TE AsylGH Erkenntnis 2008/12/04 D6 319083-1/2008

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Veröffentlicht am 04.12.2008
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Spruch

D6 319083-1/2008/5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Christine AMANN als Beisitzerin über die Beschwerde des A.U., geb. 00.00.1969, StA. v. Usbekistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.4.2008, FZ. 07 11.750-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.9.2008 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Asylgesetz 2005 hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Beschwerdeführer, ein usbekischer Staatsangehöriger der tadschikischen Volksgruppe, reiste eigenen Behauptungen zufolge am 17.12.2007 gemeinsam mit seiner Ehefrau (der Beschwerdeführerin D6 319084-1/2008) in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. In der Folge wurde er am 18.12.2007 vor der Polizeiinspektion Traiskirchen sowie am 8.1.2008 und am 6.3.2008 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

 

Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er in Usbekistan ein angesehener Geschäftsmann gewesen und von zwei unbekannten Männern einer ihm nicht näher bekannten Organisation bzw. Gruppierung gezwungen worden sei, regierungskritische Flugblätter zu verteilen, Geldbeträge vorübergehend aufzubewahren sowie Gesinnungsgenossen dieser Organisation bei sich Unterkunft zu geben. Ende Oktober 2002 habe er den unbekannten Männern mitgeteilt, dass er nicht mehr willens sei, weiterhin für die Organisation zu arbeiten, woraufhin er von diesen bedroht und zur weiteren Zusammenarbeit gezwungen worden sei. Er habe in weiterer Folge seine Geschäfte verkauft und die Polizei aufgesucht, um die Geschehnisse zu melden. Ein Polizist habe ihm jedoch von der Anzeige abgeraten und ihn in einen Hinterhalt gelockt, wo er zusammengeschlagen worden sei. Im Jänner 2003 habe er erstmals Usbekistan verlassen und nach der Durchreise durch Österreich in der Schweiz einen Asylantrag gestellt. Im Jahr 2006 sei er nach Usbekistan zurückgekehrt, habe sich allerdings nur einige wenige Tage in seinem Heimatland aufgehalten, weil er wiederum von dem Polizisten aufgesucht und bedroht worden sei. Daraufhin sei er über Moskau, wo er sich ein Jahr aufgehalten habe, nach Österreich gereist.

 

1. Mit Bescheid vom 11.4.2008 wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab (Spruchteil I.) und erklärte, dass ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Usbekistan nicht zuerkannt werde (Spruchteil II.); ferner verfügte das Bundesasylamt gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Usbekistan (Spruchteil III.), schob jedoch die Durchführung der Ausweisung gemäß § 10 Abs. 3 AsylG bis zum 1.8.2008 auf.

 

In seiner Begründung traf das Bundesasylamt Länderfeststellungen zur Lage in Usbekistan und stellte die Identität, Nationalität und die Familienzugehörigkeit des Beschwerdeführers fest, erachtete das Vorbringen jedoch als nicht glaubwürdig. Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt aus, der Beschwerdeführer habe die dargestellten Verfolgungshandlungen nur allgemein in den Raum gestellt, ohne diese zu belegen oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft machen zu können. Insbesondere falle bei einer Gesamtbetrachtung auf, dass der Beschwerdeführer lediglich in leeren Floskeln verharrt sei und seine Fluchtgeschichte äußerst unplausibel und widersprüchlich geschildert habe. Überdies entspreche es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich eine Person so einfach gegen ihren Willen dazu auffordern bzw. überreden lasse, gegen die bekannt autoritäre usbekische Regierung tätig zu werden, ohne sich auch nur mit der Meinung bzw. den Ansichten der "auffordernden" Gruppierung zu identifizieren oder näher damit auseinanderzusetzen. Es erscheine - umgekehrt - äußerst unplausibel, dass eine regierungskritische Gruppe eine wildfremde Person, die weder mit den Idealen noch mit den Zielen dieser Organisation sympathisiert, auffordere, Flugblätter zu verteilen und Gesinnungsgenossen der Gruppe aufzunehmen bzw. zu beherbergen. Hinzu trete, dass einige weitere Unstimmigkeiten bzw. Widersprüchlichkeiten innerhalb des Vorbringens des Beschwerdeführers sowie auch in den Ausführungen seiner Ehefrau aufzuzeigen seien, die letztlich - in einer Gesamtschau - die Unglaubwürdigkeit hervorheben würden.

