innerhalb von zwei Jahren nach Einberufung der Loya Jirga abzuhalten.

 

Sobald die Interimsregierung durch die Loya Jirga etabliert worden ist, löst sich die jetzt beschlossene Übergangsregierung auf.

 

Eine konstitutionelle Loya Jirga soll innerhalb 18 Monate nach Etablierung der Interimsregierung versammelt werden, um eine Verfassung für Afghanistan zu beschließen. Zur Unterstützung der konstitutionellen Loya Jirga wird die Interimsverwaltung innerhalb von zwei Monaten nach Entstehung mit Hilfe der Vereinigten Nationen eine Verfassungskommission gründen.

 

Gesetzesrahmen und Gerichtssystem

 

Der folgende Gesetzesrahmen bezieht sich auf die Zeit bis zur Annahme der neuen Verfassung. Die Verfassung von 1964 ist gültig, sofern die Bestimmungen nicht inkonsistent mit diesem Abkommen sind. Ausgenommen von der Verfassung von 1964 sind die Bestimmungen bezüglich der Monarchie und der Exekutiv- und Legislativkörperschaften, sowie Gesetze und Vorschriften, die nicht mit diesem Abkommen oder mit internationalen gesetzlichen Verpflichtungen, denen sich Afghanistan angeschlossen hat, konform gehen. Weiters sind auch jene Bestimmungen der Verfassung von 1964 ausgenommen, in denen der Übergangsregierung die Macht erteilt wird, Gesetze und Vorschriften zu widerrufen oder zu berichtigen.

 

Die Gerichtsbarkeit in Afghanistan ist unabhängig und unterliegt dem Obersten Gericht und auch den Gerichten, die von der Interimsverwaltung eingerichtet werden. Die Interimsverwaltung wird mit Hilfe der Vereinigten Nationen eine Gerichtskommission einrichten, die ein innerstaatliches Gerichtssystem in Übereinstimmung mit islamischen Prinzipien, internationalen Standards, der Rechtsstaatlichkeit und den afghanischen gesetzlichen Tradition etablieren.

 

Übergangsverwaltung

 

Die Übergangsverwaltung wird aus einem Vorsitzenden, fünf Vizevorsitzenden und 24 anderen Mitgliedern bestehen. Jedes Mitglied außer dem Vorsitzenden, kann eine Abteilung der Übergangsverwaltung führen.

 

Die Teilnehmer der Afghanistan-Konferenz laden König Zahir Shah ein, den Vorsitz der Übergangsverwaltung zu führen. Dieser zieht es vor, dass ein für die Teilnehmer akzeptabler Kandidat zum Vorsitzenden gewählt wird.

 

Der Vorsitzende, die Vizevorsitzende und andere Mitglieder der Übergangsverwaltung wurden von den Teilnehmern der Afghanistan-Konferenz gewählt. Die Auswahl fand aufgrund der beruflichen Kompetenz und der persönlichen Integrität mit Rücksicht auf die ethnische, geographische und religiöse Zusammensetzung Afghanistans und der Bedeutung der Teilnahme von Frauen, statt.

 

Kein Mitglied der Übergangsverwaltung darf gleichzeitig der Unabhängigen Kommission für die Versammlung der Loya Jirga angehören.

 

Hamid Karzai legte am 22.12.2001 im Innenministerium in Kabul vor dem amtierenden Vorsitzenden des Obersten Gerichts den Amtseid ab. Nach seiner Vereidigung nahm Karzai seinerseits den Kabinettsmitgliedern den Amtseid ab und skizzierte einen 13-Punkte-Plan seiner Regierung. Darin versprach er laut Korrespondentenberichten, die islamischen Regeln zu achten, aber auch bürgerliche Freiheiten wie das Recht auf freie Meinungsäußerung und Glaubensfreiheit. Er versprach, für die Rechte der afghanischen Frauen einzutreten. Ebenso nannte er Sicherheit und Frieden, den Aufbau einer nationalen Armee und einer fähigen Beamtenschaft und die Reformierung des Bildungswesens als Prioritäten.

 

Bereits einen Tag nach der Angelobung kam die neue afghanische Regierung unter Interimspremier Karzai am Sonntag im Präsidentenpalast der Hauptstadt Kabul zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Wichtigster Tagesordnungspunkt: Die innere Sicherheit. Als eine der ersten konkreten Taten überlegt das Kabinett, eine Sonderkommission zur Untersuchung von Kriegsverbrechen einzusetzen. Taliban-Kommandanten, denen Grausamkeiten nachgewiesen werden können, sollen vor Gericht

 

Die Übergangsregierung wird von der internationalen Staatengemeinschaft als rechtmäßige Vertretung anerkannt und den Sitz des Landes in der UNO und anderen Internationalen Organisationen einnehmen.

