GZ. E12 241.389-0/2008-7E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Vorsitzende und den Richter Dr. STEININGER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mittermayr über die Beschwerde des O.A., geb. 00.00.1969, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.08.2003, FZ. 02 34.166-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, gelangte am 27.11.2002 gemeinsam mit seiner Ehegattin und seinen beiden minderjährigen Kindern illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am selben Tag einen Asylantrag.
2. Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 27.11.2002 brachte der Beschwerdeführer als Begründung für das Verlassen seiner Heimat zusammengefasst vor, dass er und seine Familienangehörigen aufgrund seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe von den Strenggläubigen in der Heimat beschimpft und benachteiligt worden seien.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2.8.2003, FZ. 02 34.166-BAL wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gemäß § 8 AsylG 1997 für zulässig erklärt.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung (nunmehr als Beschwerde zu werten). Hinsichtlich des konkreten Inhaltes der Beschwerde, der bei den Erwägungen des Asylgerichtshofes berücksichtigt wurde, wird auf den Akteninhalt verwiesen (VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes.
2. Gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes (AsylG 2005) sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.
Gemäß § 44 Abs 1 AsylG 1997 werden Asylanträge, die bis zum 30.04.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 geführt. Die §§ 8, 15, 22, 23 Abs 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a sind gemäß § 44 Abs 3 leg cit idF BGBl I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs 1 anzuwenden.
Nachdem der gegenständliche Asylantrag vor dem 30.04.2004 gestellt wurde, ist zusammengefasst also das AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 mit den soeben genannten Maßgaben anzuwenden.
Gemäß § 38 Abs 1 AsylG 1997 entscheidet der unabhängige Bundesasylsenat über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes.
Gemäß § 75 Abs 7 AsylG 2005 idF BGBl I Nr 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:
Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenats, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
Gemäß § 61 Abs 1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof - von hier nicht zutreffenden Ausnahmefällen abgesehen - in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.
Das gegenständliche Verfahren war am 01.07.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und es hat noch keine mündliche Verhandlung stattgefunden. Die Zuständigkeit des erkennenden Senates ergibt sich sohin gemäß § 75 Abs 7 Z 2 AsylG 2005 aus der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes.
Nach § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG 2005 und dem VwGG nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Dies gilt laut den Gesetzesmaterialien (vgl. AB 371 XXIII. GP) auch für zusammengesetzte Begriffe, die den Wortbestandteil "Berufung" enthalten (zB "Berufungsbehörde" oder "Berufungsantrag" in §§ 66 und 67 AVG).
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann der Asylgerichtshof, wenn der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann der Asylgerichtshof jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
Eine kassatorische Entscheidung darf vom Asylgerichtshof nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Das Gericht hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH 14.3.2001, 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084).
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Im vorliegenden Fall ist dies in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:
Das Bundesasylamt hat in seinen Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides angeführt, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe und dieser türkischer Staatsangehöriger und Angehöriger der kurdischen Bevölkerungsgruppe sei. Weiters heißt es dort:
"Mangels Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens hinsichtlich einer konkreten Verfolgungsgefahr im Falle Ihrer Rückkehr in die VR China und mangels solcher Hinweise aufgrund des ho. Amtswissens konnte nicht festgestellt werden, dass Sie tatsächlich in der VR China der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt sind."
Die Erstbehörde hat dann jedoch (richtigerweise) Feststellungen zur Türkei aufgrund der Länderberichte zur Türkei vorgenommen, ohne diese Länderfeststellungen jedoch dem Beschwerdeführer im Rahmen der Einräumung eines Parteiengehörs zu Kenntnis zu bringen.
Weiters fiel auf, dass der Beschwerdeführer dem Bundesasylamt am 26.5.2003 ein Urteil des 4. Türkischen Staatssicherheitsgerichtes vorgelegt hatte, in dem der Beschwerdeführer wegen der Straftat "Befehlsempfänger der illegalen Organisation DHKP-C" gemäß des § 62/2 türk. Strafgesetzes mit schwerer Haftstrafe von 4 Jahren bestraft wurde. In der Begründung dieses Urteils wird festgestellt, " dass der Beschwerdeführer die separatistische Organisation DHKP-C unterstützt und Unterschlupf gewährt, Flugblätter verteilt und der Organisation logistische Unterstützung gewährt hat, weiters dass er Mitglied der separatistischen Organisation DHKP-C ist und in ihrem Auftrag an verschiedenen Aktionen teilgenommen hat, Transparente aufgehängt, Flugblätter verteilt und zur Sympathisantengewinnung Arbeiten durchgeführt hat."
Weiters wird in dem Urteil ausgeführt, " dass der Beschwerdeführer während der geballten Aktionen, mit anderen Angeklagten in Untersuchungshaft genommen, in die Polizeiabteilung Terrorbekämpfung gebracht, nach seiner 15-tägigen Untersuchungshaft freigelassen wurde. Bei der Operation wurden die dort anwesenden Personen in Untersuchungshaft genommen. Dennoch hat man dort den Beschwerdeführer nicht angetroffen. Es wurde begonnen den Beschwerdeführer (...) zu suchen."
