TE Vwgh Erkenntnis 2001/4/26 2000/20/0387

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Veröffentlicht am 26.04.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/04 Sprengmittel Waffen Munition;

Norm

AVG §39 Abs2;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §25;
WaffG 1996 §8 Abs6 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs6 Z2;
WaffG 1996 §8 Abs6;
WaffV 02te 1998 §4 Abs3;
WaffV 02te 1998 §4 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des Dipl. Ing. GL in Graz, vertreten durch Dr. Helmut Klement und Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 29/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 21. Juli 2000, Zl. WA 91/1-2000, betreffend Entziehung des Waffenpasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 3 in Verbindung mit § 8 Abs. 6 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (im Folgenden: WaffG), der von der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung mit der Nr. 032638 ausgestellte Waffenpass entzogen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, es stehe fest, dass auf Grund einer behördlichen Anordnung gemäß § 25 WaffG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 der 2. Waffengesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 313/1998 (im Folgenden: 2. WaffV), von einem Sicherheitswachebeamten eine Überprüfung der Verlässlichkeit des Beschwerdeführers vorgenommen werden sollte. Der Beschwerdeführer habe im Zuge dieser Überprüfung am Eingang seines Hauses mitgeteilt, dass er nicht gewillt sei, den Zugang zu seinem Wandtresor, wo auch die Waffe verwahrt werde, zu ermöglichen. Daraufhin sei der Beschwerdeführer auf die Folgen seines Verhaltens aufmerksam gemacht worden, was er mit der Bemerkung "es sei ihm wurscht" beantwortet habe. Die Überprüfung des Waffenpasses habe vor dem Haus des Beschwerdeführers stattgefunden. Es sei sohin die Feststellung des für die Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhaltes aus Gründen, die in der Person des Beschwerdeführers gelegen seien, nicht möglich gewesen. Gemäß § 8 Abs. 6 Z 1 WaffG gelte als solcher Grund jedenfalls, wenn der Betroffene sich anlässlich der Überprüfung seiner Verlässlichkeit weigere, der Behörde Waffen, die er nur auf Grund der nach diesem Bundesgesetz ausgestellten Urkunde besitzen dürfe, samt den dazu gehörigen Urkunden vorzuweisen. Da sich der Beschwerdeführer geweigert habe, "die Waffen bzw. deren Verwahrung" dem Organ der Behörde vorzuweisen, gelte er waffenrechtlich als unverlässlich, weshalb ihm der Waffenpass zu entziehen gewesen sei.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der in Rede stehende Waffenpass (nur) für eine Faustfeuerwaffe ausgestellt wurde (Blatt 7 des Verwaltungsaktes).

Der Beschwerdeführer tritt den genannten Feststellungen der belangten Behörde nur insoweit entgegen, als er den Zutritt zu seinem Haus unter Erfüllung der Bedingung, dass die überprüfenden Organe (gemeint: das überprüfende Organ) ihre (seine) äußerst verschmutzten Schuhe ausziehe(n), zugelassen habe. Er habe sich daher "nicht im eigentlichen Sinne geweigert", eine Überprüfung der Verwahrung der Waffe zuzulassen, da gemäß § 4 Abs. 4 der

2. WaffV die Überprüfung ohne jegliche nicht unumgänglich nötige Belästigung oder Störung des Betroffenen vorzunehmen sei. Nur weil das Behördenorgan seinem Ersuchen nicht nachgekommen sei, habe es die Kontrolle nicht vornehmen können.

Der Tatbestand des § 8 Abs. 6 Z 2 WaffG sei nicht erfüllt, da dieser Gesetzesbestimmung zufolge ein Mensch nur dann als waffenrechtlich nicht verlässlich gelte, wenn er sich anlässlich einer Überprüfung seiner Verlässlichkeit weigere, der Behörde die sichere Verwahrung der in Z 1 dieser Bestimmung genannten Waffen nachzuweisen, "obwohl auf Grund bestimmter Tatsachen Zweifel daran bestehen, dass er die Waffen sicher verwahrt". Tatsachen, die solche Zweifel begründeten, hätten sich nach den von der Behörde getroffenen Feststellungen nicht ergeben.