 

Vom 11.06.2002 bis zum 19.06.2002 tagte die Große Ratsversammlung "Loya Jirga" mit rund 1600 Delegierten. Hamid Karzai wurde mit einer Stimmenmehrheit von ca. 80 Prozent als neues Staatsoberhaupt Afghanistans gewählt. Seit dem 23.06.2002 steht die neue Zusammensetzung der Interimsregierung fest, die Afghanistan in den nächsten 18 Monate zu frei Wahlen führen soll. Bei der Verteilung der Ministerposten wurden die ethnischen Gruppierungen berücksichtigt, um den tonangebenden Tadjiken eine Gegengewicht zu setzen. Die Ministerien werden aus Kostengründen von 30 auf etwa 20 reduziert werden. Dazu werden aber neun beratende Kommissionen geschaffen, je eine für Verteidigung, zur Überwachung der (zahlreichen) Geheimdienste, für die Wirtschaft, die Verwaltung, den Aufbau des Justizorgane, die Zölle, für ausländische Hilfe, ausländische Investitionen und für Radio und Fernsehen.

 

Bis dato wurde der politische "Fahrplan", welcher im Bonner Abkommen festgelegt ist, eingehalten.

 

Sicherheitslage

 

Mit dem Auftrag Sicherungs- und Schutzaufgaben zu übernehmen, wurde in Kabul die International Security Assistance Ford (ISAF), stationiert. Die Vorhut der internationalen Schutztruppe für Afghanistan ist bereits am 03.01.2002 in Kabul eingetroffen. Dem ISAF-Erkundungsteam gehören Militärvertreter aus Frankreich, Deutschland, Griechenland, Spanien, Italien, den Niederlanden, Dänemark, Österreich, Schweden, Norwegen, Finnland und Rumänien an. Am 24.05.2002 hat der UN-Sicherheitsrat einstimmig das Mandat für die internationale Schutztruppe in Afghanistan um sechs Monate verlängert. Zugleich lehnte der Sicherheitsrat eine Verstärkung der 4650 Mann zählenden Truppe sowie eine Ausdehnung ihres Einsatzgebietes über die Hauptstadt Kabul hinaus ab. Am 20.06.2002 übernahm der türkische General Hilmi Akin Zorlu für sechs Monate das Kommando über die internationale Schutztruppe.

 

Wirtschaftliche Lage

 

Die derzeitige Situation in Afghanistan ist geprägt durch den nunmehr über 20jährigen Krieg, einer verheerenden Dürre im Sommer 2000 und eines schlechten Winters. Durch diese Faktoren stellt sich die Sicherheit der Bevölkerung, die Nahrungsmittelversorgung und die humanitäre Lage besonders in den Kriegsgebieten katastrophal dar. Dies hat einen gewaltigen Flüchtlingsstrom in die angrenzenden Staaten zur Folge, wodurch sich im Besonderen die Situation der afghanischen Flüchtlinge in Pakistan drastisch verschlechtert hat. Die Situation hat sich durch die Militärschläge der USA massiv verschärft.

 

Trotz widriger Umstände sind bereits viele Flüchtlinge wieder in Ihre Heimat zurückgekehrt. Zehntausende von vertriebenen Hazara haben sich in ihre Heimatprovinz Bamian in Zentralafghanistan begeben, um ihre von den Taliban zerstörten Wohnhäuser wiederaufzubauen. Der UNHCR leitet seit März 2002 ein Rückführ-Programm, das größte aller Zeiten. Bereits am 16.06.2002 ist der einmillionste Flüchtling wieder nach Afghanistan zurückgekehrt.

 

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Sanktionen gegen die afghanische Zentralbank aufgehoben und wurden somit die zur Taliban-Zeit blockierten Konten mit einem Guthaben von 221 Mio. Dollar freigegeben. Bei der im Januar 2002 stattgefunden Geberkonferenz in Tokio wurden Hilfszahlungen von über 5 Mio. Euro für den Wiederaufbau des schwer kriegszerstörten Landes zugesagt. Die EU ist bereits mit verschiedenen Programmen für die Unterstützung der öffentlichen Verwaltung, für die Wiederinstandstellung städtischer Infrastrukturen, für die Wiederankurbelung der Landwirtschaft und für die Minenräumung präsent.

