B10 203.937-19/2008/26E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBGl. I 2008/4, (AsylG) und 66 Abs. 4 AVG durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des N.A., geb. 00.00.1971, StA. Republik Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes 10.07.2001, Zl: 98 03.628-BAW, zu Recht erkannt:
I. Der Berufung von N.A. vom 23.07.2001 gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 10.07.2001, Zahl: 98 03.628-BAW wird stattgegeben und gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von N.A. in die Republik Kosovo nicht zulässig ist.
II. Gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 AsylG wird N.A. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.11.2009 erteilt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Beschwerdeführer ist am 20.05.1998 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 28.05.1998 einen Asylantrag eingebracht.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Wien, vom 25.06.1998, Zahl: 98 03.628- BAW, wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht berufen.
Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 08.07.1998, Zl. 203.937/0- XI/34/98, wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.11.1999 wurde der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 23.04.2001, Zl. 203.937/17- XI/33/01, wurde gemäß § 32a AsylG der Berufung stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die BR Jugoslawien gemäß § 8 AsylG für zulässig. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass es nicht glaubhaft ist, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Verfolgung droht.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht berufen.
Im Zuge einer mündlichen Berufungsverhandlung vom 03.12.2004 wurde Beweis erhoben durch Verlesung und Erörterung folgender Dokumente:
Update der SFH über die medizinische Versorgungslage im Kosovo
Mit Schreiben vom 21.10.2008 erklärte der Sachwalter des Beschwerdeführers, dass er die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.07.2001, FZ. 98 03.628-BAW, zurückzieht.
Auf Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens werden seitens des Asylgerichtshofes folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen, ist geboren am 00.00.1971 und Staatsangehöriger der Republik Kosovo.
Mit Beschluss des BG F. vom 04.12.2000 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund einer psychischen Erkrankung im Sinne des § 273 Abs. 1 ABGB ein Sachwalter zur Seite gestellt.
Der Beschwerdeführer ist seit 1999 wegen paranoider Schizophrenie beim Psychosozialen Dienst Wien, Ambulatorium Favoriten, in Behandlung. Es besteht mit diesem guter und regelmäßiger Kontakt. Der Beschwerdeführer ist in der Behindertenwerkstatt V.K., in Wien, integriert.
Der Vater, die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers sind seit Juli 1999 anerkannte Flüchtlinge und im Bundesgebiet aufhältig. Im Heimatstaat gibt es keine Verwandten.
Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen sich auf die Angaben seiner Familie, seines Sachwalters, aus ärztlichen Gutachten und dem Beschluss des BG F. vom 04.12.2000.
Rechtlich folgt aus dem festgestellten Sachverhalt:
Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Richter stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.
Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt."
Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBI. I Nr. 100/2005, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 werden Verfahren über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.
Gemäß § 44 Abs. 3 AsylG 1997 sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs. 1 anzuwenden.
Ad I.) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in sein Heimatland ist Folgendes auszuführen:
Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, das ist § 50 FPG. Anzumerken ist, dass sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, lässt sich insoweit auch auf § 50 FPG übertragen.
Die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre (§ 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 Abs. 1 FPG) bzw. dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der GFK iVm § 50 Abs. 2 FPG und § 8 Abs. 1 AsylG), es sei denn es bestehe eine inländische Fluchtalternative.
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden demnach unzulässig, wenn dieser dadurch der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde (§ 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 3 EMRK), wenn sein Recht auf Leben verletzt würde (§ 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 2 EMRK) oder ihm die Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde (§ 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 1 des 13. Zusatzprotokolls zur EMRK). Da sich § 50 Abs. 1 FPG inhaltlich weitestgehend mit § 57 Abs. 1 FrG deckt und die Neufassung im Wesentlichen nur der Verdeutlichung dienen soll, kann die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 57 Abs. 1 FrG weiterhin als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist sohin auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in § 50 Abs. 1 FPG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 95/21/0294 vom 26.6.1997). Unter "außergewöhnlichen Umständen" (z.B. fehlende medizinische Behandlung bei lebensbedrohender Erkrankung) können auch von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertretende lebensbedrohende Ereignisse ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 50 Abs. 1 FPG darstellen (Urteil des EGMR in D vs. Vereinigtes Königreich vom 2.5.1997).
