TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/27 A10 300068-1/2008

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Veröffentlicht am 27.11.2008
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Spruch

A10 300.068-1/2008/8E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Pipal als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Beisitzerin über die Beschwerde von J.E., geb. 00.00.1988, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.03.2006, GZ 04 23.764-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 7 und § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG), als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

 

Der Beschwerdeführer brachte nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 23.11.2004 den vorliegenden Asylantrag ein.

 

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 25.11.2004 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, sein Vater sei ein Juju-Beschwörer gewesen und habe dem Orakel gedient. Es sei jemand gestorben und dessen Angehörigen hätten seinen Vater getötet und auch den Beschwerdeführer umbringen wollen. Der Geheimbund Dyabo (phonetisch) suche ihn, um ihn zu töten. Beim Weglaufen habe er sich im Wald am Auge verletzt.

 

Im Zuge seiner Einvernahme am 27.02.2006 sagte der Beschwerdeführer noch aus, es habe sich nicht um die Angehörigen des Verstorbenen gehandelt, sondern um dessen Dorfgemeinschaft bzw. die Ältesten. Die Dorfgemeinschaft der Abo wolle den Beschwerdeführer töten, sein Vater sei von der Gemeinschaft getötet worden, weil er der Gottheit des Orakels etwas angetan habe. Der Beschwerdeführer sei während der Flucht von einem Stein am rechten Auge getroffen worden.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG abgewiesen, II. festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig ist, und III. der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

 

Mit Aktenvermerk des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 28.11.2006 musste das Verfahren gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt werden.

 

Der Asylgerichtshof führte am 27.11.2008 eine mündliche Verhandlung durch, zu welcher der Beschwerdeführer trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschien.

 

2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt festgestellt:

 

Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist nach seinen eigenen Angaben Staatsangehöriger von Nigeria, gehört der Volksgruppe der Abo an und stammt aus der Stadt A. im Bundesstaat Delta, wo er Früchte und Fische auf dem Markt verkaufte.

 

Es ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre. Der Beschwerdeführer behauptete, dass ihn die Dorfgemeinschaft der Abo töten wolle, doch war das gesamte diesbezügliche Vorbringen als unglaubwürdig zu qualifizieren.

 

Denn der Beschwerdeführer verwickelte sich bereits bei seinen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt in mehrere wesentliche Widersprüche. So machte er bei den Einvernahmen am 25.11.2004 und 27.02.2006 unterschiedliche Angaben über die Umstände seiner Augenverletzung. Außerdem blieben seine Aussagen insgesamt inhaltlich sehr dürftig und vage, z. B. zu dem Anlass für die angebliche Ermordung des Vaters. Der Asylgerichtshof führte in der Sache des Beschwerdeführers auch eine mündliche Verhandlung durch, um diesem die Möglichkeit zu bieten, sein Fluchtvorbringen durch eine persönliche Aussage glaubhaft zu machen. Der Beschwerdeführer blieb jedoch der Verhandlung unentschuldigt fern.

 

Vor allem aber kann man sich nach den aktuellen Länderberichten im Fall einer tatsächlichen Bedrohung durch Kulte durchaus auf zumutbare Weise in einem anderen Landesteil Nigerias, etwa in einer der großen Städte, niederlassen und auf diese Weise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Gefahr entziehen (z. B. UK Home Office, Immigration and Nationality Directorate, Operational Guidance Note Nigeria, 18.01.2007, Pkt. 3.12.8 bis 3.12.12).

 

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in seinem Herkunftsstaat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

 

Auf ein schutzwürdiges Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich gibt es keinen Hinweis.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 00.00.2005 wurde der Beschwerdeführer nach § 27 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten und 1 Woche, davon 5 Monate und 1 Woche bedingt, rechtskräftig verurteilt. Sodann wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 00.00.2005 abermals nach § 27 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 7 Monaten rechtskräftig verurteilt.