§ 8 Abs. 1 und Abs. 6 WaffG lauten:

"(1) Ein Mensch ist verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er

1.

Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;

2.

mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;

              3.              Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.

...

(6) Schließlich gilt ein Mensch als nicht verlässlich, wenn aus Gründen, die in seiner Person liegen, die Feststellung des für die Verlässlichkeit maßgeblichen Sacherhaltes nicht möglich war. Als solcher Grund gilt jedenfalls, wenn der Betroffene sich anlässlich der Überprüfung seiner Verlässlichkeit weigert, der Behörde

1. Waffen, die er nur auf Grund der nach diesem Bundesgesetz ausgestellten Urkunde besitzen darf, samt den zugehörigen Urkunden vorzuweisen;

2. die sichere Verwahrung der in Z 1 genannten Waffen nachzuweisen, obwohl auf Grund bestimmter Tatsachen Zweifel daran bestehen, dass er die Waffen sicher verwahrt."

Der angefochtene Bescheid leitet die fehlende waffenrechtliche Verlässlichkeit des Beschwerdeführers aus § 8 Abs. 6 WaffG ab, der dem Betroffenen eine Mitwirkungsverpflichtung bei der Feststellung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit auferlegt. Ist die Feststellung des für die Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhaltes aus Gründen des von der Überprüfung Betroffenen nicht möglich, so folgt aus § 8 Abs. 6 erster Satz WaffG die unwiderlegliche Rechtsvermutung der waffenrechtlichen Unverlässlichkeit.

Im Anschluss an diese - allgemeine - Vorschrift sind in § 8 Abs. 6 Z 1 und 2 WaffG Sachverhalte angeführt, die "jedenfalls" als solche Gründe gelten. Die Behörde ist nach dem erkennbaren Sinn der Regelung nicht gehalten, die verweigerte Erfüllung dieser besonders geregelten Mitwirkungspflichten durch amtswegige Bemühungen um die Ermittlung der davon betroffenen Sachverhaltselemente auszugleichen.

Die belangte Behörde geht in ihrer Entscheidung über die fehlende waffenrechtliche Verlässlichkeit des Beschwerdeführers zunächst auf § 8 Abs. 6 Z. 1 WaffG ein, meint aber in weiterer Folge, der Beschwerdeführer habe sich geweigert, "die Waffen bzw. deren Verwahrung" dem Organ der Behörde vorzuweisen und geht damit undifferenziert von der Verletzung der in § 8 Abs. 6 Z. 1 und 2 WaffG genannten Mitwirkungspflichten aus.

Soweit sie zugrunde legt, der Beschwerdeführer habe sich geweigert, die Waffen vorzuweisen, kann ihr schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sich nach dem Inhalt der Verwaltungsakten keine Anhaltspunkte dafür finden, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Überprüfung überhaupt aufgefordert worden wäre, die Waffe vorzuweisen. Auch im Erhebungsbogen des einschreitenden Behördenorganes vom 27. Oktober 1999 ist nur von "keine Mitwirkung (Verweigerung der Überprüfung hinsichtlich der Verwahrung)" die Rede. § 8 Abs. 6 Z. 1 WaffG kommt daher als Grundlage für die Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall nicht in Betracht.

Der Tatbestand des § 8 Abs. 6 Z. 2 WaffG setzt, worauf die Beschwerde zutreffend hinweist, nicht nur die Weigerung des Betroffenen, die sichere Verwahrung der dort genannten Waffen nachzuweisen, sondern zusätzlich voraus, dass auf Grund bestimmter Tatsachen Zweifel daran bestehen, dass der Betroffene die Waffen sicher verwahrt. Tatsachen, die einen solchen Zweifel begründen könnten, führt die belangte Behörde aber weder im angefochtenen Bescheid an, noch sind solche aus dem Akteninhalt ersichtlich, sodass im vorliegenden Fall aus der Verwehrung des Zutrittes zum Wandsafe auch kein Verstoß gegen die in § 8 Abs. 6 Z. 2 WaffG besonders geregelte Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers abgeleitet werden kann.

