TE AsylGH Erkenntnis 2008/12/04 D6 319084-1/2008

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Veröffentlicht am 04.12.2008
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Spruch

D6 319084-1/2008/5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Christine AMANN als Beisitzerin über die Beschwerde der A.D., geb. 00.00.1976, StA. Usbekistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.4.2008, FZ. 07 11.751-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.9.2008 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Asylgesetz 2005 hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Die Beschwerdeführerin, eine usbekische Staatsangehörige der tadschikischen Volksgruppe, reiste eigenen Behauptungen zufolge am 17.12.2007 gemeinsam mit ihrem Ehemann (dem Beschwerdeführer zu D6 319083-1/2008) in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. In der Folge wurde sie am 18.12.2007 vor der Polizeiinspektion Traiskirchen sowie am 8.1.2008 und am 6.3.2008 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

 

Zu ihren Fluchtgründen gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, dass sie Usbekistan verlassen habe und zu ihrem Ehemann gereist sei, der sich schon längere Zeit außerhalb Usbekistans aufgehalten habe, da dieser im Heimatland Probleme gehabt habe. Sie könne nichts Konkretes bzw. Näheres über seine Probleme berichten.

 

1. Mit Bescheid vom 11.4.2008 wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab (Spruchteil I.) und erklärte, dass ihr der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Usbekistan nicht zuerkannt werde (Spruchteil II.); ferner verfügte das Bundesasylamt gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ihre Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Usbekistan (Spruchteil III.), schob jedoch die Durchführung der Ausweisung gemäß § 10 Abs. 3 AsylG bis zum 1.8.2008 auf.

 

In seiner Begründung traf das Bundesasylamt Länderfeststellungen zur Lage in Usbekistan und stellte die Identität, Nationalität und Familienangehörigkeit der Beschwerdeführerin fest, erachtete jedoch das Vorbringen des Ehemannes der Beschwerdeführerin als unglaubwürdig. Eine asylrechtsrelevante Verfolgung der Beschwerdeführerin habe nicht festgestellt werden können.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerecht (als Berufung) eingebrachte Beschwerde.

 

3. Am 18.9.2008 führte der Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann teilnahmen; das Bundesasylamt hatte auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet. Der Verhandlung wurde eine Dolmetscherin für die usbekische Sprache beigezogen. Die Verhandlung war geboten, da dem erkennenden Senat der maßgebliche Sachverhalt nicht als geklärt erschien.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den erkennenden Senat erwogen:

 

1. Die Beschwerdeführerin ist die Ehefrau des Beschwerdeführers zu D6 319083-1/2008, dessen Beschwerde der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tag gemäß §§ 3, 8 AsylG abgewiesen und hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides (Ausweisungsentscheidung) insofern Folge gegeben hat, als dieser ersatzlos behoben wurde. Die Beschwerdeführerin selbst ist keiner wie immer gearteten Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat ausgesetzt.

 

2. Diese Feststellungen ergeben sich sowohl aus den vorliegenden Asylakten der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes als auch aus der Aussage der Beschwerdeführerin in der Verhandlung.

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1 Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG idF BGBl. I 4/2008 sind am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, vom Asylgerichtshof weiterzuführen. In den (diesbezüglich miteinander verbundenen) Verfahren der Eltern der Beschwerdeführerin wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und ein Senat gemäß § 24b Abs. 2 Asylgesetz 1997 gebildet; da im vorliegenden Verfahren jedoch keine Verhandlung stattfand, war der erkennende Senat gemäß § 4 Abs. 4 der (ersten) Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zu bilden.

 

3.2 Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG ist das AsylG 2005 am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

3.3 Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie] verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

Die Beschwerdeführerin hat keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Es sind im Verfahren auch keine solchen hervorgekommen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von internationalem Schutz, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, liegen daher nicht vor.

 

3.4 Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Abs. 3 leg. cit. abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

§ 8 AsylG beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).

 

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.1.2001, 2001/20/0011).

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (nach der Rechtslage nach dem AsylG 1997 musste sich die Gefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen; zB VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; 25.1.2001, 2000/20/0438; 30.5.2001, 97/21/0560).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586;

21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460;

16.4.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FremdenG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443; 26.2.2002, 99/20/0509; 22.8.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG) zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Im vorliegenden Fall gibt es weder einen Hinweis darauf, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Usbekistan den in § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahren ausgesetzt wäre, noch einen Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände", die eine Abschiebung der Beschwerdeführerin unzulässig machen könnten. In Usbekistan besteht nicht eine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Die Beschwerdeführerin hat auch keinen auf ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" glaubhaft machen können, der ein Abschiebungshindernis bilden könnte. Zur allgemeinen Lage in Usbekistan wird im Übrigen auf das (den Vater betreffende) Erkenntnis des Asylgerichtshofes verwiesen.

 

3.5 Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat. Gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG gilt der Antrag des Familienangehörigen eines Asylwerbers auf internationalen Schutz als "Antrag auf Gewährung desselben Schutzes". Die Behörde hat gem. § 34 Abs. 4 AsylG Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind "unter einem" zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur - insoweit vergleichbaren - Vorgängerbestimmung (§ 10 Abs. 5 AsylG 1997) bedeutet dies auch, dass dann, wenn das Verfahren auch nur eines Familienangehörigen zuzulassen ist, dies auch für die Verfahren aller anderen gilt (vgl. VwGH v. 18.10.2005, Zl. 2005/01/0402).

 

Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann sind Familienangehörige iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG; die betreffenden Verfahren stellen sich daher als Familienverfahren (im Inland) gemäß § 34 AsylG dar. Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG sind die Anträge aller Familienangehörigen gesondert zu prüfen; die Verfahren sind "unter einem" zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen.

