TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/27 C11 235112-2/2008

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Veröffentlicht am 27.11.2008
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Spruch

C11 235.112-2/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. BÜCHELE als Einzelrichter über die Beschwerde des S. K., geb. 00.00.1982 alias 00.00.1984 alias 00.00.1984, StA. Indien, vertreten durch Dr. SCHULTER, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 21, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.10.2008, Zl. 08 05.314-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, ist erstmals am 27.11.2002 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am 28.11.2002 einen Asylantrag gestellt.

 

1.1. Am 05.02.2003 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, in Anwesenheit eines Dolmetschers für Punjabi niederschriftlich einvernommen. Er gab dabei im Wesentlichen an, er habe Indien verlassen, weil sein Nachbar Mitglied der Kongresspartei sei und er seit dem Jahr 1995 immer wieder Streit dem diesem Nachbar gehabt habe. Das erste Mal sei er im Juni 2000 verhaftet und erst aufgrund der Interventionen des Bürgermeisters freigelassen worden. Mitglieder der Kongresspartei hätten ihn angezeigt, weil er illegal alkoholische Getränke verkauft habe. Im Oktober 2000 sei er das zweite Mal festgenommen worden und sei wiederum aufgrund der Interventionen des Bürgermeisters freigelassen worden. Er sei wegen Körperverletzung angezeigt worden, doch habe sich der Nachbar selbst verletzt. Dieser Nachbar habe seiner Familie immer wieder Probleme gemacht und es sei nicht möglich gewesen dort weiterzuleben. Seine Eltern würden bei Verwandten leben, weil sie im Falle einer Ausreise ihre Landwirtschaft an den Nachbarn verlieren würden. Der Nachbar habe seinen Vater seit 1995 viermal aufgefordert, die Landwirtschaft auf ihn zu überschreiben, doch sei sein Vater damit nicht einverstanden gewesen. Er sei erst jetzt, im Jahr 2000, aus seinem Heimatland ausgereist, weil er sein College beenden wollte.

 

1.2. Das Bundesasylamt hat den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 1997 abgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien gemäß § 8 AsylG 1997 zulässig sei. Das Bundesasylamt traf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu Indien. Beweiswürdigend hielt das Bundesasylamt im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer eine ihn betreffende unmittelbare Verfolgung nicht glaubhaft gemacht habe.

 

1.3. Die dagegen eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid vom 26.08.2003, Zahl: 235.112/0-X/24/03, vom Unabhängige Bundesasylsenat als unbegründet abgewiesen. Nach umfangreichen länderkundlichen Feststellungen zu Indien wurde beweiswürdigend festgestellt, dass die Angaben des Beschwerdeführers zur Bedrohungssituation unglaubwürdig seien.

 

1.4. Die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.06.2005, Zahl:

2003/20/0528-6, abgelehnt.

 

2. Der Beschwerdeführer hat mit dem am 06.09.2005 beim Bundesasylamt eingelangten Schreiben einen zweiten Asylantrag gestellt. Mit Aktenvermerk vom 14.11.2005 wurde das Verfahren gemäß § 30 AsylG 1997 eingestellt, weil der Beschwerdeführer nach dem schriftlichen Antrag der Aufforderung nach § 24 Abs. 2 AsylG 1997 nicht nachgekommen ist.

 

3. Der Beschwerdeführer hat am 12.02.2007 einen dritten Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge: Asylantrag) gestellt.

 

3.1. Bei der Erstbefragung am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Polizeianhaltezentrums brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er sei am 20.11.20002 von Delhi nach Moskau geflogen In Moskau habe er sich einen Tag in einem Schlepperquartier aufgehalten. Von dort aus sei er versteckt auf der Ladefläche eines LKWs über ihn unbekannte Länder nach Österreich gereist. Er sei am 27.11.2002 illegal in Österreich eingereist und sei unmittelbar nach seiner Einreise festgenommen und in das Flüchtlingslager Traiskirchen überstellt worden. Ein Monat nach seiner Einreise in Österreich sei er für sieben Tage in Deutschland gewesen. Er sei von den deutschen Behörden nach Österreich rücküberstellt worden. Er habe bereits im Jahr 2002 im Zuge seines ersten Asylverfahrens angegeben, warum er sein Heimatland verlassen habe; er werde dort von der Polizei verfolgt.

 

3.2. Am 18.02.2007 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag zurückzuweisen, weil eine "entschiedene Sache" im Sinne des § 68 AVG vorliege.

