TE AsylGH Erkenntnis 2008/12/12 D5 229745-0/2008

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Veröffentlicht am 12.12.2008
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Spruch

D5 229745-0/2008/5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Vorsitzende und den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Beisitzer über die Beschwerde der P.L., geb. 00.00.1955, StA. von Georgien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.6.2002, FZ. 01 26.455-BAT, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Die Beschwerdeführerin, eine georgische Staatsangehörige, reiste ihren Angaben zufolge am 13.11.2001 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag einen Asylantrag. Am 22.1.2002 fand ihre Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, statt. Mit Bescheid vom 13.6.2002, Zahl: 01 26.455-BAT, wies das Bundesasylamt in Spruchteil I. den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 ab und erklärte in Spruchteil II. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Georgien gemäß § 8 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 für zulässig. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am 28.6.2002 fristgerecht eine (als Berufung eingebrachte) Beschwerde.

 

Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 22.1.2002 beim Bundesasylamt gab die Beschwerdeführerin zu ihrem Asylantrag im Wesentlichen Folgendes an:

 

Sie habe Georgien am 8.11.2001 verlassen und sei am 13.11.2001 illegal in Österreich eingereist. Sie hätte lediglich einen georgischen Personalausweis und ein Diplom besessen, wäre aber nie im Besitz eines Reise- oder Binnenpasses gewesen, da sie nie daran gedacht habe, ins Ausland zu fahren. Ihr Personalausweis befinde sich bei ihrer Tochter in R., Georgien. Sie sei seit 31 Jahren, sie glaube seit 1972, verheiratet. Ihr Ehemann lebe bereits in Österreich, sie wisse allerdings nicht, wie er seinen Aufenthalt regle, sie glaube, dass er als Flüchtling aufgenommen sei.

 

Sie habe Georgien verlassen, da dass Innenministerium herausgefunden habe, dass sie Abchasierin wäre. Seit ihr Mann im Jahr 1995 Georgien verlassen habe, habe das Innenministerium bei ihr Hausdurchsuchungen durchgeführt, da man einerseits Unterlagen ihres Sohnes gesucht habe, welcher bereits in die Ukraine ausgewandert sei, und andererseits nach ihrem Ehemann gefragt habe. Bei einer solchen Routineuntersuchung Ende August / Anfang September 2001 sei ihre Geburtsurkunde gefunden worden, auf welcher, auf Grund ihres Mädchennamens T., festzustellen gewesen wäre, dass sie abchasischer Abstammung sei, da dies ein typisch abchasischer Familienname sei. (Warum ihr Mann bei seiner Einvernahme im Jahre 1998 bei ihren Daten einen georgischen Mädchennamen angegeben habe, wisse sie nicht, sie glaube jedoch, dass er sie damit habe schützen wollen.)

 

Sie sei in weiterer Folge beim georgischen Innenministerium vorgeladen worden, wo man ihr verboten habe, die Stadt zu verlassen, da sie noch weitere Male einvernommen werden solle. Ein beim Innenministerium beschäftigter Verwandter habe ihr nach dieser Vorladung geraten, Georgien zu verlassen. Ihre Tochter und ihre Enkelin seien in Georgien geblieben, da die finanziellen Mittel nicht ausgereicht hätten. Sie sei noch nie zuvor in Europa gewesen.

 

Im o.a. Bescheid vom 13.6.2002 stellte das Bundesasylamt zunächst als maßgebenden Sachverhalt fest:

 

Den Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrer Fluchtbegründung sei jede Glaubwürdigkeit abzusprechen. Sie sei nicht Flüchtling iSd Genfer Flüchtlingskonvention. In ihrem Fall sei zum Entscheidungszeitpunkt kein Abschiebungshindernis festzustellen gewesen.

 

Das Bundesasylamt führte sodann im o.a. Bescheid als Beweiswürdigung aus:

 

Die Beschwerdeführerin habe lediglich angegeben, auf Grund ihrer abchasischen Abstammung in Georgien einer Verfolgung ausgesetzt zu sein, dies in weiterer Folge jedoch mit keinerlei konkreten Angaben über diese angebliche Verfolgung glaubhaft machen könne. Ihr gesamtes Vorbringen beruhe nur auf vagen, unkonkreten Aussagen, die darüber hinaus in einem gravierenden Widerspruch zu den Aussagen ihres Ehemannes stehen würden, welcher bei seiner Einvernahme im Jahre 1998 ausgesagt habe, dass ihr Mädchenname M. und nicht T. sei. Es könne zwingend davon ausgegangen werden, dass ein Ehemann den Mädchennamen seiner Frau auf jeden Fall kenne. Ihre diesbezüglichen Erklärungsversuche könnten nur als Ausreden gewertet werden, zumal sich ihre abchasische Herkunft ja nur durch diese einzige Aussage von ihr ableiten ließe, die jedoch von ihrem Ehemann widerlegt worden sei. Darüber hinaus lege die Beschwerdeführerin durch keine konkreten Erlebnisse dar, in welcher Form ihr eine Verfolgung widerfahren sei. Ihrem gesamten Vorbringen sei daher die Glaubwürdigkeit abzusprechen und auf etwaige weitere Unglaubhaftigkeitselemente nicht mehr näher einzugehen gewesen.

