TE AsylGH Erkenntnis 2008/12/10 E12 247556-0/2008

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Veröffentlicht am 10.12.2008
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Spruch

GZ. E12 247.556-0/2008-21E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Vorsitzende und den Richter Dr. STEININGER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mittermayr über die Beschwerde des Herrn B.B., geb. 00.00.1973, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.02.2004, FZ. 03 20.537-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 24.11.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Asylgesetz 1997, BGBl. I 1997/76, als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Beschwerdeführer, seinen Angaben nach ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 8.7.2003 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Als Begründung für das Verlassen seines Herkunftsstaates Türkei brachte er im erstinstanzlichen Verfahren (zusammengefasst dargestellt) vor, dass er ein Angebot des türkischen Geheimdienstes, für ihn zu spionieren, abgelehnt habe. Deswegen sei er in der Folge von staatlichen Organen 10 Jahre lang immer bedroht worden. 2000 und 2002 sei er deswegen auch zusammengeschlagen worden. Trotz ständigen Wohnsitzwechsels sei er ab 1995 vom Geheimdienst ca. 100 Mal ersucht worden, die Kurden und die PKK auszuspionieren.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das ausreisekausale Vorbringen im wesentlichen deswegen als nicht glaubhaft, weil der BF trotz Nachfragens nicht in der Lage war, sein Vorbringen zu belegen oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft zu machen. Bei einer ständigen Furcht vor Übergriffen des Geheimdienstes ist es außerdem nicht nachvollziehbar, dass der BF mit seiner Flucht von 1995 bis 2003 zugewartet hat. Auch der behauptete Aufenthaltswechsel vermag daran nichts zu ändern. Hätte der Geheimdienst den BF tatsächlich für seine Dienste heranziehen wollen, weil er selbst dem Geheimdienst angehört hätte und hätte er tatsächlich jedes Mal abgelehnt, hätte diese Handlungsweise sicherlich dienstrechtliche Konsequenzen nach sich gezogen. Es sei auch nicht plausibel, weshalb der BF trotz ablehnender Haltung immer wieder wegen einer allfälligen Geheimdiensttätigkeit bedrängt worden sein soll, weil der Geheimdienst nicht mit einer zufriedenstellenden Arbeitsleistung rechnen konnte, was aber gerade für die Geheimdiensttätigkeit essentiell ist.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom BAA gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 AsylG 1997 wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei für zulässig erklärt.

 

Gegen diesen Bescheid hat der BF innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Neben allgemeinen Ausführungen und Wiederholungen führte der BF im wesentlichen aus, dass er während des Militärdienstes unter Androhung schwerer Folgen für seine Familie gezwungen wurde, für den Heeresnachrichtendienst zu arbeiten. Er habe hiefür auch eine 2-monatige Ausbildung erhalten. Man habe ihn nach V. geschickt, um dort bei den Kurden Informationen über die PKK zu sammeln. Dabei habe er erkannt, dass die Kurden vom türkischen Staat zu unrecht so schlecht behandelt würden. Deshalb habe er nach dem Militär auch an Protestveranstaltungen der Kurden teilgenommen. Außerdem sei er auch wegen seines alevitischen Glaubens als Staatsfeind betrachtet worden.

 

Am 24.11.2008 wurde vor dem Asylgerichtshof eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, ergänzende Einvernahme des BF als Partei und Erörterung des Berichtes des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei vom 25.10.2007 und des Türkei-Fortschrittsberichtes 2007, EU-Kommission, vom 6.11.2007.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Die vom BAA vorgenommene Beweiswürdigung ist im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

 

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

 

Aus Sicht des Asylgerichtshofes ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten, Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesasylamt nicht entgegenzutreten, wenn es das ausreisekausale Vorbringen im Ergebnis als nicht glaubhaft qualifiziert. Der Asylgerichtshof schließt sich diesen beweiswürdigenden Argumenten des BAA an, zumal der BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 24.11.2008 durch zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten in seiner Aussage den Eindruck der Unglaubwürdigkeit noch untermauert hat, und zwar aus folgenden Gründen:

 