 

Daher könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Usbekistan einer Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt sei. Da keine individuellen Umstände vorliegen würden, aufgrund derer der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr nach Usbekistan in eine extreme Notlage gerate, sei auch nicht feststellbar, dass er im Falle einer Heimkehr Gefahr liefe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe iSd Art. 3 EMRK unterworfen zu werden. Insbesondere sei dem Beschwerdeführer als gesunden und arbeitsfähigen Mann zuzumuten, dass er in Usbekistan, wo er auch über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge, den Lebensunterhalt für seine Familie bestreite. Ferner bedeute die verfügte Ausweisung - da der Beschwerdeführer über keine familiäre Anbindung zu Österreich verfüge - keinen Eingriff in Art. 8 EMRK. Aufgrund der Schwangerschaft der Ehefrau des Beschwerdeführers und der bevorstehenden Geburt im Mai 2008, werde die Durchführung der Ausweisung der Ehefrau des Beschwerdeführers bis zum 1.8.2008 aufgeschoben, und es sei daher im Hinblick auf Art. 8 EMRK erforderlich, auch die Ausweisung des Beschwerdeführers bis zum 1.8.2008 auszusetzen.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, rechtzeitig (als Berufung) eingebrachte Beschwerde vom 28.4.2008, in der sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen gegen die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes wendet und sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.

 

3. Am 18.9.2008 führte der Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und dessen Ehefrau teilnahmen; das Bundesasylamt hatte auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet. Der Verhandlung wurde eine Dolmetscherin für die usbekische Sprache beigezogen. Die Verhandlung war geboten, da dem erkennenden Senat der maßgebliche Sachverhalt nicht als geklärt erschien.

 

Beweis wurde erhoben, indem der Beschwerdeführer sowie dessen Ehefrau einvernommen sowie folgende, auch in der Verhandlung erörterte Unterlagen eingesehen wurden:

 

Länderinformation des deutschen Auswärtigen Amtes vom Juli 2005;

 

Länderkundliches Gutachten von Univ.Prof. Dr. Richard Potz vom 20.1.2006;

 

Bericht von Amnesty International für das Jahr 2006;

 

International Religious Freedom Report des U.S. Department of State 2007, September 2007;

 

Country Reports on Human Rights Practices des U.S. Department of State 2007, März 2008;

 

Feststellungen des Bundesasylamtes zu Usbekistan vom 25.4.2007;

 

Analyse des Bundesamtes für Migration der Schweiz vom 29.6.2006.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den erkennenden Senat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

 

1.1 Zur Situation in Usbekistan

 

1.1.1 Demographische Angaben:

 

Usbekistan ist der bevölkerungsreichste Staat in Zentralasien und grenzt an alle üblicherweise zu Zentralasien gezählten Staaten (Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Afghanistan und Turkmenistan). Usbekistan hat eine Gesamtbevölkerung von 26.851.195 Einwohnern (Stand 2005) und eine durchschnittliche Bevölkerungsdichte von 59 Einwohnern pro km². Die Besiedlung verteilt sich jedoch ungleichmäßig auf das Land. So steigt die Bevölkerungsdichte in den zu mehreren Staaten gehörenden Ferghana-Becken auf über 400 Einwohner pro km².