 

Allgemeine Menschenrechtssituation im Islamischen Staat Afghanistans

 

Als ein Mitglied der Vereinten Nationen ist Afghanistan erst im Begriff, die Menschenrechte entsprechend aufzubauen. Afghanistan hat ein Abkommen für zivile und politische Rechte, einen internationalen Vertrag für Wirtschaft, soziale und kulturelle Rechte, eine Konvention gegen Folter, eine Konvention für Rechte der Kinder und 1946 die Konvention für Privilegien und Immunität der Vereinten Nationen, ratifiziert.

 

Bei der kampflosen Einnahme der Stadt Mazar-i Sharif am 09.11.2001 wurde sofort eine Amnestie ausgerufen und die Taliban-Edikte aufgehoben. Frauen können wieder eine Arbeit nachgehen und Mädchen dürfen wieder die Schule besuchen. Am 14.11.2001 ist der von den Taliban entmachtete afghanische Präsident Burhanuddin Rabbani in seine Heimat zurückgekehrt. Als erste offizielle Amtshandlung hat Rabbani "zum Einhalt der Einheit des Staates" eine Generalamnestie verkündet. Die Amnestie gilt für die Angehörigen aller Völker und Nationalitäten des Landes, ausgenommen davon sind allerdings Kriegsverbrecher. Auch durch den Regierungschef von Afghanistan, Karzai Hamid, wurde eine Amnestie für die Taliban in Kandahar, die am 07.12.2001 kapitulierten, erlassen, mit der Bedingung, sich nicht politisch zu betätigen.

 

Langsam kehrt in Afghanistan wieder ein normales Alltagsleben ein. Frauen müssen nicht mehr die Burka tragen, Schulen wurden eröffnet, die afghanische Fluglinie hat wieder Ihren Betrieb aufgenommen. Auch finden Theatervorstellungen statt, Musik ist erlaubt und auch der Fernseher sowie Satellitenschüssel haben wieder Einzug in Afghanistan gefunden.

 

(Quellenangabe: Bericht Dr. Mostafa Danesch v. 05.04.1997; Stellungnahme von AI Zl. ASA11-97.007 v. 09.12.1997; Workshop

Afghanistan im Bundesamt v. 03.05.2001: Beitrag v. Dr. Michael

Pohly: Afghanistans Weg in die Katastrophe; Fischer Weltalmanach 2002; Aktuelle Lage in Afghanistan: Zusammenfassung v. Presseartikel, abgelegt in Länderdokumentation BAA)

 

Weiters wird festgestellt:

 

Die Identität des Antragstellers konnte nicht festgestellt werden.

 

Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von Afghanistan.

 

Der Antragsteller ist am 29.12.2003 illegal nach Österreich eingereist.

 

Der vom Antragsteller vorgebrachte Fluchtgrund konnte mangels Glaubhaftmachung nicht als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden.

 

Beweiswürdigung:

 

Der behaupteten Identität des Antragstellers wird mangels Vorlage identitätsbezeugender Urkunden keine Glaubwürdigkeit zugesprochen.

 

Aufgrund der vom Antragsteller verwendeten Sprache geht die Behörde davon aus, dass der Antragsteller aus Afghanistan stammen könnte.

 

Die Angaben des Antragstellers zum Fluchtweg sind nicht glaubhaft, da der Antragsteller über den Reiseweg so gut wie nichts weiß. Aufgrund diverser Hinweise kann sehr wohl auf den jeweiligen Aufenthaltsort, zumindest auf das Land des jeweiligen Aufenthaltes geschlossen werden.

 

Wenngleich die Angaben zum Reiseweg nicht asylrelevant sind, so vermögen sie doch ein Indiz für die Unglaubwürdigkeit einer Person darzustellen.

 

Der Antragsteller hat am 30.12.2003 vor dem Grenzüberwachungsposten Marchegg niederschriftliche angegeben, dass er aufgrund des in Afghanistan herrschenden Krieges nach Österreich gekommen sei.

 

Am 17.09.2004 hat der Antragsteller zur Begründung seines Asylantrages vor dem Bundesasylamt einen völlig anderen Sachverhalt vorgebracht.

 

Allein aus oben angeführten widersprüchlichen Angaben wird dem Fluchtvorbringen des Antragstellers keinerlei Glaubwürdigkeit zugesprochen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass ein Flüchtling in Sinne der Konvention, wenn er ein sicheres Drittland erreicht, dort sowohl in Bezug auf seine Identität als auch in Bezug auf die Gründe seiner Flucht die Wahrheit sagt.

