TE Vwgh Erkenntnis 2001/4/25 2000/10/0187

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Veröffentlicht am 25.04.2001
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Index

E1E;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
59/04 EU - EWR;
70/05 Schulpflicht;
70/06 Schulunterricht;

Norm

11997E234 EG Art234;
AVG §37;
AVG §56;
B-VG Art83 Abs2;
MRKZP 01te Art2;
SchPflG 1985 §11 Abs2;
SchPflG 1985 §11 Abs4;
SchUG 1986 §42 Abs14;
SchUG 1986;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde 1. der mj. M S, vertreten durch die Mutter D S, und 2. der D S, beide in D-87629 Füssen und vertreten durch Elisabeth Wintergerst, Rechtsanwältin in D- 87629 Füssen, Brunnengasse 12 (Einvernehmensrechtsanwalt: Dr. Markus Distelberger, Jubiläumsstraße 1, 3130 Herzogenburg), gegen den Bescheid des Bezirksschulrates Reutte vom 1. August 2000, Zl. Ic-292/6-00, betreffend Erfüllung der Schulpflicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich im Wesentlichen folgender Sachverhalt:

Die am 23. August 1988 geborene Tochter (Erstbeschwerdeführerin) der Zweitbeschwerdeführerin erfüllte im Schuljahr 1999/2000 ihre Schulpflicht durch "Teilnahme am häuslichen Unterricht" im Sinne des § 11 Abs. 2 des Schulpflichtgesetzes (SchPflG).

Mit Bescheid vom 1. August 2000 sprach die belangte Behörde unter Berufung auf § 11 Abs. 4 SchPflG aus, dass die Teilnahme der Erstbeschwerdeführerin am häuslichen Unterricht untersagt werde. Die Schulpflicht sei an einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu erfüllen.

Nach der Begründung habe die Erstbeschwerdeführerin die Externistenprüfung im Sinne des § 11 Abs. 4 leg. cit. am Ende des Schuljahres 1999/2000 nicht positiv abgeschlossen. Der Nachweis des zureichenden Erfolges des häuslichen Unterrichtes sei daher nicht erbracht worden. Es sei daher anzuordnen gewesen, dass die Schulpflicht an einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule erfüllt werde.

Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführerinnen zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 26. September 2000, B 1477/00, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aus folgenden Gründen geltend gemacht:

Die belangte Behörde sei Gericht im Sinne des Art. 234 EG. Im gegenständlichen Verfahren über die Genehmigung des häuslichen Unterrichtes sei diese Behörde auch letzte Instanz. Die belangte Behörde sei aber der ihr aus Art. 234 Abs. 3 EG zukommenden Verpflichtung, den Europäischen Gerichtshof bei Vorliegen einer für die Entscheidung erheblichen Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechtes um Vorabentscheidung zu ersuchen, nicht nachgekommen. Die belangte Behörde habe übersehen, dass sie europarechtlich relevante Sachverhalte zu beurteilen gehabt hätte. Sollte der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung bezüglich der Gerichtsqualität der belangten Behörde nicht teilen, so möge er eine entsprechende Vorlage beschließen. Eine Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerinnen ergebe sich insbesondere daraus, dass die Externistenprüfungsverordnung nicht in Bezug auf eine Nachprüfung zur Anwendung komme, da sie teilweise § 11 SchPflG widerspreche. Eine Ungleichbehandlung ergebe sich auch daraus, dass die Erstbeschwerdeführerin über einen unabgegrenzten Jahresstoff geprüft worden sei, was zu einer erheblich schwierigeren Prüfung führe als bei einer Prüfung, die bei Kindern in der Regelschule abgenommen werde. Durch die Ungleichbehandlung sei auch der zweite Satz des Art. 2 des 1. Zusatzprotokolles zur Europäischen Menschenrechtskonvention, der das Elternrecht gewährleiste, verletzt worden. Es liege eine Diskriminierung von EU-Ausländern vor, die einzig und allein auf Grund ihrer Staatsbürgerschaft erfolge. Die belangte Behörde habe mit dem angefochtenen Bescheid insbesondere den Gleichheitsgrundsatz, das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, das Legalitätsprinzip, das Recht auf Unterrichtsfreiheit und die Normen des EG-Vertrages verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die Unterlassung der Vorlage einer vorlagepflichtigen Frage der Interpretation des Gemeinschaftsrechts an den EuGH das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. September 1996, VfSlg. 14.607). Dies bezieht sich aber nur auf die Nichtvorlage durch ein nach Art. 234 EG verpflichtetes Gericht. Ein solches ist jedenfalls der Verwaltungsgerichtshof, weshalb die Frage nach der Gerichtseigenschaft des Bezirksschulrates dahinstehen kann.

In der Beschwerde wird zwar behauptet, für den Ausgang des gegenständlichen Verfahrens bestünden mehrere entscheidungserhebliche Fragen bezüglich der Auslegung des Gemeinschaftsrechtes. Diese Behauptung wird aber nicht näher konkretisiert. Dass der Ausgang des gegenständlichen Verfahrens von der Beantwortung von Fragen über die Auslegung von Gemeinschaftsrecht abhängig wäre, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich. Aus diesem Grund sieht er sich nicht veranlasst, dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Soweit die Beschwerde die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet, ist darauf zu verweisen, dass deren Prüfung nicht in die Kompetenz des Verwaltungsgerichtshofes fällt. Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof in seinem bereits genannten Beschluss vom 26. September 2000 die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich beurteilt, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Auch das übrige Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Rechtswidrigkeit darzutun.

