TE AsylGH Erkenntnis 2008/12/04 D15 317162-1/2008

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Veröffentlicht am 04.12.2008
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Spruch

D15 317162-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Riepl als Vorsitzende und den Richter Mag. Windhager als Beisitzer über die Beschwerde der D.R., geb. 00.00.1978, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.01.2008, FZ.

 

07 08.472-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die (nunmehrige) Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, reiste am 14.09.2007 gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern (AIS Zl. 07 08.473, 07 08.474, 07 08.475, 07 08.476) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag einen Asylantrag.

 

2. Im Rahmen einer Erstbefragung vor Beamten der Polizeiinspektion Traiskirchen gab die Beschwerdeführerin an, dass sie am 22.08.2007 mit dem Zug über Moskau gereist und am 24.08.2007 in Polen eingereist sei und dort um Asyl angesucht habe. Im polnischen Lager sei es sehr unhygienisch gewesen und sei ihr Sohn Ti., der an Asthma leide, weder medizinisch versorgt worden noch habe er Ersatz für die zwischenzeitig aufgebrauchten Medikamente bekommen. In der Folge habe sie mit Unterstützung eines Fluchthelfers als Insassin eines LKW-s Polen verlassen und sei sie von dort direkt nach Österreich gebracht worden. Ihren Herkunftsstaat habe sie verlassen, weil ihr Ehemann in den Jahren 2003 bis 2005 zu Hause mehrmals von unbekannten Männern aufgesucht, bedroht und geschlagen worden sei. Im April 2006 seien wieder unbekannte maskierte Männer gekommen und hätten ihren Ehemann und seinen Bruder M. verschleppt und habe sie seitdem nichts mehr von ihnen gehört. Daraufhin sei sie zu Hause regelmäßig von maskierten Männern, welche nach dem Aufenthaltsort ihres Ehemannes gesucht hätten, aufgesucht worden. Von diesen sei sie bedroht worden, wobei diese Drohungen in weiterer Folge auch gegen ihre Kinder gerichtet worden seien, weshalb die Beschwerdeführerin schließlich auch ihren Herkunftsstaat verlassen habe.

 

Die Beschwerdeführerin wurde in weiterer Folge am 26.09.2007 und 18.12.2007 vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

 

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.01.2008 in Spruchteil I unter Berufung auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab; in Spruchteil II stellte es fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation gem. § 8 Abs. 1 leg. cit. zulässig sei; zu Spruchpunkt III wurde die Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

 

Gegen diesen am 16.01.2008 zugestellten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde.

 

3. Hinsichtlich der Angaben der Beschwerdeführerin bei den niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde wird ausdrücklich auf die Wiedergabe im angefochtenen Bescheid verwiesen. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen vorgebracht, sie habe im Jahr 1999 ihren Ehemann D.I. (AIS Zl. 08 02.988) geheiratet und mit diesem vier Kinder (AIS Zl. s. Pkt. I.1). Sie habe seit ihrer Eheschließung mit Ausnahme von einigen Unterbrechungen, seit Juli 2007 in A.K. gewohnt. Ihre Probleme in ihrem Herkunftsstaat hätten im Jahre 2003 mit der Arbeitsaufnahme ihres Ehemannes als Transportfahrer begonnen und hielten bis zum Jahr 2005 an. Während dieses Zeitraumes sei ihr Ehemann auch zwei oder drei Tage festgenommen, geschlagen und auch "mit Strom" gefoltert worden. Im April 2006 seien ihr Ehemann und dessen Bruder von fünf oder sechs mit Tarnanzügen bekleideten Männern, nachdem diese gewaltsam in ihr Haus eingedrungen seien, verschleppt worden. Ab diesem Zeitpunkt bis zu ihrer Flucht aus Tschetschenien hätten unbekannte maskierte russisch sprechende Militärs die Beschwerdeführerin regelmäßig in Abständen von zwei Wochen, sowie manchmal auch innerhalb von wenigen Tagen, zu Hause aufgesucht und nach ihrem Ehemann gesucht. Zu den Angaben ihres Ehemannes im Zuge seines Verfahrens, wonach die Beschwerdeführerin bereits vor seiner Ausreise im Juli 2006 zu ihren Eltern nach W. gezogen sei, führte diese dazu aus, dass sie seit dem Verschwinden ihres Ehemannes im April 2006 insgesamt vier Mal zu ihren Eltern nach W. gereist sei und dort auch ein weiteres Kind geboren habe. Während dieses Aufenthaltes sei ihr dort 2007 ein Reisepass, welcher ihr in weiterer Folge im Zuge der Einreise nach Polen von den dortigen Behörden abgenommen worden sei und sie dafür lediglich eine Abnahmebestätigung der polnischen Behörden vorweisen könne, ausgestellt worden. In weiterer Folge sei sie wieder an ihrem ehemaligen Wohnort nach Tschetschenien zurück gekehrt. Nachdem diese Drohungen, die auch