 

Die Erklärung des Antragstellers dazu, der Schlepper hätte gesagt, dass der Antragsteller bei Anhaltung einen falschen Namen angeben soll, reicht nicht hin, um nachvollziehbar darzulegen, dass der vom Antragsteller am 17.09.2004 vor dem Bundesasylamt vorgebrachte Fluchtgrund den Tatsachen entspricht und der am 30.12.2003 vorgebrachte Fluchtgrund nicht.

 

Das Agieren mit unterschiedlichen Namensführungen, Geburtsdaten und Fluchtgeschichten weist eindeutig darauf hin, dass ein Antragsteller nicht wahrheitsbezogen, sondern asylzweckbezogen agiert.

 

Auch die Tatsache, dass der Antragsteller sein Asylverfahren in Österreich nicht weiter betrieben hat, sondern weiter nach Deutschland gereist und dort einen Asylantrag gestellt hat, weist darauf hin, dass für den Antragsteller das Ziel in Österreich jedenfalls nicht die Gewährung von Schutz vor Verfolgung war. Die Angaben des Antragstellers vom 30.12.2003 zeigen auch deutlich, dass sich der Antragsteller mit seinem Verhalten in Österreich primär einen Rechtsvorteil - nämlich die Verhinderung einer Ab- oder Zurückschiebung bzw. Ausweisung - verschaffen wollte.

 

Im Asylverfahren ist es nicht ausreichend, dass der Asylwerber Behauptungen aufstellt, sondern muss er diese glaubhaft machen. Dazu muss das Vorbringen in gewissem Maß konkret und nachvollziehbar sein. Keinesfalls kann die bloße Behauptung von Tatsachen als ausreichend angesehen werden. Ein weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind. So darf sich der Antragsteller nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.

 

Das vom Antragsteller vorgelegte Dokument wird aus folgenden Gründen nicht als Beweismittel anerkannt:

 

1) Allein schon der Briefkopf weist gravierende Unregelmäßigkeiten auf, die jeder Grundlage eines amtlich ausgestellten Dokumentes widersprechen.

 

2) Die Identität des Antragstellers konnte nicht festgestellt werden. Es konnte daher auch nicht festgestellt werden, inwieweit eine Identität zwischen Antragsteller und der im Dokument genannten Person besteht.

 

3) Der Antragsteller gab zum Inhalt des Dokumentes an, dass darin die Anzeigeerstattung bestätigt werde. Nach Übersetzung des Dokumentes wurde festgestellt, dass nicht eine Anzeigeerstattung bestätig wird, sondern - handschriftlich eingefügt und offensichtlich asylzweckbezogen - der vom Antragsteller vorgebrachte Fluchtgrund. Auch aufgrund des Inhaltes des vorgelegten Dokumentes sind daher erhebliche Zweifel an der Echtheit des vorgelegten Dokumentes angebracht.

 

Bei der Beurteilung des Vorbringens muss jedenfalls auch mitberücksichtigt werden, dass der Asylwerber - menschlich durchaus verständlich - ein gravierendes Interesse am positiven Ausgang seines Asylverfahrens hat, was natürlich auch zu verzerrten Darstellungen tatsächlicher Geschehnisse oder zu gänzlich falschem Vorbringen führen kann.

 

Gesamtheitlich betrachtet wird aus oben angeführten Gründen dem Fluchtvorbringen des Antragstellers keinerlei Glaubwürdigkeit zugesprochen.

 

Bei der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes ist von folgender Gesetzeslage auszugehen:

 

Zu I:

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung".

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).

 

Der Antragsteller vermochte mit seinen Angaben zu den Fluchtgründen Verfolgung oder drohende Verfolgung aus Gründen, wie in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählt, ebenso wenig glaubhaft machen wie wohlbegründete Frucht vor Verfolgung im Sinne der Grundaussage dieser internationalen Norm.

 

Der vom Antragsteller vorgebrachte Sachverhalt bietet daher keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 7 AsylG 1997.

 

Selbst für den Fall der hypothetischen Annahme, dass der vom Antragsteller vorgebrachte Fluchtgrund den Tatsachen entspricht, ist folgendes anzuführen:

 

Verfolgung muss entweder von staatlichen Stellen des Heimatlandes des Asylwerbers ausgehen oder der betreffende Staat muss nicht in der Lage oder nicht gewillt sein, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungen hintanzuhalten (vgl. VwGH vom 08.03.1989, 88/01/0160).

 

Der Antragsteller hat keine vom Staat ausgehende Verfolgung geltend gemacht.