 

Bei der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes führte das Bundesasylamt im o.a. Bescheid zu § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 (= Spruchteil I.) insbesondere aus:

 

Wesentliche Voraussetzung für die Asylgewährung sei aber die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung, welche dem Heimatstaat zurechenbar sein müsse, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen, sondern auch eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die Verfolgung bezeichnen würde. Die Beschwerdeführerin sei nicht in der Lage gewesen, dem Glaubwürdigkeitsanspruch des Asylgesetzes gerecht zu werden, weshalb es im gegenständlichen Fall keinesfalls zu einer Asylgewährung und der damit verbundenen Anerkennung als Flüchtling kommen könne. Das Bundesasylamt gelange daher nach eingehender rechtlicher Würdigung zur Ansicht, dass es nicht glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung drohe und sei ihr Asylantrag aus diesem Grund abzuweisen gewesen.

 

In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesasylamt betreffend die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Georgien gemäß § 8 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 (= Spruchteil II.) im Wesentlichen aus:

 

Das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 57 Abs. 2 FrG 1997 sei bereits unter Spruchteil I. geprüft und verneint worden. Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer drohenden Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG sei es erforderlich, dass der Fremde, die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe, durch konkrete, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun habe. Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers beziehe sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen seien und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen könne. Die Gefahr müsse sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und müsse die drohende Maßnahme von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen. Im vorliegenden Fall könne von einer Glaubhaftmachung der Fluchtgründe nicht gesprochen werden, weshalb auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd

 

§ 57 FrG ausgegangen werden könne. Auch aus der allgemeinen Lage im Heimatland der Beschwerdeführerin ergebe sich eine solche Gefährdung nicht. Das Bundesasylamt gelange zur Ansicht, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen würden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefe, in Georgien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, womit festzustellen sei, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung zulässig sei.

 

Gegen diesen o.a. Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 28.6.2002 fristgerecht eine Beschwerde, in der sie die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machte und dies folgendermaßen begründete:

 

Die Einvernahme entspreche nicht der gemäß § 28 AsylG 1997 geforderten besonderen Manuduktionspflicht im Asylverfahren. Die Behörde müsse durch Fragestellung oder in anderer Weise darauf hinwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder ungenügende Angaben ergänzt würden. Hege die Behörde Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen, habe sie diesbezüglich gemäß § 28 AsylG 1997 bzw. § 45 AVG dem Asylwerber Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die belangte Behörde vermeine, gar keinen Sachverhalt feststellen zu müssen, und formuliere lediglich äußerst vage etwaige "Widersprüche" bzw. "Unglaubwürdigkeiten". Hätte die belangte Behörde die im AVG normierten Verfahrensvorschriften eingehalten und der Beschwerdeführerin das notwendige Parteiengehör gewährt, hätte die Beschwerdeführerin die Gelegenheit gehabt, ihre Angaben bezüglich ihrer Flucht zu konkretisieren und diesbezüglich Beweise vorzulegen. Die belangte Behörde ignoriere darüber hinaus Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen sowie der internationalen Medien. Auch übersehe die belangte Behörde, dass nicht unbedingt der Flüchtling selbst Verfolgungshandlungen ausgesetzt sein müsse, sondern auch das, was z.B. Freunden, Verwandten und anderen Angehörigen geschehen sei, die wohl begründete Furcht eines Flüchtlings, auch er werde früher oder später Opfer der Verfolgung, begründen könne. Die belangte Behörde zerlege in der Begründung des bekämpften Bescheides den Sachverhalt in mehrere Teilstücke, unterziehe sie getrennt von einander einer Einzelprüfung und vermeine dann, diesen Einzelteilen fehle der Zusammenhang. Gerade aber die bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft anzustellende Prognose erfordere eine Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt als Gesamtheit. Die belangte Behörde gehe darüber hinaus offensichtlich davon aus, dass Voraussetzung für die Asylgewährung eine bereits erfolgte Verfolgung sei, das AsylG 1997 und die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) hingegen stelle auf die wohlbegründete Furcht, aus Gründen der Rasse, etc. verfolgt zu werden, ab. Die Beschwerdeführerin habe ihre wohlbegründete Furcht vor politischer Verfolgung, vor Verhaftung und Folter ausführlich dargelegt.