Nach § 1 Abs. 1 SchPflG besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.

Gemäß § 11 Abs. 1 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht - unbeschadet des § 12 - auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Nach § 11 Abs. 2 leg. cit. kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule - ausgenommen den Polytechnischen Lehrgang - mindestens gleichwertig ist.

Nach § 11 Abs. 4 SchPflG ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schule am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat der Bezirksschulrat anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

Was unter der in § 11 Abs. 4 SchPflG angeordneten "Prüfung" zu verstehen ist, ergibt sich aus den Regelungen des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG). Nach § 42 Abs. 14 SchUG gelten die Bestimmungen über die Ablegung von Externistenprüfungen auch für die auf Grund der §§ 1 Abs. 4, 13 Abs. 3 und 22 Abs. 4 des Schulpflichtgesetzes 1985 abzulegenden Prüfungen zum Nachweis des zureichenden Erfolges des Besuches von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht oder häuslichen Unterrichtes sowie des Besuches von im Ausland gelegenen Schulen. Nach § 42 Abs. 9 SchUG gilt für die Aufgabenstellung und den Prüfungsvorgang (bei Externistenprüfungen) § 37 Abs. 2 bis 4 SchUG sinngemäß; für die Beurteilung der Prüfungskandidaten gilt § 38 Abs. 1 bis 3. Aus der letztzitierten Vorschrift (unter Einbeziehung der darin enthaltenen Verweisungen) folgt u.a., dass die Externistenprüfungen eine Klausurprüfung (schriftliche, grafische oder praktischer Arbeiten) und eine mündliche Prüfung umfassen (vgl. § 37 Abs. 1 iVm § 36 Abs. 2 SchUG) und vor einer Prüfungskommission (§ 42 Abs. 4 SchUG) abzulegen sind. Die Leistungen der Prüfungskandidaten in den einzelnen Prüfungsteilen der Klausurprüfung und der mündlichen Prüfung sind unter Anwendung des § 18 Abs. 2 bis 4 zu beurteilen (§ 38 Abs. 3). Weitere Regelungen über die Externistenprüfungen enthält die auf Grund des § 42 Abs. 15 SchUG erlassene Verordnung (Verordnung über die Externistenprüfungen). Nach § 20 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. hat das Externistenprüfungszeugnis u.a. eine Beurteilung der einzelnen Prüfungsgebiete und eine Gesamtbeurteilung zu enthalten; es sind (unter den jeweils genannten Voraussetzungen) die Gesamtbeurteilungen "mit ausgezeichnetem Erfolg bestanden", "mit gutem Erfolg bestanden", "bestanden" oder "nicht bestanden" aufzunehmen.

Aus diesen Regelungen folgt, dass der "Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichts" im Sinne des § 11 Abs. 4 SchPflG nur durch eine entsprechend den Bestimmungen über die Externistenprüfungen abgelegte Prüfung (vgl. § 42 Abs. 14 SchUG) erbracht werden kann, deren Gesamtbeurteilung in dem über die Prüfung auszustellenden Zeugnis wenigstens mit "bestanden" beurkundet wurde (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Mai 1995, Zl. 94/10/0187).

Im Beschwerdefall ist nicht strittig, dass ein solcher Nachweis nicht vorlag. Für diesen Fall schreibt das Gesetz (§ 11 Abs. 4 zweiter Satz SchPflG) der Schulbehörde zwingend vor, die Anordnung zu treffen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5, also durch den Besuch einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule (vgl. § 4 SchPflG) zu erfüllen habe.

Ob die Ablegung einer bzw. mehrerer Prüfungen über den gesamten Jahresstoff - wie die Beschwerdeführerinnen behaupten - für den Prüfling belastender ist als die laufende Überprüfung des Schulerfolges, die im Rahmen des Besuches einer Regelschule erfolgt, mag dahinstehen. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, die zur verfassungsrechtlichen Bedenken Anlass geben könnte, ist darin allerdings nicht zu erblicken. Mit dem Elternrecht auf häuslichen Unterricht sind etwa die periodische Prüfung dieser Kinder durch staatliche Organe, aber auch die zwangsweise Einschulung bei Nichterreichung des Unterrichtszieles vereinbar (vgl. dazu etwa - den auch in der Beschwerde zitierten Autor - Juranek, Schulverfassung und Schulverwaltung in Österreich und in Europa, Bd. I, 106 f).

Selbst allenfalls bei der Externistenprüfung unterlaufene Verfahrensmängel oder die Möglichkeit der Wiederholung der Externistenprüfung vermögen nichts daran zu ändern, dass der Nachweis eines zureichenden Erfolges des häuslichen Unterrichts - in Gestalt des Zeugnisses über eine bestandene Externistenprüfung einer entsprechenden Schule - im maßgebenden Entscheidungszeitpunkt nicht vorlag (vgl. dazu das Erkenntnis vom 29. Mai 1995, Zl. 94/10/0187).

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. April 2001

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung VerfahrensmangelMaßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000100187.X00

Im RIS seit

19.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

09.05.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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