Daraus ist freilich nicht abzuleiten, dass die Behörde etwa nur im Falle des Bestehens von Zweifeln an der sicheren Verwahrung berechtigt wäre, die Überprüfung einer solchen Verwahrung anzuordnen. Gemäß § 4 Abs. 3 der 2. WaffV ist im Zuge der Prüfung der Verlässlichkeit nach § 25 WaffG jedenfalls eine Überprüfung der sicheren Verwahrung des aktuellen Besitzstandes anzuordnen. Fehlt es an bestimmten Tatsachen, die Zweifel an der sicheren Verwahrung im Sinne des § 8 Abs. 6 Z. 2 WaffG begründen könnten, so hat die Behörde in Wahrnehmung ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht auf die Klärung des Sachverhaltes betreffend die Verwahrung der Waffen hinzuwirke. Dass den Betroffenen dabei keine besondere Nachweispflicht trifft, steht einer Verneinung seiner Verlässlichkeit gemäß § 8 Abs. 6 erster Satz WaffG - bei mangelnder Mitwirkung an den Ermittlungen, insoweit sie ohne diese Mitwirkung nicht zum Ziel führen können - nicht entgegen.

Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe sich "nicht im eigentlichen Sinn geweigert", dass sich das überprüfende Organ ein eigenes Bild über die Verwahrung der Waffe verschaffe, sondern er habe vom Behördenorgan lediglich verlangt, die vollständig verschmutzten Schuhe "abzulegen".

Die belangte Behörde ist diesem auch in der Berufung vorgebrachten Einwand nicht weiter nachgegangen, sondern hat ihm ausdrücklich keine Bedeutung zugemessen, weil die Verlässlichkeitsprüfung nach dem WaffG auf "rein objektive Momente" abstelle.

Zu der mit § 8 Abs. 6 erster Satz WaffG im Wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmung des § 6 Abs. 4 WaffG 1986 hielten die Gesetzesmaterialien (vgl. die Erläuterungen der RV 1992 zur Waffengesetznovelle 1994, 848 BlgNR, 18. GP, 6) fest, dass die Mitwirkungsverpflichtung bei der Feststellung der Verlässlichkeit nicht uneingeschränkt, sondern "nur in dem von der Sache her notwendigen Maße" auferlegt werden soll.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Rechtslage ausgesprochen die Verweigerung einer Mitwirkung an der Feststellung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit sei als berechtigt anzusehen, wenn hiefür ausreichende Gründe vorliegen oder dem Betroffenen der Nachweis gelingt, dass die Anordnung der Mitwirkung den Bestimmungen des § 39 Abs. 2 AVG widerstreitet, also unbegründet erfolgt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Mai 1997, Zl. 97/20/0070 und vom 11. Dezember 1997, Zl. 96/20/0282).

§ 4 Abs. 4 der 2. WaffV normiert hinsichtlich der Vornahme der Überprüfung der Verwahrung der Waffe, dass diese ohne jegliche nicht unumgänglich nötige Belästigung oder Störung des Betroffenen vorzunehmen ist. Einer Missachtung dieser Vorschrift kommt bei der Anwendung des § 8 Abs. 6 WaffG grundsätzlich Bedeutung zu (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. Mai 2000, Zl. 99/20/0186, und vom 21. September 2000, Zl. 2000/20/0156).

Die dargestellte Rechtslage zeigt also, dass der vom Beschwerdeführer für den nicht gewährten Zutritt zum Wandsafe angeführte Grund entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid nicht von vornherein "ohne Bedeutung" ist, da ein erheblicher Verschmutzungsgrad des Schuhwerkes des Behördenorganes beim Betreten des Hauses eine nicht unumgänglich nötige Belästigung oder Störung des Betroffenen im vorliegenden Fall bewirken kann.

Da die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage Feststellungen darüber unterließ, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß eine solche Verschmutzung des Schuhwerks des einschreitenden Behördenorgans gegeben war, welche einen ausreichenden Grund hätte bilden können, dem überprüfenden Organ den Zutritt zum Haus des Beschwerdeführers zu verwehren, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. April 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000200387.X00

Im RIS seit

10.09.2001

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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