D9 318735-1/2008/8E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Kanhäuser als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Stark als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Gubitzer über die Beschwerde der T.H., geb. 00.00.2000, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. April 2008, FZ. 07 12.336-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12. November 2008 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und T.H. gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, wird festgestellt, dass T.H. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. 1. Die Beschwerdeführerin reiste gemeinsam mit ihrer Großmutter unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 30. Dezember 2007 vertreten durch ihre Großmutter vor der PI Traiskirchen einen Antrag auf internationalen Schutz, behauptete den Namen T.H. zu führen, am 00.00.2000 geboren, Staatsangehörige der Russischen Föderation und tschetschenische Volksgruppenangehörige zu sein.
Im Rahmen der niederschriftlichen Ersteinvernahme vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Großmutter der Beschwerdeführerin nach Darstellung ihres Reiseweges als Fluchtgrund an, einer ihrer Söhne sei Widerstandskämpfer gewesen. Ein anderer Sohn, nämlich der Vater der Beschwerdeführerin, sei bei einem Luftangriff getötet worden. Der Ehegatte der Großmutter der Beschwerdeführerin sei verstorben und könne sie, die Großmutter der Beschwerdeführerin, nunmehr nicht mehr für sich selbst sorgen (Verwaltungsakt der belangten Behörde, Seite 5 bis 13).
Am 16. Jänner 2008 erfolgte im Rahmen des Zulassungsverfahrens eine fachärztliche psychiatrische Untersuchung der Großmutter der Beschwerdeführerin auf Grund dessen Befunderhebung eine Überstellung aus medizinischer Sicht in Folge einer belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung als nicht vertretbar erachtet wurde (Verwaltungsakt der belangten Behörde zu FZ. 07 12.336-BAT, Seite 55 bis 61).
Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens wurde die Großmutter der Beschwerdeführerin am 25. Jänner 2008 und am 7. März 2008 zu ihrem Reisweg und ihren Fluchtgründen befragt. Als Beweismittel legte die Großmutter der Beschwerdeführerin einen auf ihren Namen lautenden Inlandsreisepass, einen Beschluss über die Übertragung der Obsorge über die Beschwerdeführerin samt Bestätigung, die Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin, die Sterbeurkunde ihres Ehegatten sowie eine Bestätigung über eine psychiatrische Behandlung in einer Krankenanstalt in U. vor.
Mit Bescheid vom 1. April 2008, Zahl: 07 12.336-BAT, wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz vom 30. Dezember 2007 unter Spruchpunkt I gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, ab und erkannte der Beschwerdeführerin den Status der Asylberechtigten nicht zu. Mit Spruchpunkt II. wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr gemäß § 8 Absatz 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 1. April 2009 erteilt (Spruchpunkt III.). In ihrer Begründung geht die belangte Behörde von der Unglaubwürdigkeit des erstatteten Vorbringens der Großmutter der Beschwerdeführerin sowie von einer erfundenen Geschichte aus. So sei diesem Vorbringen nicht glaubhaft und genügend substantiiert zu entnehmen gewesen, dass die Großmutter der Beschwerdeführerin aus den von ihr genannten Gründen die Heimat verlassen hätte. Vielmehr hätte die belangte Behörde den Eindruck gewonnen, dass die Versorgung der Beschwerdeführerin der wesentliche und ausschlaggebende Grund der Ausreise gewesen wäre und nicht so wie von der Großmutter der Beschwerdeführerin behauptet, die Verfolgung oder die Gefährdung durch russische Soldaten (Bescheid zu FZ. 07 12.336-BAT, Seite 31 bzw. Verwaltungsakt der belangten Behörde zu FZ. 07 12.336-BAT, Seite 267).
Dieser Bescheid wurde der Großmutter der Beschwerdeführerin, als gesetzliche Vertreterin, nach zweimaligem Zustellversuch durch Hinterlegung am 2. April 2008 zugestellt (Verwaltungsakt der belangten Behörde, Seite 219).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 8. April 2008 bei der belangten Behörde eingelangte verfahrensgegenständliche Berufung (nunmehr: Beschwerde).
Mit 1. Juli 2008 wurde die ursprünglich zuständige Berufungsbehörde, der Unabhängige Bundesasylsenat aufgelöst, an seine Stelle trat der neu eingerichtete Asylgerichtshof. Nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes wurde gegenständliches Beschwerdeverfahren dem nunmehr zuständigen vorsitzenden Richter zugewiesen.
Am 12. November 2008 fand zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof statt, an welcher die Großmutter der Beschwerdeführerin teilnahm. Die belangte Behörde wurde ordnungsgemäß geladen, blieb der Verhandlung jedoch entschuldigt fern.