 

Die Bevölkerung Usbekistans besteht nach offiziellen Angaben von 1993 zu 73,7 % aus Usbeken, 5,5 % Russen, 5,1 % Tadschiken, 4,2 % Kasachen, 2 % Krimtataren, 2 % Karakalpaken, 1,1 % Koreanern. Zu den kleineren Minderheiten zählen Uiguren, Deutsche (etwa 40.000), Meschetische Türken, Aserbaidschaner und Türken. In manchen Landesteilen, wie dem Gebiet um die Städte Samarkand und Buchara ist eine ethnische Zuordnung allerdings kaum möglich, da die dortige Bevölkerung traditionell zweisprachig (usbekisch- und tadschikischsprachig) ist und eine Trennung in zwei verschiedene Völker erst durch die moderne amtliche Terminologie eingeführt worden ist. Insofern ist die sprachliche und kulturelle "Usbekisierung" Teil einer nationalstaatlichen Konsolidierung nach übernommenen sowjetischen und türkischen Staatsvorstellungen.

 

Die Religion der Mehrheit der Bevölkerung ist der Islam (zumeist Sunniten, schiitische Minderheiten, vor allem in Buchara und Samarkand). Zudem gibt es Christen (Angehörige der Russischen Orthodoxen Kirche, der Armenisch-Apostolischen Kirche, Katholiken und Protestanten (vor allem Baptisten und Evangeliums-Christen), gläubige Juden, Buddhisten, Baha'i und Krishnaiten. Im Unterschied zu den Bevölkerungen in den Nachbarländern Kasachstan, Kirgisien und Turkmenistan - die bis heute im Nomadentum wurzeln und lange nur oberflächlich islamisiert waren - war die Region des heutigen Usbekistan schon seit dem frühen Mittelalter ein Kerngebiet islamischer Kultur (Länderkundliches Gutachten von Univ. Prof. Dr. Richard Potz).

 

1.1.2 Staatsaufbau:

 

Usbekistan ist gemäß der Verfassung eine präsidiale Demokratie (Länderkundliches Gutachten von Univ. Prof. Dr. Richard Potz). Usbekistan wird durch den schon zu sowjetischer Zeit amtierenden Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei Usbekistans, Islam Karimow, regiert. Ein Referendum im sowjetischen Stil von 1995 und eine darauf folgende Parlamentsentscheidung erweiterten Karimows Mandat bis zum Jahr 2000. Er wurde am 9.1.2000 mit 91,9 % der Stimmen wieder gewählt. Die Wahl entsprach nicht den OSZE-Standards. Ein erneutes Referendum im Januar 2002 verlängerte die Amtszeit des Präsidenten bis zum Jahr 2007 (Länderinformationen des deutschen Auswärtigen Amtes vom Juli 2005). Diese zweite Amtszeit ist im Januar 2007 ausgelaufen. Bei der erst am 23.12.2007 durchgeführten Präsidentschaftswahl ist Karimow im Amt bestätigt worden (Country Reports on Human Rights Practices des U.S. Department of State 2007).

 

1.1.3 Zur aktuellen politischen Lage:

 

Usbekistan versteht sich als weltlicher Staat mit strikter Trennung von Staat und Religion. Die Regierung versucht, islamisch-religiöse Bewegungen im Lande staatlich zu kontrollieren. Insgesamt hat Usbekistan eine traditionsgebundene, aber weltliche Gesellschaft, in der der Islam seine prägende Rolle vor allem in den Familien und Familientraditionen spielt. Islamistischer Terrorismus wird von der Regierung immer wieder als Bedrohung für den Staat und als Begründung für die Verfolgung und Inhaftierung tausender Personen angeführt. Die "Islamische Bewegung Usbekistans" wurde durch militärische Operationen der Anti-Terror-Koalition in Afghanistan und im Frühjahr 2004 durch pakistanische Sicherheitskräfte im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet stark geschwächt. Als bislang einziges Land in Zentralasien hat Usbekistan Selbstmordattentate hinnehmen müssen, und zwar im März/April 2004 in Taschkent und Buchara sowie erneut am 30. Juli 2004 in Taschkent (Länderinformationen des deutschen Auswärtigen Amtes vom Juli 2005).

