C9 314918-1/2008/4E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Dr. René BRUCKNER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Daniel LEITNER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Tanja ANTOVIC über die Beschwerde des minderjährigen J. O., geb. 00.00.1992, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.09.2007, FZ. 06 03.783-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird s t a t t g e g e b e n und J. O. gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten z u e r k a n n t.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass J. O. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
I.1. Verfahrensgang
1. Die Mutter des minderjährigen Beschwerdeführers (in der Folge: Bf.), G. H., geb. 00.00.1969, StA. Afghanistan, brachte als gesetzliche Vertreterin des Bf. beim Bundesasylamt einen vorher bei der Österreichischen Botschaft in Islamabad (Pakistan) gestellten Antrag auf internationalen Schutz im Rahmen des Familienverfahrens ein.
Am 11.06.2007 wurde die Mutter des Bf. auch im Namen ihres mj. Sohnes vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Graz (in der Folge: BAG), niederschriftlich einvernommen.
Das BAG wies mit Bescheid vom 14.09.2007, AZ. 06 03.783-BAG, zugestellt an die Mutter als gesetzliche Vertreterin des mj. Bf. am 18.09.2007, den Antrag auf internationalen Schutz der Bf. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab und erkannte ihm den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I), erkannte dem Bf. gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm. § 34 Abs. 3 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 09.02.2008 (Spruchpunkt III).
2. Gegen Spruchpunkt I des o.g. Bescheides des BAG erhob die Mutter des Bf. als gesetzliche Vertreterin Berufung, die am 20.09.2007 beim BAG einlangte.
Die gegenständliche Berufung (nunmehr: Beschwerde) des Bf. wurde dem UBAS am 04.10.2007 vom BAG vorgelegt.
3. Die gegenständliche Beschwerde wurde dem zuständigen Senat C9 des Asylgerichtshofes zur Entscheidung zugewiesen.
I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens
I.2.1. Beweisaufnahme
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
Einsicht in den dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakt des BAG (OZ 1), beinhaltend die Niederschrift betreffend die Einvernahme der Mutter als gesetzliche Vertreterin des mj. Bf. vom 11.06.2007.
Einsicht in den dem Asylgerichtshof vorliegenden Akt betreffend das Beschwerdeverfahren der Mutter des mj. Bf.,G. H., geb. 00.00.1969, GZ. C9 314917-1/2008.
I.2.2. Ermittlungsergebnis (Sachverhalt)
Der Asylgerichtshof geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:
1. Der Bf. führt den Namen J. O., ist am 00.00.1992 in Afghanistan geboren und damit minderjährig, und Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan.
Der Bf. ist mj. Sohn der G. H., geb. 00.00.1969, StA. Afghanistan, und des J. A., geb. 06.01.1959, StA. Afghanistan, und lebt mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt.
2. Der Asylgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 26.11.2008, GZ. C9 314917-1/2008/7E, der Beschwerde der G. H. gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.09.2007, AZ. 06 03.781-BAG, stattgegeben und ihr gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 den Status der Asylberechtigten zuerkannt und gleichzeitig gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3. Die Mutter des Bf. ist in dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren die gesetzliche Vertreterin ihres mj. Sohnes. Als solche hielt sie die von ihr in der zu ihrer Beschwerdesache durchgeführten mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 11.11.2008 getätigten Angaben auch hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens ihres mj. Sohnes aufrecht.
I.3. Beweiswürdigung
I.3.1.
Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Akten des BAG und des Asylgerichtshofes.
I.3.2.
1. Die Feststellungen zur Identität (Name und Alter), Staatsangehörigkeit und Herkunft des Bf. sowie seinem persönlichen Umfeld ergeben sich aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben der Mutter als gesetzliche Vertreterin des mj. Bf. im Verfahren vor dem BAG (OZ 1) und im Rahmen der zu ihrem Beschwerdeverfahren zu GZ. C9 314917-1/2008 vor dem Asylgerichtshof am 11.11.2008 durchgeführten mündlichen Verhandlung sowie dem im Akt des BAG in Kopie inliegenden afghanischen Reisepasses des Bf. (Akt des BAG, AS 7 bis 13).
2. Im Übrigen ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das an der Richtigkeit der Feststellungen zur Person des Bf. Zweifel aufkommen ließ.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
II.1. Anzuwendendes Recht
1. In der gegenständlichen Rechtssache sind die Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, anzuwenden, zumal der Asylantrag des mj. Bf. von seiner Mutter als gesetzlicher Vertreterin am 21.03.2007 und damit nach dem Inkrafttreten des AsylG 2005 am 01.01.2006 gestellt und eingebracht wurde.