In der Verhandlung wurden nach ausführlicher Erörterung des Vorbringens der Großmutter der Beschwerdeführerin die im Verfahren herangezogenen Erkenntnisquellen zur Kenntnis gebracht.
Die Verhandlungsschrift vom 12. November 2008 wurde dem Bundesasylamt per Email übermittelt.
2. Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde, der vor dem Asylgerichtshof durchgeführten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung und den in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichten zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin wird seitens des Asylgerichtshofes Folgendes festgestellt:
Die Beschwerdeführerin trägt den im Spruch angeführten Namen, ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe. Ihr letzter Aufenthalt in ihrem Herkunftsstaat war die Stadt U.. Die Großmutter der Beschwerdeführerin, Frau T.D., Zahl. D9 318734, ist Mutter des in Österreich asylberechtigten T.R., seit 00.00.2007 verwitwet und Obsorgeberechtigte der mitgereisten Beschwerdeführerin, welche die Tochter des im Rahmen eines Luftangriffs während des zweiten Tschetschenienkriegs gefallenen weiteren Sohnes der Großmutter der Beschwerdeführerin ist.
Nach dem Tod und der Beerdigung des Ehegatten der Großmutter der Beschwerdeführerin am selben Tage, fasste die Großmutter der Beschwerdeführerin den Entschluss gemeinsam mit der Beschwerdeführerin ob der anhaltenden regelmäßigen, asylrelevanten Bedrohungen durch russische Soldaten, die durch Jahre hindurch in ihr Haus eindrangen und ihr gegenüber physische und psychische Gewalt anwendeten, ihre Heimat zu verlassen und reiste über Moskau und Polen kommend in das österreichische Bundesgebiet ein. Sie brachte am 30. Dezember 2007 für sich und als Vertreterin für die Beschwerdeführerin einen Antrag auf internationalen Schutz ein und hält sich seitdem ununterbrochen in Österreich auf.
3. Beweis wurde erhoben durch Einsicht des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und dem diesen inliegenden Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin sowie durch Einsicht in die niederschriftlichen Einvernahme des asylberechtigten Onkel der Beschwerdeführerin (Zahl: 04 12.976) vom 24. und 28. Juni 2004 sowie 12. Jänner 2005 und Einvernahme der Großmutter der Beschwerdeführerin im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 12. November 2008.
Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde geht der zur Entscheidung berufene Senat auf Grund der Aktenlage in Bezug auf die Aussagen der Großmutter der Beschwerdeführerin und des im Rahmen der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks in seiner Beweiswürdigung von folgenden Prämissen aus:
Einerseits erachtet es der Asylgerichtshof als nachvollziehbar, schlüssig und glaubhaft, dass die Großmutter der Beschwerdeführerin nach dem Tod ihres Ehegatten, somit ohne Schutz in der Gesellschaft, als alleinige Obsorgeberechtigte der verwaisten Beschwerdeführerin und der nachgewiesenen bereits im Herkunftsstaat erfolgten psychiatrischen Behandlung zu dem von ihr angegebenen Zeitpunkt den Entschluss zur Ausreise gefasst hat.
Andererseits ist es auch verständlich und den allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen entsprechend, vordergründig das Wohl der Beschwerdeführerin ins Auge zu fassen und dies im Rahmen von niederschriftlichen Einvernahmen wiederholt zu betonen. Vor dem Hintergrund einer über einen länger dauernden Zeitraum, durchgängigen Bedrohung und den oben skizzierten familiären und psychohygienischen Umständen gesteht der Asylgerichtshof der Großmutter der Beschwerdeführerin, wie in ihrer Beschwerde ausgeführt, eine verständliche emotionale "Erstarrung" zu, sich ob der oftmaligen bereits nahezu geduldeten und hingenommenen Bedrohungen im Wesentlichen auf die Interessen der ihr in Obsorge überreichten Beschwerdeführerin zu konzentrieren und ihre persönliche Furcht diesem Interesse hintanzustellen.
Unter Heranziehung der Aussagen des asylberechtigten Onkels der Beschwerdeführerin (Zahl: 04 12.976) in seinem Verfahren, welche die belangte Behörde im Übrigen für glaubhaft erachtete und die der zur Entscheidung berufene Senat in gegenständliches Verfahren mit einbezieht, ist von einer asylrelevanten Verfolgung der Großmutter der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten jedenfalls zum Zeitpunkt Februar 2003 auszugehen. Demnach sind maskierte Soldaten auf der Suche nach dem aktiv beteiligten weiteren Onkel der Beschwerdeführerin vom Winter 1999 an mehrmals in das Haus der Großmutter der Beschwerdeführerin eingedrungen. Im Februar 2003 wurde die Großmutter der Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte dem Vorgehen bei sogenannten Säuberungsaktionen entsprechend gezwungen, sich unter Drohungen mit dem Gesicht zu Boden zu legen, während der nunmehr asylberechtigter Onkel der Beschwerdeführerin abgeführt wurde (Niederschriftliche Einvernahme im Verfahren zur Zahl 04 12.976 vom 12. Jänner 2005).