 

Die vom Antragsteller geltend gemachten bzw. befürchteten Übergriffe durch Dritte können die Flüchtlingseigenschaft ebenso wenig begründen.

 

Der Umstand, dass es in der Familie des Antragstellers wegen der Aufteilung des Vermögens des Vaters zu einem Familienstreit kam, steht in keinem Zusammenhang mit den Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention. Die Aufzählung in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist abschließend; alle anderen als die genannten Gründe stellen keine für die Asylgewährung relevanten Verfolgungsmotive dar.

 

Bei Vorliegen einer nicht auf den Gründen der GFK beruhenden Verfolgung kann dahingestellt bleiben, ob die dem Asylwerber drohende Verfolgung vom Staat geduldet würde (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 11.10.2000, Zl: 2000/01/0172).

 

Das Bundesasylamt gelangt nach eingehender rechtlicher Würdigung zur Ansicht, dass es nicht glaubhaft ist, dass dem Antragsteller im Herkunftsstaat Verfolgung droht und ist sein Asylantrag aus diesem Grund abzuweisen.

 

Zu II:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG hat die Behörde, im Falle einer Abweisung eines Asylantrages, von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

§ 8 Abs. 1 AsylG verweist auf § 57 Fremdengesetz, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzt würden.

 

Überdies ist nach § 57 Abs. 2 FrG die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort deren Leben oder deren Freiheit aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 1955/55, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 1974/78).

 

Beide "Non-Refoulement-Tatbestände" des § 57 FrG sind bei der von Amts wegen zu erfolgenden Feststellung gemäß § 8 AsylG zu berücksichtigen (VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397). § 8 AsylG beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Vom Zweck des AsylG her ist der Begriff des "Herkunftsstaates" im Sinne des § 8 AsylG dahin zu verstehen, dass damit derjenige Staat bezeichnet wird, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers aufgrund seines Antrages zu prüfen ist (vgl. VwGH 22.04.1999, Zl. 98/20/0561; VwGH 20.05.1999, Zl. 98/20/0300).

 

Zur Auslegung des § 57 FrG ist die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum gänzlich inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Antragssteller betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, unter Verweis auf die Erkenntnisse vom 23.05.1996, Zl. 95/18/0027, 18.12.1997, Zl. 97/18/0588 und 09.04.1997, Zl. 95/01/0517). Bei der Refoulement-Prüfung ist, wie der Verwaltungsgerichtshof formuliert, "die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragsstellers in diesen Staat zu beurteilen" (vgl. VwGH 25.03.1999, Zl. 98/20/0559). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).

 

Das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 57 (2) FrG wurde bereits unter Spruchpunkt I geprüft und verneint.

 

Zu den Rückkehrbefürchtungen des Antragstellers ist folgendes anzuführen:

 

Allein die bloße Behauptung, mit einer unmenschlichen Behandlung rechnen zu müssen, ist ebenso wenig - wie Vermutungen - ausreichend, um eine Bedrohung im Sinne des § 57 FrG darzutun, sondern muss der Fremde von sich aus das für eine Beurteilung der allfälligen Unzulässigkeit der Abschiebung wesentliche Tatsachenvorbringen erstatten und dieses zumindest glaubhaft machen (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 17.05.1995, Zl. 95/21/0126).

 

Der Antragsteller vermochten mit seinen Rückkehrbefürchtungen nicht glaubhaft dazulegen, dass er für den Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan einer Bedrohung oder drohenden Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG ausgesetzt wäre.

 

Im Falle des Antragstellers kommt hinzu, dass er mit seinem gesamten Vorbringen dem Glaubhaftigkeitsanspruch des § 7 AsylG nicht gerecht zu werden vermochte.

 

Auch sonst lassen sich dem Vorbringen des Antragstellers keine Hinweise ableiten, wonach er einer Bedrohung oder drohenden Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG ausgesetzt wäre.

 

Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. v. 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. v. 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). Die Bedrohung muss objektiv in Bezug zum Beschwerdeführer stehen.

 

Die Sicherheits- und Versorgungslage ist zumindest im Raum Kabul nicht derart schlecht, dass der ASt. bei einer Rückkehr dorthin "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wäre".

