TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/24 S5 402776-1/2008

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Veröffentlicht am 24.11.2008
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Spruch

S5 402.776-1/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des B. K., geb. 00.00.1976, StA. Marokko, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.10.2008, Zahl: 08 08.812, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Marokko und ist im August 2008 eigenen Angaben zufolge über Spanien, Frankreich und Italien, wo er am 14.8.2008 erkennungsdienstlich behandelt wurde und am 11.9.2008 einen Asylantrag stellte (vgl. Aktenseite 159) schließlich zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt illegal im Bundesgebiet eingereist, wo er am 19.9.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte (vgl. Aktenseite 5 u. 17).

 

Mit E-mail vom 23.9.2008 ersuchte Österreich Italien um Übernahme des Asylwerbers gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II). Italien hat (durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort) gem. Art. 20 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) die Wiederaufnahme des Asylwerbers akzeptiert. Letztlich hat sich Italien auch (nachträglich) mit Schreiben vom 16.10.2008 (Aktenseite 25 des dem Verwaltungsakt angeschlossenen Dublin-Aktes) bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) zu übernehmen.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 24.10.2008 erklärte der Asylwerber nach Vorhalt, dass Italien zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass er in Italien beobachtet habe, wie Mafia-Mitglieder mit Rauschgift gehandelt hätten. Er sei aufgefordert worden, mit diesen zusammenzuarbeiten und habe man ihm für den Fall, dass er dies verweigern würde, seine Ermordung angedroht. Er fühle sich nur in Österreich sicher (Aktenseite 65).

 

Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.10.2008, Zahl: 08 08.812, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hierbei im Wesentlichen erneut geltend gemacht, dass er von der Mafia bedroht worden sei, da er die Zusammenarbeit mit dieser abgelehnt habe. Die italienischen Behörden könnten ihn nicht schützen, weiters mache ihm das Leben auf der Straße zu schaffen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Italien hat auf Grundlage des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) letztlich ausdrücklich akzeptiert, den Asylwerber wieder aufzunehmen und war es diesem bereits am 11.9.2008 möglich, in Italien einen Asylantrag zu stellen. Zweifel am Zugang des Antragstellers zu einem Asylverfahren in Italien liegen daher nicht vor.

 

Gemäß der - mittlerweile ständigen - Rechtssprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes (VfGH vom 8.3.2001, G 117/00 u. a., VfSlG 16.122; VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2000/01/0498) ist auf Kriterien der Art. 3 und 8 EMRK bei Entscheidungen gemäß § 5 AsylG, ungeachtet des Fehlens einer diesbezüglichen Anordnung in der Bestimmung selbst, Bedacht zu nehmen.

 

Sohin ist zu prüfen, ob der Asylwerber im Falle der Zurückweisung seines Asylantrages und seiner Ausweisung nach Italien gem. §§ 5 und 10 AsylG - unter Bezugnahme auf seine persönliche Situation - in seinen Rechten gem. Art. 3 EMRK (eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 8 EMRK wurde seitens des Antragstellers nicht behauptet und liegen auch keinerlei Anhaltspunkte hiefür vor, da der Asylwerber keine Verwandtschaft in Österreich hat) verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.

 

Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Antragsteller in Italien selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sind vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Feststellungen ebenso wenig vorhanden wie dass ihm Italien entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihm im Heimatstaat unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. hierzu insbesondere Seite 9 f. des angefochtenen Bescheides).

 

Da im konkreten Fall keine Hinweise dafür vorliegen, dass über den in Italien gestellten Asylantrag des Beschwerdeführers bereits eine erste Sachentscheidung getroffen worden wäre, verbieten sich auch spekulative Erwägungen über dessen Ausgang und die Erfolgsaussichten des Beschwerdeführers. Soweit der Asylwerber geltend macht, in Italien von Mafia-Angehörigen bedroht worden zu sein, ist einzuwenden, dass der Wahrheitsgehalt seiner gesamten Angaben in Zusammenhang mit seinem Aufenthalt in Italien schon deshalb stark in Zweifel zu ziehen ist, da der Asylwerber trotz des Vorhaltes bezüglich des - seine Asylantragstellung in Italien belegenden - Eurodac-Treffers im gesamten erstinstanzlichen Verfahren darauf beharrte (vgl. Aktenseite 9 u. 67), in Italien keinen Asylantrag gestellt zu haben. Schon hierdurch entsteht der Eindruck, dass der Asylwerber im Hinblick auf eine mögliche Erzwingung der Durchführung seines Asylverfahrens in Österreich offenbar keine Hemmungen hat, vor den Behörden auch unwahre Angaben zu erstatten. Letztlich erscheinen seine lediglich pauschal in den Raum gestellten Einwendungen bezüglich einer erfolgten Bedrohung durch Mafia-Mitglieder in Italien auch ausgehend davon, dass Italien als Mitgliedstaat der EU selbstverständlich in der Lage und auch willens ist, ihm vor allfälligen Übergriffen Privater effektiv Schutz zu bieten, nicht geeignet, ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK im Falle seiner Überstellung nach Italien darzutun. Vor dem Hintergrund, dass Asylwerbern in Italien bis zur Entscheidung über ihren Antrag eine komplette Grundversorgung gewährt wird, die Unterkunft, Verpflegung, Bekleidung und medizinische Versorgung umfasst (vgl. Seite 12 des angefochtenen Bescheides), erscheint schließlich auch seine in der Beschwerde geäußerte Behauptung, in Italien auf der Straße gelebt zu haben ("[...] und das Leben auf der Straße macht mir zu schaffen [...]", vgl. Aktenseite 161), nicht glaubwürdig und ist letztlich nicht zu befürchten, dass der Asylwerber in Italien in eine existentielle Notlage geraten müsste.

 

Schließlich ist zu ergänzen, dass sich im Verfahren nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohenden Krankheit (im Endstadium), die überdies in Italien nicht behandelbar wäre, leidet, sodass nach der strengen Judikatur des EGMR zu Art. 3 EMRK seine Überstellung nach Italien nicht einmal ansatzweise eine für eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK relevante Gravität erreicht.

 

Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer bekämpften Ausweisung ist festzuhalten, dass das Bundesasylamt eine korrekte Interessensabwägung im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen hat. Den Ausführungen zu Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides ist seitens des Asylgerichtshofes für den konkreten Fall somit ebenfalls zuzustimmen.

 

Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, private Verfolgung, real risk, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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