 

Zur Lage in Nigeria wird festgestellt:

 

Zur politischen und menschenrechtlichen Situation in Nigeria werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Die Situation in Nigeria ist grundsätzlich ruhig, die Staatsgewalt (Polizei und Justiz) funktionsfähig. Anzumerken ist jedoch, dass die nigerianische Bundespolizei in personeller Hinsicht im Vergleich zu westlichen Staaten relativ schlecht ausgestattet und verschiedentlich auch mangelhaft ausgebildet ist, weshalb in einzelnen Bundesstaaten so genannte Bürgerwehren polizeiliche Aufgaben übernommen haben. In einzelnen Landesteilen Nigerias (z. B. in den nördlichen Bundesstaaten Kano und Kaduna) kommt es wiederholt zu religiös motivierten Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems. Weiters kommt es im Niger-Delta verschiedentlich zu Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Volksgruppen. In bestimmten Fällen wurde das Militär zur Niederschlagung von Unruhen eingesetzt. Abgesehen von diesen lokal begrenzten Auseinandersetzungen ist die Situation in Nigeria jedoch ruhig. Im Zuge der Gouverneurs- und Präsidentenwahlen 2007 kam es in einzelnen Landesteilen zu mittlerweile beendeten Unruhen, es herrscht jedoch kein Bürgerkriegszustand.

 

Die im Mai 1999 in Kraft getretene nigerianische Verfassung verfügt im Kapitel V über einen Grundrechtskatalog, der sich an den einschlägigen völkerrechtlichen Instrumenten orientiert. Die nigerianische Regierung bekennt sich auch politisch zum Schutz der Menschenrechte und zählt diesen zu den Prioritäten des Regierungshandelns. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, definiert Nigeria als säkularen Staat und verbietet es dem Bundesstaat oder einzelnen Staaten, eine Religion zur Staatsreligion zu machen.

 

Grundsätzlich kann, insbesondere wegen des fehlenden Registrierungswesens, örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungsmaßnahmen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Alle nigerianischen Großstädte sind multi-ethnisch. In der Regel wohnen die Angehörigen der jeweiligen Volksgruppe möglichst in derselben Gegend, wenn sie nicht sogar ausschließlich ganze Stadtviertel belegen. Jeder der fremd in eine Stadt kommt, wird sich in die Gegend begeben, wo er "seine Leute" findet. Unter "seinen Leuten" können nicht nur Angehörige derselben Ethnie, sondern auch Personen desselben Religionsbekenntnisses, Absolventen derselben Schule oder Universität, Bewohner desselben Dorfes oder derselben Region verstanden werden. Von diesen Personengruppen kann der Betreffende Unterstützung erwarten. In der Regel wird ihm die Bestreitung des Lebensunterhaltes ermöglicht werden.

 

Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass abgelehnte Asylwerber bei der Rückkehr nach Nigeria nach Beantragung von Asyl in einem westeuropäischen Land mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätten. Außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise (z. B. Verhaftung) von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylwerbern sind bisher nicht bekannt geworden. Die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln ist zumindest im städtischen Bereich grundsätzlich gewährleistet. In den Großstädten ist eine ausreichende medizinische Versorgungslage gegeben, es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser.

 

(Quellen: United States Department of State, Nigeria. Country Report on Human Rights Practices 2007, 11.03.2008; Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, 06.11.2007)

 

Zu traditionellen Religionen und Geheimkulten werden folgende Feststellungen getroffen:

 

In Nigeria wird vielfach an Magie (Zauberei, Juju) geglaubt. Viele Volksgruppen Nigerias bekennen sich auch zu - regional unterschiedlichen - traditionellen Religionen. Diese werden teilweise neben der christlichen oder der islamischen Religion praktiziert. Ritualmorde und Menschenopfer sollen früher praktiziert worden sein. Heute sollen Menschenopfer im Zuge von religiösen Zeremonien hingegen nicht mehr vorkommen. Jedoch kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass es auch heute noch in Nigeria zu Gewalttaten mit religiöser oder ritueller Komponente kommt. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass solche Straftaten von den staatlichen Organen geduldet bzw. nicht verfolgt würden. Beispielsweise wurden im Jahr 2003 vom nigerianischen Höchstgericht Todesurteile gegen sieben Personen, denen Beteiligung an einem so genannten Ritualmord vorgeworfen wurde, bestätigt. Ritualmord oder der Besitz von Leichen, Leichenteilen oder menschlichem Blut ohne entsprechendes medizinisches Zertifikat ist in manchen Bundesstaaten sogar ein eigener Straftatbestand.