 

Sie stelle daher folgende Anträge,

 

den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - bezüglich des Spruchpunktes I. zu beheben und ihr gemäß § 7 AsylG 1997 in Österreich Asyl zu gewähren,

 

den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - bezüglich des Spruchpunktes II. zu beheben und festzustellen, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 8 AsylG nach Georgien unzulässig sei,

 

ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr gem. § 15 AsylG 1997 zu erteilen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Der zuständige Senat des Asylgerichtshofes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

 

Die Beschwerdeführerin hat in der am 22.1.2002 erfolgten niederschriftlichen Einvernahme zu ihrem Asylantrag im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht:

 

Ihr Ehemann habe Georgien aufgrund politischer Verfolgung im Jahr 1995 verlassen. Seit damals seien in regelmäßigen Abständen Mitarbeiter des Innenministeriums zu ihr nach Hause gekommen und hätten diese Hausdurchsuchungen durchgeführt, einerseits um ihren Ehemann ausfindig zu machen und andererseits Unterlagen ihres Sohnes, welcher bereits aus Georgien in die Ukraine fliehen habe müssen, zu finden. Ende August / Anfang September 2001 sei im Zuge einer solchen Hausdurchsuchung ihre Geburtsurkunde gefunden worden, in welcher ihr Mädchenname T. zu lesen gewesen wäre. Dieser Name sei ein typisch abchasischer Name, sodass die georgischen Behörden seit diesem Zeitpunkt über ihre abchasische Abstammung informiert gewesen seien. In weiterer Folge habe man die Beschwerdeführerin zum Innenministerium vorgeladen, wo man ihr verboten habe, die Stadt zu verlassen, da in Zukunft noch weitere Einvernahmen stattfänden. Ein Verwandter habe der Beschwerdeführerin daraufhin geraten, Georgien zu verlassen, was sie am 8.11.2002 auch getan habe. Ihre Tochter und ihre Enkelin seien aus finanziellen Gründen zum damaligen Zeitpunkt nicht mit gereist.

 

Dem Bundesasylamt ist anzulasten, dass es sich in der Begründung des o. a. Bescheides, ausgehend von der Feststellung, dass den Angaben der Beschwerdeführerin zur Fluchtbegründung jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen sei, nicht ordnungsgemäß mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt hat, und zwar aus folgenden Gründen:

 

1.1. Da seitens der Beschwerdeführerin im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 22.1.2002 genügend von den Vorkommnissen in ihrem Herkunftsstaat erzählt wurde, erscheint für den zuständigen Senat des Asylgerichtshofes die Vorgangsweise des Bundesasylamtes nicht nachvollziehbar, sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin an sich nicht auseinanderzusetzen, sondern die Unglaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin lediglich auf einen - nur ihren ledigen Mädchennamen betreffenden - "Widerspruch" zu einer Aussage ihres Ehemannes aus dem Jahr 1998 zu stützen. Die von der Beschwerdeführerin dafür gelieferte Erklärung, ihr Ehemann habe wahrscheinlich im Jahr 1998, als sie sich noch in Georgien befunden habe, zu ihrem Schutz einen (falschen) georgischen Mädchennamen angegeben, ist durchaus denkmöglich und kann nicht einfach - wie vom Bundesasylamt - als "Ausrede" gewertet werden. Daher erweist sich die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes als unschlüssig.

 

1.2. Weiters mangelt es dem o.a. Bescheid an aktuellen Länderfeststellungen zur allgemeinen Situation in Georgien und zum konkreten Vorbringen der Beschwerdeführerin. Das Bundesasylamt hat keine einzige Quelle bzw. keinen einzigen aktuellen Länderbericht zum Vorbringen der Beschwerdeführerin - insbesondere zu ihrer abchasischen Herkunft - herangezogen bzw. entsprechende Feststellungen getroffen, die der Beweiswürdigung und der rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt werden hätten können.

 

Ohne notwendiger Befassung mit entsprechendem Länderdokumentationsmaterial zur Situation der Beschwerdeführerin (als Abchasierin) bei einer etwaigen Rückkehr, war es dem Bundesasylamt aber auch verwehrt, die Frage zu beurteilen, ob die drohende Verfolgungsgefahr asylrelevant sein könnte oder eben nicht.

 

Die auf das mangelhafte Ermittlungsverfahren gestützten - oben bereits genannten - Begründungen des Bundesasylamtes für die Abweisung des Asylantrages der Beschwerdeführerin stellen daher schwere Mängel im o.a. Bescheid dar.