 

- telefonisch - am Wohnort ihrer Eltern in W. erfolgt seien, immer intensiver geworden seien, die unbekannten Männer noch öfter gekommen seien und auch die Kinder der Beschwerdeführerin bedroht worden seien, habe sie sich zur Flucht entschlossen. Zu ihren persönlichen Verhältnissen brachte die Beschwerdeführerin noch vor, dass sie nunmehr, wegen einer erfolgten Eheschließung ihres Ehemannes mit einer anderen Frau, von diesem nach moslemischen Recht geschieden sei.

 

Die belangte Behörde stellte im Hinblick auf das durchgeführte Ermittlungsverfahren fest, dass die Beschwerdeführerin Tschetschenien wegen des Bürgerkrieges beziehungsweise wegen der mit diesem Bürgerkrieg im direkten Zusammenhang stehenden Folgen verlassen habe. Die belangte Behörde wertete im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben der Beschwerdeführerin als unglaubwürdig, weil deren Angaben zu denen ihres Ehemannes widersprüchlich seien. Dies insbesondere hinsichtlich seiner Verschleppung im Jahr 2004, welche die Beschwerdeführerin nicht genauer zu präzisieren vermochte, der von ihr in diesem Zusammenhang erwähnten Folterung mit Strom, welche von deren Ehemann trotz detailreicher Schilderung nicht erwähnt wurde, sowie über die Geschehnisse nach der Freilassung ihres Ehemannes im Jahr 2004, welche seitens des Ehemannes der Beschwerdeführerin dahingehend geschildert wurden, dass dieser seit diesem Zeitpunkt eineinhalb Jahre versteckt wie ein "Hase" gelebt habe, die Beschwerdeführerin dazu aber abweichend vorbrachte, dass dieser bis zu seiner Verschleppung im April 2006 weiter gearbeitet und im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Schließlich wurde auch der evidente Widerspruch hinsichtlich der Verschleppung ihres Ehemannes im April 2006, welcher seitens des Ehemannes unerwähnt geblieben ist, aufgegriffen. Die seitens der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Bedrohungssituation nach Verschleppung ihres Ehemannes fand in den beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde dahingehend Eingang, als der vorgebrachte Fluchtgrund der Beschwerdeführerin wegen der legalen und offiziell unter Verwendung ihres Reisepasses erfolgten Ausreise nicht glaubwürdig sei. Die belangte Behörde gelangte im Ergebnis zu der Feststellung, dass die Beschwerdeführerin aus verständlichen Gründen wegen des in ihrem Herkunftsstaat herrschenden Bürgerkrieges beziehungsweise wegen der mit diesem Bürgerkrieg im direkten Zusammenhang stehenden Folgen verlassen habe, diesem Grund aber keine Asylrelevanz zukäme.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin an ihrem bisherigen Vorbringen hinsichtlich ihrer Verfolgungssituation festhielt und im Wesentlichen darlegte, dass sich die belangte Behörde im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht nicht mit der festgestellten Bürgerkriegssituation auseinandergesetzt und darüber hinaus deren individuellen Vorbringen keiner ausreichenden Würdigung unterzogen habe.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (in der Folge: AsylGHG) nimmt der Asylgerichtshof mit 1. Juli 2008 seine Tätigkeit auf. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

1.2. Gemäß § 61 Abs. 1 Asylgesetz 2005 in der geltenden Fassung (in der Folge: AsylG) entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

1.3. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

1.4. Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2.1. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß § 66 Abs. 3 AVG kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, "wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist."