 

Für den hier maßgeblichen Raum Kabul kann festgestellt werden, dass die Sicherheitslage auf Grund der Anwesenheit internationaler Truppen zwar immer noch fragil, aber vergleichsweise zufrieden stellend ist. Die ISAF (International Security Assistance Force) genannte internationale Schutztruppe, die von den Vereinten Nationen das Mandat erhielt, die Sicherheit in Kabul und den umgebenden Gebieten zu gewährleisten, unterstützt die Regierung Karzai bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. z.B. deutsches Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan vom 06.08.2003, Az.:

508-516.80/3 AFG). Dieser Aufgabe konnte die ISAF in Zusammenarbeit mit der afghanischen Polizei bisher auch erfolgreich nachkommen. Im Raum Kabul gibt es keine Kampfhandlungen mehr. Es kommt zwar gelegentlich zu Bombenexplosionen oder Raketenbeschuss von ISAF-Lagern, die i. d. R. jedoch nur Sachschäden verursachen. Die in 2003 verübten Anschläge richteten sich regelmäßig gegen Militär oder Hilfsorganisationen und nicht gegen die afghanische Zivilbevölkerung.

 

Angesichts der Gesamtsituation in Kabul kann aber nicht von einer extrem gefährlichen Sicherheitslage gesprochen werden. Ansonsten bezeichnet das Auswärtige Amt die Stadt Kabul für frühere Bewohner als in Teilen grundsätzlich ausreichend sicher (vgl. deutsches

Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in Afghanistan vom 06.08.2003, Az.: 508-516.80/3 AFG). Es ist nicht ersichtlich, weshalb dies nicht auch für Personen gelten sollte, die früher nicht in Kabul gelebt haben, sofern keine individuelle Gefährdung erkennbar ist.

 

Auch die Versorgungslage ist für Kabul nicht derartig schlecht, dass eine extreme Gefährdung angenommen werden müsste. Afghanistan ist trotz der in diesem Jahr überwiegend zu Ende gegangenen Dürre zur Nahrungsmittelversorgung weiterhin auf die Leistungen der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Die Versorgungslage hat sich aber in Kabul und anderen großen Städten grundsätzlich verbessert. Grundnahrungsmittel sind hier vorhanden, wenn auch nicht für alle erschwinglich. Die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln kann zumindest in Kabul als gut bezeichnet werden. In zahlreichen ländlichen Gebieten dagegen herrscht starke Mangelernährung. Eine Hungerkatastrophe, wie sie im Winter 2001/02 befürchtet worden war, konnte auf Grund des internationalen Engagements verhindert werden (vgl. Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan vom 06.08.2003, Az.:

508-516.80/3 AFG; IOM: Aktueller Bericht über die Situation in Afghanistan für Rückkehrer aus Deutschland vom 07.04.2003).

 

Gegenwärtig gibt es keine Anzeichen für eine Hungerkatastrophe, insbesondere gibt es keine Berichte über eine drohende Nahrungsmittelknappheit in Kabul. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die internationalen Hilfsorganisationen dort in ihrer Arbeit behindert würden.

 

Gegen eine Einschätzung der allgemeinen Lage als "extrem gefährlich" spricht schließlich auch die Tatsache, dass laut UNHCR in der Zeit vom 01.03.2002 bis 31.07.2003 mehr als 2 Millionen Afghanen in ihr Heimatland zurückgekehrt sind. Davon sind über 750.000 in die Provinz Kabul zurückgekehrt (UNHCR: OCM Kabul, Assisted Voluntary Repatriation from Iran and Pakistan to Afghanistan, Summary Report vom 31.07.2003, http://www.aims.org.pk/).

 

Durch diesen massiven Zustrom ist zwar die Bevölkerung Kabuls auf über drei Millionen Einwohner gewachsen und für einen Rückkehrer ist es daher sehr schwierig, Unterkunft und Arbeit zu finden (IOM, Gutachten vom 08.09.2003 an das Bundesamt: Aktueller Bericht über die Situation in Afghanistan). Zur Vermeidung von Obdachlosigkeit mit existenzgefährdenden Auswirkungen bereitete jedoch UNHCR bereits 2002 die Errichtung von Notunterkünften vor (vgl. Auswärtiges Amt:

