GZ. E11 312.807-2/2008-5E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. KINZLBAUER als Vorsitzenden und der Richterin Dr. ZOPF als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Birngruber über die Beschwerde der B. alias G.A. alias I., geb. am 00.00.1972 alias 00.00.1970, StA. Armenien alias Aserbaidschan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.10.2008, FZ. 07 03.144-BAI, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige aus Armenien, stellte am 30.03.2007 bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
Nach ihren Ausreisegründen befragt brachte sie vor, dass ein Verbleib in ihrem Heimatland wegen ihres geschiedenen Mannes lebensgefährlich sei. Weil ihr Asylantrag in Deutschland negativ entschieden worden sei, sei sie 2004 von Deutschland nach Frankreich gereist, wo sie sich bis 18.12.2006 aufgehalten habe. Sie habe zwar eine Aufenthaltsgenehmigung bis August 2007 besessen, befürchtete aber wegen ihrer falschen Angaben zum Asylantrag abgeschoben zu werden, weshalb sie Frankreich frühzeitig verlassen habe. Bei einer Rückkehr nach Armenien befürchte sie, von den Feinden ihres geschiedenen Ehemannes getötet zu werden.
Ein am 2.4.2007 durchgeführter Abgleich der Fingerabdrücke der Beschwerdeführerin mit dem Eurodac-System ergab einen Eurodac-Treffer bezüglich Frankreichs (AS 39).
Am 5.4.2007 wurde der Beschwerdeführerin eine "Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG" ausgefolgt, der zufolge beabsichtigt sei, den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz zurückzuweisen; unter einem wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass seit 5.4.2007 "Dublin Konsultationen" mit Frankreich geführt werden. Am 5.4.2007 richtete das Bundesasylamt an Frankreich ein Ersuchen um Aufnahme der Beschwerdeführerin, welches am selben Tag elektronisch zugestellt wurde. Am 16.4.2007 langte beim Bundesasylamt die Zustimmungserklärung Frankreichs ein, die Beschwerdeführerin gemäß Art. 9.1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II-VO) wieder aufzunehmen.
Die BF wurde in weiterer Folge am 24.4.2007 von einem Organwalter in der Erstaufnahmestelle West in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die armenische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie im Wesentlichen an, 1994 nach Deutschland gereist zu sein, um dort um Asyl anzusuchen. Nach neunmonatigem Aufenthalt sei sie nach Armenien zurückgekehrt, sei vier Monate in ihrem Heimatstaat verblieben und sei 1995 abermals nach Deutschland gereist. Am 15.3.2004 habe sie in Deutschland eine "Abschiebedrohung" erhalten und sei nach Frankreich gereist, wo sie unter einem falschen Angaben zu ihrer Identität sowie falscher Fluchtgründe abermals einen Asylantrag gestellt habe. Aus Angst wegen ihrer falschen Angaben verklagt zu werden habe sie Frankreich am 18.12.2006 verlassen und sei illegal in ihren Heimatstaat zurückgekehrt. Dort sei sie von den Männern, die sie schon seit zehn Jahren verfolgt hätten, gefunden worden. Weil sie den Aufenthaltsort ihres mittlerweile geschiedenen Ehemannes nicht bekannt geben hätte können, sei sie geschlagen und ihre jüngste Tochter sei entführt worden. Ihr Onkel hätte den Männern Geld versprochen und dass er den Ex-Ehemann der BF zu ihnen bringen werde.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.5.2007, Zahl 07 03.144-EAST-West, wurde dieser Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 AsylG zurückgewiesen und weiter festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Frankreich zuständig sei. Gleichzeitig wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 4 AsylG die Ausweisung der Beschwerdeführerin nach Frankreich verfügt. Gegen diesen Bescheid erhob die BF durch ihren rechtlichen Vertreter fristgerecht Berufung.
Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.6.2007, Zahl 312.807-1/2E-XVIII/59/07 wurde der Berufung gemäß § 41 Abs. 3 AsylG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
Die BF wurde in weiterer Folge am 26.3.2008 [das Datum ergibt sich aus Seite 10 des erstinstanzlichen Bescheides (AS 2031)] und am 26.6.2008 von einem männlichen Organwalter des Bundesasylamtes unter Beiziehung eines männlichen Dolmetschers für die armenische Sprache und der Anwesenheit ihres rechtlichen Vertreters einer ergänzenden Einvernahme unterzogen. Sie brachte dabei im Wesentlichen zusammengefasst vor, einige Tage nach ihrer Rückkehr von Deutschland Ende 1995 sei ihr Ehemann von unbekannten Männer bedroht und aufgefordert worden, $ 5.000 zu zahlen, ansonsten würden sie einen Brief der deutschen Behörden, woraus hervor gehe, dass ihr Mann in Deutschland einen Diebstahl begangen habe, an die Polizei weiter leiten. Um ihre Drohung Nachdruck zu verleihen, hätten die Männer eine ihrer Töchter mit genommen. Ein Cousin namens "N." habe ihrem Mann Waffen im Wert von $ 25.000 überlassen, damit er sie verkaufen könne um damit die geforderte Summe von § 5.000 zu bezahlen. Während der Abwesenheit ihres Mannes sei "N." mit unbekannten Männern zu ihr nach Hause gekommen und habe sich nach dem Aufenthaltsort ihres Mannes erkundigt. Sie habe den Männern ihre Unkenntnis über den Aufenthaltsort ihres Mannes mitgeteilt und weil ihr kein Glauben geschenkt worden sei, sei sie von ihnen bedroht, geschlagen und anschließend von zwei Männern vergewaltigt worden. Bei der Rückkehr ihres Mannes habe sie ihm ihre Erlebnisse berichtet und im selben Moment seien diese Männer aufgetaucht und hätten ihr mit einer nochmaligen Vergewaltigung gedroht, wenn sie nicht den Aufenthaltsort ihres Mannes bekannt gebe. Daraufhin habe ihr Mann - der sich hinter einer Tür versteckt gehalten hätte - die Männer erschossen und sie ihm Hohlraum des Klappsofas versteckt. Nachdem sie die geforderte Summe bezahlt hätten, sei ihre Tochter frei gelassen und ihnen samt einer Kopie des Briefes übergeben worden. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland habe sich ihr Mann scheiden lassen. Sie habe von einem anderen Mann zwei Kinder bekommen, zu diesem aber keinen Kontakt mehr. Nachdem ihr die Abschiebung aus Deutschland gedroht habe, sei sie nach Frankreich gereist, wo ihre Asylanträge zweimal abgelehnt worden seien, aber ihr ein Bleiberecht zugesprochen worden sei. Dort seien ihre Kinder von anderen Kindern muslimischen Glaubens geschlagen worden. Aufgrund der Erhebungen der französischen Asylbehörden seien ihre dort gemachten falschen Angaben zu Tage getreten, weshalb sie aus Angst Frankreich verlassen habe und illegal nach Armenien eingereist sei. Nachdem sie zwei Monate unbehelligt bei einer Freundin gewohnt habe, seien Mitte Februar 2007 vier Männer gekommen, wobei sie einen erkannt habe. Dieser sei schon beim Übergriff Ende 1995 dabei gewesen, habe sie damals zwar nicht vergewaltigt, aber geschlagen. Nachdem sie den Männern den Aufenthaltsort ihres Ex-Ehemannes nicht mitteilen hätte können, sei sie zuerst zusammen geschlagen worden und einer habe sie danach vor den Augen ihrer Freundin vergewaltigt. Danach hätten sie ihre jüngste Tochter mitgenommen und hätten ihr gedroht, diese zu vergewaltigen, wenn sie ihnen nicht den Aufenthaltsort ihres Ex-Ehemannes bekannt gebe. Ihr Onkel habe ihr geholfen, indem er den Männern die Auslieferung ihres Ex-Ehemannes versprochen habe, ihre Tochter wieder zu bekommen und sie zur Ausreise animiert. Nachdem der Onkel sein Versprechen nicht halten hätte können, sei er von den Männern geschlagen worden und sei mittlerweile seinen Verletzungen erlegen.
Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 7.10.2008, Zahl: 07 03.144-BAI, gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt (Spruchpunkt III.).
Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der BF aufgrund gravierender Widersprüchlichkeiten sowie Unplausibilitäten als unglaubwürdig. Die Angaben vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge 1996 und vor dem Verwaltungsgericht 2001 zum Tathergang, zur Geldsumme und den Tätern sei mit ihren nunmehrigen Angaben nicht in Einklang zu bringen. Auch sei der Scheidungsgrund divergierend geschildert worden. Unplausibel sei, dass trotz der lautstarken Auseinandersetzung zwischen dem nunmehrigen Ex-Ehemann und den unbekannten Männern, sowie der Hilferufe der Tochter keine der Nachbarn die Polizei informiert habe. Nicht nachvollziehbar sei, dass sich der Ehemann der BF das Geld nicht von ihrem Onkel oder seinem Cousin ausgeliehen habe, sondern stattdessen ohne Hintergrundwissen Waffen verkauft habe. Obwohl der Ehemann ein guter Geschäftsmann gewesen wäre, habe er bei dem Waffenverkauf ein Minus von $ 5000 erwirtschaftet. Das deutsche Schreiben sei nicht für eine Verfolgung bzw. eine Erpressung geeignet gewesen, da es sich dabei bloß um eine Mitteilung über die Einstellung eines Verfahrens gehandelt habe. Das die BF weder die Adresse ihres Onkels noch den Familienname und die Adresse ihrer Freundin kenne, indiziere die Unglaubwürdigkeit ihres Vorbringens.
Ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG hätte nicht festgestellt werden können. Gründe die eine Ausweisung unzulässig erscheinen lassen würde, seien nicht hervor gekommen.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 21.10.2008 innerhalb offener Frist Berufung [jetzt Beschwerde] erhoben. Im Wesentlichen wurde nach Darlegung allgemeiner rechtlicher und sonstiger Ausführungen vorgebracht, dass aufgrund der Auslastung der Caritas es nicht möglich sei, die Beschwerde inhaltlich zu konkretisieren, weshalb eine mündliche Verhandlung beantragt werde. Die Behörde habe es unterlassen, die BF mit ihren Widersprüchen zu konfrontieren. Obwohl sie einen Eingriff in ihre sexuelle Selbstbestimmung vorgebracht habe, sei sie von einem männlichen Organwalter einvernommen worden, weshalb sie ersuche, dass sich mit ihrer Beschwerde eine Frau beschäftige. Die Länderfeststellungen der Behörde seien veraltet und unvollständig, weshalb der mündlichen Verhandlung ein Sachverständiger beizuziehen sei. Bei einer Abschiebung sei sie sofort der Gefahr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt.
Mit Schreiben vom 4.12.2008 wurde das BAA ersucht, den Leiter der Amtshandlung am 26.3.2008 bekannt zu geben. Mit Mail vom 9.12.2008 wurde als Leiter der Amtshandlung ADir E. genannt.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.
III. Rechtliche Beurteilung
Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:
(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:
Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.
Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.
Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
2. [.....]
(2) [.....]
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
[......]
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], wenn der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann der AsylGH [Berufungsbehörde] jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
Auch der AsylGH ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084 zur Anwendbarkeit von § 66 (2) AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat). Eine kassatorische Entscheidung darf vom AsylGH nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Das erkennende Gericht hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH v. 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" i. S.d. § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084).
Im Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, welches sich auf den Unabhängigen Bundesasylsenat bezog und aufgrund der identischen Interessenslage in Bezug auf den AsylGH ebenbfalls seine Gültigkeit hat, führte der VwGH zur Frage der Gesetzmäßigkeit der Ermessungsübung im Sinne des § 66 Abs. 2 und 3 AVG folgendes aus:
"Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.
Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstelle in den Bundesländern erfolgt, während der unabhängige Bundesasylsenat - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch zu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl.2000/20/0084)."
Auch wenn der AsylGH eine Außenstelle in Linz einrichtete, ist auszuführen, dass aufgrund des organisatorischen Aufbaues des AsylGH und des Bundesasylamtes, sowie aufgrund des Aufenthaltsortes des BWs und der Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes eine Weiterführung des Verfahrens durch den AsylGH im Sinne des § 66 (3) AVG nicht mit einer Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
Aus § 20 Abs. 1 AsylG ergibt sich, dass Asylwerber, die ihre Furcht vor Verfolgung (Art. 1. Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) auf Eingriffe in ihre sexuelle Selbstbestimmung gründen, von Organwaltern desselben Geschlechtes einzuvernehmen sind, es sei denn, dass sie anderes verlangen, wobei sie vom Bestehen dieser Möglichkeit nachweislich in Kenntnis zu setzen sind.