 

3.3. Am 19.02.2007 fand eine Einvernahme zu Wahrung des Parteiengehörs nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit eines Rechtsberaters und eines Dolmetschers für Punjabi statt. Der Beschwerdeführer gab an, er fühle sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung durchzuführen - er sei allerdings seit 14 Tagen in Hungerstreik. Er habe eine eidesstattliche Erklärung eines indischen Anwaltes, der all seine Angaben des ersten Asylverfahrens bestätige. Er könne auch seine Festnahme und Anhaltung in einem Wachzimmer in der Stadt Badhani Kalan nachweisen. Er sei selbst in Indien gewesen und habe dort die Unterlagen besorgt. Er sei nun seit zehn Monaten wieder in Österreich und habe sich durchgehend hier aufgehalten. Zur geplanten Ausweisung nach Indien führte der Beschwerdeführer aus, er könne gegen eine solche Entscheidung nichts machen. Die Vorgehensweise des Bundesasylamtes sei sicherlich begründet. Er könne nur seine Angaben machen. Er habe den gegenständlichen Antrag gestellt, weil er Probleme in Indien habe und in Österreich bleiben wolle. Seine Familie habe einen Grundstücksstreit gehabt. Er sei von der Polizei schikaniert worden. Außerdem sei er von den Mitgliedern der Alkali Dal verfolgt worden. Diese Probleme habe er seit ca. zwei Jahren und hätten vor seiner Ausreise aus Indien begonnen.

 

Mit der mit 19.02.2008 datierten Erklärung kündigt der Beschwerdeführer an, freiwillig in sein Heimatland zurückzukehren und, dass sein Asylantrag gemäß § 31 Abs. 3 AsylG 2005 als gegenstandslos abgelegt wird.

 

3.4. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 09.03.2007 den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück; gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Das Bundesasylamt stellte fest, dass sich die den Beschwerdeführer betreffende allgemeine maßgebliche Lage in Indien seit Rechtskraft des Erstverfahrens nicht geändert habe. Beweiswürdigend führte die Erstbehörde aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers bereits im vorausgegangenen Asylverfahren rechtskräftig entschieden worden seien und daher der gegenständliche Sachverhalt keiner neuerlichen inhaltlichen Überprüfung bzw. Entscheidung unterliege.

 

Dieser Bescheid wurde nicht weiter bekämpft und erwuchs in Rechtskraft.

 

4. Der Beschwerdeführer hat am 18.06.2008 den gegenständlichen (vierten) Asylantrag gestellt.

 

4.1. Bei der Erstbefragung am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen in Anwesenheit eines Dolmetscher für Punjabi gab der Beschwerdeführer an, er sei im Februar oder März neuerlich von Wien nach Delhi geflogen. Er habe sein Heimatdorf am 09.02.2008 mit dem Bus nach Delhi verlassen. Er habe eine Nacht in Delhi verbracht und sei am nächsten Tag mit einem Direktflug nach Italien geflogen; in welcher Stadt er gelandet sei, wisse er nicht. Ein Freund habe ihn vom Flughafen abgeholt und er sei mit ihm zwei Stunden zu dessen Wohnung nach Rom gefahren. Ein Schlepper sei zu ihm in die Wohnung gekommen und habe ihm den Reisepass abgenommen. Er sei bis 15.06.2008 bei seinem Freund in Rom geblieben und sei an diesen Tag mit dem Zug nach Wien gefahren. Er habe Italien verlassen, weil er keine Arbeit gefunden habe. Am 16.06.2008 sei er wieder nach Wien zurückgekommen und habe bei einem Freund gewohnt. Er habe von einem Schlepper ein Visum für Italien erhalten.

 

Sein Heimatland habe er neuerlich verlassen, weil es im Dezember 2007 einen Grundstücksstreit mit einem Nachbarn gegeben habe. Dieser sei dabei verletzt worden. Er sei "nach § 26 verurteilt" worden. Sein Anwalt habe ihn nach 20 Tagen aus dem Gefängnis geholt. Die Anzeige gegen ihn sei immer noch aufrecht; er habe deshalb das Land verlassen.