 

1.3. Angesichts obiger Erwägungen ist als maßgebend festzuhalten, dass im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren vor dem Bundesasylamt schwere Mängel aufgetreten sind, die von fehlenden Ermittlungen bis zu mangelhaften Begründungen im erstinstanzlichen Bescheid reichen.

 

2. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich für den zuständigen Senat des Asylgerichtshofes rechtlich Folgendes:

 

2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I Nr. 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1.7.2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, vom Asylgerichtshof (konkret: von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat) weiterzuführen.

 

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren nach leg. cit. gegen einen abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes. Daher ist das Verfahren der Beschwerdeführerin von dem zuständigen Senat des Asylgerichtshofes (D/5) weiterzuführen.

 

2.2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß § 66 Abs. 3 AVG kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

2.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:

 

"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden.

(...)

 

Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als ¿unvermeidlich erscheint'. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. März 2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff ¿mündliche Verhandlung' iSd § 66 Abs. 2 AVG siehe auch die Nachweise im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084).

 

Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.

 

Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichthofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstellen in den Bundesländern erfolgt, während der Unabhängige Bundesasylsenat - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084)."

 

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.10.2006, Zl. 2005/20/0459, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt: "Einem zurückweisenden Bescheid iSd § 66 Abs. 2 AVG muss (demnach) auch entnommen werden können, welche Mängel bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Verfahren vor der Unterbehörde unterlaufen und im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung zu beheben sind (vgl. zum Ganzen zuletzt das Erkenntnis vom 20.4.2006, Zl. 2003/01/0285)."

 

Was für den Unabhängigen Bundesasylsenat bis zum 30.6.2008 zu gelten hatte, gilt nunmehr gleichermaßen für den Asylgerichtshof.

 

2.4. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen; § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Die Verneinung der Flüchtlingseigenschaft mit dem Hinweis auf die Unglaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin könnte im gegenständlichen Fall nach Ansicht des zuständigen Senates des Asylgerichtshofes nur dann das maßgebende Ergebnis einer Prüfung sein, wenn der Beschwerdeführerin damit entgegengetreten werden könnte, dass nach vollständiger Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes keine Umstände zu Tage treten, die auf eine Gefährdung iSd GFK schließen lassen. Nur in dieser Form hätte das Bundesasylamt im gegenständlichen Fall eine abschließende (negative) Glaubwürdigkeitsprüfung in schlüssiger Weise vornehmen können.

 

Das Bundesasylamt hat es unterlassen, "brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen" (VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084; vgl. auch VwGH v. 30.9.2004, Zl. 2001/20/0135), die eine verlässliche Beurteilung ermöglichen würden, ob der Beschwerdeführerin im Fall der Rückkehr nach Georgien asylrelevante Verfolgung droht.

 

Hinsichtlich der gebotenen Ermittlungen zur Situation der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.4.2001, Zl. 99/20/0301, ausgeführt, dass zur Abgrenzung einer konkreten, von einem Asylwerber vorgebrachten Fluchtgeschichte zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat eine - je nach Fall unterschiedliche detaillierte - Ermittlung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat notwendig sei. Darüber hinaus erweise sich die Ermittlung dieser Situation auch im Bereich der Feststellung nach § 8 AsylG als unentbehrlich, stelle sie doch den Hintergrund für die Beurteilung der Zulässigkeit einer der dort genannten Rückbringungsmaßnahmen dar (ibid).

 

Aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens fehlt eine ausreichende Beurteilungsgrundlage. Da für die Lösung der Frage, ob die Beschwerdeführerin der Gefahr einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt ist, die Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens notwendig ist, hätte es im konkreten Fall jedenfalls weitergehender Ermittlungen zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, insbesondere zu ihrer abchasischen Herkunft, bedurft.

 

Folglich ist das Ermittlungsverfahren betreffend die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin mangelhaft geblieben und erweisen sich auch die darauf gestützten Begründungen im o.a. Bescheid als mangelhaft. Die aufgezeigten Mängel sind wesentlich, weil vorweg nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Vermeidung der Mängel zu einem für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis hätte führen können.

 

Fest steht, dass das Bundesasylamt den Sachverhalt im gegenständlichen Fall so mangelhaft ermittelt hat, dass die Durchführung oder Wiederholung einer Einvernahme unvermeidlich erscheint.

 

Der zuständige Senat des Asylgerichtshofes ist der Ansicht, dass die schweren Mängel vom Bundesasylamt zu sanieren sind, da im gegenteiligen Fall der Großteil des Ermittlungsverfahrens vor dem Asylgerichtshof als gerichtliche Beschwerdeinstanz verlagert würde und somit - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - der zweiinstanzliche Verfahrensgang unterlaufen würde.

 

Aus den dargelegten Gründen ist gemäß § 66 Abs. 2 AVG der o.a. Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückzuverweisen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
29.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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