D4 316832-1/2008/5E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und den Richter Dr. KUZMINSKI als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Marianne KIENAST über die Beschwerde der E. A., geb. 00.00.2007, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.12.2007, FZ. 07 10.720-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.10.2008 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und E. A. gemäß §§ 3 und 34 AsylG 2005 i.d.g.F. der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Absatz 5 AsylG 2005 i.d.g.F wird festgestellt, dass E. A. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang:
Die minderjährige Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation wurde am 00.00.2007 in Österreich als Tochter der Asylwerberin T. L., geb. 00.00.1981 und des Asylwerbers R. A., geb. 00.00.1978 geboren und stellte am 19.11.2007 durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin einen Asylantrag.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.12.2007, FZ. 07 10.720-BAT, wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 19.11.2007 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen, unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und unter Spruchteil III. gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 19.12.2008 erteilt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin fristgerecht Berufung (nunmehr als Beschwerde zu behandeln).
Für die Beschwerdeführerin wurden von der gesetzlichen Vertreterin weder während der erstinstanzlichen niederschriftlichen Einvernahmen noch im Rahmen der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 28.10.2008 eigene Fluchtgründe bekanntgegeben.
II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Senat, wie folgt, festgestellt:
Die Beschwerdeführerin ist die Tochter der T. L., geb. 00.00.1981 und des Asylwerbers R. A., geb. 00.00.1978. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.12.2006 wurde unter Spruchpunkt I. der Asylantrag des Vaters der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl Nr. 101/2003 abgewiesen, unter Spruchpunkt II. festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Israel/besetzte palästinensischen Gebiete gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht zulässig ist und unter Spruchpunkt III. eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Der Asylgerichtshof gab in seinem Erkenntnis vom 10.12.2008, D4 303.876-1/2008 der gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Mutter der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerde gemäß § 7 AsylG 1997 BGBl. I Nr. 101/2003 statt und stellte fest, dass dieser die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
Die soeben angeführten Feststellungen ergeben sich aus den Angaben der Mutter der Beschwerdeführerin sowie aus den Akten der Beschwerdeführerin und ihrer Eltern.
III. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 sind beim Unabhängigen Bundesasylsenat am 01.07.2008 anhängige Verfahren in denen bis zu diesem Zeitpunkt keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, vom dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Asylgerichtshof weiterzuführen.
§ 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 besagt:
Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Gemäß Abs. 5 leg. cit. ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Flüchtling ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung."
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht, (zB VwGH vom 19.12.1995, 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998, 98/01/0262).
Die gesetzliche Vertreterin brachte weder in dem für die Beschwerdeführerin gestellten Antrag noch in den Einvernahmen vor dem Bundesasylamt und Asylgerichtshof eigene Fluchtgründe für diese vor.
§ 34 Abs. 1 AsylG lautet:
"Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist; einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes."
Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.
Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Entscheidungsrelevante Tatbestandsmerkmale sind "die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art 8 MRK", der Umstand, dass dieses Familienleben mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht zumutbar ist und das dem Antragsteller nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art 8 MRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention (vgl. EGMR, Urteil v. 13.6.1997, Fall MARCKX, Ser. A, VOL. 31, Seite 14, § 31).
Nach dem oben zitierten EGMR-Urteil sind sowohl die Beziehungen der Eltern untereinander, als auch jeweils jene zu den Kindern durch Art 8 MRK geschützte familiäre Bande. Bei einer diesbezüglichen Familie ergeben sich die von der MRK-Rechtsprechung zusätzlich geforderten engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander aus ihrem alltäglichen Zusammenleben, gemeinsamer Sorge und Verantwortung füreinander, sowie finanzieller und anderer Abhängigkeit.
Wie den oben getroffenen Feststellungen zu entnehmen ist, ist die Beschwerdeführerin die minderjährige Tochter von T. L., der mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 10.12.2008, D4 303876-1/2008, gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt wurde.
Da der Mutter der Beschwerdeführerin Asyl gewährt wurde und überdies keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Mutter der Beschwerdeführerin ein Familienleben mit der beschwerdeführenden Angehörigen in einem anderen Staat möglich wäre, war der Beschwerdeführerin gemäß § 34 Abs. 2 AsylG Asyl zu gewähren.