 

4.2. Bei einer am 18.06.2008 vor der Bezirkshauptmannschaft Baden stattgefundenen niederschriftlichen Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, er sei nach Österreich zurückgekehrt, weil er die Gesetze kenne und um Asyl ansuchen wolle. Er sei am 16.06.2008 von Italien kommend in Österreich angekommen. Er habe nicht sofort nach der illegalen Einreise einen Asylantrag gestellt, weil er kein Geld für die Fahrkarte nach Traiskirchen gehabt habe. Er habe für Italien ein Visum gehabt, welches ihm der Schlepper besorgt habe. Er sei nur einen Tag in Italien aufhältig gewesen. Er wolle in Österreich wieder als Zeitungsverteiler arbeiten. Ebenfalls am 18.06.2008 wurde von der Bezirkshauptmannschaft Baden über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt und in das Polizeianhaltezentrum Wien, Hernalser Gürtel, eingeliefert. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer wieder aus der Schubhaft entlassen.

 

4.3. Am 23.06.2008 richtete das Bundesasylamt auf der Grundlage der konkreten Angaben ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Feststellung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (kurz: Dublin-Verordnung) an die zuständige italienische Behörde. Am 24.06.2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass mit Italien Konsultationen nach der Dublin-Verordnung geführt werden und aus diesem Grund die im § 28 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 normierte 20-Tagesfrist nicht gelte; es sei beabsichtigt, seinen Asylantrag wegen Unzuständigkeit Österreichs zurückzuweisen. Am 31.07.2008 langte ein Schreiben der italienischen Behörde beim Bundesasylamt ein, wonach Italien die Zuständigkeit für den Beschwerdeführer verweigerte.

 

4.4. Am 07.10.2008 wurde der Beschwerdeführer nach mehreren vergeblichen Versuchen ihn persönlich zu laden, vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, in Anwesenheit eines Dolmetschers für Punjabi niederschriftlich einvernommen. Er brachte vor, er habe seine Geburtsdaten bisher falsch angegeben, weil er Angst gehabt habe. Bei der letzten Einvernahme habe er jedoch seine falschen Geburtsdaten richtig gestellt. Er sei einmal von Österreich nach Italien gereist; er sei seit seiner ersten Antragstellung nicht mehr in Indien gewesen. Auf Vorhalt, dass seine Ausführungen mit denen seinen bisherigen Befragungen in Widerspruch stünden, brachte der Beschwerdeführer vor, er habe immer nur angegeben, dass er in Italien gewesen sei. Nachgefragt, ob er wieder in Indien gewesen sei, antwortete der Beschwerdeführer, dass er im Rahmen seiner Antragstellung im Jahr 2004 falsche Angaben gemacht habe. Er habe niemals behauptet in Indien gewesen zu sein. Er habe immer gesagt, dass er nur in Italien gewesen sei. Er habe falsche Angaben gemacht, da befürchtet habe, abgeschoben zu werden.

 

Er habe nun einen weiteren Asylantrag gestellt, weil er zurückkehren wolle. Er habe in Indien keine Probleme und werde er sicherlich freiwillig zurückkehren. Er sei aber illegal in Österreich und habe keinen richtigen Aufenthaltsstatus. Beim Verein Menschenrechte habe man ihm gesagt, dass er einen neuen Asylantrag stellen solle, um in der Zwischenzeit eine Aufenthaltsberechtigung zu haben. Er habe den Antrag nur gestellt, um nicht illegal in Österreich zu sein. Er habe aber keinen Ausweis gehabt. Seine letzte grüne Karte sei ihm von der Polizei abgenommen worden und er habe sie nicht mehr zurückbekommen. Er warte nur mehr auf seinen Pass, dann werde er sofort freiwillig ausreisen.

 

Am 07.10.2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag zurückzuweisen, weil eine "entschiedenen Sache" im Sinne des § 68 AVG vorliege.

 

Am 14.10.2008 fand eine weitere Einvernahme zu Wahrung des Parteiengehörs nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit eines Rechtsberaters und eines geeigneten Dolmetschers für Punjabi statt. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe keine Verwandten in Österreich. Zur geplanten Ausweisung brachte der Beschwerdeführer vor, er werde auf jeden Fall freiwillig aus Österreich ausreisen; er habe keine Probleme mehr. Er wolle nur, dass er während seines Aufenthaltes in Österreich nicht eingesperrt werde. Einer Ausweisung nach Indien steht nichts entgegen.

 

4.5. Mit dem verfahrensgegenständlichen beim Asylgerichtshof angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihn gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt II.).