Ad hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan vom 04.06.2002, Az.: Az.: 508-516.80/3 AFG). In den südlichen Teilen Kabuls sind zwar noch immer sehr viele Häuser zerstört und die Menschen dort müssen in Ruinen leben. Insgesamt hat sich die Situation in den letzten Monaten aber verbessert. So plant UNHCR in den nächsten Monaten ca. 30 verlassene öffentliche Einrichtungen wieder herzurichten und Wohnraum für 1.500 Rückkehrerfamilien zu schaffen, die zwar über Grundstücke, nicht aber über die Mittel zum Bau von Häusern verfügen. UNHCR ist zurzeit mit der Regierung im Gespräch über Hilfsmaßnahmen zum Bau von preiswerten und einfachen Wohnvierteln außerhalb der Hauptstadt. Im letzten Jahr sind mit Hilfe von UNHCR mehr als 40.000 Wohneinheiten gebaut worden und für dieses Jahr sind, überwiegend in ländlichen Gebieten, weitere 60.000 geplant (IOM, Gutachten vom 08.09.2003 an das Bundesamt: Aktueller Bericht über die Situation in Afghanistan). Es liegen keine Berichte darüber vor, dass der Mangel an angemessenen Unterkünften in Kabul bisher zu lebensbedrohlichen Zuständen für größere Teile der Bevölkerung geführt hätte (vgl. OVG Münster, Urteil vom 20.03.2003, Az.: 20 A 4329/97.A).

 

Selbst wenn der ASt. keinen Zugang zu einer Arbeitsstelle haben sollte, wird angesichts der fortdauernden internationalen Hilfe jedenfalls im Kabuler Raum ein Überleben möglich sein (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2003, Az.: 1 Bf 104/01.A).

 

Jedenfalls kann sich der Antragsteller in Kabul niederlassen, wo er wegen seiner Volkszugehörigkeit keinerlei Nachteile zu befürchten hat. Es gibt keine Berichte über ethnisch motivierte Übergriffe oder Diskriminierungen in dem von der Übergangsregierung unter dem Paschtunen Karzai beherrschten Kabul. Diese Ansicht wird auch in der Rechtsprechung vertreten (vgl. VG Frankfurt/Main, Urteil vom 19.02.2004, Az.: 5 E 7523/03.A (3); VG Leipzig, Urteil vom 13.06.2003, Az.: A 4 K 30462/01; VG Minden, Urteil vom 17.02.2003, Az.: 9 K 2481/01.A; VG Chemnitz, Urteil vom 18.07.2002, Az.: A 4 K 30024/98). Schließlich spricht auch die Zahl von über 1,16 Millionen paschtunischer Rückkehrer aus Pakistan und Iran, von denen über 337.000 in die Provinz Kabul gingen, gegen eine allgemeine Verfolgung dieser Ethnie (UNHCR: OCM Kabul, Operational Information Summary Report 01.03.2002 bis 29.02.2004 vom 28.03.2004, http://www.aims.org.af/).

 

Im Hinblick auf die persönliche Lebenssituation des ASt. ist davon auszugehen, dass er im Kabuler Raum eine vergleichsweise stabile Existenzgrundlage finden kann. Er gehört nicht zu den Personen, die auf Grund ihrer individuellen Situation besonders schutzbedürftig wären.

 

Die Behörde gelangt zur Ansicht, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Antragsteller im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefe, in Afghanistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, womit festzustellen war, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung zulässig ist.

 

Zu III:

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde den Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen ist und die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

Das Asylverfahren ist, wie sich aus den vorangehenden Entscheidungsteilen ergibt, für den Antragsteller negativ entschieden worden. Es liegt kein Aufenthaltstitel, wonach ein rechtmäßiger Aufenthalt nach dem Asylgesetz gegeben ist, vor.

 

Es liegt auch kein sonstiger Aufenthaltstitel vor und ergibt sich somit der rechtswidrige Aufenthalt des Fremden.

 

Zur Beendigung dieses rechtswidrigen Aufenthaltes ist daher grundsätzlich eine Ausweisung geboten.

 

Bei der Setzung einer solchen aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben vorliegen (Art. 8 Abs 1 EMRK).

 

Es war daher zunächst zu prüfen, ob die Ausweisung einen Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Antragsstellers darstellt.

 

Das Recht auf Achtung des Privatlebens sichert dem Einzelnen einen Bereich innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten und erfüllen kann (EKMR Brüggemann u. Scheuten).

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundene Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00). Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua). Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

 

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR in Cruz Varas).

 

Der Antragsteller ist am 29.12.2003 illegal nach Österreich eingereist. Der Antragsteller hat in Österreich keine Angehörigen. Es liegt somit kein Familienbezug (Kernfamilie) zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich vor.

 

Dem Asylantragsteller musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist.

 

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

 

Die Ausweisung stellt daher keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

 

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden."

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 9. November 2004 durch persönliche Übernahme zugestellt. Mit Schriftsatz vom 15. November 2004 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen sämtliche Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides. Darin wiederholte er seine vor dem Bundesasylamt getätigten Angaben und gab nochmals an, aufgrund einer Familienstreitigkeit in Afghanistan einer Verfolgung zu unterliegen. Nach der Ermordung seines Vaters sei nicht nur auf ihn selbst, sondern auch auf seinen jüngeren Bruder geschossen worden. Die humanitäre Lage in Afghanistan sei katastrophal und von allgemeiner Sicherheit im ganzen Land könne ebenso nicht gesprochen werden, weshalb seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung dorthin nicht zulässig sei.