 

Hizb-ut Tahrir (Partei der Befreiung) ist eine Partei des politischen Islams, die sich - ebenso wie die erwähnte "Islamische Bewegung Usbekistans" - das Ziel gesetzt hat, einen islamischen Staat zu errichten, der von einem Kalifen regiert wird. In Zentralasien, vor allem in Usbekistan, hat die Organisation inzwischen starken Zulauf, wo sie politisch, jedoch nicht - wie etwa die "Islamische Bewegung Usbekistans" - militärisch, gegen die herrschende Regierung kämpft. Ein wesentlicher Aspekt der Partei ist ihr Antizionismus, der häufig in eine massive, antijüdische Agitation mündet, sie ist daher seit dem 15. Januar 2003 in Deutschland wegen Gewaltpropaganda und antijüdischer Hetze verboten. Generell gilt für Hizb ut-Tahrir, dass sie ein demokratisch-rechtsstaatliches Konzept radikal ablehnt und in der Theorie durchaus die Anwendung von Gewalt für die Durchsetzung politischer Ziele ("Dschihadismus") befürwortet, sich derzeit jedoch ohne Verzicht auf eine durchaus gewalttätige Sprache gegen terroristische Aktionen ausspricht (Länderkundliches Gutachten von Univ. Prof. Dr. Richard Potz).

 

Am 12./13. Mai 2005 kam es in Andijan im Ferghana-Tal zu Demonstrationen gegen die Regierung von Präsident Karimow. Auslöser war ein Prozess gegen 23 lokale Kleinunternehmer, die beschuldigt wurden, Mitglieder einer Splittergruppe von Hizb ut-Tahrir zu sein. Mehrere Teilnehmer der Kundgebung gegen den Prozess wurden von Sicherheitskräften verhaftet. Daraufhin stürmten Demonstranten das lokale Gefängnis und befreiten Hunderte Gefangene. Die Regierung setzte am 13. Mai 2005 Sicherheitskräfte ein, die den Aufstand mit massivem Gewalteinsatz niederwarfen. Laut Regierungsangaben wurden 169 Menschen getötet, darunter 32 Sicherheitskräfte. Menschenrechtsorganisationen sprachen dagegen von 500 bis 1000 Toten unter weitgehend unbewaffneten Demonstranten. Die mehrtägigen Unruhen, die neben Andijan auch in anderen Städten nahe der Grenze zu Kirgisistan stattfanden, wurden von der Regierung Karimov der Hizb ut-Tahrir und international agierenden islamistischen Terroristen zugeschrieben und ihre blutige Unterdrückung als Kampf gegen den Terror ausgegeben (Länderkundliches Gutachten von Univ. Prof. Dr. Richard Potz).

 

1.1.4 Zur Menschenrechtslage im Allgemeinen:

 

Die Situation der Menschenrechte in Usbekistan wird von allen einschlägigen Menschenrechtsorganisationen als äußerst schlecht ("dramatisch, "drastisch", "disaströs", "very poor") beurteilt. Wesentliche Lebensbereiche, die auch eine Nähe zu menschenrechtlichen Garantien aufweisen (wie Gerichtsbarkeit, Bildungswesen, Gesundheitswesen), werden als durch ein hohes Maß an Korruption gekennzeichnet dargestellt. In letzter Zeit wurden immer häufiger auch über Diskriminierungen gegen Tadschiken berichtet. Die gesetzlich vorgesehene Registrierung von Parteien und Religionsgemeinschaften wird sehr restriktiv bzw. schikanös gehandhabt, Aktivitäten von Minderheitsreligionen werden häufig eingeschränkt. Laut Amnesty-Bericht 2004 missachteten die usbekischen Behörden "trotz einiger weniger Gesetzes- und Justizreformen nach wie vor die internationalen und nationalen Verpflichtungen im Bezug auf die Menschenrechte und unternahmen nichts, um die miserable Menschenrechtslage zu verbessern (Länderkundliches Gutachten von Univ. Prof. Dr. Richard Potz).