Zunächst verwickelte sich der BF, was die Dauer seiner Tätigkeit für den Geheimdienst während des Militärs betraf, in Widersprüche. Während er den gesamten Militärdienst und auch die Geheimdiensttätigkeit ursprünglich mit 19 Monaten und die Grundausbildung mit 40 Tagen angab, korrigierte er über Vorhalt die Dauer der Tätigkeit für den Geheimdienst auf ca. 17 bis 18 Monate. Der BF gab weiters an, dass er nach dem Militär in V. unter der kurdischen Zivilbevölkerung jene Leute hätte ausspionieren sollen, die mit der PKK in Verbindung stehen. Er gab weiters an, kein Kurdisch zu sprechen. Der Dorfvorsteher hätte ihn als PKK-Schüler, der eine Unterkunft benötigt, ausgegeben. Diese Aussagen sind allerdings völlig unglaubwürdig und an den Haaren herbeigezogen. Erstens bedienen sich Geheimdienste für Spionagetätigkeiten erfahrener und entsprechend speziell ausgebildeter Mitarbeiter und nicht eines einfachen Grundwehrdieners, der nicht einmal jener Sprache mächtig ist, die die Auszuspionierenden sprechen. Es ist allgemein bekannt, dass sich Kurden in ihren Gebieten untereinander ausschließlich auf Kurdisch, und das noch dazu in verschiedenen Dialekten unterhalten. Der BF hätte somit ständig einen Dolmetsch gebraucht, der ihm aus dem kurdischen ins türkische übersetzt. Darüberhinaus wäre ein PKK-Schüler, der kein Wort kurdisch spricht, sofort aufgefallen. Wenn der BF in diesem Zusammenhang meint, dass er aufgenommen worden sei, weil er Alevit ist, ist dies wieder unglaubwürdig, weil der alevitische Glaube nicht mit dem Volksstamm zusammenhängt und es in der Türkei auch zahlreiche türkische Aleviten gibt. Außerdem ist hinlänglich bekannt, dass gerade terroristische Organisationen, wie die PKK eine ist, extrem vorsichtig und misstrauisch agieren. Das zusammengemauerte Lügengebilde des BF hätte daher auch vor der PKK nicht einmal der geringsten Überprüfung standgehalten. Soweit sich der BF im Rahmen der Verhandlung zu den Drohungen des Geheimdienstes und den Übergriffen durch diesen äußerte, wurde auch hier seine Glaubwürdigkeit weiter erschüttert: Zum einen war überhaupt nicht mehr von den ursprünglich ca. 100 Ersuchen, als Spion zu arbeiten, die Rede. Außerdem konnte der BF durch nichts erhärten, dass er auch telefonisch bedrängt worden sei. Er gab vielmehr an, nicht selbst am Telefon gewesen zu sein, dass sich die Anrufer als Freunde ausgegeben hätten und er nur vermute, dass es Geheimdienstangehörige und keine Freunde waren. Auch die angeblichen persönlichen Übergriffe beschreibt er äußerst vage, ohne auch das genaue Datum angeben zu können. Selbst die Jahreszahlen kann der BF nicht mit Sicherheit nennen, was wiederum völlig unglaubwürdig ist, wenn man derart einschneidende Erlebnisse hatte. Auch die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der BF sei als Alevite ein halber Staatsfeind, erwies sich in der Verhandlung als völlig haltlos, weil er selbst angab, deswegen nie Probleme gehabt zu haben. Abgerundet wird die Unglaubwürdigkeit des BF, der am 10.11.2008 aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen wurde, noch dadurch, dass er nicht einmal weiß, was er dort wirklich zu suchen hatte. Während er vor der Vekehrspolizeiinspektion Deggendorf noch die Hochzeit eines Bruders angab, war es vor dem Asylgerichtshof plötzlich die Krankheit der Schwester. Über Vorhalt bildeten dann beide Ereignisse den Grund.

 

Den vom Bundesasylamt herangezogenen Berichten zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wurde in der Beschwerde nicht konkret und substantiiert entgegen getreten .Änderungen der entscheidungsrelevanten Lage in der Türkei wurden dadurch berücksichtigt, dass dieser Entscheidung die o. a. aktuellen Quellen zugrunde gelegt wurden.