 

Am 17. November 2005 brachte der Beschwerdeführer ergänzende Ausführungen zu seiner Beschwerde ein, wobei er vorbrachte, dass sein Vater ein Kommunist in leitender Führungsposition gewesen sei. Sein Vater sei unter der kommunistischen Regierung in Afghanistan Polizeioffizier beim Khad gewesen und habe die Kontrolle über die Provinz W. 10 Jahre lang innegehabt. Zur Untermauerung dieser Angabe legte der Beschwerdeführer mehrere Originalurkunden über die politische Tätigkeit des Vaters, darunter den Mitgliedsausweis der kommunistischen Partei, ein Führungszeugnis, die Verleihungsurkunde für eine höhere Position u.a., vor. In einer weiteren Beschwerdeergänzung vom 12. Februar 2007 gab der Beschwerdeführer an, dass sein Bruder, Herr H.S., in dessen Verfahren vor dem Bundesasylamt ausgesagt habe, dass er in Pakistan zur Schule gegangen sei, wobei er ausführlichst die Bedingungen geschildert habe, unter welcher er und seine Familie in Pakistan gelebt hätten. In Anbetracht dieser Ausführungen seines Bruders sah sich der Beschwerdeführer dazu veranlasst, sein Vorbringen zu ändern und sich den Angaben seines Bruders anzuschließen. Auch er sei in Pakistan in die Schule gegangen und sein Vater nach Afghanistan zurückgekehrt, da die Regierung Karsai versprochen habe, dass er als Kommunist dort nicht mehr gefährdet sei. Dies habe sich jedoch als Irrtum herausgestellt, da der Vater schließlich als ehemaliger Kommunist aufgrund seiner Vergangenheit umgebracht worden sei. Der Beschwerdeführer gestand ein, dass seine früheren Angaben vor dem Bundesasylamt zu seiner Herkunft nicht der Wahrheit entsprächen, sein Schlepper habe ihm die Angabe falscher Daten eingeredet.

 

In der Einvernahme zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat am 7. Dezember 2007, an der neben dem o.g. Bruder des Beschwerdeführers auch der dem Beschwerdeverfahren beigezogene Sachverständige für Afghanistan, Dr. Sarajuddin RASULY, teilnahm, brachte der Beschwerdeführer Folgendes zu Protokoll:

 

"EL: Gibt es neue Zeugen oder Urkunden?

 

BW: Es gibt Zeugen aus Afghanistan, die aussagen könnten. Das wäre W.A.. Und M.N., die Mutter dieser Dame ist Anwältin in Deutschland und kennt unsere Geschichte.

 

EL: Was genau können diese bezeugen?

 

BW: Was alles vorgefallen ist, das Leben meines Vaters kennen sie.

 

EL: Sind die erstinstanzlichen Niederschriften inhaltlich richtig und wurden diese Ihnen rückübersetzt?

 

BW2: Ich habe erstinstanzlich nicht alles gesagt, manches habe ich verheimlicht, jetzt möchte ich das angeben.

 

BW1: Bei mir stimmt alles.

 

EL: Schildern Sie Ihren Lebenslauf chronologisch.

 

BW2: Ich bin in Kabul am 00.00.1985 geboren. Als die Mujaheddin das kommunistische Regime stürzten, ging mein Vater 1992 mit uns nach Pakistan. 2 oder 3 Jahre habe ich in Pakistan keine Schule besuchen können, dann habe ich 8 Klassen Schule besucht. Danach habe ich einen Englischkurs besucht. Dieser Kurs hat 2 einhalb Jahre gedauert, 1997 habe ich ihn beendet. Bis zum Jahr 2000 habe ich Perfektionskurse besucht. Mein Vater war ein Heilpraktiker, der religiöse Mantras aufschrieb, ich habe ihm dabei geholfen. Es waren Tauwis.

 

SV: War er Mulla?

 

BW2: Nein. Er war kein Mullah, der in der Moschee gepredigt oder die Leute geführt hätte, er hat allerdings Koranverse aufgeschrieben, die heilbringend wirkten.

 

EL: Welche Ausbildung hatte Ihr Vater?

 

BW2: Diesen Beruf hatte er von den Vorfahren übernommen.

 

SV: Hat er eine besondere

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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