TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/24 E12 221862-3/2008

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Veröffentlicht am 24.11.2008
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Spruch

E12 221.862-3/2008-3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde des G.I., geb. am 00.00.1982, StA. der Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.10.2008, FZ. 08 09.392-EAST-Ost, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Bisheriger Verfahrenshergang

 

Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger der Türkei, reiste unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte erstmals am 1.2.2001 einen Asylantrag. Dazu wurde diese zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Diesbezüglich wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.3.2001, FZ. 0101.986-BAG, wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z. 3 Asylgesetz 1997 abgewiesen. Gemäß § 8 leg. cit. wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in die Türkei für zulässig erklärt.

 

Mit Bescheid des UBAS vom 9.5.2001, wurde die rechtzeitig eingebrachte Berufung des BF gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Rechtsvertreter des BF am 10.5.2001 zugestellt. Die Behandlung der daraufhin vom BF erhobenen Beschwerde wurde vom VwGH mit Beschluss vom 30.9.2004 abgelehnt.

 

Mit Schriftsatz vom 15.11.2007 (eingelangt beim BAA Graz am 16.11.2007) begehrte der BF die Wiederaufnahme des Asylverfahrens AZ 0101.986-BAG. Dieser Antrag wurde vom BAA Graz mit Schreiben vom 19.11.2007 zuständigkeitshalber dem UBAS vorgelegt. Mit Beschluss des seit 1.7.2008 zuständigen Asylgerichtshofes wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens gem. § 69 Abs. 2 AVG als verspätet zurückgewiesen.

 

Der BF stellte daraufhin am 2.10.2008 abermals einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde dieser erstbefragt und zu den im erstinstanzlichen Bescheid ersichtlichen Daten von einem Organwalter der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid vollständig wiedergegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.

 

Im Wesentlichen brachte er vor, dass er in der Türkei als Kurde verfolgt werde und dort keinen Wehrdienst ableisten wolle. Außerdem verwies er auf seine exilpolitische Tätigkeit beim alevitischen Kulturzentrum und beim kurdischen Informationszentrum.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.10.2008, FZ. 00809392-EAST Ost, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 68 (1) AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 wurde er aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (Spruchpunkt II). Dieser Bescheid wurde dem Rechtsvertreter des BF am 24.10.2008 zugestellt.

 

Im Wesentlichen führte die belangte Behörde aus, dass das erste Asylverfahren mit 9.5.2001 rechtskräftig abgeschlossen wurde. Da seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des BF gelegen ist, noch auf jenem, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist - noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, steht die Rechtskraft des ergangenen Bescheides dem neuerlichen Antrag entgegen, weshalb die Asylbehörde zu seiner Zurückweisung verpflichtet war.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 7.11.2008 innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

 

Die Beschwerde samt Akt langte am 21.11.2008 beim Asylgerichtshof, Abt. E12, ein.

 

Im Beschwerdeschreiben wiederholte der Rechtsvertreter des BF sein bisheriges Vorbringen und führte aus, dass das BAA innerhalb der gesetzlichen 20-Tage-Frist des § 28 Abs. 2 Asylgesetz 2005 keine Entscheidung hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrages nach § 68 Abs. 1 AVG getroffen habe, weshalb der Antrag kraft Gesetzes als zugelassen gelte. Außerdem habe sich das BAA mit dem Vorbringen des BF nicht hinreichend auseinandergesetzt. Das BAA habe auch die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Asylgesetz 2005 verletzt, welcher auch für Formalentscheidungen anwendbar sei. Weiters wurde das erstinstanzliche Verfahren moniert.

 

Hinsichtlich des Verfahrensherganges und Parteienvorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Zuständigkeit

 

Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gem. § 75 (7) Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idgF sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der geltenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

...

 

Im Rahmen der Interpretation des § 75 (7) ist mit einer Anhängigkeit der Verfahren beim Unabhängigen Bundesasylsenat mit 30.6.2008 auszugehen (vgl. Art. 151 Abs. 39 Z.1 B-VG). Der in der genannten Übergangsbestimmung genannte 1. Juli 2008 ist im Sinne der im oa. Klammerausdruck genannten Bestimmung des B-VG zu lesen.

 

Gem. § 61 Abs. 3 Z. 1 lit. c und Z. 2 AsylG hat im gegenständlichen Verfahren der AsylGH durch Einzelrichter zu entscheiden. Im gegenständlichen Fall ergab sich aus den entsprechenden Bestimmungen der GV des AsylGH die Zuständigkeit des entscheidenden Einzelrichters.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Gericht, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 Asylgesetz 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz zuzulassen, wenn das BAA nicht binnen 20 Tagen nach Einbringen des Antrages entscheidet, es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin-Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber binnen der 20-Tage-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tage-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt.

 

Wenn in der Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, können gem. § 62 AVG Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden. Ein schriftlicher Bescheid ist erst mit der Zustellung bzw. Ausfolgung seiner schriftlichen Ausfertigung an eine Partei als erlassen anzusehen; nur ein solcherart erlassener Bescheid kann auch Rechtswirkungen erzeugen. Auch zur Wirksamkeit eines (bloß) verfahrensrechtlichen Bescheides ist dessen ausdrückliche Erlassung an die Partei erforderlich.

 

Dem BAA steht aufgrund der oben zitierten Bestimmung grundsätzlich eine Entscheidungsfrist von 20 Tagen zur Verfügung, um im Rahmen des Zulassungsverfahrens den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Fristauslösendes Ereignis für die Entscheidungsfrist ist die Einbringung (nicht die Stellung) des Asylantrages. Ein Antrag auf internationalen Schutz ist "eingebracht", wenn er vom Fremden persönlich -auch im Rahmen einer Vorführung- bei der Erstaufnahmestelle gestellt wird. Die Entscheidung des BAA ist innerhalb der Frist von 20 Tagen zuzustellen.; erst mit der Zustellung ist die Entscheidung erlassen. Die 20-Tage-Frist gilt nicht, wenn Konsultationen gemäß der Dublin-Verordnung oder eines Vertrages über die Prüfung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt werden und dies dem Asylwerber innerhalb der 20-Tage-Frist mitgeteilt wird. Beide Voraussetzungen müssen zur Unwirksamkeit der Frist kumulativ vorliegen. Die Frist nach § 28 Abs. 2 entfällt auch dann gänzlich, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz am 2.10.2008 bei der Erstaufnahmestelle eingebracht. Mit diesem Tag beginnt der Lauf der 20-Tage-Frist. Fristende wäre der 22.10.2008 gewesen. Laut im Akt befindlichen Rückschein wurde die Zurückweisungsentscheidung dem Rechtsvertreter des BF allerdings erst am 24.10.2008 zugestellt. Umstände, die zu einer Außerkraftsetzung der 20-Tage-Frist geführt hätten, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Demnach hätte die Zurückweisung des Antrages im Zulassungsverfahren nicht mehr erfolgen dürfen.

 

Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen erübrigt sich aufgrund der getroffenen Entscheidung.

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gem. § 41 Abs. 7 AsylG unterblieben.

Schlagworte
Fristversäumung, Zulassungsverfahren, Zurückweisungstatbestand
Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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