S5 312.219-3/2008/2E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des C. alias H. alias K. C., geb. 00.00.1985, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.11.2008, Zahl: 08 10.106-EAST Ost, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Russland, stammt aus Tschetschenien und ist, nachdem er zunächst am 31.1.2007 in der Slowakei einen Asylantrag gestellt hatte, erstmalig am 26.3.2007 illegal ins Bundesgebiet eingereist, wo er am 27.3.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte. Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 7.5.2007, Zahl: 07 03.027-EAST Ost, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Slowakei ausgewiesen. Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (als vormals zuständiger Rechtsmittelinstanz) vom 6.6.2007, Zahl: 312.219-1/3E-V/13/07, wurde die dagegen erhobene Berufung (nunmehr Beschwerde genannt) gem. §§ 5 und 10 AsylG abgewiesen und der Asylwerber in der Folge am 19.7.2007 in die Slowakei überstellt.
Der Asylwerber reiste sodann am 14.10.2007 von der Slowakei aus neuerlich illegal ins Bundesgebiet und stellte am 16.10.2007 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.11.2007, Zahl: 07 09.664-EAST Ost, wurde dieser Asylantrag erneut gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Slowakei ausgewiesen. Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7.1.2008, Zahl:
312.219-2/2E-V/13/07, wurde die dagegen erhobene Berufung wiederum gem. §§ 5 und 10 AsylG abgewiesen und der Asylwerber schließlich am 15.1.2008 in die Slowakei rücküberstellt.
Der Asylwerber reiste sodann von der Slowakei (vermutlich) aus am 15.10.2008 ein weiteres Mal illegal ins Bundesgebiet und stellte am selben Tag seinen nunmehr 3. Antrag auf internationalen Schutz (vgl. Aktenseite 43).
Mit E-mail vom 20.10.2008 ersuchte Österreich die Slowakei um Übernahme des Asylwerbers (Seite 1 des dem Verwaltungsakt angeschlossenen Dublin-Aktes). Die Slowakei hat sich mit Schreiben vom 3.11.2008 (Seite 17 des dem Verwaltungsakt angeschlossenen Dublin-Aktes) bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.
Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 14.11.2008 erklärte der Asylwerber nach Vorhalt, dass die Slowakei zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass er im September 2008 in Bratislava im Rahmen einer Polizeikontrolle von den Polizisten geschlagen worden sei. Er sei erneut nach Österreich gekommen, da seine Mutter, seine Schwester und sein Bruder hier leben würden. Er würde in der Slowakei kein Asyl erhalten (Aktenseite 87).
Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.11.2008, Zahl: 08 10.106-EAST Ost, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Slowakei ausgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen erneut geltend gemacht, dass in Österreich seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester aufhältig wären und er nicht ohne diese leben könne.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.
Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.
§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:
(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.
Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Polen hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen und war es dem Asylwerber bereits am 31.1.2007 möglich, in der Slowakei einen Asylantrag zu stellen. Zweifel am Zugang des Asylwerbers zu einem Asylverfahren in der Slowakei liegen daher nicht vor.
Soweit der Asylwerber vor dem Bundesasylamt wie auch im Beschwerdeschriftsatz die Intensität der Nahebeziehung zu seinen in Österreich lebenden Verwandten betont, ist einzuwenden, dass das Vorliegen eines besonders engen familiären Bandes zwischen dem Antragsteller und diesen Angehörigen nicht erkannt werden kann: So hat der Asylwerber im Rahmen seines ersten Verfahrens in Österreich erklärt, mit seiner Mutter bereits seit 19 Jahren nicht mehr zusammengelebt zu haben und seine Mutter erst im Rahmen seines nunmehrigen Aufenthaltes in Österreich zum ersten Mal wiedergesehen zu haben. Hinsichtlich seiner Halbschwester behauptete er in derselben Einvernahme, diese nunmehr in Österreich überhaupt zum ersten Mal gesehen zu haben. Mit seinem Bruder habe er bisher überhaupt nur ein einziges Mal Kontakt gehabt, dies lediglich telefonisch (vgl. Aktenseite 93 u. 95 des Erstverwaltungsaktes). Der Asylwerber, der im Rahmen seiner Einvernahme infolge seiner nunmehrigen dritten Asylantragstellung auf Befragen keinerlei neuen Umstände in Bezug auf seine Beziehung zu seinen in Österreich lebenden Angehörigen ins Treffen geführt hat (vgl. Aktenseite 87), hat weiters nicht dargetan, jemals mit den genannten Personen in Österreich im selben Haushalt gewohnt zu haben. Das Vorliegen einer besonderen Nahebeziehung iSd Art. 8 EMRK zwischen dem Asylwerber und diesen Verwandten ist überdies auch aufgrund der Kürze seines nunmehrigen Aufenthaltes im Bundesgebiet auszuschließen. Letztlich haben sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Asylwerber in besonderem Maße von seiner Mutter bzw. seinen Halbgeschwistern abhängig wäre, sodass bei einer abwägenden Gesamtbetrachtung letztlich nicht erkannt werden kann, sodass die Überstellung des Asylwerbers in die Slowakei einen unverhältnismäßigen Eingriff in dessen Recht gemäß Art. 8 EMRK darstellen würde.
Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Antragsteller in der Slowakei selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sind vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Feststellungen ebenso wenig vorhanden wie dass ihm die Slowakei entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihm im Heimatstaat unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. hierzu insbesondere Seite 11 des angefochtenen Bescheides).
Da im konkreten Fall keine Hinweise dafür vorliegen, dass über den in der Slowakei gestellten Asylantrag des Beschwerdeführers bereits eine erste Sachentscheidung getroffen worden wäre, verbieten sich auch spekulative Erwägungen über den Ausgang des in der Slowakei anhängigen Asylverfahrens des Beschwerdeführers und seine diesbezüglichen Erfolgsaussichten. Soweit der Asylwerber vorbringt, in der Slowakei im Rahmen einer Polizeikontrolle von Polizisten geschlagen worden zu sein, vermag er damit kein real risk einer Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK im Falle seiner Überstellung in die Slowakei darzutun, da aus diesem singulären Fehlverhalten von einzelnen Organwaltern auf keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann, dass ihm solches im Falle seiner Überstellung erneut widerfahren würde.
Ausgehend davon, dass Asylwerber in der Slowakei während der Verfahrensdauer Anspruch auf Unterkunft, Essen oder Essensgeld, Hygieneprodukte und andere lebensnotwendige Dinge haben, Taschengeld erhalten und überdies Anspruch auf eine medizinische Notversorgung haben (vgl. hierzu auch Seite 12 des angefochtenen Bescheides), liegen weiters keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Asylwerber in der Slowakei in eine existentielle Notlage geraten müsste.
Soweit der Asylwerber geltend macht, dass er psychisch krank sei und überdies schon einmal versucht habe, Selbstmord zu begehen, ist festzuhalten, dass er mit dieser pauschalen Behauptung nicht das reale Risiko einer Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK im Falle seiner Überstellung dartun konnte, zumal er seine Annahme hinsichtlich des Vorliegens psychischer Probleme durch keinen ärztlichen Befund zu bestätigen vermochte.
In diesem Zusammenhang ist weiters auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).
Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).
Vor dem Hintergrund dieser strengen Judikatur des EGMR kann jedenfalls - selbst ungeachtet der Vorliegens eines solchen Krankheitsbildes - nicht erkannt werden, dass eine Zurückschiebung des Asylwerbers in die Slowakei eine Verletzung der Rechte gem. Art. 3 EMRK darstellen würde, da in casu nicht das Endstadium einer tödlichen Krankheit gegeben ist und in der Slowakei, einem Mitgliedstaat der EU selbstverständlich (auch) hinsichtlich psychischer Erkrankungen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten verfügbar sind, wobei die Kosten für medizinische Versorgung vom Staat getragen werden (vgl. hierzu auch Seite 12 des angefochtenen Bescheides). Der mentale Stress bei einer Abschiebung selbst ist ebenfalls kein ausreichendes "real risk", sodass - nach dem Maßstab der Judikatur des EGMR - eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechte gem. Art. 3 EMRK nicht erkannt werden kann. Dies noch umso weniger, als nicht etwa die Abschiebung in ein krisengeschütteltes Herkunftsland, sondern in einen Mitgliedstaat der EU (!), in dem funktionierende rechtsstaatliche Strukturen und rechtsstaatliches Verwaltungshandeln selbstverständlich gegeben sind, verfügt wird.
Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer bekämpften Ausweisung ist festzuhalten, dass das Bundesasylamt eine korrekte Interessensabwägung im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen hat. Den Ausführungen zu Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides ist seitens des Asylgerichtshofes für den konkreten Fall somit ebenfalls zuzustimmen.
Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.