 

Das Bundesasylamt hielt fest, dass sich die den Beschwerdeführer treffende allgemeine maßgebliche Lage in Indien im Vergleich zum Erstverfahren nicht zu seinen Ungunsten geändert habe. Beweiswürdigend führte die Erstbehörde aus, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahmen angegeben habe, dass er in Indien nichts zu befürchten habe. Der gegenständliche Sachverhalt unterliege daher keiner neuerlichen inhaltlichen Überprüfung bzw. Entscheidung.

 

4.6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde beim Asylgerichtshof und brachte im Wesentlichen vor, es sei im fluchtbegründenen Sachverhalt zu einer wesentlichen Änderung gegenüber der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung gekommen. Der Beschwerdeführer habe auf neu entstandene Tatsachen hingewiesen und habe dies mit neuen Urkunden unter Beweis stellen wollen; dies sei ihm aber aufgrund der Schubhaft nicht möglich gewesen. Die in der Beschwerde bezeichneten neuen Tatsachen und Beweise wurden jedoch nicht näher genannt oder spezifiziert. Nach der Enthaftung habe der Beschwerdeführer neue Beweismittel herbeigeschafft, die mit der Beschwerde vorgelegt werden; solche wurden dem Asylgerichtshof mit der Beschwerde jedoch nicht vorgelegt. Überdies leide der Beschwerdeführer aufgrund zahlreicher Verhaftungen und Anhaltungen im Inland an psychischen Belastungsproblemen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das AsylG 2005 am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Dies trifft auf das vorliegende Verfahren zu; es ist daher nach dem AsylG 2005 zu führen.

 

2. Gemäß 75 Abs. 4 AsylG 2005 begründen ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (vgl. beispielsweise VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266).

 

"Sache" des Beschwerdeverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Der Asylgerichtshof darf demnach nur darüber entscheiden, ob die belangte Behörde den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Er hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - die Beschwerde abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben. Dies hat die Konsequenz, dass die belangte Behörde, an die Auffassung des Asylgerichtshofes gebunden ist und den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Der Asylgerichtshof darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (vgl. mutatis mutandis VwGH 30.05.1995, 93/08/0207). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

 

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können in der Berufung nicht neu geltend gemacht werden (s. z.B. VwSlg. 5642A, VwGH 28.11.1968, 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).

 

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.1.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162;

10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58;

03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH vom 24.02.2000, Zl. 99/20/0173-6; VwGH vom 25.04.2007, Zl. 2005/20/0300; VwGH vom 13.11.2007, Zl. 2006/18/0494).

 

2.1. Im vierten Asylverfahren führte der Beschwerdeführer vorerst aus, er sei von Österreich nach Indien zurückgekehrt. Er habe sodann Indien wieder verlassen, weil es im Dezember 2007 Grundstücksstreitereien gegeben habe, bei welchen er seinen Nachbarn verletzt habe. Er werde von der Polizei gesucht, weil gegen ihn eine Anzeige vorliege. Im Rahmen seiner Einvernahmen vor der Erstaufnahmestelle Ost änderte er seine diesbezüglichen Angaben dahingehend ab, dass er niemals in Indien gewesen sei. Er sei lediglich einmal nach Italien ausgereist. Er habe in Indien keine Probleme und wolle daher freiwillig in sein Heimatland zurückkehren. Den neuerlichen Asylantrag habe er nur gestellt, um sich in Österreich legal aufhalten zu können. In der Beschwerde änderte er seine Ausführungen abermals ab und führte wiederum aus, er habe Probleme wegen eines eskalierenden Grundstücksstreites. Weiters führte er in der Beschwerdeschrift aus, dass er dies mit Beweismitteln belegen könne. In diesem Zusammenhang ist vorab festzuhalten, dass mit der Beschwerde keine neuen Beweismittel vorgelegt wurden. Das neuerliche Vorbringen ist aufgrund der mehrfachen Widersprüche gänzlich unglaubwürdig. Darüber hinaus ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer mehrfach ausgeführt hat, dass er in Indien keinerlei Probleme zu befürchten hat. Das Vorbringen ist daher nicht als entscheidungsrelevantes "novum productum" zu qualifizieren.

 

Das Bundesasylamt hat somit in Ermangelung zusätzlicher Elemente des Vorbringens des Beschwerdeführers, die für die Glaubwürdigkeit sprechen könnten, im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das diesbezügliche Vorbringen im verfahrensgegenständlichen - vierten - Asylverfahren nicht als neuen entscheidungsrelevanter Sacherverhalt zu werten ist. Der neuerliche Asylantrag dient demzufolge der Überprüfung einer bereits rechtskräftigen Entscheidung.