 

1.1.5 Die Situation für Minderheiten im Allgemeinen:

 

Russen und andere ethnische Minderheiten sind zwar in den landesweiten politischen Institutionen repräsentiert, es gibt aber keine eigenen Parteien auf ethnischer Grundlage. Alle ethnischen Minderheiten haben das Recht auf kulturelle Selbstidentifikation, das Recht zum Gebrauch ihrer Muttersprache und das Recht auf Bildung von Vereinigungen; dennoch wird der Bildung von politischen Organisationen auf ethnischer Basis entgegengetreten, und keine solche Organisation ist als Partei registriert. In Usbekistan ist ethnische Diskriminierung am Arbeitsmarkt verboten, Russen und Angehörige anderer Minderheiten berichten aber immer wieder über eingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten (Country Reports on Human Rights Practices des U.S. Department of State 2007).

 

Die Situation lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Auflösung der russischsprachigen Bevölkerungsgruppe; wirtschaftlicher Niedergang für die Mehrheit der Bevölkerung; Ressourcenverteilung (Eigentum und Macht) nach verwandtschaftlichen Merkmalen (Familie, Clan, Freunde, Clanverband, Ethnie), wodurch die russischsprachige und bucharajüdische Bevölkerung generell benachteiligt wird und damit verbunden diktatorische Machtstrukturen, die Willkür gegen schutzlose Personen ausüben; ethnische, konfessionelle, kulturelle Überlagerungen der sozialen Spannungen, u.a. starker Zulauf zu islamistischen Gruppen, die allerdings von der Regierung Karimov mit brachialen Methoden bekämpft werden (Länderkundliches Gutachten von Univ. Prof. Dr. Richard Potz).

 

1.1.6 Die Situation von Tadschiken im Besonderen:

 

Es gibt Einschüchterungen und Schmiergeldforderungen von Seiten der Behörden an tadschikische Migranten, wenn sie legalen Aufenthalt im Land suchen. Die meisten tadschikischen Flüchtlinge sind ethnische Usbeken. Tadschikischen Flüchtlingen wird es möglich gemacht, sich im Land zu integrieren und sie werden auch von der lokalen Bevölkerung dabei unterstützt. Die meisten tadschikischen Flüchtlinge sind keiner gesellschaftlichen Diskriminierung ausgesetzt (Feststellungen des Bundesasylamtes zu Usbekistan vom 25.4.2007).

 

1.2 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:

 

Der Beschwerdeführer ist usbekischer Staatsangehöriger der tadschikischen Volksgruppe und Muslim. Er besaß in seiner Heimat eine Bäckerei sowie zwei Verkaufsgeschäfte bzw. Verkaufsstände auf einem Markt.

 

Der Beschwerdeführer verließ Usbekistan erstmals im Jänner 2003 und reiste nach Moskau. In weiterer Folge reiste er im Sommer 2003 über Österreich, wo er sich nur einige Tage aufhielt, in die Schweiz. Dort stellte er einen Asylantrag, der negativ entschieden wurde. Nach drei Jahren Aufenthalt in der Schweiz kehrte der Beschwerdeführer Ende Juni 2006 nach Usbekistan zurück und verließ wiederum, nach nur wenigen Tagen, mit seinem usbekischen Reisepass sein Heimatland in Richtung Moskau. Dort lebte und arbeitete er mehr als ein Jahr legal. Im August 2007 kam die Ehefrau des Beschwerdeführers nach Moskau nach. Im November 2007 reisten sie gemeinsam illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von ihm unbekannten Männern einer ihm nicht näher bekannten Organisation bzw. Gruppierung gezwungen wurde, regierungskritische Flugblätter zu verteilen sowie Gesinnungsgenossen bzw. Mitglieder der Organisation bei sich nächtigen zu lassen. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in der Folge eine Anzeige bei der Polizei tätigen wollte, ihm diesbezüglich von einem Polizisten abgeraten, er von diesem in einen Hinterhalt gelockt und zusammengeschlagen wurde.

 

2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

 

2.1 Die Länderfeststellungen beruhen auf den jeweils angegebenen Quellen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen die Verfahrensparteien nicht entgegengetreten sind, besteht für den erkennenden Senat kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben in den Länderberichten zu zweifeln.