 

Im Ergebnis ist es dem Beschwerdeführer mit dessen Beschwerde weder gelungen eine wesentliche Unschlüssigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen, noch ist er dieser im Rahmen der Anfechtungsbegründung in substantiierter Form entgegengetreten. Hiezu wäre es erforderlich gewesen, dass der Beschwerdeführer entweder in begründeter Form eine maßgebliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung dargetan oder Argumente vorgebracht hätte, die einerseits zu einer anderen Gewichtung oder Bewertung der verfahrensgegenständlichen Beweismittel führen würden oder aus denen andererseits im Rahmen der allgemeinen Denklogik eine Prävalenz des von ihm dargestellten Geschehnisablaufes gegenüber jenem von der Erstbehörde angenommenen hervorleuchtet, was im Ergebnis zu einer anders gelagerten Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des der weiteren rechtlichen Würdigung zugrunde zu legenden historisch-empirischen Sachverhaltes führen würde.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof gem. § 23 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Zu Spruchpunkt I.:

 

1.) Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht, und keiner der in Art.1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).

 

Unter Verfolgung sind Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon - wie in ähnlich beschriebenerWeise - betroffen ist.

 

Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiters als ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

 

Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl. zB. VwGH vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl. VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Gründe nicht gegeben.

 

Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen eine solche glaubhaft zu machen, weshalb die vorgetragenen fluchtkausalen Angaben des Asylwerbers gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Auch aus der allgemeinen Lage lässt sich konkret für den Beschwerdeführer kein Status eines Asylberechtigten ableiten.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Asyl zu gewähren, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt II.:

 

Gem. § 8 Abs AsylG hat die Behörde von amtswegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG), wenn ein Asylantrag abzuweisen ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

§ 57 Abs. 1 FrG besagt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Nach Abs. 2 ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung weiters unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre.

 

Unter Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen

 

§ 8 AsylG 1997 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit grds. derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005).

 

Im gegenständlichen Fall ist es dem BF nicht gelungen, seine vorgebrachte Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr im Sinne des § 57 FrG iVm § 8 AsylG 1997 im dargestellten Ausmaß glaubhaft zu machen, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 50 Abs 1 iVm § 8 Abs 1 AsylG 1997 zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

 

Wenn auch in der Türkei für den BF eine wirtschaftlich schwierigere Situation als in Österreich besteht, so ist in einer Gesamtbetrachtung, unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers, festzuhalten, dass von einer lebensbedrohenden Notlage in seinem Herkunftsstaat, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des Asylgerichtshofes nicht gesprochen werden kann.

 

Es wäre dem Beschwerdeführer als 35-jährigem, gesunden Mann zumutbar, durch eigene und notfalls auch wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite, zB. Eltern, 3 Geschwister, Onkel, etc.- erforderlichenfalls unter Anbietung seiner gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung - jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer 'Schatten- oder Nischenwirtschaft' stattfinden. Auf kriminelle Aktivitäten wird hiermit nicht verwiesen.

 

Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 67 AsylG 2005 zB. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in der Türkei gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten

geholfen(http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und-vertretung/rueckkehrhilfe/).

 

Im Rahmen des Projekts ERSO (European Reintegration Support Organisations), einer Kooperation von zwölf europäischen NGOs, findet auch nach der Rückkehr ein entsprechendes Monitoring statt (www.project-erso.eu).

 

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

 

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für zulässig zu erklären, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt II. abzuweisen.

 

III. Im gegenständlichen Fall ist im Gegensatz zu Art. 3 EMRK Art. 8 nicht vom Prüfungsumfang des § 8 Asylgesetz 1997 in der hier anzuwendenden Fassung erfasst. Erwägungen zu Art. 8 EMRK sind sohin nicht Gegenstand einer Prüfung nach § 8 Asylgesetz 1997; sedes materiae ist erst die Setzung konkreter Maßnahmen zur Außerlandesschaffung durch die Fremdenpolizeibehörden vgl. VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0225-6).

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, non refoulement, soziale Verhältnisse
Zuletzt aktualisiert am
02.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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