Durchaus glaubhaft erachtet der Asylgerichtshof daher die fortwährenden Bedrohungen der Großmutter der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten auch nach der Flucht des nunmehr in Österreich asylberechtigten Onkels der Beschwerdeführerin, wie sie in den niederschriftlichen Einvernahmen ausführte:
"Es kamen ständig russische Soldaten zu mir nach Hause und fragten nach meinen Söhnen. .... Sie kamen mehrere Male, aber ich kann nicht mehr angeben, wann vor meiner Ausreise. Ich kann kein konkretes einzelnes Ereignis beschreiben, da ich mich nicht mehr erinnern kann, da sich alle Ereignisse vermischen. Auf jeden Fall kamen immer zwei bis drei Uniformierte."
Demgegenüber wäre ein abrupter Abbruch der Suche nach dem am Krieg beteiligten Onkel der Beschwerdeführerin nach der Flucht des anderen Onkels vielmehr in sich widersprüchlich und allgemein nicht vorstellbar.
Zu Recht in der Beschwerde gerügt wurde die Würdigung der belangten Behörde im Bescheid der Großmutter der Beschwerdeführerin, wonach ein "weiteres Indiz einer erfunden Geschichte die Tatsache" war, "dass bei dem Begräbnis des Gatten keine Kontrolle von den Soldaten durchgeführt wurde. Wäre das Interesse der Soldaten an den Söhnen wirklich so ein nachhaltiges, hätten die Soldaten am Begräbnis sicher alle anwesenden Personen kontrolliert, zumal nach moslemischen Brauch beim Begräbnis des Vaters die Söhne anwesend sein müssten." Die belangte Behörde übersieht in diesem Zusammenhang einerseits die Aussage der Beschwerdeführerin selbst (Verwaltungsakt der belangten Behörde zu FZ. 07 12.336-BAT, Seite 233) und andererseits auch das islamistische Gebot, Verstorbene möglichst noch am Sterbetag zu bestatten. Eine Anwesenheit der Onkel der Beschwerdeführerin wäre daher weder durch die russischen Soldaten anzunehmen noch tatsächlich möglich gewesen.
Die seitens der Großmutter der Beschwerdeführerin dargelegte subjektive Furcht ist, neuerlich auf die oben skizzierten Umstände, insbesondere auf den Tod des Ehegatten und des damit verbundenen Schutzverlusts verweisend, objektiv nachvollziehbar.
II. Der Asylgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Rechtslage:
1. 1. Der Asylgerichtshof hat gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 (WV) in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008, ab 1. Juli 2008 die beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen.
Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, in der Fassung BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.
Gemäß § 22 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, ergehen Entscheidungen des Bundesasylamtes über Anträge auf internationalen Schutz in Bescheidform. Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst ergehen in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.
Der Asylgerichtshof entscheidet gemäß Art. 129c Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008, in Verbindung mit § 61 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 leg. cit. vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
2. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
Auf die Verfahren vor dem Asylgerichtshof sind gemäß § 23 AsylGHG, soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG 2005, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nichts anderes ergibt, die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Verfahrensgegenständliche Beschwerde wurde dem zur Entscheidung berufenen Senat mit 1. Juli 2008 in Anwendung des § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 zugeteilt. Beratung und Beschlussfassung des zuständigen Senates erfolgten gemäß § 11 AsylGHG am heutigen Tag.
1. 2. Gemäß § 73 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft.
Verfahrensgegenständlicher Asylantrag wurde am 30. Dezember 2007 eingebracht, weshalb die Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 anzuwenden sind.
2. In der Sache:
2. 1. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), hat die Berufungsbehörde außer in dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
2. 2. Gemäß § 3 AsylG 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 100 ist einem/einer Fremden, der/die in Österreich eine Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des/der Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm/ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (in der Fassung des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 78/1974) ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des/der Asylwerbers/Asylwerberin und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22. 12. 1999, 99/01/0334; 21. 12. 2000, 2000/01/0131; 25. 1. 2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21. 12. 2000, 2000/01/0131; 25. 1. 2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26. 2. 1997, 95/01/0454; 9. 4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18. 4. 1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16. 2. 2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9. 9. 1993, 93/01/0284; 15. 3. 2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der/die Asylwerber/Asylwerberin außerhalb seines/ihres Heimatlandes bzw. des Landes seines/ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16. 6. 1994, 94/19/0183; 18. 2. 1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn die Asylentscheidung erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der/die Asylwerber/Asylwerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9. 3. 1999, 98/01/0318; 19. 10. 2000, 98/20/0233).
Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des/der Asylwerbers/Asylwerberin durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25. 3. 1999, Zl. 98/20/0559).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH 24. 6. 1999, Zl. 98/20/0453; VwGH 25. 11. 1999, Zl. 98/20/0357).
Die belangte Behörde geht in ihrem Bescheid nach Ansicht des zur Entscheidung berufenen Senates zusammenfassend zu Unrecht von der Unglaubwürdigkeit des im erstatteten fluchtrelevanten Vorbringens aus (siehe dazu Bescheid Seite 30 bis 33 bzw. Verwaltungsakt der belangten Behörde zu FZ. 07 12.336-BAT, Seite 265 bis 271); vielmehr erachtet der Asylgerichtshof die Aussagen der Großmutter der Beschwerdeführerin in Bezug auf ihre persönliche Bedrohung als glaubhaft, nachvollziehbar und somit objektiv wohlbegründet, asylrelevant und zum Entscheidungszeitpunkt nach wie vor aktuell.
Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind Drohungen und andere Verfolgungshandlungen gegen Familienangehörige unter Umständen auch für andere Familienangehörige asylrelevant, wenn ein enger Zusammenhang festzustellen ist (VwGH 31. 01. 2002, Zl. 2000/20/0358). Zweifellos ist ein solcher Zusammenhang auf Grund der über Jahre anhaltenden Verfolgung des als Widerstandskämpfers agierenden Onkels der Beschwerdeführerin und der im Rahmen dieser Personensuche gegen die Großmutter der Beschwerdeführerin gerichteten Drohungen und psychischen und physischen Gewaltanwendungen gegeben.
Trotz der äußerst problematischen Situation von Angehörigen der tschetschenischen Volksgruppe, insbesondere in Tschetschenien, kann aus der Sicht des Asylgerichtshofes nicht von einer ganz pauschalen, generellen Verfolgung nur allein wegen der Zugehörigkeit zur tschetschenischen Ethnie ("Gruppenverfolgung") gesprochen werden, sondern ist weiterhin jeder konkrete Einzelfall umfassend an Hand der in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Verfolgungsgründe zu prüfen (z.B. UBAS 24. 01. 2007, Zl. 254.119/0-VIII/22/04, UBAS 27. 01. 2007, Zl. 256.753/5E-VIII/22/05 u. a.).
Ein Zusammenhang zu den in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Verfolgungsgründen ergibt sich bei der Großmutter der Beschwerdeführerin und auch bei der Beschwerdeführerin selbst aus der Verfolgung durch Truppeneinheiten russischer Soldaten auf Grund ihrer Familienangehörigkeit zu Widerstandskämpfern im Tschetschenienkrieg. Der seitens der Großmutter der Beschwerdeführerin vorgebrachte, als glaubhaft erachtete Sachverhalt gebietet eine Subsumption unter einen in der GFK angeführten Fluchtgrund, nämlich der Verfolgung wegen einer politischen Gesinnung.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Tschetschenien mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Eingriffe von sehr hoher Intensität in ihre zu schützende persönliche Sphäre (Leben, Gesundheit, Freiheit) drohen.
Im Hinblick auf eine innerstaatlichen Fluchtalternative im Gebiet der Russischen Föderation ist auszuführen, dass es der Großmutter der Beschwerdeführerin, die gleichzeitig die Obsorge über die Beschwerdeführerin inne hat, als ethnische Tschetschenin hohen Alters auch nicht zumutbar ist, in anderen Landesteilen der Russischen Föderation Aufenthalt zu nehmen, zumal infolge oftmaliger Verweigerung der sogenannten Registrierung vielfach keine Möglichkeit besteht, in anderen Landesteilen der Russischen Föderation legal bzw. komplikationslos Aufenthalt zu nehmen und den Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Dies auch im Hinblick darauf, dass die Bevölkerung den Nordkaukasiern vielfach eine ablehnende Haltung entgegenbringt (Verdächtigung der Beteiligung an terroristischen Aktivitäten). Eine "inländische Fluchtalternative" ist demnach mangels Zumutbarkeit im konkreten Fall jedenfalls zu verneinen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.