GZ. E12 241.391-0/2008-6E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Vorsitzende und den Richter Dr. STEININGER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mittermayr über die Beschwerde des O.B., geb. 00.00.1998, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.08.2003, FZ. 02 34.169-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
1. Der minderjährige Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gelangte am 27.11.2002 gemeinsam mit seinen Eltern und seiner minderjährigen Schwester illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin am selben Tag einen auf den Asylantrag seines Vaters bezogenen Asylerstreckungsantrag.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2.8.2003, FZ. 02 34.169-BAL wurde der Asylerstreckungsantrag der Beschwerdeführer gemäß § 10 iVm § 11 Abs 1 AsylG 1997 abgewiesen.
Begründend wird zusammengefasst ausgeführt, dass die Abweisung des Asylerstreckungsantrages die Konsequenz der am gleichen Tag erfolgten Abweisung des Asylantrages des Vaters sei.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung (nunmehr als Beschwerde zu werten). Hinsichtlich des konkreten Inhaltes der Beschwerde, der bei den Erwägungen des Asylgerichtshofes berücksichtigt wurde, wird auf den Akteninhalt verwiesen (VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).
4. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag hob der Asylgerichtshof den Bescheid des Bundesasylamtes, mit welchem der Asylantrag des Vaters des nunmehrigen Beschwerdeführers abgewiesen worden war, gemäß § 66 Abs 2 AVG auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes sowie des Verwaltungsaktes des Vaters des Beschwerdeführer.
2. Gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes (AsylG 2005) sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.
Gemäß § 44 Abs 1 AsylG 1997 werden Asylanträge, die bis zum 30.04.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 geführt. Die §§ 8, 15, 22, 23 Abs 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a sind gemäß § 44 Abs 3 leg cit idF BGBl I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs 1 anzuwenden.
Nachdem der gegenständliche Asylerstreckungsantrag vor dem 30.04.2004 gestellt wurde, ist zusammengefasst also das AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 mit den soeben genannten Maßgaben anzuwenden.
Gemäß § 38 Abs 1 AsylG 1997 entscheidet der unabhängige Bundesasylsenat über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes.
Gemäß § 75 Abs 7 AsylG 2005 idF BGBl I Nr 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:
Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenats, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
Gemäß § 61 Abs 1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof - von hier nicht zutreffenden Ausnahmefällen abgesehen - in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.
Das gegenständliche Verfahren war am 01.07.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und es hat noch keine mündliche Verhandlung stattgefunden. Die Zuständigkeit des erkennenden Senates ergibt sich sohin gemäß § 75 Abs 7 Z 2 AsylG 2005 aus der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes.
Nach § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG 2005 und dem VwGG nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Dies gilt laut den Gesetzesmaterialien (vgl. AB 371 XXIII. GP) auch für zusammengesetzte Begriffe, die den Wortbestandteil "Berufung" enthalten (zB "Berufungsbehörde" oder "Berufungsantrag" in §§ 66 und 67 AVG).
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann der Asylgerichtshof, wenn der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann der Asylgerichtshof jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
3. Gemäß § 10 Abs 1 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 begehren Fremde mit einem Asylerstreckungsantrag die Erstreckung des einem Angehörigen auf Grund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährten Asyl.
Gemäß Abs 2 leg cit können Asylerstreckungsanträge frühestens zur selben Zeit wie der der Sache nach damit verbundene Asylantrag eingebracht werden. Sie sind nur für Eltern eines Minderjährigen oder für Ehegatten und minderjährige Kinder zulässig; für Ehegatten überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den Asylantrag eingebracht hat.
Gemäß § 11 Abs 1 leg cit hat die Behörde aufgrund eines zulässigen Antrages durch Erstreckung Asyl zu gewähren, wenn dem Asylwerber die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens iSd Art 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist. Asyl durch Erstreckung kann sohin lediglich dann gewährt werden, wenn der diesbezügliche Antrag zulässig ist, einem der in § 10 Abs 2 AsylG genannten Angehörigen des Asylwerbers aufgrund eines Asylantrages oder von Amts wegen Asyl gewährt wurde und die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens iSd Art 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.
Wie bereits oben unter Punkt I.4. erwähnt hat der Asylgerichtshof jenen Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Asylantrag des Vaters des nunmehrigen Beschwerdeführers abgewiesen worden war, gemäß § 66 Abs 2 AVG aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Im Hinblick darauf, dass der über den Asylantrag des Vaters des Beschwerdeführers ergangene Bescheid des Bundesasylamtes, auf den die Abweisung des Asylerstreckungsantrages des Beschwerdeführers gestützt wurde, nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, war spruchgemäß zu entscheiden und auch der gegenständlich bekämpfte Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Hinsichtlich der von der Erstbehörde nunmehr vorzunehmenden Ermittlungen wird auf Punkt II.3. desjenigen Erkenntnisses des Asylgerichtshofes verwiesen, welches am heutigen Tag im Verfahren des Vaters des Beschwerdeführers ergangen ist (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens vgl. VwGH 16.09.2003, 99/14/0297; 18.09.2003, 2002/15/0132).
III. Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67 d AVG. Es ergibt sich aus § 23 AsylGHG, dass die dort als Rechtsfolge vorgesehene sinngemäße Anwendung des AVG 1991 unter dem Vorbehalt anderer Regelungsinhalte des B-VG, des AsylG 2005 und des VwGG steht. Derartige ausdrückliche andere Regelungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof sind, in den in der Erläuterung laut AB 371 XXIII. GP genannten §§ 20, 22 und 41 AsylG 2005 enthalten, wohl aber auch in den §§ 42, 61 und 62 AsylG 2005. Es ergibt sich aus § 23 AsylGHG somit die Anwendung von Verfahrensbestimmungen für den Asylgerichtshof in allen anhängigen Verfahren einschließlich der gemäß den Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führenden Verfahren, ohne dass es dafür einer Nennung dieser Bestimmungen (auch) im § 75 Abs 1 AsylG 2005 bedürfte. § 41 Abs 7 ist daher im gegenständlichen Verfahren anwendbar.
Es konnte hier eine mündliche Verhandlung entfallen, da eine verfahrensrechtliche Entscheidung zu fällen war, die mündliche Erörterung der Sachlage eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten ließ und dem auch Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht entgegen stand.