2. Weiters anzuwenden sind die Bestimmungen des Asylgerichtshofgesetzes (AsylGHG), BGBl. I Nr. 4/2008, und gemäß § 23 AsylGHG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, sowie die Bestimmungen des Zustellgesetzes (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, alle in der jeweils geltenden Fassung.
3. Der Asylgerichtshof hat gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 (WV) idF BGBl. I Nr. 2/2008, ab 01.07.2008 die beim UBAS anhängigen Verfahren weiterzuführen. An die Stelle des Begriffs "Berufung" tritt gemäß § 23 des Asylgerichtshofgesetzes (AsylGHG), BGBl. I Nr. 4/2008, mit Wirksamkeit ab 01.07.2008 der Begriff "Beschwerde". Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Einrichtung des Asylgerichtshofes finden sich in den Art. 129c ff. B-VG.
4. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 idF des Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes, BGBl. I Nr. 4/2008, sind am 01.07.2008 beim UBAS anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:
Mitglieder des UBAS, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des UBAS geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.
5. Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.
6. Die gegenständliche Rechtssache wurde bis 30.06.2008 von einem zum Richter des Asylgerichtshofes ernannten Mitglied des UBAS geführt. Eine mündliche Verhandlung in der gegenständlichen Rechtssache fand bis 30.06.2008 nicht statt. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 idF des Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes war das Verfahren daher von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat C9 weiterzuführen, zumal kein Fall einer Einzelrichterzuständigkeit iSd. § 61 Abs. 3 AsylG 2005 vorgelegen ist.
7. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm. § 23 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Der Asylgerichtshof ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
8. Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.
Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Beschwerdeverfahren der Mutter des Bf. zweifelsfrei geklärt ist. So wurde der für die gegenständliche Rechtssache maßgebliche Sachverhalt auch im Rahmen der zur Beschwerde der Mutter vor dem Asylgerichtshof am 11.11.2008 durchgeführten mündlichen Verhandlung festgestellt.
II.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides
1. § 34 AsylG 2005 betreffend "Familienverfahren im Inland" lautet:
"§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von
einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, es sei denn, dass
die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat möglich ist oder
dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Asylgerichtshof."
2. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
3. § 36 Abs. 3 AsylG 2005 betreffend "Wirkung von Beschwerden" lautet:
"§ 36. ...
(3) Wird gegen eine zurückweisende oder abweisende Entscheidung im Familienverfahren auch nur von einem betroffenen Familienmitglied Beschwerde erhoben, gilt diese auch als Beschwerde gegen die die anderen Familienangehörigen (§ 2 Z 22) betreffenden Entscheidungen; keine dieser Entscheidungen ist dann der Rechtskraft zugänglich. Allen Beschwerden gegen Entscheidungen im Familienverfahren kommt aufschiebende Wirkung zu, sobald zumindest einer Beschwerde im selben Familienverfahren aufschiebende Wirkung zukommt."
4. Aus dem im Rahmen des Ermittlungsverfahrens festgestellten Sachverhalt ergibt sich:
3.1. Der Bf. ist minderjährig und Sohn der G. H.. Der Mutter wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.11.2008, GZ. C9 314917-1/2008/7E, rechtskräftig der Status der Asylberechtigten zuerkannt, nachdem sie gegen den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes Berufung (Beschwerde) erhoben hatte. Der Bf. ist daher Familienangehöriger eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 iVm. § 34 Abs. 2 AsylG 2005.
3.2. Zwischen dem Bf. und seiner Mutter (ebenso mit seinem Vater) besteht ein aufrechtes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK.
Die Unmöglichkeit der Fortsetzung des Familienlebens in einem anderen Staat wird in der Regel dann gegeben sein, wenn kein anderer Staat ersichtlich ist, der dem Asylberechtigten und seinem Angehörigen Asyl oder eine dem Asylrecht entsprechende dauernde Aufenthaltsberechtigung gewährt (Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 - Kommentar [2006] 504).
3.3 Im gesamten Verfahren haben sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, wonach dem Bf. mit seiner Familie ein Familienleben in einem anderen Staat zumutbar ist oder möglich wäre, sodass dem Bf. im Familienverfahren der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 34 Abs. 2 AsylG 2005 zuzuerkennen war.
4. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II.3.
Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.