Eine Auseinandersetzung mit diesem - für das Verfahren doch sehr relevanten - Beweismittel ist im erstinstanzlichen Bescheid jedoch nicht zu finden. Auch die Information aus der vorgelegten Urkunde, dass der Beschwerdeführer als Mitglied der DHKP-C von den türkischen Behörden verfolgt und sogar verurteilt wurde, wurde von der Erstbehörde einfach ignoriert. In der Beweiswürdigung wird lediglich auf das mündliche Vorbringen des Beschwerdeführers, in dem er überraschenderweise von einer Mitgliedschaft zur DHKP-C nichts erwähnt hatte, in kurzer und nach Meinung des Asylgerichtshofes in unzureichender Weise eingegangen und dieses Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert.
Das Bundesasylamt hätte sich jedoch zweifelsohne mit diesen Tatsachen in der vorgelegten Urkunde auseinandersetzen und den Beschwerdeführer darüber befragen müssen; dass die Erstbehörde dies unterlassen hat, stellt sich für den Asylgerichtshof als schwerwiegender Verfahrensfehler dar. Das Bundesasylamt wird sich in einem neuen Rechtsgang in ausführlicher Weise mit den oa. Tatsachen auseinanderzusetzen haben und ihre Ermittlungsergebnisse dem BF vorzuhalten haben.
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner jüngsten Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl.: 2003/20/0389). Aufgrund des augenscheinlich mangelnden Ermittlungsverfahrens der Erstbehörde - fehlende Feststellungen zum Inhalt des vorgelegten Urteil, qualifiziert mangelhafte Beweiswürdigung zu den fluchtkausalen Gründen, mangelhafte Beweiswürdigung zur persönlichen Unglaubwürdigkeit des BF- hat die Erstbehörde jedenfalls eine solche ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen, da das Bundesasylamt dieses offensichtlich nicht anhand der konkret entscheidungsrelevanten aktuellen Situation gewürdigt hat.
Aus Sicht der Berufungsbehörde verstößt das Prozedere der Erstbehörde somit gegen die von § 28 AsylG 1997 determinierten Ermittlungspflichten. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 28 AsylG bestimmt nämlich, dass die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG i.V.m. § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen ist, hat die Erstbehörde in diesem Verfahren missachtet.
Es hätte jedenfalls im Sinne des § 45 Abs 3 AVG auch einer Konfrontation der Partei mit dem (wie oben aufgezeigt) amtswegig zu ermittelnden Sachverhalt und den diesbezüglichen Beweismitteln bedurft. Den Parteien ist das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme in förmlicher Weise zur Kenntnis zu bringen und ausdrücklich unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen (VwGH 05.09.1995, Zl. 95/08/0002), was nicht geschehen ist. Gegenstand des Parteiengehörs sind sämtliche Ergebnisse der Beweisaufnahme. Auch soweit die Behörde bestimmte Tatsachen als offenkundig behandelt, ist dies der Partei bekannt zu geben (VwGH 17.10.1995, Zl. 94/08/0269). Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040) ist die Verletzung des Parteiengehörs zwar saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung dagegen Stellung zu nehmen - Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der erstinstanzlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten die Berufungsbehörde das Parteiengehör einräumen müsste (VwGH 25.03.2004, Zl. 2003/07/0062). Durch die oben dargestellte mangelhafte Bescheidbegründung ist dieses Erfordernis aber mit Sicherheit nicht erfüllt.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass beweiswürdigende Überlegungen zur Stichhaltigkeit einer Fluchtgeschichte sich regelmäßig nicht auf das Vorbringen des Asylwerbers beschränken dürfen. Vielmehr bedarf es idR auch einer Betrachtung der konkreten fallbezogenen Lage im Herkunftsstaat des Betreffenden, weil seine Angaben letztlich nur vor diesem Hintergrund einer Plausibilitätskontrolle zugänglich sind (VwGH 18.4.2002, 2001/01/0002; in diesem Sinne auch VwGH 28.1.2005, 2004/01/0476). Von den Asylbehörden ist eine Einbeziehung des realen Hintergrundes der von einem Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in das Ermittlungsverfahren zu erwarten. Die Behauptungen des Asylwerbers sind auch am Verhältnis zu der Berichtslage in Bezug auf das Ereignis, von dem er betroffen gewesen sein will, zu messen (VwGH 30.9.2004, 2001/20/0135, in diesem Sinne auch VwGH 31.5.2005, 2005/20/0176). Auch der Verfassungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis 2001/10/02 B 2136/00 davon aus, dass sich die Asylbehörden nicht mit Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat begnügen dürfen, sondern fallbezogen konkrete Ermittlungen in Bezug auf das individuelle Vorbringen tätigen müssen, um dieses einer Plausibilitätskontrolle unterziehen zu können. Nach Ansicht des zitierten VfGH Erkenntnis besteht diese Verpflichtung selbst dann, "wenn die vom Beschwerdeführer gegebene Schilderung von vornherein als kaum glaubwürdig und als irreal erscheint. Dies entbindet die Asylbehörde nicht von ihrer Verpflichtung die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen".