 

2.2. Insoweit die neuerliche Asylantragstellung des Beschwerdeführers unter dem Blickwinkel des Refoulementschutzes (§ 8 AsylG 2005) zu betrachten ist, ist auszuführen, dass bereits dem rechtskräftigen Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.02.2003, Zl. 02 34.261-BAE, sowie im Bescheid des Unabhängigen Bundesasylamtes vom 26.08.2003, Zahl: 235.112/0-X/24/03, umfassende Feststellungen zur allgemeinen Lage Indiens zugrunde gelegt wurden und dies auch weiterhin dem Amtswissen des Asylgerichtshof entspricht. Auch im gegenständlichen Verfahren wurde im Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.10.2008, Zl. 08 05.314-EAST Ost, festgehalten, dass sich die den Beschwerdeführer treffende allgemeine maßgebliche Lage nicht geändert habe. Es sind keine wesentlichen in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden.

 

2.3. Da somit auch keine Anhaltspunkte für eine Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf allgemein bekannte Tatsachen, die vom Bundesasylamt von Amts wegen zu berücksichtigen wären, vorliegen, sich auch die allgemeine Situation in Indien bezogen auf den Gesamtstaat in der Zeit, bis der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen wurde, nicht wesentlich geändert hat - wie sich der Asylgerichtshof durch Einsichtnahme in den aktuellen Bericht des USDOS, Country Report on Human Rights Practice 2007 vom 11.03.2008 zu Indien überzeugt hat - und sich auch die Rechtslage in der Zwischenzeit nicht entscheidungswesentlich geändert hat, ist das Bundesasylamt im Ergebnis daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Behandlung des inzwischen vierten Asylantrages das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht.

 

3. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Nach Abs. 2 leg. cit. sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung der durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde.

 

Nach Abs. 3 leg. cit. ist dann, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Nach Abs. 4 dieser Bestimmung gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

3.1. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer bekämpften Ausweisung ist festzuhalten, dass das Bundesasylamt eine korrekte Überprüfung im Sinne der Rechtssprechung vorgenommen hat, Hinweise für eine Anwendbarkeit des § 10 Abs 3 AsylG 2005 sind nicht ersichtlich.

 

Bei einer Ausweisungsentscheidung nach § 10 AsylG 2005 ist auch auf Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen (VfGH vom 15.10.2004, Zl. G 237/03, VfGH vom 17.03.2005, Zl. G 78/04 u.a.). Gemäß Artikel 8 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Im gegenständlichen Fall lebt der Beschwerdeführer seit circa sechs Jahren in Österreich und ist daher Art. 8 EMRK beachtlich. Die nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung fällt allerdings nach Ansicht des Asylgerichtshofes zu Lasten des Beschwerdeführers aus:

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva.).

 

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

 

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17.03.2005, G 78/04 erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

 

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte hier einen unbegründeten Asylantrag. Von einer besonderen Integration des Beschwerdeführers in Österreich kann nicht gesprochen werden. Aus der Aktenlage ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in Österreich einen Deutschkurs besucht hätte oder der deutschen Sprache mächtig wäre.

 

Insgesamt übertreffen die öffentlichen Interessen an einer Effektuierung der negativen Asylentscheidung die gegenteiligen Interessen (wie durch die obige individuelle Prüfung hervorgekommen ist), sodass mangels Verletzung von Art. 8 EMRK nicht von der Asylbehörde auf eine Unzulässigkeit der Ausweisung zu entscheiden war; zu den Kriterien der Abwägung vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07, VfGH 01.10.2007, G 179, 180/07. Es liegt somit zusammengefasst kein vom Schutz des Art. 8 EMRK umfasster Familienbezug zu einer Person in Österreich oder ein unzulässiger Eingriff in ein zu schützendes Privatleben vor.

 

3.2. Da im gegenständlichen Verfahren die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 vorliegt, nämlich die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache, weiters keine Umstände hervorgekommen sind, die die Ausweisung unzulässig erscheinen ließen, nämlich weder ein auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht noch eine familiäre Beziehung, die eine Verletzung von Art. 8 EMRK bewirken könnten (§ 10 Abs. 2 leg. cit) sowie auch kein Anhaltspunkt für einen Aufschub der Durchführung der Ausweisung vorliegt (§ 10 Abs. 3 leg cit), war auch die Beschwerde gegen diesen Spruchpunkt der Erfolg versagt.

 

4. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 entfallen.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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