 

2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:

 

"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG i.d.F. BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gem. § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden. (...)

 

Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als ¿unvermeidlich erscheint'. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis v. 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff ¿mündliche Verhandlung' i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG siehe auch die Nachweise im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084).

 

Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gem. § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.

 

Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichthofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstellen in den Bundesländern erfolgt, während der Unabhängige Bundesasylsenat - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084)."

 

2.3. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.10.2006, Zl. 2005/20/0459, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:

 

"Einem zurückweisenden Bescheid i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG muss (demnach) auch entnommen werden können, welche Mängel bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Verfahren vor der Unterbehörde unterlaufen und im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung zu beheben sind (vgl. zum Ganzen zuletzt das Erkenntnis v. 20.04.2006, Zl. 2003/01/0285)."

 

Was für den Unabhängigen Bundesasylsenat bis zum 30.06.2008 zu gelten hatte, gilt nunmehr sinngemäß gleichermaßen für den Asylgerichtshof als dessen Nachfolgebehörde.

 

3.1. Vorab ist zu erwähnen, dass die im Akt der belangten Behörde enthaltenen Kopien der seitens der Beschwerdeführerin vorgelegten Urkunden (AS 59, 121-127) nicht übersetzt wurden und auch sonst keine Beachtung im erstinstanzlichen Verfahren fanden. Da im bekämpften Bescheid im Rahmen der getroffenen Feststellungen der belangten Behörde gerade diese Übersetzungen aber näher Aufschluss über die von der Beschwerdeführerin angegebenen Aufenthaltsorte bzw. dem Ausstellungszeitpunkt des von der Beschwerdeführerin angegebenen Reisepasses hätten geben können, dies insbesondere im Hinblick auf die Behauptungen der Beschwerdeführerin ihren Reisepass im Jahr 2007 in W. ausgestellt bekommen zu haben, aus der vorgelegten Kopie der polnischen Abnahmebestätigung (AS 59) neben einer Reisepassnummer aber das Datum "00.00.2006" herausgelesen werden konnte, besteht weiterhin Unklarheit darüber, ob die Angaben über den Ausstellungszeitpunkt des Reisepasses 2007 korrekt sind und wäre dieser Widerspruch auch der Beschwerdeführerin vorzuhalten gewesen. Überdies ist aus den weiteren vorgelegten Urkunden (AS 212-127), die laut Niederschrift die Geburtsurkunden der Kinder darstellen und mit 00.00.2006 bzw. 00.00.2006 datiert sind, nicht ersichtlich an welcher Örtlichkeit diese ausgestellt wurden, was aber gerade angesichts der von der belangten Behörde nicht weiter betriebenen Feststellungen zum Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin von maßgeblicher Bedeutung gewesen wäre.

 

Insbesondere ist jedoch festzuhalten dass die Entscheidung der belangte Behörde, die im Rahmen ihrer Feststellungen erkennbar von einem Bürgerkrieg ausging und die Flucht der Beschwerdeführerin wegen der mit diesem Bürgerkrieg im direkten Zusammenhang stehenden Folgen begründete (AS 165), im krassen Widerspruch zu den herangezogenen Länderberichten steht, aus welchen unter anderem auch hervorgeht, dass keine aktiven Kampfhandlungen geführt werden, man auch nicht wirklich behaupten kann, dass dort ein Partisanenkrieg geführt wird und es lediglich zu sporadischen Scharmützel kommt (AS 169). Diesbezüglich stellt sich nunmehr auch die Frage, warum die belangte Behörde einerseits den Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrer Verfolgungssituation, die - unbestritten - insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen ihres Ehemannes widersprüchlich sind, insgesamt keinen Glauben schenkte, aber andererseits deren Flucht mit der im direkten Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg stehenden Folgen begründete. Sollte die belangte Behörde im Vorbringen der Beschwerdeführerin einen direkten Zusammenhanges mit möglicherweise vereinzelten Kampfhandlungen erkennen, so hätte die belangte Behörde jedenfalls, mangels evidenter Feststellungen im Akt, weitere Ermittlungen einleiten müssen, um diese Annahme weiterhin aufrecht zu erhalten, zumal auf Grundlage des vorliegenden Akteninhaltes und der Länderfeststellung kein vernünftiger Grund vorliegt die getroffene Feststellung aufrecht zu erhalten.