Auf Basis der Sachverhaltsfeststellungen liegt nach Ansicht der erkennenden Behörde ein Abschiebungshindernis im Sinne von § 8 AsylG iVm § 50 Abs.1 FPG vor.
Auch außergewöhnliche, vom Herkunftsstaat nicht zu vertretende Umstände (insbesondere schwere, nicht behandelbare Erkrankungen) können im Hinblick auf das zitierte Urteil des EGMR vom 02.05.1997 ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 50 Abs. 1 FPG darstellen, wie mittlerweile auch vom Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen wurde (siehe z.B. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0043).
Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend (siehe z.B. VwGH 09.07.2002, 2001/01/0164) ist die Situation des Fremden - vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse - für den gedachten Fall der Abschiebung in den Kosovo in den Blick zu nehmen. Es ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer im Falle einer Rückschiebung in eine "aussichtslose Situation" geraten würde.
Im gegenständlichen Fall legt die Gesamtbetrachtung aller Umstände nahe, dass für den Beschwerdeführer eine Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Artikels 3 EMRK bedeuten würde:
Dies aufgrund seiner psychischen Krankheit, die zur Bestellung eines Sachwalters führte, um den Beschwerdeführer im Verkehr mit Behörden, Vertretung gegenüber privaten Vertragspartnern und in finanziellen Angelegenheiten zu unterstützen. Da in der Heimat des Beschwerdeführers keine Verwandten mehr aufhältig sind, wäre er allein auf sich gestellt, obwohl er keine Prozess- und Handlungsfähigkeit aufweist. Dies entspricht in etwa der Stellung eines unbegleiteten Kindes ohne Angehörige oder Betreuungspersonen im Kosovo, welche gemäß UNHCR Position als besonders schützenswert anzusehen sind und nicht in den Kosovo rückgeführt werden sollten.
Anzumerken ist diesbezüglich noch, dass der Beschwerdeführer zwar formal auch Staatsangehöriger der (restlichen) Republik Serbien ist, mittellose Kosovaren albanischer Abstammung dort aber in der Regel ebenfalls keinen Lebensunterhalt erwirtschaften können. Es erweist sich demnach auf die Rückschiebung in das (restliche) Serbien als unzulässig.
Ad III.) Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG ist Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als in Asylausschlussgründen (§ 13) abgewiesen wurde, von jener Asylbehörde mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, von der erstmals festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist.
Gemäß § 15 Abs. 2 AsylG ist die befristete Aufenthaltsberechtigung für höchstens ein Jahr und nach der ersten Verlängerung für höchsten fünf Jahre zu bewilligen. Die Aufenthaltsberechtigung behält bis zur Entscheidung über die Verlängerung durch das Bundesasylamt Gültigkeit. Die Verlängerung befristeter Aufenthaltsberechtigungen gem. § 8 Abs. 3 sowie deren Widerruf obliegt dem Bundesasylamt.
Voraussetzung für die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung sind demnach das Nichtvorliegen eines Asylausschlussgrundes und eine dem Rechtsbestand angehörende Feststellung nach § 8 AsylG, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist (VwGH 24.02.2000, 99/20/0474; 25.01.2001, 99/20/0009). Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall vor, weshalb die befristete Aufenthaltsberechtigung spruchgemäß zu erteilen war. Die Aufenthaltsberechtigung wurde für die Höchstdauer von einem Jahr erteilt, weil eine Besserung der Situation des Beschwerdeführers im Kosovo in unmittelbarer Zukunft nicht absehbar ist.