 

2.2 Hinsichtlich der Feststellungen über die Nationalität und Identität des Beschwerdeführers folgte der erkennende Senat den Feststellungen des Bundeasylamtes. Es sind im Verfahren keine Zweifel hervorgekommen, die die Richtigkeit der diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers in Frage stellen könnten. Dies gilt auch für seine Schilderungen hinsichtlich seiner ersten Ausreise im Jahr 2003 und seines Aufenthaltes in der Schweiz sowie in Moskau vor seiner Einreise nach Österreich.

 

Die negativen Feststellungen beruhen auf folgenden Erwägungen: Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen als Fluchtgrund vor, von unbekannten Männern einer ihm nicht näher bekannten Gruppe bzw. Organisation bedroht und zur Kooperation gezwungen worden zu sein. Seine Schilderungen blieben jedoch auffallend vage und oberflächlich. So fällt auf, dass sich der Beschwerdeführer auch in der Verhandlung angesichts des Ersuchens nach einer möglichst detaillierten Schilderung der Begegnungen mit den unbekannten Männern, wie den ersten Kontakt oder die ersten Tätigkeiten für diese Organisation, häufig darauf zurückzog, sich nicht genau daran erinnern zu können (Seite 4 und Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Dies erstaunt insofern, als es sich - geht man von der Richtigkeit der Aussagen aus - um gravierende Ereignisse gehandelt hat, die der Grund für eine jahrelange Trennung des Beschwerdeführers von seiner Familie gewesen sein sollen.

 

Darüber hinaus erscheint es in hohem Maße unverständlich und unplausibel, wenn ein im Geschäftsleben stehender Kaufmann und Inhaber zweier Geschäfte monatelang genötigt, bedroht und zur Kooperation gezwungen, einmal sogar schwer misshandelt und verletzt wird, ohne dass er sich im Laufe der Zeit Kenntnis von der Herkunft dieser Männer bzw. über diese Organisation verschafft oder auch nur wenigstens einige diesbezügliche Informationen einholen kann. Trotz monatelangem Kontakt zu den von ihm beherbergten Männern konnte der Beschwerdeführer überhaupt nichts zu deren Identität und ihrem (politischen) Hintergrund aussagen. Auch die (in der Verhandlung diskutierte) "Rolle" jenes Polizisten, der den Beschwerdeführer in einen Hinterhalt gelockt und nach seiner Rückkehr erneut zur Kooperation angehalten haben soll, musste im Dunkeln bleiben. Die in der Verhandlung gestellte Frage, um welche politische Organisation es sich gehandelt haben könnte, beantwortete der Beschwerdeführer mit dem bloßen Hinweis, dass es viele Gruppen gebe und er keine Ahnung habe, welche es gewesen sei (Seite 8 der des Verhandlungsprotokolls). Dies überrascht insofern, als der Beschwerdeführer (gezwungenermaßen) sogar Flugzettel mit politischen Inhalten verteilt haben soll.

 

Insbesondere vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen erscheint auch nicht vorderhand evident, dass eine oppositionelle Gruppierung von den staatlichen Sicherheitskräften unterstützt wird und Personen, die mit einer regimefeindlichen Organisation nichts zu tun haben wollen bzw. von ihr bedroht werden, (nicht nur nicht geschützt, sondern auch noch) von der Polizei bekämpft werden. Auch wenn die menschenrechtliche Situation in Usbekistan - wie den Länderfeststellungen zu entnehmen ist - gewiss als schlecht und die Gewährleistung polizeilichen Schutzes für Personen, die Minderheiten angehören, durchaus als kritisch zu bewerten ist, ist daraus noch kein zwingendes Indiz für die Richtigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers abzuleiten.