Zunächst ist im Zusammenhang mit der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin auf einschlägige Beschlüsse des Exekutiv-Komitees für das Programm des UNHCR zu verweisen, insbesondere auf den Beschluss Nr. 64 (XLI) aus 1990 über Flüchtlingsfrauen und internationalen Rechtsschutz, gemäß dessen lit. a Abschnitt iii die Staaten aufgefordert werden, wo immer dies notwendig ist, ausgebildete weibliche Anhörer in den Verfahren zur Feststellung des Flüchtlingsstatus zur Verfügung zu stellen, um den entsprechenden Zugang der weiblichen Asylsuchenden zu diesen Verfahren zu sichern. Vergleichbares ist in Punkt 28 der Entschließung des Rates vom 20.6.1995 über Mindestgarantien für Asylverfahren festgehalten, wo es heißt, dass es die Mitgliedstaaten anstreben, erforderlichenfalls in Asylverfahren qualifizierte weibliche Bedienstete und weibliche Dolmetscher zu beteiligen, insbesondere wenn Asylwerberinnen aufgrund der erlebten Ereignisse oder ihrer kulturellen Herkunft Schwierigkeiten haben, ihre Antragsgründe umfassend darzulegen. Diesen internationalen Dokumenten sollten schon die Vorgängerbestimmungen des § 20 Abs. 1 AsylG, d.i. beispielsweise die Regelung des § 27 Abs. 3 letzter Satz AsylG (idF BGBl. I Nr. 126/2002) Rechnung tragen, der bestimmt, dass Asylwerber die ihre Furcht vor Verfolgung auf Eingriffe in ihre sexuelle Selbstbestimmung gründen, von Organwaltern desselben Geschlechts einzuvernehmen sind (vgl. die ausdrückliche Bezugnahme auf den Beschluss des Exekutiv-Komitees für das Programm des UNHCR in den ErläutRV zu § 27, 686 BlgNr. 20 GP 27; siehe auch VwGH 3.12.2003, Zl. 2001/ 01/0402; VwGH 22.11.2005, Zl. 2005/01/0285; u. a.). § 24 b Abs. 2 AsylG idF BGBl I Nr. 101/2003 ist die Nachfolgebestimmung zu § 27 Abs. 3 letzter Satz AsylG idF BGBl I Nr. 126/2002.
Im gegenständlichen Fall wäre es somit erforderlich gewesen, dass die Beschwerdeführerin von einer weiblichen Referentin zu ihren Fluchtgründen befragt worden wäre. Warum die Erstbehörde eine rechtsunrichtige Vorgehensweise getroffen hat, ist insbesondere unter Beachtung des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin bereits bei ihrer ersten Einvernahme vor dem BAA am 26.03.2008 die erlittene Vergewaltigung schilderte, nicht nachvollziehbar.
Rechtsrichtigerweise hätte - da die Erstbehörde bei der Zuteilung des Verfahrens an den jeweiligen Referenten bereits in Kenntnis von dem Vorbringen des sexuellen Eingriffs war - jedenfalls eine Zuteilung an eine weibliche Referentin zu erfolgen gehabt.
Das die Beschwerdeführerin im Zuge ihrer beiden Einvernahmen von dem männlich einvernehmenden Bediensteten darauf aufmerksam gemacht wurde, dass sie die Möglichkeit habe, von einer weiblichen Referentin einvernommen zu werden, ist aus dem Verwaltungsakt nicht ersichtlich.