Auch bei unglaubwürdigem Vorbringen sind jedenfalls Erhebungen zur allgemeinen Lage und Rückkehrsituation nach erfolgloser Asylantragstellung zu treffen. Auch hat die Erstbehörde ihre Erwägungen nicht ausschließlich auf das mündliche Vorbringen des BF einzuschränken, sondern muss auch die vorgelegten Beweismittel in der Entscheidung bewerten und berücksichtigen.
4. Für den Fall, dass weder Asyl noch Refoulementschutz gewährt werden sollten, hat das Bundesasylamt nunmehr (vgl. § 44 Abs 3 AsylG 1997) auch über die Ausweisung zu entscheiden (vgl. dazu insbesondere die aktuelle Judikatur des EGMR zu Asylwerbern NNYANZI gg. das Vereinigte Königreich, Darren Omoregie u.a.gg. Norwegen). Diesfalls hätte die Behörde auch die maßgeblichen Fakten zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zu ermitteln, die eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegen jene des Antragstellers ermöglichen.
5. Durch die gegenständliche Ergänzungsbedürftigkeit bzw. Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens wäre eine mündliche Verhandlung durch die Berufungsbehörde unvermeidlich.
Von der durch § 66 Abs. 3 AVG der Berufungsbehörde (Beschwerdebehörde) eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, wenn "hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist", war im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen nicht Gebrauch zu machen:
Gemäß Art 129c B-VG erkennt der Asylgerichtshof nach Erschöpfung des Instanzenzuges (unter anderem) über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen.
Bereits aus dieser Bestimmung ist einleuchtend, dass es dem Bundesasylamt als erster und einziger Instanz im Asylverfahren zukommt, den gesamten entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu ermitteln und den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Dies hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 30.09.2004, 2001/20/0315, bereits im Zusammenhang mit dem unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt und hat sich an diesem Grundsatz nichts geändert. Vielmehr würde die Beschwerdemöglichkeit des Asylwerbers an den Asylgerichtshof andernfalls zu einer bloßen Formsache degradiert werden, wenn letzterer, statt seine "umfassende und letztinstanzliche" Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Instanz ist, die erstmals den gesamten entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht. Dies gilt umso mehr nach dem der Verwaltungsgerichtshof in Asylsachen grds. keine einzelfallbezogene Kontrollbefugnis mehr hat und diese hinsichtlich einfachgesetzlicher Verletzungen nunmehr dem Asylgerichtshof zukommt. Würde man gegenteilige Ansicht vertreten, - nämlich dass der Asylgerichtshof jenes Organ ist, das erstmals den maßgeblichen Sachverhalt feststellt, so würde dem Asylwerber im Hinblick auf einfachgesetzliche Verletzungen eine Kontrollinstanz entzogen werden.
Dies spricht auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens - der Asylgerichtshof verkennt dabei nicht, dass das Verfahren bereits seit September 2003 bei der Berufungsbehörde anhängig war - unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der Beschwerdeinstanz beginnen und zugleich enden soll, für ein Vorgehen nach § 66 Abs 2.
Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Asylgerichtshof gemäß § 66 Abs 2 und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Berufungswerbers gegen eine Kassation des erstinstanzlichen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.
III. Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67 d AVG. Es ergibt sich aus § 23 AsylGHG, dass die dort als Rechtsfolge vorgesehene sinngemäße Anwendung des AVG 1991 unter dem Vorbehalt anderer Regelungsinhalte des B-VG, des AsylG 2005 und des VwGG steht. Derartige ausdrückliche andere Regelungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof sind, in den in der Erläuterung laut AB 371 XXIII. GP genannten §§ 20, 22 und 41 AsylG 2005 enthalten, wohl aber auch in den §§ 42, 61 und 62 AsylG 2005. Es ergibt sich aus § 23 AsylGHG somit die Anwendung von Verfahrensbestimmungen für den Asylgerichtshof in allen anhängigen Verfahren einschließlich der gemäß den Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führenden Verfahren, ohne dass es dafür einer Nennung dieser Bestimmungen (auch) im § 75 Abs 1 AsylG 2005 bedürfte. § 41 Abs 7 ist daher im gegenständlichen Verfahren anwendbar.
Es konnte hier eine mündliche Verhandlung entfallen, da eine verfahrensrechtliche Entscheidung zu fällen war, die mündliche Erörterung der Sachlage eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten ließ und dem auch Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht entgegen stand.