 

Auch hat es die belangte Behörde unterlassen, das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihrer individuellen Verfolgungssituation näher zu erfragen, das Ergebnis in ihren beweiswürdigenden Überlegungen zu umschreiben und in ihre Entscheidung einfließen zu lassen. So bleibt auf Grundlage des Akteninhaltes nach wie vor die Frage offen, wo und wann genau die Beschwerdeführerin nach Verschwinden ihres Ehemannes im April 2006 ihren Aufenthalt genommen hat, dies im Hinblick auf die - in der niederschriftlichen Einvernahme vom 18.12.2007 vorgehaltenen - Angaben des Ehegatten der Beschwerdeführerin, wonach sich der Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin ab August 2006 in W. befunden haben soll (AS 115). Statt dessen hat sich die belangte Behörde über diese Widersprüche hinweggesetzt und sich in ihren Sachverhaltsfeststellungen lediglich darauf beschränkt, die Widersprüche zu den Angaben ihres Ehemannes aufzuarbeiten, dabei aber das individuelle Vorbringen der Beschwerdeführerin nach Verschwinden ihres Ehemannes in einem einzigen Satz als unglaubwürdig gewertet. Diese Feststellungen wären aber gerade angesichts der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Bedrohungssituation nach Verschwinden ihres Ehegatten am ehemaligen gemeinsamen Wohnsitz als auch wegen der Gefährdungssituation der Beschwerdeführerin hinsichtlich der seitens der belangten Behörde festgestellten Bürgerkriegssituation im Herkunftsstaat notwendig gewesen um deren (persönliche) Betroffenheit einschätzen zu können. Diesbezüglich war auch der Rüge der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde vom 22.01.2008, wonach sich die belangte Behörde im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht nicht mit der von ihr festgestellten Bürgerkriegssituation weiter auseinandergesetzt und deren individuellen Vorbringen keiner ausreichenden Würdigung unterzogen habe, Berechtigung zuzuerkennen.

 

Auch diesbezüglich wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren nach Parteiengehör somit nachvollziehbare und in sich widerspruchsfreie Feststellungen zur individuellen Situation der Beschwerdeführerin zu treffen haben.

 

Der zuständige Senat des Asylgerichtshofs kommt daher zur Ansicht, dass die dargestellten Mängel vom Bundesasylamt im fortgesetzten Verfahren zu sanieren sind, wobei zu berücksichtigen war, dass die neuerliche Einvernahme der Beschwerdeführerin dezentral durch eine Außenstelle des Bundesasylamtes erfolgen kann und darüber hinaus die derzeitige Aktenbelastung des Bundesasylamtes erkennbar eine weitaus geringere als jene des Asylgerichtshofs ist. Besondere Gründe, die gegen eine Zurückverweisung der Angelegenheit i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG sprechen, sind für den erkennenden Senat des Asylgerichtshofs nicht erkennbar.

 

Im Übrigen konnte der angefochtene Bescheid auch im Hinblick auf den ergangene Bescheid der belangten Behörde über den Asylantrag des Sohnes der Beschwerdeführerin D.T. (AIS 07 08.475), der neben der in § 34 Abs. 4 AsylG enthaltenen zwingenden Verfahrensbestimmung insbesondere auch wegen des darin offensichtlich vorliegenden Verfahrensmangels in Bezug auf dessen Erkrankung an Asthma, mit Erkenntnis vom 04.12.2008 behoben und gem. § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen wurde, im Lichte des § 34 Abs. 4 AsylG (wonach die Verfahren unter einem zu führen sind) keinen Bestand haben (vgl. zu einem ähnlichen Fall: VwGH v. 18.10.2005, Zl. 2005/01/0402 bis 0404).

Schlagworte
Familienverfahren, gesundheitliche Beeinträchtigung, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
02.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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