 

Gegen die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens spricht auch der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer nach seiner (zweiten) Ausreise aus Usbekistan im Jahr 2006 über ein Jahr lang (legal) in Moskau aufgehalten, dort gearbeitet (AS 85) und sich erst dann nach Österreich begeben hat, um einen Asylantrag zu stellen. Bereits bei seiner ersten Ausreise war er einige Zeit lang in Moskau geblieben und erst nach einem halben Jahr in die Schweiz gereist. Zahlreiche Familienangehörige, darunter drei seiner Kinder, leben weiterhin (und anscheinend unbehelligt) in der Heimat des Beschwerdeführers.

 

Der erkennende Senat übersieht nicht, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Verletzungen an seinem Körper, die möglicherweise von einer Misshandlung stammen, vorweisen konnte. Deren (tatsächliche) Hintergründe konnten jedoch (auch nach Durchführung einer Verhandlung) nicht geklärt werden. Dass die Verletzungen Folge des Konfliktes mit jener politischen Gruppe waren, die ihn zur Mitarbeit gezwungen haben soll, und mit der auch Angehörige der Polizei kooperieren, hat der Beschwerdeführer - betrachtet man die verschiedenen Ungereimtheiten in ihrer Summe - nicht glaubhaft machen können. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer - sofern eine der Wahrheit entsprechende Grundlage in seinem Fluchtvorbringen gesehen werden kann - tatsächlich erlebte Umstände in asylrelevante Bedrohungsszenarien (insbesondere durch Hinzufügung einer politischen Komponente) weiterentwickelt und als Fluchtgründe herangezogen hat. Die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Fluchtgründe sind daher nicht glaubwürdig.

 

3. Rechtlich folgt daraus:

 

3.1 Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, vom Asylgerichtshof (konkret: von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat) weiterzuführen.

 

3.2 Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG ist das AsylG 2005 am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

3.3 Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie] verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

Im vorliegenden Fall ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, objektive Furcht vor aktueller Verfolgung in gewisser Intensität glaubhaft zu machen. Die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK geforderten Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

 

3.4 Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Abs. 3 leg. cit. abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

§ 8 AsylG beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).

 

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.1.2001, 2001/20/0011).

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (nach der Rechtslage nach dem AsylG 1997 musste sich die Gefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen; zB VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; 25.1.2001, 2000/20/0438; 30.5.2001, 97/21/0560).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586;

21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460;

16.4.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FremdenG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443; 26.2.2002, 99/20/0509; 22.8.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG) zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Im vorliegenden Fall liegt die vorgebrachte Bedrohung iSd § 8 Abs. 1 AsylG schon deshalb nicht vor, weil der Beschwerdeführer seinen behaupteten Fluchtgrund nicht glaubhaft machen konnte. Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt - ungeachtet der in Usbekistan festgestellten schlechten allgemeinen Menschenrechtslage - nicht erkannt werden.

 

Es sind keine Umstände amtsbekannt, dass in Usbekistan eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre.

 

3.5 Hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides (Ausweisung nach Usbekistan) war Folgendes zu erwägen: Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach dem AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen und dem Fremden weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt wird.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erk. vom 12.12.2007, Zl. 2007/19/1054-7, (zu den entsprechenden Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 idF BGBl. I 101/2003) ausgeführt hat, wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des Familienverfahrens die Familieneinheit im Vergleich zur früheren Rechtslage (nach der etwa nur Asyl, nicht aber Refoulmentschutz "erstreckt" werden konnte) in der Weise stärken, dass alle Angehörigen einer "Kernfamilie" iSd § 1 Z 6 Asylgesetz 1997 (das sind Elternteile eines minderjährigen Kindes, Ehegatten oder zum Zeitpunkt der Asylantragstellung unverheiratete minderjährige Kinder eines Asylwerbers oder Asylberechtigten) im Asylverfahren die gleiche Rechtsstellung zukommt. Damit sollte verhindert werden, dass es durch verschiedene rechtliche Behandlung einzelner Familienmitglieder - entgegen dem in Art. 8 Abs. 1 EMRK festgelegten Gebot der Achtung des Familienverbandes - zur Trennung von Familien kommen kann. Im Sinne der Wahrung der Familieneinheit wurde durch § 44 Abs. 3 Asylgesetz 1997 sichergestellt, dass das Bundesasylamt nach dem 30.4.2004 in Fällen, in denen Asylanträge von Mitgliedern einer Familie zum Teil vor und zum Teil nach dem Inkrafttreten der Novelle 2003 gestellt wurden, auch im Hinblick auf die Ausweisung einheitlich entscheiden konnte. Wenn das Bundesasylamt jedoch für einzelne Familienmitglieder (mangels Zuständigkeit der Rechtslage vor der Asylgesetznovelle 2003) keine Ausweisung verfügt hat, so ist es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes dem unabhängigen Bundesasylsenat verwehrt, für diese Angehörigen Ausweisungen "nachzutragen", um die Rechtsposition der Familie zu vereinheitlichen. In derartigen Fällen hätten über die Ausweisung die Fremdenbehörden zu entscheiden.

