GZ. E9 258.896-0/2008-7E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. R. Engel als Vorsitzenden und den Richter Mag. H. Leitner als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mayer über die Beschwerde des mj. M.M., geb. 00.00.2004, StA. ungeklärt, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.03.2005, FZ. 04 16.542-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
1. Der mj. Beschwerdeführer ist der am 00.00.2004 in Österreich geborene Sohn eines laut eigenen Angaben aus K. stammenden und als Asylwerber in Österreich aufhältigen Ehepaars und stellte am 17.08.2004 durch seine Eltern einen Asylantrag.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 04.03.2005 wurde der Asylantrag des mj. Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des mj. Beschwerdeführers nach Aserbaidschan, K., gemäß § 8 Abs 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und dieser gemäß § 8 Abs 2 AsylG 1997 "aus dem österreichischen Bundesgebiet" ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
3. Gegen diesen Bescheid erhob der mj. Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Vater, fristgerecht Berufung (nunmehr als Beschwerde zu werten). Hinsichtlich des konkreten Inhaltes der Beschwerde, der bei den Erwägungen des Asylgerichtshofes berücksichtigt wurde, wird auf den Akteninhalt verwiesen (VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).
4. Mit Erkenntnissen vom heutigen Tag hob der Asylgerichtshof die Bescheide des Bundesasylamtes, mit welchen der Asylantrag des Vaters bzw. der Asylerstreckungsantrag der Mutter des mj. Beschwerdeführers abgewiesen worden waren, jeweils gemäß § 66 Abs 2 AVG auf und verwies die Angelegenheiten zur jeweils neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines jeweils neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes sowie der Verwaltungsakte der Eltern des mj. Beschwerdeführers.
2. Gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes (AsylG 2005) sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.
Gemäß § 44 Abs 2 AsylG 1997 werden Asylanträge, die - wie der verfahrensgegenständliche - ab dem 01.05.2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt.
Gemäß § 38 Abs 1 AsylG 1997 entscheidet der unabhängige Bundesasylsenat über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes.
Gemäß § 75 Abs 7 AsylG 2005 idF BGBl I Nr 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:
Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenats, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
Gemäß § 61 Abs 1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof - von hier nicht zutreffenden Ausnahmefällen abgesehen - in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.
Das gegenständliche Verfahren war am 01.07.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und es hat noch keine mündliche Verhandlung stattgefunden. Die Zuständigkeit des erkennenden Senates ergibt sich sohin gemäß § 75 Abs 7 Z 2 AsylG 2005 aus der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes.
Nach § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG 2005 und dem VwGG nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Dies gilt laut den Gesetzesmaterialien (vgl. AB 371 XXIII. GP) auch für zusammengesetzte Begriffe, die den Wortbestandteil "Berufung" enthalten (zB "Berufungsbehörde" oder "Berufungsantrag" in §§ 66 und 67 AVG).
Gemäß § 66 Abs 2 AVG kann der Asylgerichtshof, wenn der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.
Gemäß Abs 3 leg cit kann der Asylgerichtshof jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
3. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 101/2003 stellen Familienangehörige eines Asylwerbers einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Familienangehöriger ist gemäß § 1 Z 6 leg cit, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist.
Gemäß § 10 Abs 5 leg cit hat die Behörde Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz, wobei die Gewährung von Asyl vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält einen gesonderten Bescheid.
Wie bereits oben unter Punkt I.4. erwähnt hat der Asylgerichtshof jene Bescheide des Bundesasylamtes, mit welchen der Asylantrag des Vaters bzw. der Asylerstreckungsantrag der Mutter des mj. Beschwerdeführers abgewiesen worden waren, jeweils gemäß § 66 Abs 2 AVG aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Im Hinblick darauf, dass die erstinstanzlichen Bescheide der Eltern des mj. Beschwerdeführers nicht mehr dem Rechtsbestand angehören, kann iSd § 10 Abs 5 AsylG 1997, wonach die Verfahren unter einem zu führen sind und alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang erhalten, auch der angefochtene Bescheid keinen Bestand haben. Es war spruchgemäß zu entscheiden, auch der gegenständlich bekämpfte Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Hinsichtlich der von der Erstbehörde ferner vorzunehmenden Ermittlungen, insbesondere hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, wird auf Punkt II.3. desjenigen Erkenntnisses des Asylgerichtshofes verwiesen, welches am heutigen Tag im Verfahren des Vaters des mj. Beschwerdeführers ergangen ist (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens vgl. VwGH 16.09.2003, 99/14/0297; 18.09.2003, 2002/15/0132).
5. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der Asylantrag des Vaters des mj. Beschwerdeführers vor Inkrafttreten der Asylgesetznovelle 2003 gestellt worden und daher in dessen erstinstanzlichem Bescheid noch keine Ausweisung verfügt worden war. Daher hätte die Ausweisung des mj. Beschwerdeführers nach der Judikatur des VwGH (vgl. insb. 12.12.2007, 2007/19/1054) an sich unterbleiben müssen.
Aufgrund der Behebung des Bescheides des Vaters und Zurückverweisung der Angelegenheit an das Bundesasylamt hat dieses - für den Fall, dass weder Asyl noch Refoulementschutz gewährt werden sollte - nunmehr (vgl. § 44 Abs 3 AsylG 1997) ohnedies auch hinsichtlich des Vaters über die Ausweisung zu entscheiden.
Festzuhalten ist des weiteren, dass die Ausweisung jedenfalls zielstaatbezogen zu erfolgen hätte. Diesbezüglich wird auf die ständige Judikatur des VwGH (vgl. z.B. vom 18.08.2005, 2005/20/0108 u. v.a.) verwiesen, wonach sich die asylrechtliche Ausweisung lediglich auf den einer Refoulementprüfung unterzogenen Herkunftsstaat des Berufungswerbers zu beziehen hat.
III. Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67 d AVG. Es ergibt sich aus § 23 AsylGHG, dass die dort als Rechtsfolge vorgesehene sinngemäße Anwendung des AVG 1991 unter dem Vorbehalt anderer Regelungsinhalte des B-VG, des AsylG 2005 und des VwGG steht. Derartige ausdrückliche andere Regelungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof sind, in den in der Erläuterung laut AB 371 XXIII. GP genannten §§ 20, 22 und 41 AsylG 2005 enthalten, wohl aber auch in den §§ 42, 61 und 62 AsylG 2005. Es ergibt sich aus § 23 AsylGHG somit die Anwendung von Verfahrensbestimmungen für den Asylgerichtshof in allen anhängigen Verfahren einschließlich der gemäß den Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führenden Verfahren, ohne dass es dafür einer Nennung dieser Bestimmungen (auch) im § 75 Abs 1 AsylG 2005 bedürfte. § 41 Abs 7 ist daher im gegenständlichen Verfahren anwendbar.
Es konnte hier eine mündliche Verhandlung entfallen, da eine verfahrensrechtliche Entscheidung zu fällen war, die mündliche Erörterung der Sachlage eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten ließ und dem auch Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht entgegen stand.