 

(Quellen: Home Office, Country of Origin Information Report Nigeria, 13.11.2007, Pkt. 29.01, 29.02; Home Office, Immigration and Nationality Directorate, Operational Guidance Note Nigeria, 18.01.2007, Pkt. 3.12; Immigration and Refugee Board of Canada, Country of Origin Research, Nigeria, 12.07.2005; Gutachten von Reinhard Schmidt-Grüber, 05.10.2004, Fragen 26-31; ACCORD, Birgit Kirsten Müllner/Barbara Svec, Nigeria. Länderbericht August 2004, S. 57-68; Institut für Afrikakunde, Anfragebeantwortung zur Binnenflucht, 23.11.2003)

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 75 Abs. 1 erster und zweiter Satz AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Nach § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe näherer Bestimmungen weiterzuführen.

 

Gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A, Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht, und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, und ist ihm dort die Inanspruchnahme inländischen Schutzes auch zumutbar, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt. Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. VwGH 19.04.2001, 99/20/0273; 29.3.2001, 2000/20/0539; 15.3.2001, 99/20/0134; 15.3.2001, 99/20/0036; 25.1.2001, 2001/20/0011; 19.10.2000, 98/20/0233; 21.09.2000, 2000/20/0241; 22.12.1999, 99/01/0334).

 

Im vorliegenden Fall ist auf Grund der Sachverhaltsfeststellungen davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine drohende Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte. Außerdem könnte man sich im Fall einer tatsächlichen Bedrohung durch Kulte auf zumutbare Weise in einem anderen Landesteil Nigerias, etwa in einer der großen Städte, niederlassen und dadurch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Gefahr entziehen.

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.

 

Nach § 57 Abs. 2 und 4 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 GFK).

 

Zur Auslegung des § 57 FrG ist im Wesentlichen weiterhin die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen. Die bloße Möglichkeit einer solchen Gefahr in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen. Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 25.01.2001, 2001/20/0011; 14.10.1998, 98/01/0122).

 

Im vorliegenden Fall liegen nun nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen keinerlei Umstände vor, welche ein Refoulement des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat als unzulässig erscheinen ließen.

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen und hat die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde diesen Bescheid gemäß § 8 Abs. 2 AsylG mit der Ausweisung zu verbinden.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen: die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 31.07.2008, 265/07, Omoregie; 08.04.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 20.06.2008, 2008/01/0060; 17.12.2007, 2006/01/0216 bis 0219; 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423;

Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention², 194;

Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005, 4. Auflage, S. 329ff).

 

Im vorliegenden Fall stellt die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Nigeria keinen Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 Abs. 1 EMRK dar. Aber auch im Fall eines Eingriffes in das Grundrecht würde die Interessenabwägung nach den Gesichtspunkten des Art. 8 Abs. 2 EMRK, insbesondere der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens (vgl. VfGH 17.3.2005, G 78/04 ua; VwGH 08.09.2000, 2000/19/0043) und der Verhinderung von strafbaren Handlungen, zu dem Ergebnis führen, dass die öffentlichen Interessen überwiegen und dass dieser Eingriff jedenfalls notwendig und verhältnismäßig ist. Vor allem lebte der Beschwerdeführer bis zum Jahr 2004 in Nigeria und reiste erst im Jahr 2004 als 16-jähriger Jugendlicher illegal nach Österreich ein. Sein Aufenthaltsrecht in Österreich stützte sich von Anfang an ausschließlich auf den vorliegenden unbegründeten Asylantrag. Schließlich wurde der Beschwerdeführer in Österreich auch bereits zweimal strafgerichtlich verurteilt.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, innerstaatliche Fluchtalternative, Interessensabwägung, non refoulement, strafrechtliche Verurteilung
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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