Ebenso ist aus dem Verwaltungsakt ersichtlich, dass der bei der Einvernahme anwesende Dolmetscher dem männlichen Geschlecht angehört. Nach der hier einschlägigen Judikatur des VwGH - zwar zur Vorgängerbestimmung des § 20 Abs. 1 AsylG 2005, diese ist aber wegen der gleichbleibenden Wortwahl noch immer aktuell - ist für den Fall, dass ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung auf einen Eingriff in seine sexuelle Selbstbestimmung gründet, die Beiziehung eines Dolmetschers desselben Geschlechtes erforderlich:
"Dass sich darüber hinaus in den von der genannten Bestimmung erfassten Konstellationen in allen Stadien des Asylverfahrens auch die Beiziehung eines Dolmetschers gleichen Geschlechts als geboten erweist, versteht sich bei verständiger Würdigung dieser Vorschrift nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes von selbst, weil nur insoweit dem von § 27 Abs. 3 letzter Satz AsylG verfolgten Zweck (Abbau von Hemmschwellen) adäquat Rechnung getragen werden kann (siehe zur Problematik umfassender UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz: Geschlechtsspezifische Verfolgung im Zusammenhang mit Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Punkt 36, wiedergegeben in NVwZ-Beilage I 2003, 69; vgl. auch Feller/Türk/Nicholson (Hrsg.), Refugee Protection in International Law (2003) 349 f mwN.)." (vgl. VwGH E. v. 03.12.2003, 2001/01/0402).
Die Vernehmung der Beschwerdeführerin wurde jeweils von einem männlichen Organwalter des BAA unter Beiziehung eines Dolmetschers männlichen Geschlechts vorgenommen. Damit konnte aber dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck (Abbau von Hemmschwellen) nicht adäquat Rechnung getragen werden. Insoferne erfolgte die Sachverhaltsermittlung durch die Erstbehörde - unter Missachtung dieser Verfahrensvorschrift - mangelhaft.
Überdies stützt sich der angefochtene erstinstanzliche Bescheid letztlich im Wesentlichen darauf, dass das Vorbringen der Antragstellerin zu ihren Fluchtgründen nicht glaubhaft sei. Diese Wertung ist aber aufgrund oberflächlicher Befragung (durch eine Person des anderen Geschlechts) - ohne detailliert die behaupteten Umstände zu erhellen - nicht möglich.
Ferner hat sich die Erstbehörde nicht in der erforderlichen Weise dahingehend auseinandergesetzt, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Einvernahme am 26.03.2008 vorgebracht hat, dass sie Ende 1995 von Deutschland nach Armenien zurückgekehrt seien (AS 1861), während der Sohn der BF, H. alias G.H. alias V. (AZ 07 03.147-BAI, GZ E11 312.808-2/2008) in seiner Einvernahme am 20.08.2008 vor dem BAA angab, dass er im Alter von drei Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen sei und sie dort ca. zehn Jahre geblieben seien (AS 1971 zu AZ 07 03.144-BAI, GZ E11 312.807-2/2008). Das BAA hat es unterlassen, die BF unter Verweis auf diesen Widerspruch näher zu befragen um diesen Umstand zu erhellen, zumal es im kurzen Aufenthalt in der Heimat zu den Übergriffen gekommen ist, welche kausal für die abermalige Ausreise aus Armenien und die neuerliche Asylantragstellung waren.
Im gegenständlichen Fall wurde der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht im erforderlichen Ausmaß ermittelt. Es wird daher Sache des Bundesasylamtes sein, die gebotenen Ermittlungstätigkeiten im bereits erörterten nachzuholen.
So wäre das BAA dazu verhalten gewesen eine weitere Befragung der BF bzw. eine Konfrontation der BF mit dem Vorbringen ihres Sohnes durchzuführen.
Es sind sohin von der Erstbehörde die diesem Bescheid zugrunde gelegten Anweisungen zu treffen, dh. insbesondere eine neuerliche Einvernahme durch ein Organ weiblichen Geschlechts im Beisein einer weiblichen Dolmetscherin und konkrete Befragung der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die behaupteten Fluchtgründe im Zusammenhang mit dem sexuellem Eingriff und Erörterung all dieser Feststellungen mit der Beschwerdeführerin im Zuge einer neuerlichen Einvernahme. Anschließend ist ein nachvollziehbarer Bescheid unter Einbeziehung des § 19 Abs. 2 AsylG auf Basis des neuerlichen Ermittlungsverfahrens zu erlassen.
Ausgehend von den zuvor genannten Überlegungen und angesichts der offensichtlichen Mangelhaftigkeit des Verfahrens war im vorliegenden Fall das dem Unabhängigen Bundesasylsenat gem. § 66 Abs. 2 und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht der Beschwerdeführerin gegen eine Kassation des erstinstanzlichen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.
Die Rechtssache war daher spruchgemäß an die Behörde erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Erstbehörde wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten Verfahrensschritte nachzuholen haben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.