 

Da im vorliegenden Fall die Beschwerde des Ehemannes der Beschwerdeführerin mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag gemäß §§ 3, 8 AsylG abgewiesen wurde und auch bei der Beschwerdeführerin selbst keine Voraussetzungen für eine positive Erledigung der Beschwerde vorlagen, war auch die Beschwerde der Beschwerdeführerin hinsichtlich der bekämpften Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides) abzuweisen.

 

3.6 Hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides (Ausweisung nach Usbekistan) war Folgendes zu erwägen: Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach dem AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen und dem Fremden weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt wird.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erk. vom 12.12.2007, Zl. 2007/19/1054-7, (zu den entsprechenden Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 idF BGBl. I 101/2003) ausgeführt hat, wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des Familienverfahrens die Familieneinheit im Vergleich zur früheren Rechtslage (nach der etwa nur Asyl, nicht aber Refoulmentschutz "erstreckt" werden konnte) in der Weise stärken, dass alle Angehörigen einer "Kernfamilie" iSd § 1 Z 6 Asylgesetz 1997 (das sind Elternteile eines minderjährigen Kindes, Ehegatten oder zum Zeitpunkt der Asylantragstellung unverheiratete minderjährige Kinder eines Asylwerbers oder Asylberechtigten) im Asylverfahren die gleiche Rechtsstellung zukommt. Damit sollte verhindert werden, dass es durch verschiedene rechtliche Behandlung einzelner Familienmitglieder - entgegen dem in Art. 8 Abs. 1 EMRK festgelegten Gebot der Achtung des Familienverbandes - zur Trennung von Familien kommen kann. Im Sinne der Wahrung der Familieneinheit wurde durch § 44 Abs. 3 Asylgesetz 1997 sichergestellt, dass das Bundesasylamt nach dem 30.4.2004 in Fällen, in denen Asylanträge von Mitgliedern einer Familie zum Teil vor und zum Teil nach dem Inkrafttreten der Novelle 2003 gestellt wurden, auch im Hinblick auf die Ausweisung einheitlich entscheiden konnte. Wenn das Bundesasylamt jedoch für einzelne Familienmitglieder (mangels Zuständigkeit der Rechtslage vor der Asylgesetznovelle 2003) keine Ausweisung verfügt hat, so ist es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes dem unabhängigen Bundesasylsenat verwehrt, für diese Angehörigen Auswiesungen "nachzutragen", um die Rechtsposition der Familie zu vereinheitlichen. In derartigen Fällen hätten über die Ausweisung die Fremdenbehörden zu entscheiden.

 

Für Fälle, in denen einzelne Mitglieder einer Kernfamilie nach der dargestellten Rechtslage von den Asylbehörden, andere aber von den Fremdenbehörden auszuweisen wären, hat der Gesetzgeber weder Vorkehrungen für ein koordiniertes Vorgehen noch für eine einheitliche Ausweisungsentscheidung getroffen. Auch § 38 AVG bietet dafür keine Lösung. Ein Ergebnis, wonach etwa ein minderjähriger Beschwerdeführer auf Grund der asylrechtlichen Ausweisung das Bundesgebiet ohne seine Eltern zu verlassen hat, weil diese keine asylrechtliche Ausweisung erhalten haben, das also zu seiner Trennung von der Kernfamilie führen würde, würde den oben dargestellten Intentionen des Gesetzgebers bei Einführung des Familienverfahrens widersprechen und wäre ein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben, für den - auch unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen - keine Rechtfertigung zu erkennen ist.

 

Um das vom Gesetzgeber intendierte und verfassungsrechtlich gebotene Ergebnis zu erzielen, ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes in einem Fall, in dem ein minderjähriger Asylwerber eine erstinstanzliche Ausweisungsentscheidung erhalten hat, nicht aber seine Eltern (auf Grund der früheren Rechtslage vor der Asylgesetznovelle 2003), die erstinstanzliche Ausweisung in Bezug auf den Minderjährigen ersatzlos zu beheben (vgl. idS auch VwGH 9.4.2008, 2008/19/0205; 16.4.2008, 2007/19/0037).

 

Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes gelten nicht nur für die im gegenständlichen Fall anzuwendende Rechtslage des AsylG 2005, sondern auch für die vorliegende Konstellation, in welcher die Beschwerdeführerin sowie ihr Ehemann, der Beschwerdeführer zu D6 319083-1/2008, nach Usbekistan ausgewiesen wurden, eine Ausweisungsentscheidung hinsichtlich ihres in Österreich nachgeborenen Kindes, der Beschwerdeführerin zu D 6 401532-1/2008, jedoch (aus welchen Gründen immer) unterblieb.

 

Wie aus der zuvor referierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgeleitet werden kann, ist es dem Asylgerichtshof verwehrt, die (unterbliebene) Ausweisung einzelner Familienangehöriger mit Blick auf die Ausweisung der anderen Familienangehörigen "nachzutragen". Da aber die Durchführung der Ausweisung der Beschwerdeführerin - mangels Ausweisung ihres (im Säuglingsalter befindlichen) Kindes - zu einer mit Art. 8 EMRK in Widerspruch geratenden Trennung der Familie führen könnte, war der Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides ersatzlos zu beheben, wobei diese Entscheidung einer allfälligen Ausweisung iSd Fremdenpolizeigesetzes nicht entgegensteht.

 

4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverband, Familienverfahren, Interessensabwägung, Minderjährigkeit, non refoulement, Spruchpunktbehebung-Ausweisung
Zuletzt aktualisiert am
29.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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