 

Für Fälle, in denen einzelne Mitglieder einer Kernfamilie nach der dargestellten Rechtslage von den Asylbehörden, andere aber von den Fremdenbehörden auszuweisen wären, hat der Gesetzgeber weder Vorkehrungen für ein koordiniertes Vorgehen noch für eine einheitliche Ausweisungsentscheidung getroffen. Auch § 38 AVG bietet dafür keine Lösung. Ein Ergebnis, wonach etwa ein minderjähriger Beschwerdeführer auf Grund der asylrechtlichen Ausweisung das Bundesgebiet ohne seine Eltern zu verlassen hat, weil diese keine asylrechtliche Ausweisung erhalten haben, das also zu seiner Trennung von der Kernfamilie führen würde, würde den oben dargestellten Intentionen des Gesetzgebers bei Einführung des Familienverfahrens widersprechen und wäre ein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben, für den - auch unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen - keine Rechtfertigung zu erkennen ist.

 

Um das vom Gesetzgeber intendierte und verfassungsrechtlich gebotene Ergebnis zu erzielen, ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes in einem Fall, in dem ein minderjähriger Asylwerber eine erstinstanzliche Ausweisungsentscheidung erhalten hat, nicht aber seine Eltern (auf Grund der früheren Rechtslage vor der Asylgesetznovelle 2003), die erstinstanzliche Ausweisung in Bezug auf den Minderjährigen ersatzlos zu beheben (vgl. idS auch VwGH 9.4.2008, 2008/19/0205; 16.4.2008, 2007/19/0037).

 

Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes gelten nicht nur für die im gegenständlichen Fall anzuwendende Rechtslage des AsylG 2005, sondern auch für die vorliegende Konstellation, in welcher der Beschwerdeführer sowie seine Ehefrau, die Beschwerdeführerin zu D6 319084-1/2008, nach Usbekistan ausgewiesen wurden, eine Ausweisungsentscheidung hinsichtlich ihres in Österreich nachgeborenen Kindes, der Beschwerdeführerin zu D 6 401532-1/2008, jedoch (aus welchen Gründen immer) unterblieb.

 

Wie der zuvor referierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entnommen werden kann, ist es dem Asylgerichtshof verwehrt, die (unterbliebene) Ausweisung einzelner Familienangehöriger mit Blick auf die Ausweisung der anderen Familienangehörigen "nachzutragen". Da aber die Durchführung der Ausweisung des Beschwerdeführers - mangels Ausweisung seines (im Säuglingsalter befindlichen) Kindes - zu einer mit Art. 8 EMRK in Widerspruch geratenden Trennung der Familie führen könnte, war der dritte Spruchpunkt des erstinstanzlichen Bescheides ersatzlos zu beheben, wobei diese Entscheidung einer allfälligen Ausweisung iSd Fremdenpolizeigesetzes nicht entgegensteht.

 

4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverband, Familienverfahren, Glaubwürdigkeit, Interessensabwägung, Minderjährigkeit, non refoulement, Spruchpunktbehebung-Ausweisung
Zuletzt aktualisiert am
11.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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